
Fünfter Tag
Das Geheimnis von außergewöhnlicher Heiligkeit.
Ich frage deshalb, ob Sie beten, weil Gewissenhaftigkeit im Gebet das Geheimnis außergewöhnlicher Heiligkeit ist. Es ist unstreitig, dass es große Unterschiede zwischen wahren Christen gibt. Der Abstand zwischen denen in der ersten und der hintersten Reihe in der Armee Gottes ist gewaltig.
Sie kämpfen alle denselben guten Kampf, aber einige kämpfen viel wagemutiger als die anderen. Sie verrichten alle das Werk des Herrn, aber einige tun viel mehr als andere. Sie sind alle Lichter für Gott, doch einige scheinen heller als andere. Sie laufen alle im selben Rennen, aber wie viel schneller kommen manche voran als andere. Sie alle lieben denselben Herrn und Retter, doch manche lieben ihn mehr als andere.
Ich stelle jedem wahren Christen die Frage: Entspricht das nicht der Wahrheit? Liegen die Dinge nicht wirklich so? Einige der Kinder Gottes scheinen seit ihrer Bekehrung nie vorangekommen zu sein. Sie sind wiedergeboren, aber sie bleiben ihr Leben lang Säuglinge. Sie reden immer wieder von derselben alten Erfahrung.
Es fällt ihnen auf, dass in ihnen immer noch derselbe Mangel an geistlichem Verlangen sowie Interesse an irgendetwas außerhalb ihres eigenen kleinen Umfelds vorhanden ist wie vor zehn Jahren. Sie sind Pilger, auf jeden Fall, aber auf die Art und Weise wie die Gibeoniter im Altertum. Ihr Brot ist immer trocken und schimmelig, ihre Schuhe sind alt, und ihre Kleider bleiben abgetragen und zerrissen.
Ich sage das mit Bedauern und Traurigkeit, aber meine Frage richtet sich an jeden wahren Christen: Ist das nicht wahr?
Dann gibt es andere Kinder Gottes, die ständig vorwärtszukommen scheinen. Sie wachsen wie das Gras nach einem Regenfall. Sie wachsen wie Israel in Ägypten und stürmen vorwärts wie Gideon. Auch wenn sie manchmal schwach werden, machen sie weiter.
Sie fügen Gnade um Gnade hinzu, Glauben um Glauben und Stärke um Stärke. Jedes Mal, wenn man ihnen begegnet, scheint ihr Herz gewachsen zu sein und ihr geistliches Wachstum größer und stärker. Jedes Jahr scheinen sie mehr Erkenntnis, mehr Wissen, mehr Glauben und mehr Gefühl in ihrem Glauben zu erlangen.
Ihre guten Werke sind nicht nur ein Beweis für das Vorhandensein ihres Glaubens, sondern sie eifern auch danach. Sie tun nicht nur Gutes, sondern sind unermüdlich im Gutes tun. Sie gehen große Dinge nicht nur an, sondern vollbringen sie auch. Wenn sie scheitern, versuchen sie es noch einmal, und wenn sie fallen, stehen sie schnell wieder auf.
Bei alledem halten sie sich selbst für arme, unfruchtbare Diener und meinen, dass sie gar nichts Besonderes schaffen. Das sind die Menschen, die den Glauben herrlich und hervorragend erscheinen lassen in den Augen anderer. Sie erlangen sogar Lob von den Unbekehrten und werden in höchsten Tönen von den selbstsüchtigen Menschen dieser Welt gelobt.
Es tut gut, ihnen zu begegnen, mit ihnen zusammen zu sein oder ihnen zuzuhören. Wenn man sie trifft, könnte man glauben, dass sie, so wie Mose, gerade aus der Gegenwart Gottes kommen. Wenn sie wieder auseinandergehen, empfinden die Menschen durch ihre Gesellschaft eine Warmherzigkeit, die ihnen das Gefühl gibt, als hätte ihre Seele nahe einem Feuer verbracht.
Ich weiß, dass solche Menschen eine Seltenheit sind. Ich kann nur fragen: Ist es nicht so?
Was für eine Erklärung! Haben wir für die Unterschiede, die ich gerade beschrieben habe, eine Erklärung? Was ist der Grund dafür, dass manche Gläubige so viel strahlender und heiliger sind als andere?
Ich glaube, dass in neunzehn von zwanzig Fällen der Grund in der unterschiedlichen Handhabung des persönlichen Gebets zu finden ist. Ich denke, diejenigen, die keine außerordentliche Heiligkeit vorweisen können, beten nur wenig. Im Gegensatz dazu beten die, die von außerordentlicher Heiligkeit sind, viel.
Ich nehme an, dass sich einige Leser durch meine Meinung erschrecken. Ich habe keinen Zweifel, dass außerordentliche Heiligkeit von vielen als eine besondere Gabe gesehen wird, auf die nur wenige Anspruch erheben können. Sie bewundern sie aus der Ferne in Büchern und finden es wundervoll, wenn sie so etwas in ihrer Nähe erleben können. Aber sie kommen nie auf die Idee, dass dies nicht nur ein erreichbares Ziel für wenige ist. Kurz gesagt betrachten sie das Ganze als ein Monopol, das nur einigen bevorzugten Gläubigen vorbehalten ist, aber ganz bestimmt nicht für jeden.
Nun, ich glaube, dass dies ein höchst gefährlicher Fehler ist. Ich bin überzeugt, dass sowohl geistliche wie auch natürliche Vorzüglichkeit in hohem Maße vom treuen Gebrauch der Möglichkeiten abhängt, die jedem zur Verfügung stehen. Natürlich sage ich nicht, dass wir ein Recht darauf hätten, eine an Wunder grenzende Zuteilung von intellektuellen Gaben zu erwarten. Ich sage aber, dass, sobald ein Mensch zu Gott bekehrt ist, sein Vorwärtskommen in der Heiligung in dem Verhältnis stehen wird, wie gewissenhaft er die von Gott gegebenen Mittel gebraucht.
Und ich behaupte getrost, dass das bedeutendste Mittel, durch das die meisten Gläubigen zu herausragenden Größen in der Gemeinde Christi wurden, die Gewohnheit des persönlichen Gebets war. Studieren Sie das Leben der herrlichsten und besten Diener Gottes, ob aus der Bibel oder sonst. Lesen Sie über Mose und David, Daniel und Paulus.
Prüfen Sie, was über Luther, Bradford und die Reformatoren berichtet wird. Beachten Sie den Zusammenhang von Whitfield, Cecil, Venn, Biggersted und McChaney in ihrer persönlichen Anbetung. Nennen Sie mir einen aus der Gemeinschaft der Heiligen und Märtyrer, bei dem diese Eigenschaft nicht vorrangig vorhanden war. Sie waren Männer des Gebets.
Verlassen Sie sich darauf: Gebet ist Macht. Gebet beinhaltet ein reines und ständiges Durchdringen des Geistes. Er alleine ist es, der das Werk der Gnade im Herzen eines Menschen beginnt. Nur er kann es vorantreiben und wachsen lassen.
Aber der gute Geist liebt es, gebeten zu werden, und diejenigen, die am meisten von ihm erbitten, werden am meisten seinen Einfluss spüren. Gebet ist das beste Gegenmittel gegen den Teufel und anhaltende Sünden. Eine Sünde, gegen die kräftig gebetet wird, kann nicht bestehen bleiben.
Kein Dämon kann lange die Herrschaft über uns behalten, wenn wir den Herrn anflehen, ihn zu vertreiben. Aber wir müssen dann auch alle unsere Fälle vor dem himmlischen Arzt ausbreiten, wenn er uns täglich Rettung geben soll.
Gelesen von Glaubensgerechtigkeit. Dieses Buch sowie viele weitere Hörbücher, Andachten und Predigten gibt es auf dem Youtube-Kanal von Glaubensgerechtigkeit