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ECHT sein - echt SEIN

01.01.2010

Die Liebenseller Mission veranstaltet zweimal im Jahr ein Missionsfest für Freunde und Interessierte. Mit rund 240 Mitarbeitern in 25 Ländern weltweit gehört sie zu den großen evangelischen Missionsgesellschaften in Deutschland.

Prediger bei diesem Fest ist Hans-Peter Reuer. Er ist Skilehrer und Bergführer und zugleich Direktor des Dauernhofes. Dabei handelt es sich um ein christliches Freizeithaus mit integrierter Bibelschule im österreichischen Schlatteneng.

Zwei Arten von Christen: Tun und Sein

Also heute Morgen ehrlich sein: Unter Christen gibt es grundsätzlich zwei Kategorien.

Da sind zum einen die sogenannten Tun-Christen. Diese tun immer etwas. Zum anderen gibt es die sogenannten Sein-Christen, die einfach nur sind.

Der Tun-Christ ist der Aktivist. Er setzt sich für mehr Gerechtigkeit im Land ein, besucht Gefängnisse und die Lebenshilfe, bekommt die Rundbriefe sämtlicher Hilfswerke und arbeitet hart daran, diese Welt zu verändern. Diese Christen zitieren oft den Bibelvers „Was ihr einem meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan“. Für sie gilt: Man muss etwas tun.

Allerdings entstehen manchmal Brüche im Leben dieser Christen. Sie werden müde, auch zornig auf andere Christen, die nicht so viel tun wie sie. Sie sind enttäuscht über andere, und nicht selten brennen sie aus und werden müde im Dienst.

Zum anderen gibt es die sogenannten Sein-Christen. Das sind die Jesus-Kenner. Sie konzentrieren sich darauf, Jesus zu kennen und auf ihn zu schauen. Sie studieren die Schrift, lesen Bücher, beten, fasten, ziehen sich zurück, gehen auf Seminare und Bibelschulen und konzentrieren sich auf Verkündigungen.

Sie zitieren Bibelverse wie „Bleibet in mir, und ich bleibe in euch“ (Johannes 15,4). Diese Sein-Christen nenne ich die sogenannten „Jesus-Einatmer“. Sie atmen Jesus immer ein.

Die Tun-Christen dagegen sind die „Jesus-Ausatmer“. Sie atmen immer nur aus.

Die Balance zwischen Einatmen und Ausatmen

Ihr müsst das mal ausprobieren. Das können wir gleich an einem Test machen. Probiert mal, nur einzuatmen. Versucht es wirklich nur mit dem Einatmen, ohne auszuatmen. Einfach nur einatmen, ein bisschen weiter. Nur einatmen, denn ausatmen ist jetzt nicht erlaubt.

Andererseits können wir auch versuchen, nur auszuatmen. Das ist mal entspannend. Aber jetzt darfst du nur ausatmen. Die Frage ist: Was ist wichtiger – einatmen oder ausatmen?

Ich glaube, du hast ein Problem, wenn du dich nur auf das eine oder das andere konzentrierst. Es hängt sehr von unserer Persönlichkeit, unserer Familie und unserer Kirchenzugehörigkeit ab, in welche Richtung wir eher tendieren.

Dabei geht es überhaupt nicht darum, zu beurteilen, wer biblischer ist oder wer Gott mehr Freude macht. Ich möchte vielmehr darüber nachdenken, was mich daran hindert, einfach in der Gegenwart Gottes zu sein.

In meinem Reisedienst und auch am Dauernhof stelle ich immer wieder fest: Ein großer Prozentsatz von Christen – unabhängig von ihrer Konfession, ob charismatisch oder konservativ – erlebt sein Christsein ungefähr so: Sie sagen, ja, ich bin Christ, schon lange oder auch erst seit kurzer Zeit. Sie sind prinzipiell froh, gerettet zu sein, bei Gott zu sein und ihn zu kennen. Aber es fällt ihnen schwer, mit anderen Leuten über Jesus zu reden. Das ist heute keine Kunst mehr, aber in der Firma, in der Familie oder in der Schule ist es oft schwierig.

Herausforderungen im Alltag eines Christen

Und dann sagt man: „Ich bin so eingespannt in meinem Beruf, in meiner Karriere. Ich habe eine 60-Stunden-Woche, dazu noch eine Frau und Kinder zu Hause, die auch Zeit von mir wollen. Ich komme kaum noch dazu, meine Hobbys oder meinen Sport zu betreiben. Und jetzt soll ich als Christ Gott auch noch zufriedenstellen? Ich soll mich in der Gemeinde einbringen, an Evangelisationen teilnehmen, die Bibel lesen, stille Zeit machen – es wird mir einfach alles zu viel.“

Um ein sinnvolles und freudvolles Leben als Christ zu führen, braucht man zwei Dinge: ein Lied zum Singen und ein Credo, ein Bekenntnis, das man glaubt. Die Frage, die sich stellt, ist: Was läuft schief, wenn ich kein Lied mehr zum Singen habe? Wenn die Fröhlichkeit und die Leichtigkeit in der Nachfolge Jesu einfach verloren gehen?

Ich glaube, wir haben etwas verwechselt – so wie mein Freund. Wir verwechseln eine liebevolle Christusgemeinschaft mit einem Dienstverhältnis. Wir glauben, Christsein sei ein Dienstverhältnis, in dem ich wieder allerhand tun muss, damit ich Gott eine Freude bereite und ein guter Christ bin.

Die wahre Bedeutung des Christseins

Wenn das Christsein für mich zu einer zusätzlichen Belastung im Leben geworden ist, dann habe ich etwas ganz Grundsätzliches missverstanden.

Jesus ruft nicht Menschen, um ihnen zusätzliche Aufgaben aufzubürden und ihr Leben dadurch noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist. Vielmehr ruft Jesus Menschen, um ihnen Leben zu geben.

Im Laufe der Sendung haben Sie ihn bereits kennengelernt: Hans Peter Reuer. Er ist einer der bekanntesten christlichen Redner im deutschsprachigen Raum. Ich freue mich, dass er sich Zeit genommen hat, jetzt kurz mit uns über das Thema „echt sein“ zu sprechen.

Das Gespräch mit Hans-Peter Reuer: Echtheit im Leben

Herr Reuer, sind Sie immer echt oder tragen Sie auch manchmal Masken? Andere Leute bezeichnen mich als echt. Das kann man ja selbst nicht beurteilen, und ich möchte gerne echt sein. Das ist mir ein Anliegen.

Aber Tatsache ist, dass man nicht immer echt sein kann. Das erfordert zum einen die Erwartungshaltung des Anderen und zum anderen manchmal die Situation. Als Bergführer zum Beispiel bin ich manchmal unterwegs mit einer Gruppe, und da herrscht durchaus eine gefährliche Situation, etwa durch Lawinengefahr oder Steinschlag. Dennoch muss ich ruhig sein, denn das ist meine Verantwortung. Man könnte das auch eine Maske nennen.

Aber was heißt denn echt sein? Echt sein heißt zum einen, ehrlich zu sein, natürlich. Zum anderen glaube ich, dass echt sein sehr viel mit Transparenz zu tun hat – dass man transparent lebt vor Gott und vor Menschen. Es genügt nicht zu sagen, man lebt vor Gott, denn das kann jeder sagen. Gott ist manchmal undefinierbar in unserem Denken. Aber vor Menschen echt zu leben heißt, ich verberge nichts. Ich rede über das, was ich bin und tue, und das bewahrt mich, echt zu bleiben.

Warum fällt Echtheit Christen manchmal schwer?

Warum fällt es manchmal gerade Christen so schwer, echt zu sein?

Ich verstehe das nicht ganz, denn gerade Christen sollten die Freiheit haben, echt zu sein. Ich weiß, ich bin von Gott angenommen, geliebt, gewollt und geplant – so, wie er mich haben will. Darum kann ich der sein, der ich bin.

Ich glaube, gerade als Christen, wenn wir verstanden haben, dass wir gewollt und geliebt sind, sind wir frei, der zu sein, der wir sind. Wir müssen keine Masken tragen. Deshalb verstehe ich die Frage oder das Argument manchmal nicht ganz, warum Christen nicht echt sein sollten.

Warum fällt es uns manchmal so schwer, das, was wir sagen, genau mit dem in Übereinstimmung zu bringen, was wir leben? Was ist daran so schwer?

Vielleicht sagen wir Dinge, die wir nicht leben können. Ich würde die Frage anders formulieren: Warum sagen wir Dinge, die wir nicht leben können? Wenn wir nur die Dinge sagen, die wir leben können, brauchen wir keine Schauspieler zu sein.

Manche Menschen haben Angst vor Gott. Ich glaube, sie versuchen, besser zu sein, wenn sie an Gott denken. Das ist sozusagen eine fromme Maske. Warum ist das so, und brauchen wir das wirklich?

Ich glaube, das hat damit zu tun, dass wir immer glauben, uns Liebe verdienen zu müssen. Das bestätigt auch unsere Biografie. Im menschlichen Leben müssen wir Liebe mehr oder weniger verdienen, und das übertragen wir auf Gott.

Das Gewaltige an Christus ist aber, dass er uns unbedingt und ohne Voraussetzungen liebt. Das ist die Freiheit, die ein Christ hat, um im Leben echt leben zu können.

Praktische Tipps für ein echtes Leben

Hätten Sie zum Abschluss des Gesprächs noch ein paar Tipps oder Hilfen, wie man sein Leben wirklich echt leben kann?

Man muss sich natürlich selbst so annehmen, wie man ist. Wenn ich mich selbst nicht annehme, wie ich bin, versuche ich immer, jemand zu sein, der ich nicht bin. Das stammt oft aus einem Minderwertigkeitskomplex, der viele Gründe haben kann.

Darum ist ja das größte Gebot: Du sollst Gott lieben und deinen Nächsten wie dich selbst. Das bedeutet, erst wenn du dich selbst liebst und angenommen hast, so wie Gott dich geschaffen hat, bist du frei, auch echt und ehrlich deinem Nächsten gegenüber zu sein.

Ich würde sagen, eine große und praktische Hilfe ist, transparent zu leben. Wenn es in deinem Leben etwas gibt, das du geheim hältst oder das niemand wissen soll, dann bist du, glaube ich, an dem Punkt unecht, weil du unehrlich bist. Früher oder später kommt das sowieso heraus, und dann muss man echt werden. Das ist meistens schmerzlich, aber auch okay.

Es ist besser, man lernt, transparent zu sein – vor Menschen und vor Gott.

Herr Reuer, vielen Dank für das Gespräch. Ich wünsche Ihnen weiterhin Gottes Segen für Ihr Leben und Ihre Arbeit.

Danke vielmals.