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Die Anziehungskraft des Kreuzes

17.03.1985Johannes 12,32

Einleitung und Einladung zum Gottesdienst

Wenn wir hier im Gottessinn zusammen sind, mag bei manchen von uns heute Morgen viel verborgen sein. Vielleicht sind sie bedrückt, fühlen sich beschwert oder haben Nöte.

Ich habe gerade daran gedacht, wie Frau Riecker auf der Orgel das Lied "Aus tiefer Not schreie ich zu dir" gespielt hat. Ich wünsche mir, dass Jesus Christus Ihnen heute Morgen begegnet. Das ist die Mitte unseres Gottesdienstes.

Er sagt Ihnen mit ewiger Gnade: "Will ich mich dein erbarmen." Wir wollen gemeinsam ein Lied für unseren Herrn singen. Sie sollen dabei mit einstimmen in das Lied 434: "Treuer Heiland, wir sind hier." Wir singen alle fünf Verse.

Das größte Pfand, das uns Gott geben kann, ist sein Sterben für uns. Dieses Pfand trägt uns durch alle Tiefen hindurch. Sie dürfen sich gerne schon erheben.

Vorbereitung auf das Abendmahl und Beichte

Und wenn wir jetzt am Anfang des Gottesdienstes miteinander eingeladen sind, das Abendmahl zu feiern, dann möchte Jesus Ihnen dies sagen: Er ist für dich in den Tod gegeben.

Doch bei mir und bei Ihnen ist es so, dass eine Vielzahl von Dingen zwischen Jesus und uns in Unordnung sind. Da ist Schuld, die uns von ihm trennt.

Wir wollen jetzt zuerst in der Stille all das vor ihm bringen und ganz persönlich bekennen, was an Schuld und Versäumnissen uns Leid bereitet. Dort, wo wir die Vergebung Gottes erbitten.

Wir beten in der Stille:

Gott, sei mir gnädig nach deiner Güte und tilge meine Sünden nach deiner großen Barmherzigkeit, denn ich erkenne meine Missetat, und meine Sünde ist immer vor mir. An dir allein habe ich gesündigt und Übel vor dir getan. Schaffe in mir, Gott, ein reines Herz. Und gib mir einen neuen, beständigen Geist. Verwirf mich nicht von deinem Angesicht und nimm deinen Heiligen Geist nicht von mir. Erfreue mich wieder mit deiner Hilfe und rüste mich aus mit einem willigen Geist.

Ist dies euer Bekenntnis und eure Bitte, so antwortet mit einem aufrichtigen Ja.

Euch geschehe, wie ihr glaubt: Der allmächtige Gott hat sich über euch erbarmt. Durch seinen lieben Sohn Jesus Christus vergibt er euch alle eure Sünden, die ihr vor ihm bekennt und bereut.

Und weil Jesus es so geordnet hat, dass wir auch in seinem Namen die Sünden vergeben, darf ich euch die Gnade Gottes verkünden und die Vergebung aller eurer gottbekannten und ausgesprochenen Sünden im Namen Gottes des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes.

Wer es glaubt, der spreche Amen!

Einsetzung des Abendmahls und Einladung zur Teilnahme

Das Blut Jesu Christi macht uns zu Gottes Kindern und reinigt uns von aller Sünde.

Der Herr Jesus nahm in der Nacht, in der er verraten wurde, das Brot, als er mit seinen Jüngern zu Tisch saß. Er sprach Dank, brach das Brot, gab es seinen Jüngern und sagte: „Nehmt hin und esst, das ist mein Leib, der für euch gebrochen wird.“

Genauso nahm er nach dem Abendmahl den Kelch, sprach Dank, gab ihn ihnen und sagte: „Trinkt alle daraus, das ist mein Blut des neuen Bundes, das für euch und für viele vergossen wird zur Vergebung der Sünden. Tut dies zu meinem Gedächtnis, so oft ihr davon trinkt.“

Herr Jesus Christus, wir sind nicht würdig, dass du bei uns einkehrst. Aber sprich nur ein Wort, so wird unsere Seele gesund. Amen.

Wir wollen das Abendmahl nun durch die Reihen geben. Mitarbeiter der Gemeinde bringen Brot und Kelch zu den Menschen. Die Jugendlichen, die noch nicht konfirmiert sind, mögen beten, das Abendmahl mitfeiern und noch warten, bis sie es bei ihrer Konfirmation zum ersten Mal empfangen.

Es ist bei uns ein schöner Brauch, dass wir uns an die biblische Ordnung des allgemeinen Priestertums halten, also das Priestertum aller Gläubigen. Jeder reicht dem anderen Brot und Kelch weiter.

Es ist auch schön, wenn dabei die urchristliche Sitte aufgenommen wird, dem anderen vom Tod des Herrn zu verkünden und zu sagen, was das bedeutet. Natürlich können sie keine Predigt halten, aber es ist schön, wenn sie dabei ein Bibelwort oder ein freies Wort sagen, zum Beispiel: „Der Herr ist mit dir“, „Fürchte dich nicht“ oder ein ähnliches Wort beim Weitergeben des Kelchs.

Die Bedeutung des Kreuzes als Anziehungskraft

Fast! Wir wissen nicht viele Details darüber, wie es einmal im Himmel sein wird. Es ist ja gar nicht so weit von uns allen entfernt. Hoffentlich sind wir alle dabei.

Jesus hat uns gesagt, dass wir mit ihm das Abendmahl auf eine ganz neue Weise feiern werden. Der Ertrag seines Leidens, seine Liebe, wird uns auf eine noch viel wunderbarere Weise groß machen.

Darum wollen wir uns erheben und dem Herrn Dank sagen, indem wir gemeinsam die Worte des 103. Psalms beten:

Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen!
Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat,
der dir alle deine Sünden vergibt und alle deine Gebrechen heilt,
der dein Leben vom Verderben erlöst und dich krönt mit Gnade und Barmherzigkeit. Amen.

Nun wollen wir gemeinsam aus dem Liedheft singen, aus dem roten Liedheft. Unsere Herzen gehören ganz dem Mann von Golgatha – das Lied von Friedrich von Bodelschwing, Nummer 29 im roten Liedheft.

Historischer Rückblick und Bedeutung von Friedrich von Bodelschwingh

Ein paar Erinnerungen, die den Älteren noch wohl vertraut sind:

1938 ist das Lied „Von der Höllen Lügenmächten, die triumphieren“ entstanden. Fritz von Bodelschwing sollte der erste Reichsbischof der evangelischen Kirche werden. Dies wurde jedoch durch eine Intervention Hitlers verhindert.

Anschließend kam die schreckliche Marionette, der Reichsbischof Müller, der den sogenannten „deutschen Christen“ angehörte. Er erlebte die ganze Not des Kirchenkampfes. Fritz von Bodelschwing war derjenige, der zu Hitler fuhr und das Euthanasieprogramm stoppte. Er sagte Hitler ins Gesicht: „Hier geschieht Mord.“

Die Kraft dieses Mannes hatte er vom Sieg auf Golgatha. Das ist nichts Weltfremdes, sondern die Kraft eines Menschen, der wie kein anderer in unserer neueren Geschichte eingegriffen hat. Er übernahm dort öffentliche Verantwortung, wo es ihm Gott aufgetragen hatte.

Einführung in den Predigttext und seine Bedeutung

Und nun zu unserem Predigttext Johannes 12,32. Sie wissen, dass ich mir die Freiheit nehme, ab und zu vom Predigttext abzuweichen, der an diesem Sonntag in unserer Kirche vorgeschrieben ist. Diesen Sonntag gibt es einen besonderen Grund dafür.

Der Predigttext steht in Johannes 12, und zwar genau der Abschnitt, den wir am Dienstag in unserem Bibeltraining der Reihe nach behandelt haben: das Weizenkorn, das in die Erde fällt. Wer dabei war, weiß, wie sehr mich dieses Wort selbst dort berührt hat. Ich hätte Ihnen am liebsten noch einmal über dieses gleiche Wort gepredigt. Doch dann dachte ich: Nein, die Bibel ist so umfangreich. Und schließlich fiel mir auf, dass über diesen Vers 32 fast nie gepredigt wird. Dabei ist er so wichtig.

Ludwig Hofacker hat seine Investiturpredigt in Rielingshausen über diesen Vers gehalten. Merkwürdigerweise ist diese Predigt nicht in dem großen Hofacker-Predigtband enthalten. Es war am dritten Advent, damals am 17. Dezember. Jesus sagt: „Ich aber, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“

Herr, segne uns dieses Wort. Amen.

Die Notwendigkeit einer echten Anziehungskraft

Wer ein Geschäft hat, weiß, dass man immer Attraktionen bieten muss. Im Schaufenster gehört ein Lockvogel, also ein gutes, günstiges Angebot, das die Leute anzieht. Selbst wenn der Kaufmann bei diesem Sonderangebot mal ein Stück drauflegen muss, kommt das allemal wieder rein. Die Kunden nehmen ja oft noch andere Dinge mit, wenn sie erst einmal im Laden sind.

Eine Attraktion, ein Lockvogel, ist notwendig, um die Leute herzubringen. Kein Wunder, dass Christen ähnlich denken, besonders in einer Zeit, in der sich viele vom Evangelium abwenden und es so aussieht, als hätten die Menschen kein Interesse mehr.

Da braucht man einen Lockvogel, eine Attraktion, ein Angebot. Man könnte zum Beispiel am Sonntag einen Olympiasieger auf die Kanzel stellen – dann würde man staunen, was da los wäre. Oder man müsste musikalisch ganz anders ein Angebot machen, das die Leute heute anspricht. Eine Attraktion eben!

Sprecht doch über die politischen Themen, die die Menschen interessieren – aber immer mit einer Attraktion!

Die wahre Anziehungskraft ist Jesus selbst

Und das Evangelium sagt uns: Es gibt nur eine Attraktion, nur eine Sache, die wirklich Menschen anzieht. Dabei sind natürlich nicht die kurzfristigen, sensationellen Angebote gemeint, die nach drei oder vier Tagen wieder uninteressant geworden sind – wie etwa Modeartikel.

Was zieht am Ende des zwanzigsten Jahrhunderts? Was bewegt überhaupt noch Menschen? Jesus sagt: Ich werde Menschen ziehen. Das Geheimnis der Christen war nie die Kraft der Prediger, war nie die äußere Form der Kirche, war nie die Organisation oder sonst etwas anderes. Was durch die Jahrhunderte hindurch Menschen bewegt hat, mit Jesus zu gehen, war er selbst: Jesus hat die Menschen gezogen.

Das griechische Wort, das hier verwendet wird, bedeutet so viel wie „schleppen, zerren, hinführen“. Jesus sagt: Ich will sie alle holen. Deshalb bin ich überzeugt, dass auch heute viele, die sich Jesus noch ablehnen, die ihm ihr Nein trotzig entgegenrufen oder die zweifelnd Abstand halten, von ihm gezogen werden. Aber wir müssen darauf achten, wie sie gezogen werden.

Die Bedeutung des Kreuzes als Zentrum der Anziehung

Da spricht Jesus, der mit nur einem Wort Aussätzige heilte und vor dessen Wort sich Türen öffneten. Er selbst rief vor dem Grab des Lazarus mit einem einzigen Wort: „Lazarus, komm heraus!“ Ein mächtiger Herr mit seinem Ich, der sagt: „Ich will ziehen!“

Aber jetzt müssen wir aufpassen. Ausgerechnet das schmähliche Kreuz soll ziehen. Wir müssen darauf achten, wo Jesus dieses Wort sagt.

Es lohnt sich, den Zusammenhang genauer anzuschauen. Dort spricht Jesus von seinem Passionsweg. Ich dachte, gibt es ein Wort, das heute besser zu uns passt? Wir stehen ja mitten in der Passionszeit und können so neu verstehen, was dort geschieht – der Leidensweg Jesu.

Jesus sieht diesen Weg zum Kreuz als den Gipfel seines gesamten Wirkens an. Den Höhepunkt. Wenn er davon spricht, dass er alle zu sich zieht, meint er, dass er, dieser Jesus, der am Kreuz genagelt wird, in der Gestalt des Kreuzes alle zu sich ziehen wird. Das wird die Attraktion sein.

Das Kreuz als unerklärliches Geheimnis und Siegeszeichen

Wir müssen sagen: Stopp, jetzt wird es für mich nicht mehr klar. Das Kreuz ist für uns immer ein unerklärliches Geheimnis. Wir stehen davor und verstehen nicht vollständig, was dort geschieht.

Karfreitag berührt uns oft peinlich. Wir empfinden Mitleid, wenn Jesus so ohnmächtig und wehrlos hingeführt wird und die Menschen ihm so Böses antun. Doch Jesus schaut uns heute an und sagt: Ihr braucht mich nicht zu bemitleiden.

Das stimmt. Was da geschieht – nicht nur am Karfreitag, sondern in der ganzen Woche und in den Wochen zuvor – zeigt die wachsende Ablehnung der Welt. Menschen ballen die Fäuste und sagen Nein zu Jesus. Er klingt noch trotzig und frech: „Wir wollen nichts mehr von ihm, tut ihn weg!“

In unseren Tagen wollen wir ehrlich sein. Für viele Menschen, auch für manche, die den Namen Christen tragen, ist das längst eine erledigte Geschichte. Vielleicht versammelt man sich hier und da noch in den Kirchen, erinnert sich an das Leiden Jesu – das ja viele Menschen betrifft. Am Ende wird das Opfermahl eingesammelt, was übrigens auch ganz wichtig ist.

Aber das ist nicht die eigentliche Bedeutung des Leidens Jesu: dass wir der Leidenden gedenken. Das ist wichtig. Wir haben es am letzten Sonntag den Leidenden um Jesu Willen gewidmet. Hat das Kreuz für uns nicht mehr zu sagen?

Auch dann erinnern wir uns an das Unrecht, das geschieht. Am Ende kann man eine Unterschriftenliste herumgehen lassen, um gegen das Unrecht zu protestieren, das uns heute ins Auge springt. Doch Nein, das ist nicht das Kreuz.

Jesus sagt: „Wenn ich erhöht werde von der Erde“ – er meint das Kreuz –, dann ist dieses schmähliche Kreuz für ihn eine Beförderung, ein Glanzpunkt, eine Offenbarung der Herrlichkeit. Jesus sagt oft, dass es für ihn schön und groß ist.

Und da stehen wir vor diesem Geheimnis und sagen: Herr Jesus, wir kennen das ganze Geheimnis noch nicht richtig. Offenbar sind wir im Glauben noch gar nicht richtig durchgedrungen.

Darum möchte ich Ihnen vorher noch einmal klar sagen, was der Kreuzestod bedeutet hat.

Die Grausamkeit und Schmach des Kreuzestodes

Es gibt keine schmählichere Hinrichtungsart. Wenn es Ihnen peinlich ist, dass Sie in ein paar Jahren in Stammheim gesessen haben, verstehe ich das. Es ist einem peinlich, wenn man irgendwo verurteilt wurde und Schmach tragen muss.

Aber der Kreuzestod ist noch schmählicher. Nie wurde ein römischer Bürger gekreuzigt. Nur die niedersten Sklaven wurden gekreuzigt, denn das war die gemeinste Hinrichtungsart.

Ich will Ihnen heute nur ein paar kleine Kostproben ersparen. Ich habe mich noch einmal versichert: Im Jahr 1968 hat man eine Todengrippe in der Nähe Jerusalems ausgegraben, und darunter befand sich ein Gekreuzigter.

Man kann jetzt feststellen, dass wahrscheinlich die meisten Kreuzigungen so vollzogen wurden, dass man den Opfern die Beine herumgedreht hat. Die Beine waren an den Knien abgewinkelt, und dann wurden die Füße oben festgenagelt. Das mussten, wie die Ärzte sagen, grausame Muskelkrämpfe gewesen sein, verursacht durch das umgewinkelte und abgedrückte Knie.

Darum kamen oft nachher die Männer, die die Toten abnahmen, und lösten die Nägel nicht mehr. Ich will Ihnen gar nicht erzählen, was sie dann getan haben: wie sie die Beine der Opfer und Delinquenten getrennt und weggeworfen haben.

Das war bloß noch Schutt, das war Gerümpel. Nicht einmal eine ordentliche Abnahme des Leibes ist geschehen.

Bei Jesus wird ausdrücklich erwähnt, dass dieses schlimme Vorgehen bei ihm nicht angewandt wurde. Das lag daran, dass er schon gestorben war und man darauf verzichtet hat.

Die Bedeutung des Kreuzes in der Welt und im Glauben

Warum geht Jesus diesen schweren Weg? Die Schande, die damit verbunden ist, ist doch peinlich und unangenehm. Für uns ist das beklemmend, besonders wenn wir in den Passionstagen immer wieder an den Tod Jesu erinnern. Aber man kann doch nicht vor Kranken oder Sterbenden vom Kreuz Jesu sprechen, das wirkt doch noch viel schlimmer auf die Menschen.

Doch man muss den Zusammenhang sehen. Die Jünger haben lange nicht verstanden, was Jesus zu ihnen sagte. Das steht immer wieder im Evangelium. Jesus wusste, was in der Welt vor sich geht. Er sprach vom Fürsten dieser Welt, der den Menschen die Augen zuhält, damit sie das Licht nicht sehen können.

Diese Welt ist so unheimlich. Oft glauben wir Jesus gar nicht, wenn er sagt, wie unheimlich diese Welt ist und dass wir in ihr Angst haben. Aber seid getrost: Ich habe diese Welt überwunden. Darum ist das Kreuz Jesu ein so großes Siegeszeichen. Jesus lässt die Welt unter sich und ist hindurchgedrungen durch die Welt.

Ist es Ihnen noch wichtig, in dieser Welt Karriere zu machen? Oder haben Sie Sehnsucht danach, dass Ihnen der Weg freigemacht wird zum Vater, zu dem heiligen Gott, Ihrem Vater, den Sie anrufen können? Jesus sagt: „Ich gehe hin, euch die Stätte zu bereiten.“ Das Kreuz ist ein Siegeszeichen, ein Trost für Menschen, die in dieser Welt leiden.

Die Kraft des Kreuzes in schweren Zeiten

Und dann versteht man, warum Fritz von Bodelschwing, dieser umkämpfte und verfolgte Mann, im Höhepunkt seines schweren Leidens, als er bereits in die Krankheitsnöte seines eigenen Lebens hineingeführt war, sich an diesem Kreuz Jesu aufrechtgehalten hat.

Da sehe ich hindurch: Hier geht das Gericht über diese Welt. Die Lügenmächte dieser Welt sind nicht mehr existent – und das wurde schon 1938 gesagt. Ich will mich nicht mehr vor den Größen dieser Welt beugen. Ich sehe das neue Licht des Vaterhauses, wohin ich hinwandere.

Darum ist ausgerechnet das schmähliche Kreuz so wichtig für unseren Glauben, weil es mich richtet. Ich bin ja ein Stück dieser Welt, und es ist mir so wichtig, was diese Welt mir bedeutet, was ich in dieser Welt werden kann und was ich von dieser Welt gewinne. Ich möchte doch umso mehr immer wieder von dieser Welt an mich ziehen.

Und dort hat Jesus sie gerichtet, als die Welt – im Vers davor, Vers 31 – genau so heißt: „Jetzt geht das Gericht über die Welt. Nun wird der Fürst dieser Welt ausgestoßen werden.“

Jesus können Sie nie größer haben als am Kreuz. Nicht einmal an Ostern war er so groß wie dort, am Kreuz, wo er wirklich dem Fürsten dieser Welt das Recht abgesprochen hat, noch über die etwas zu bestimmen, die ihm gehören.

Dort hat Jesus gesagt: Ich lasse diese Welt unter mir. Und wenn er sein Reich beginnt, wenn er später gen Himmel fährt und zur Rechten des Throns Gottes sitzt, dann ist das auf dem Hintergrund des Sieges ein Karfreitag – dass diese Welt gerichtet ist.

Und das ist ein mutmachendes Wort für uns, dass das Leben nun neu werden kann.

Die Anziehungskraft des gekreuzigten Jesus

Die Kraft, die da zieht – welche Kraft ist das eigentlich? Mich schreckt das Todesröcheln ab. Aus Sterbezimmern fliehe ich gerne, denn ich kann Blut nicht sehen. Alles wirkt so unheimlich auf mich. Ich kann es nicht ertragen, wenn ich sehe, wie Menschen zu Unrecht gefoltert werden. Es bleibt ein beklemmender Anblick. Was zieht denn da?

Angezogen sein von der Größe der Macht – Jesu, das zieht uns doch an. Wenn wir sehen, dass Jesus das lösende Wort über die Krankheit sprechen kann, dass Jesus das Wort spricht, das den Tod zerbricht. Und da soll das Kreuz noch viel mehr bieten können, ja, noch viel, viel mehr. Nirgendwo können sie die Liebe Gottes so fassen wie am Kreuz.

Es ist ein Geheimnis, und der Heilige Geist kann es Ihnen jetzt nur aufschließen. Ich will gar keine vielen Worte darüber machen. Mein Leben hast du getragen – das ist meine Todesstunde, so wie ich einmal von der Erde scheide. Wenn sich mein Körper windet in den letzten Atemnöten, in der letzten Kraft, für mich hast du das getragen, damit sich über mir der Himmel auftue.

Du hast das gemacht, weil anders die Schuld der Welt nicht getragen werden kann. Das war am Anfang im Johannes-Evangelium schon die große Prophezeiung des Johannes des Täufers: „Das ist das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt.“

Und Sie können heute an diesem Sonntag, so wie wir es vorhin im Abendmahl bekannt haben – vielleicht haben Sie noch den ganzen Rest liegen –, den Niederlegen auf Jesus, dort am Kreuz: „Für mich hast Du es getragen, und ich bin frei.“

Da beginnt ein neues Leben unter dem Kreuz, ein völlig neues, verändertes Leben.

Das neue Leben durch das Kreuz

Menschen, die am Kreuz stehen, wissen: Der Fürst dieser Welt darf mich nicht mehr bestimmen. Ich will nicht mehr nach den Gesetzen dieser Welt leben. Jesus soll mein Leben bestimmen.

Wir haben uns in unserem Leben oft Vorsätze gemacht, wie wir uns verändern wollten. Doch das hat nicht viel bewirkt. Die Kraft, die zieht, ist der gekreuzigte Jesus selbst. Paulus, der viele Gemeinden gegründet hat, sagte, er wolle eigentlich gar nichts anderes mehr tun. In all seinen Ansprachen wollte er den Leuten immer nur Jesus vor Augen malen.

Ob es um Eheschwierigkeiten geht, um Streit oder um das unreine Herzenswillen – Jesus vor Augen malen, wie er sich am Kreuz zu Tode blutet. Denn das zieht. Das dringt in unsere kalten und versteinerten Herzen ein. Das schafft Bewegungen. Da kommen Taten heraus, ganz andere. Da wird es uns plötzlich leid, dass wir so viel den Mächten der Finsternis gehorcht haben.

Zum ersten Mal merken wir, wie unheimlich zerstörend Sünde in unserem Leben ist. Da können wir Tränen vergießen und sagen: Herr, ich möchte dir gehören, ganz und völlig. Hol mich in deine Macht und in deine Kraft hinein. Ich will dir dienen.

Die Liebe Gottes, die unser Herz bezwingt und die uns zieht – es gibt noch andere Kräfte, die uns in unserem Herzen ziehen. Wenn sie die Neigungen ihres natürlichen Lebens kennen und ihre grausamen, dunklen Phantasien, die sie ziehen, dann wissen sie, wie wir gebunden sind, mit tausend Stricken von der Macht der Hölle.

Nur das Kreuz zieht. Wenn sie heute sagen: „Ich komme nicht los von meinen sündlichen Gebundenheiten“, dann sitzen Sie nach und sinnen Sie über das Kreuz Jesu. Sinnen Sie über den Sieg Jesu und merken Sie, wie das zieht – schrittweise. So wie man einen schleppt: Komm mal, dann wieder drei Schritte, noch mal zwei. Wir sind noch nicht am Ziel.

Komm, dass dein Leben geheiligt werde von der Kraft Jesu. Das soll in der Mitte unserer Verkündigung stehen. Nichts ist attraktiver bei den Christen, in der Kirche und im Gottesdienst als das Kreuz Jesu. Das zieht.

Die Gemeinde als Gemeinschaft der vom Kreuz Gezogenen

Und noch ein letztes: Die Gemeinde, die sich sammelt, spricht ausgerechnet das Kreuz an – das schmähliche Kreuz soll ziehen.

Zweitens: Was ist die Kraft, die da zieht? Die Gemeinde, die sich sammelt, will ich zu mir ziehen. Es steht nichts da, dass uns Jesus in einer Kirchenorganisation zusammenführen will. Es wäre schön, es wäre so, aber es steht nicht da. Er sagt: „Ich will sie zu mir ziehen.“

Und das wird Christen über die Kirchenmauern hinweg verbinden zu einer Gemeinde. Sie gehören alle zu der einen Gemeinde Jesu, die von ihm gezogen sind, die durch sein Kreuzestod bewegt sind, ihn lieben über alles und ihm nachfolgen.

Es steht dann in der Offenbarung, dass vor dem Thron Gottes eine große Schar jetzt schon steht und ihr Lob singt. Jesus sitzt dort auf dem Thron zur Rechten Gottes, wo er die ganzen Geschicke des Heils lenkt, den Heilsweg. Er trägt dort noch seine Dornenkrone und seine Blutmale an den Fingern.

In dieser Leidensgestalt ist er in seiner ganzen Größe auch in der Ewigkeit noch einmal vor uns da. Wenn er uns dann noch einmal den Teller des Brotes reicht und den Kelch einschenkt, dann wissen wir: Er hat uns durch dieses Leben getragen.

Diese Schmerzen, die gekommen sind aus der großen Trübsal, heißen dort in Offenbarung 7 „aus der Trübsal ihres Lebens“, aus den Bedrängnissen und aus der ganzen Not.

„Herr, wir haben nicht gewusst, wie der nächste Tag durchgehen soll. Wir wussten nicht, wie wir das alles meistern könnten. Du hast uns durchgetragen. Das war uns fest verheißen in deinem Tod. Nichts kann uns aus deiner Hand reißen. Wir gehören dir ganz, fest und immer.“

Und das hat uns fröhlich gemacht. Das war auch so, wenn der Horizont dunkel und grau war, als wir fröhlich unsere Lieder gesungen haben. Wie ein Magnet zieht das Kreuz Jesu.

Wenn er uns heute bewegen kann – unsere versteinerten, trägen Herzen, unsere müde Art, die ihm nicht dienen will, unsere Ablehnung und Feindschaft –, dass er ziehen kann, der Gekreuzigte, dann wäre diese Passionszeit und dieser Sonntag heute nicht vergeblich. Amen!

Abschlusslied und Gebet

Wir singen nun das Lied „O drückten Jesu Todesminen“ (419), Verse 1 bis 3.

Ruhiges Gebet: Herr Jesus Christus, du willst von uns keine leeren Worte. Du willst, dass wir von dir gezogen werden, damit wir zu deiner Gemeinde kommen, vor dir stehen bleiben und dir dienen – auch mit dem, was du uns jetzt an irdischer Lebenszeit und Gaben gibst. Wir sollen diese Gaben zu deiner Ehre und zu deinem Lob gebrauchen.

Herr, oft sperren wir uns gegen dein Ziehen. Häufig geben wir Raum für ganz andere Mächte, dunkle Gewalten, denen wir Einfluss auf unser Leben erlauben. Wir bitten dich, zieh uns ganz heraus aus all dem, was uns bindet und träge macht. So können wir dir mit unserem ganzen Leben dienen und Frucht bringen für dein Reich. Ja, wir wollen mithelfen, dein Reich schon jetzt in dieser Welt auszubreiten.

Nimm uns als deine Werkzeuge, lieber Herr, und lass uns das Geheimnis deines Leidens und Sterbens immer mehr verstehen. Wir danken dir auch, dass wir bei dir alles ablegen können – so wie wir es vorhin vor dem Abendmahl mit Schuld und Belastungen getan haben. Gib uns die Kraft, zu bereuen, dass uns die Sünde leid tut, und lass uns aus ihr heraustreten. Heilige uns durch und durch und präge unser Leben.

Wir wollen dich auch für deine Christenheit bitten. Gib uns wieder die Predigt vom Kreuz, damit wir der Welt vor Augen malen können, welche Liebe du jedem erweist, wie du jeden suchst und jedem nachgehst. Zeige, wie du an der wundesten Stelle Heilung schenken willst durch deine große göttliche Vergebung.

Herr, mach auch den Leidenden und Kranken dein Treu bewusst – besonders denen, die jetzt nicht unter uns sein können, weil du sie in die Leidenszeit hineingeführt hast. Lass deine Liebe so groß werden, dass sie sie nicht scheiden kann.

Lasst uns gemeinsam beten:

Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld,
wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung,
sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit.
Amen.

Wir singen noch die Verse 4 und 5 vom Lied 419.

Hinweise und Gemeindemitteilungen

Wir haben heute wieder ein Nachgespräch. Es sind Leute da, die mit der Seelsorge vertraut sind und verschwiegen bleiben. Dort können Sie Ihre Nöte und das, was Sie mit Gott klären möchten, besprechen. Drüben im Clubzimmer möchte ich Sie einladen, davon Gebrauch zu machen.

Sie brauchen jetzt den Notizensettel, auch wegen der Gottesdienste an den Passionstagen und an den Ostertagen. Der liegt hinten aus, und zwar bis tief in den April hinein. Er lag schon vor drei Wochen zum ersten Mal aus. Nehmen Sie ihn also mit.

Heute Abend findet um 18.00 Uhr der Vorbereitungsabend für die Israelreise 86 statt. Am nächsten Samstag machen wir einen evangelistischen Abend. Wenn Sie jemanden dazu einladen können, wäre das schön. Dort geht es um die Bibel.

Die Verlässlichkeit des biblischen Wortes ist für viele Menschen Grund für Zweifel, Fragen und Unsicherheit. Viele wissen nicht, was sie von der Bibel halten sollen. Diese große Verunsicherung reicht bis weit in die Kirche hinein. Darum wollen wir den Abend am Samstag um 19 Uhr unter dieses Thema stellen.

Der Jugendchor wird den Abend gestalten. Es wird einen Film über die Bibel geben, eine Ansprache und ein Interview.

Hinten liegen heute die Briefe von Frau Erika Decker aus Irianjaja aus. Das sind die grünen Zettel. Wenn Sie sie mitnehmen, wäre das gut. Sie ist von unserer Gemeinde mit ausgesandt. Sie hat einen weiteren Brief geschrieben, in dem sie vermerkt, dass sie Gelbsucht und Malaria gleichzeitig bekommen hat. Wir wollen an sie denken.

Im Gebet liegen auch die Anmeldungen für die Sommerfreizeiten der Jungen und Mädchen aus. Die Mädchen fahren nach Dänemark, die Jungen nach Spanien. Hinten liegen blaue und orange Zettel. Bitte nehmen Sie diese mit, damit die Dänen Bescheid wissen.

Unser Opfer heute ist für die deutsche Missionsgemeinschaft und den Missionar Bieske bestimmt. Er war zweimal bei uns an einem Dienstagabend zu Gast und arbeitet in Costa Rica. Costa Rica gehört zu den mittelamerikanischen Ländern, in denen derzeit ein großes Wachstum der Gemeinde zu beobachten ist.

Missionar Bieske aus Hamburg hat dort neue Gemeinden in den Vororten von San José gegründet. Es ist erstaunlich, wie die Gemeinden in den letzten zehn Jahren um etwa 15 Prozent gewachsen sind. Freuen Sie sich mit uns über das, was Gott in diesen Tagen tut.

Ähnlich ist es in El Salvador, Guatemala, Honduras und auch in Nicaragua, wo die Gemeinden ebenfalls wachsen. Die Lage für Christen dort ist im Moment unsicher. Trotzdem wollen wir heute die Missionsarbeit der deutschen Missionsgemeinschaft durch Missionar Bieske in Costa Rica unterstützen.

In der vergangenen Woche wurde Frau Lina Schlotz, geborene Trinkner, bestattet. Sie lebte früher in der Wächterstraße und zuletzt im Altersheim in der Laustraße. Sie wurde 90 Jahre alt.

„Befiehl dem Herrn deine Wege und hoffe auf ihn, er wird’s wohl machen.“

Herr, segne uns und behüte uns! Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig! Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden!