Einführung: Die Frage nach der Zugehörigkeit zur Gemeinde
Ihr habt mir das Thema gestellt: Warum gehe ich in diese Gemeinde?
Dazu muss ich sagen, ich habe ein Büchlein zu diesem Thema geschrieben. Dieses Büchlein entstand aus einem bestimmten Anlass. Es ist etwa zwanzig Jahre her, da hatten wir in unseren Räumen eine Evangelisation. Danach standen die Menschen im Voraum und unterhielten sich. Da kam einer unserer Brüder zu mir und sagte: „Hier ist jemand, der gerne wissen möchte, was das für eine Gemeinde ist. Kannst du ihm das erklären?“
Ich dachte nur: Das darf nicht wahr sein! Dieser Bruder war von Kindheit an in dieser Gemeinde. Und ich sagte mir: Das darf nicht passieren, oder? Dass jemand in der eigenen Gemeinde nicht erklären kann, warum er dort hingeht. Das wäre ja ein schlechtes Argument, wenn er sagt: „Meine Eltern waren schon da und die Großeltern auch.“
Ich muss sagen, als ich dann meine Frau kennengelernt habe, kam sie nicht aus einer Brüdergemeinde. Sie kam aus der evangelischen Kirche, ganz unten in Bayern, im Allgäu. Ich habe also etwas für die Völkerverständigung zwischen Bayern und Preußen getan. Sie kannte natürlich überhaupt nicht, was eine Brüdergemeinde ist. Dort war die evangelische Kirche sozusagen Diaspora.
Wie sollte ich ihr also erklären, was das ist, wo ich hingehe? Wenn ich ihr sagte: „Bei uns macht man das so“, dann sagte sie: „Bei uns in der Kirche macht man das so.“ Dann standen Aussage gegen Aussage. Aber wir haben uns sehr schnell darauf geeinigt: Es gilt nicht, was jeder sagt und wie es bei ihm gemacht wird, sondern es gilt, was in der Bibel steht.
Und da sind wir dann gut übereingekommen.
Die Bibel als Maßstab für Gemeinde
Ich denke, das ist eine ganz wichtige Sache. Ich vergesse nicht, dass mein Vater mir einmal gesagt hat: „Ja, du hast nur die Bibel. Jetzt vergiss mal Darby und Brockhaus und wie sie alle heißen, ja? Du hast nur die Bibel. Und wenn du in der Bibel etwas findest, was wir in der Gemeinde nicht richtig machen, dann hast du die Verpflichtung, deinen Mund aufzutun.“
Das ist eine Herausforderung. Ich glaube, manche alten Brüder haben dann das Flattern bekommen – gerade als die sogenannte 68er-Generation auch auf die Brüdergemeinden übergeschwappt ist. Die Jugend hielt eben nicht mehr einfach nur still und sang brav die schönen alten Lieder mit. Zuhause haben sie natürlich etwas anderes gehört. Sie haben gelernt zu argumentieren.
Wir sind gefordert, in unseren Gemeinden Argumente zu bringen. Das schlechteste Argument ist zu sagen: „Es war immer so.“ Das ist kein Argument. Wir wollen uns damit beschäftigen, wie Gott sich Gemeinde gedacht hat. Und warum gehe ich überhaupt hierhin?
Stell dir einfach mal vor, du kommst in eine Gemeinde, und keiner kann dir erklären, warum er da hingeht. Natürlich habt ihr einen sehr schönen Raum hier. Wenn ihr aber jemanden von draußen von der Straße hier hereinbringt, vermutet niemand, dass hier hinten so etwas Schönes ist. Er wird erstaunt sein – und noch erstaunter wird er sein, wenn hier keiner wäre, der erklären könnte, warum ihr euch so versammelt, wie ihr euch versammelt.
Denn das muss man ja sehr deutlich sagen: Wir als sogenannte Brüdergemeinden sind schon Exoten, um es gelinde auszudrücken. Wir sind heute anders als andere.
Die historische Bedeutung Jerusalems für die Gemeinde
Und wir wollen uns in diesen Tagen damit beschäftigen, wie wir schon gehört haben. Wir machen eine Zeitreise und fangen natürlich mit der Gemeinde in Jerusalem an, der Gemeinde, in der die erste Gemeinde entstanden ist.
Die erste Gemeinde in Jerusalem hieß noch nicht Brüdergemeinde. Das ist eine ganz wichtige Sache. Wir brauchen also nicht die Schublade der Brüdergemeinden, sondern die Schublade der neutestamentlichen Gemeinden. Wenn die Brüdergemeinde damit übereinstimmt, ist das gut, aber wir müssen uns an der Bibel orientieren. Das ist wichtig.
Warum hat Gott das so gemacht, dass die erste Gemeinde ausgerechnet in Jerusalem angefangen hat und nicht in Bochum? Er hätte es auch anders machen können, oder? Warum hat er ausgerechnet Jerusalem ausgewählt? Ich glaube, das geht in der Geschichte Gottes sehr weit zurück. Das erste Mal wird diese Stadt erwähnt in 1. Mose 14,18. Wir machen zwischendurch auch mal ein Bibelquiz: In welchem Zusammenhang wird dort die Stadt Salem erwähnt? Richtig, ein Punkt für die Schwestern.
Abraham hatte seinen Neffen Lot befreit. Als er zurückkam, kam der König und Priester von Salem, Melchisedek, ihm entgegen und segnete ihn. Damals hieß diese Stadt noch Salem, was einfach Frieden bedeutet, also hebräisch Shalom.
Eigentlich ist das ja, man möchte sagen, ein Witz, oder? Die Stadt, in der die meisten Kriege und Katastrophen stattgefunden haben, heißt Shalom. Man hat fast den Eindruck, Gott hätte Humor – sarkastischen Humor.
Diese Stadt heißt Jerusalem, der Herr ist Frieden. Erst 400 Jahre nachdem die Israeliten dieses Land eingenommen hatten, nach dem Auszug aus Ägypten, konnte David diese Stadt einnehmen. Dabei hatte Gott schon in 5. Mose 12 gesagt, dass er einmal seinen Namen dort wohnen lassen wollte. Vierhundert Jahre hat es also gedauert, bis David die feste Stadt Zion einnahm.
Noch zu seinen Lebzeiten sorgte er dafür, dass die Bundeslade dorthin kam. Den Tempel konnte er jedoch noch nicht bauen. Das war eine eigentümliche Zeit, wenn man bedenkt, dass das Heiligtum Gottes, das er seinem Volk damals in der Wüste gegeben hatte, auseinandergerissen war. Das Zelt stand wo? In Silo. Und die Bundeslade? Die holte David nach Jerusalem. Sie war vorher bei den Philistern gewesen. Katastrophale Zustände, oder?
Und Gott schweigt. Gott erlaubt David nicht, den Tempel in Jerusalem zu bauen, weil er zu viele Kriege geführt hat. Stattdessen baut sein Sohn Salomo den Tempel. Es ist bewegend, die Begebenheit in 1. Könige 8 zu verfolgen.
Wieder 400 Jahre später wird dieser Tempel, den Salomo in Pracht gebaut hat, von Nebukadnezar aus Babel zerstört. Siebzig Jahre später wird er durch Esra und Nehemia unter Zerubbabel wieder aufgebaut. Zur Zeit des Neuen Testaments erneuert Herodes der Große den Tempel in 46 Jahren Bauzeit.
Das ist auch eine eigentümliche Sache: Herodes der Große erneuert diesen Tempel, obwohl er kein Israelit war. Er war Edomiter und von den Juden gehasst. Trotzdem baut er diesen Tempel größer als je zuvor. Wir werden gleich noch einige Modelle davon sehen, denn er wollte sich bei den Juden beliebt machen.
Jerusalem heute und zur Zeit Jesu
Nun, Jerusalem ist auch heute eine faszinierende Stadt. Ich weiß nicht, wer von euch schon einmal dort gewesen ist. Es ist eine sehr pulsierende Stadt, eine gefährliche Stadt, eine Stadt der Religionen und der Völker. Nirgendwo anders prallen so viele verschiedene Weltanschauungen und Kulturen so stark aufeinander.
Dort, wo der Tempel einst stand, befindet sich heute eine Moschee. Das einzige, was vom Tempel noch übrig geblieben ist, ist die sogenannte Westmauer, heute auch Klagemauer genannt. Von einem Bild aus dem Ölberg sieht man diese Mauer und den Blick nach Jerusalem.
Auch heute ist das nach wie vor faszinierend. Wenn die Sonne auf die Stadt scheint, sieht es so aus, als wäre die ganze Stadt vergoldet. Es ist vorgeschrieben, dass in Jerusalem alle Häuser aus dem Jerusalemer Sandstein gebaut werden müssen. So entsteht ein einheitliches Bild, obwohl der Baustil sehr unterschiedlich ist.
Einige Festungen und Stadtmauern können noch einen Eindruck davon vermitteln, wie die Stadt früher ausgesehen haben mag. Hier sieht man eine Luftaufnahme, die zeigt, welchen großen Bezirk der frühere Tempelbezirk eingenommen hat. Das sind die heiligsten Steine für die Juden – die Überreste des Sockels des herodianischen Tempels.
Diese riesigen Quadersteine sind ohne Zement zusammengefügt. Die größten dieser Steine messen vier mal zwölf Meter und wiegen etwa fünf Tonnen pro Stück. Bis heute fragt man sich, wie man das damals ohne hydraulische Kräne und ohne den Klang von Hammerschlägen gebaut hat.
Jerusalem ist wirklich eine faszinierende Stadt. Hier sieht man ein Bild vom Garten Gethsemane und das sogenannte Gartengrab. Ob es der Ort war, an dem der Herr begraben wurde, weiß ich nicht.
Zur Zeit von Jesus war diese Stadt durchaus imposant. Hier sieht man ein Modell des Tempels und dahinter die Stadt. Es mag sein, dass es so ausgesehen hat, auch wenn ich nicht glaube, dass es zur Zeit Jesu so aufgeräumt war.
Das ist eine Rekonstruktionszeichnung eines anderen Archäologen. Hier sieht man wieder das Modell, insbesondere die Südtore, die sogenannten Hulda-Tore. Von dort führte eine Treppe hinauf zum Tempelplatz.
Diese Illustration zeigt, wie es zur Zeit Jesu gewesen sein könnte. Auf der Zeichnung erkennt man, welch großes Ausmaß der Tempelbezirk in Bezug auf die Größe der Stadt damals hatte. Ich glaube, das war für Jesus schon sehr beeindruckend.
Die besondere Beziehung Jesu zu Jerusalem
Jesus selbst hatte eine ganz besondere Beziehung zu dieser Stadt. In Matthäus 5,35 nennt er sie einmal die Stadt des großen Königs. In seiner Endzeitrede, Kapitel 23, klagt er über Jerusalem mit den Worten: „Jerusalem, Jerusalem, die du die Propheten tötest und steinigst, die zu dir gesandt sind. Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen wie eine Henne ihre Küken unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt.“
Wenn man verfolgt, wie der Herr Jesus dort gewesen ist, erkennt man, dass er schon als Zwölfjähriger zum ersten Mal in Jerusalem war. Als frommer Jude gehörte es für ihn dazu, jedes Jahr zu den Festtagen dorthin zurückzukehren. Ab seinem dreißigsten Lebensjahr hat er dort gepredigt. Hier hat er im Garten Gethsemane gelitten, wurde gekreuzigt und starb auf Golgatha, das außerhalb der Stadtmauern lag. Hier wurde er begraben und stand von den Toten wieder auf. Auch von hier aus erfolgte seine Himmelfahrt. Diese Ereignisse haben das Leben des Herrn Jesus maßgeblich geprägt.
Ich habe eine Zeichnung angefertigt, um deutlich zu machen, wie der Herr Jesus praktisch in den letzten zwei Tagen durch Jerusalem hin und her gegangen ist. Zunächst der Einzug in Jerusalem, dann die letzte Predigt im Tempel. Am Abend dieses Tages feierte er im Oberen Saal das Passahmahl und das Abendmahl. Anschließend ging er mit seinen Jüngern auf die andere Seite des Kidrons nach Gethsemane.
Dort wurde er in den frühen Morgenstunden gefangen genommen. Er wurde zum Hohenpriester geführt, dann ins Sinedrium gebracht. Von dort aus ging es zu Pontius Pilatus, vermutlich in der Burg Antonia, die an den Tempelbezirk grenzte. Danach wurde er zu König Herodes gebracht und schließlich wieder zurück zu Pilatus.
Schließlich wurde er außerhalb des Tores auf Golgatha gekreuzigt, starb dort, wurde begraben und stand wieder auf. Im Oberen Saal entstand daraufhin die erste Gemeinde.
Die Entstehung der ersten Gemeinde
Wir erkennen, dass die erste Gemeinde, die erste neutestamentliche Gemeinde, auf historischem Boden entsteht. Man kann sich das vielleicht so vorstellen: Der Obersaal war ein Raum auf dem Flachdach eines Hauses, zu dem man in der Regel über eine Treppe von außen gelangte. Er war, wie die Bibel sagt, geräumig genug. Dort hatten sie das Abendmahl gefeiert und das Passah. Hier, im Obersaal, entsteht die Gemeinde.
Wir lesen dazu die Verse Apostelgeschichte 2,1 und 4: „Und als der Tag des Pfingstfestes erfüllt war, waren sie alle an einem Ort beisammen. Plötzlich geschah aus dem Himmel ein Brausen, wie von einem gewaltigen Wind, und erfüllte das ganze Haus, in dem sie saßen. Es erschienen ihnen zerteilte Zungen wie von Feuer, und sie setzten sich auf jeden einzelnen von ihnen. Sie wurden alle mit dem Heiligen Geist erfüllt und fingen an, in anderen Sprachen zu reden, wie der Geist ihnen gab, auszusprechen.“
Ich gehe davon aus, dass über diesen Abschnitt schon öfter auch hier in der Gemeinde gepredigt wurde. Das ist die Geburtsstunde der neutestamentlichen Gemeinde. Auf der einen Seite ist das spektakulär, auf der anderen Seite glaube ich, dass die Jünger damals, als sie das erlebten, noch gar nicht begriffen haben, worum es ging. Dass das der Anfang eines neuen Zeitalters war, der Anfang einer neuen Heilsepoche Gottes, in der Gott anders mit den Menschen handelte als bis dahin mit seinem Volk Israel.
Von da an handelt Gott nicht mehr nur mit seinem irdischen Volk Israel, sondern mit seinem himmlischen Volk, das aus Juden und Nationen eins gemacht wird. Die Jünger damals brauchten erst eine ganze Zeit, bis sie das verstanden. Wir sehen, wie Gott Paulus vorbereitete und wie er auch Petrus vorbereiten musste, damit er überhaupt begriff, dass zur neutestamentlichen Gemeinde auch Nichtjuden gehören.
Heute nehmen wir das als selbstverständlich hin. Wir sind alle, denke ich, keine Juden, und wir denken, das sei selbstverständlich. Doch das war es nicht. Die ersten Jünger verstanden zunächst überhaupt nicht, warum das jetzt alles anders ist und warum Gott andere Regeln hat als vorher.
Wir merken sehr stark, dass in vielen christlichen Kreisen diese Unterscheidung nicht gemacht wird. Daraus entstehen viele falsche Lehren. Man unterscheidet nicht zwischen dem Handeln Gottes mit seinem irdischen Volk und dem Handeln Gottes mit der Gemeinde. Wenn man das nicht auseinanderhält, gerät man in große Schwierigkeiten bei der Auslegung.
Deshalb können viele Gläubige nicht mit den sogenannten Rachepsalmen umgehen. Diese würden sie am liebsten aus der Bibel entfernen. Glücklicherweise ist noch niemand auf die Idee gekommen, eine Bibel mit Perforationslinien herzustellen.
Wir erkennen, dass die Bibel nicht nur für uns heute geschrieben ist. Sie ist auch für das Volk Israel geschrieben und für die Zeit nach uns, wenn wir nicht mehr hier auf der Erde sind und die Gemeinde entrückt ist. Dann ist die Bibel immer noch da.
Gott handelt unterschiedlich nach seinen Zeitepochen. Es ist wichtig, diese zu unterscheiden. Das wären eigene Themen für sich.
Die Lebensweise der ersten Christen
Hier entsteht also Gemeinde, und wir lesen in Apostelgeschichte 2,42-47 die bekannten Verse. Dort wird von den ersten Christen gesprochen – oder damals hießen sie noch gar nicht Christen. Das werden wir morgen Vormittag erfahren, dass sie in Antiochien so genannt wurden. Diese ersten, die zur neutestamentlichen Gemeinde gehörten, verharrten in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.
Alle Gläubig Gewordenen aber waren beisammen und hatten alles gemeinsam. Sie verkauften ihre Güter und Habe und verteilten sie an alle, je nachdem, wer bedürftig war. Täglich verharrten sie im Tempel und brachen zu Hause das Brot. Sie nahmen Speisen mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem Volk. Der Herr aber tat täglich hinzu, die gerettet werden sollten.
Ich denke, diese Verse kennen wir. Diejenigen, die schon länger in der Gemeinde sind, kennen sie meist auswendig. Aber ist euch das auch schon mal so gegangen, dass ihr diese Verse lest und euch fragt: Trifft das denn auf uns zu?
“Oh ja”, sagen wir bei Vers 42, “das tun wir, oder?” Aber bei Vers 46: “Alle Gläubig Gewordenen aber waren beisammen und hatten alles gemeinsam, sie verkauften die Güter und die Habe und verteilten sie an alle, je nachdem, wer bedürftig war.” Da wird es schwierig, oder? Stell dir vor, du hättest kein eigenes Häuschen mehr, keine Eigentumswohnung mehr, dein Auto wäre nicht mehr da. Oder die Jugendlichen ihren Game Boy. Plötzlich – ja, aber können wir denn so leben? Schwierig, oder?
Ich erinnere mich noch, als ich damals, in den siebziger Jahren, die Auswirkungen der 68er-Generation erlebte. Ich machte Jugendstunde, wir hatten einen älteren Bruder eingeladen, einen Lehrer, der den Gläubigen das Evangelium verkündete. Wir hatten etliche Jugendliche in unserer Gruppe, die waren so richtig engagiert. Und sie sagten ihm, als der Bruder zur Jugendstunde kam, um uns zu unterweisen: “Wie kannst du das mit der Bibel verantworten, dass du mit einem Mercedes ankommst? Wäre es nicht viel besser, du fährst nur einen VW oder einen R4 – damals war das ja Mode – und den Rest gibst du für die Mission?”
Könnt ihr euch vorstellen, dieser Bruder hat hinterher zu mir gesagt: “Ebert, was habt ihr denn für eine linke Revoluzzartgruppe?” Ja, aber ist denn so eine Frage nicht legitim?
Wir haben bei uns eine Gefährdetenhilfenarbeit. Da muss man sich an solche Fragen gewöhnen: “Wieso trinkst du Alkohol? Wieso rauchst du? Bist du kein Christ?” Ich darf das nicht, und das verträgt nicht jeder. Entweder brauchst du ein ganz dickes Fell – und das ist nicht gut, denn als Christ sollten wir ja ein feineres und sensibleres Gewissen haben – oder wir müssen genau schauen, was die Bibel zu den Dingen sagt.
Ich kann nicht einfach sagen: “Aber ich habe die Freiheit eines Christen, ich habe auch die Freiheit zu verzichten.” Ich gebe euch jetzt keine Antwort darauf. Diese Fragen müsst ihr selbst vor dem Herrn beantworten.
Wir sind sehr schnell dabei zu sagen: “Ja, das war die Zeit damals, und später sind sie ja auch in eine Hungersnot gekommen. Hätten sie das nicht gemacht, dann hätte hinterher nicht gesammelt werden müssen.” So folgern wir dann. Aber nirgendwo steht, dass das falsch war.
Täglich verharrten sie im Tempel und brachen zu Hause das Brot. Sie nahmen Speisen mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens, lobten Gott und hatten Gunst bei dem Volk.
Die Bedeutung von Gemeinderäumen und Gemeinschaft
Was ist notwendig für eine neutestamentliche Gemeinde? Wir sagen „Gemeindesaal“, oder? Ihr habt einen sehr schönen. Wir renovieren auch gerade, und wir denken, das gehört dazu, oder? Das ist aber nur etwas Äußerliches.
Die ersten Gläubigen hatten keinen Gemeindesaal. Sie kamen im Tempel zusammen. Wenn ihr euch vorstellt, ihr habt eben das Bild vom großen Tempel gesehen: Da waren an der Seite diese Säulenhallen, in denen man sich unterstellen konnte, wenn es regnete. Also so Arkaden, ja?
Wenn ich mir vorstelle, wir würden bei uns in Wuppertal-Barmen auf dem Rathausplatz zusammenkommen, da unter den Arkaden – das wäre schon schwierig zu predigen, oder? Und dann Gemeindestunde zu halten, während die Leute, die Ungläubigen, vorbeigehen? Aber das war doch Evangelisation.
Hm, wir nennen das heute Open-Air-Gottesdienst, oder? Merken wir, wir sind in unserem Denken sehr konservativ geworden, sehr bequem. Ihr werdet vielleicht sagen, wenn ihr mich heute Abend und morgen hört, seid ihr doch auch ein Revoluzzer. Aber wir müssen zurückkommen, um unseren jungen Leuten zu erklären, was wirklich Gemeinde ist.
Gemeinde ist eben nicht die Form drumherum, sondern was Gemeinde wirklich ist. Was war das, was immer praktiziert werden kann, auch wenn du keinen Raum hast? Wahrscheinlich hatten sie da auch noch gar keinen Gemeindekassierer, so etwas Wichtiges. Die hatten noch keine Zeitschriften, keine Liederbücher, sie hatten nicht einmal eine Bibel. Das Neue Testament existierte auch noch nicht.
Und wir fragen uns: Wie kann man denn Gemeinde machen? Was war bei ihnen? Sie verharrten in der Lehre der Apostel. Sie kamen also nicht zusammen, weil sie so einen schönen Saal hatten oder weil sie sich freuten, sich alle wiederzusehen, sondern weil sie wissen wollten: Was hat Jesus denn erzählt? Ihr Apostel, die ihr das miterlebt habt, erzählt das doch! Wann schreibt ihr das denn endlich mal auf?
Sie verharrten in der Gemeinschaft. Was ist Gemeinschaft? Wir denken heute an Kaffee trinken, ja, und viele Gemeinden machen dann nach der Sonntagsmorgenstunde noch Stehkaffee im Foyer. Das ist alles wunderschön. Aber das ist nicht Gemeinschaft, das ist Geselligkeit.
Was ist Gemeinschaft? Wenn wir wissen wollen, was die einzelnen Begriffe bedeuten, müssen wir in der Bibel nachschauen. Wo steht etwas über Gemeinschaft? Im 1. Johannes 1 sagt Johannes, dass sie Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, und dem Sohn haben und dass es nötig ist, dass auch wir Gemeinschaft haben.
Das heißt: Wenn du Gemeinschaft mit Gott hast, also in Abhängigkeit von ihm lebst, und ich auch, dann ist auch unter uns dieselbe Gemeinschaft. Das ist wie in der Mathematik, das Gesetz des gleichschenkligen Dreiecks. Wie war das? Wenn in einem gleichschenkligen Dreieck zwei Seiten gleich sind, dann ist auch die dritte Seite gleich. Also wenn die beiden Katheten gleich sind, dann ist auch die Hypotenuse gleich, richtig? Guckt noch mal nach.
So ist das auch: Wenn meine Beziehung zu Gott in Ordnung ist und deine Beziehung zu Gott in Ordnung ist, dann ist auch unsere Beziehung untereinander in Ordnung – ganz einfach. Wenn du Gemeinschaft mit Gott hast und ich Gemeinschaft mit Gott habe, dann haben wir auch Gemeinschaft untereinander.
Vielleicht kennt ihr das: Ihr habt mit Geschwistern ein richtig gutes Verhältnis, oder? Nicht weil ihr die gleichen Hobbys habt, sondern weil ihr euch versteht, weil ihr die gleiche Beziehung zu Gott habt. Und das merkt man in jeder Gemeinde. Glücklicherweise kenne ich euch ja noch nicht so gut. Aber man merkt, sobald man einige Zeit dabei ist, wo es knistert und wo Spannungen sind.
Ich könnte mich freuen, wenn ich am Sonntagmorgen nicht hier bin. Man würde sofort merken, ob alles stimmt oder nicht. Oder merkt man das? Wenn etwas unter den Geschwistern nicht stimmt, heißt das auch, dass etwas in der Beziehung zu Gott nicht stimmt.
Und was passiert dann? Dann achten wir umso mehr auf die Form, weil wir sagen: Es stimmt doch alles, oder? Und merkt ihr, an diesem Punkt kann man sehr schnell erkennen, ob eine Gemeinde Gemeinschaft mit Gott und Gemeinschaft untereinander hat.
Die Praxis des Brotbrechens und der Gebete
Das Dritte ist das Brechen des Brotes. Wir haben das gemacht. Nun ja, das Brechen des Brotes ist einfach, oder? Wir haben daraus eine ganze Stunde gemacht. Heute nennen wir das Anbetungsstunde. Aber wo steht das? Wie sind die Menschen damals zusammengekommen? Was haben wir gelesen?
Täglich versammelten sie sich im Tempel und brachen zuhause das Brot. Komisch, oder? Stellt euch vor, ihr kommt nur hier zur Evangelisation zusammen, und zuhause würdet ihr Brot brechen. Wir würden fast sagen, da stimmt doch etwas nicht, oder? Merkt ihr, ich versuche, euch zum Nachdenken anzuregen. Es kommt darauf an, zurückzufinden, was das Eigentliche ist. Ich brauche keinen schönen Rahmen drumherum.
Wir denken oft, gerade in unseren Kreisen, dass die Stunde des Brotbrechens eine ganz bestimmte Abfolge haben muss. Das nennt man im christlichen Bereich Liturgie. "Oh nein", sagt ihr, "wir haben keine Liturgie, das ist Leitung des Geistes." Wirklich? Fragt eure Kinder, die wissen ganz genau, welches Lied von welchem Bruder vorgeschlagen wird und welche Strophe stehend gesungen wird. Sie wissen genau, zu welchem Bibeltext welches Lied vorgeschlagen wird. Und sie lernen, das genauso zu tun. Ist das Leitung des Geistes? Das ist Gewohnheit.
Entschuldigt, dass ich hinterfrage. Was haben die Menschen damals gemacht? Sie hatten keine Anbetungsstunde, sie hatten noch gar keine Lieder. Sie hatten nur die Psalmen. Sie hatten nicht das blaue Liederbuch, sie hatten nicht das rote Liederbuch. Man kann sich heftig darüber streiten, welche Lieder man überhaupt singen darf. Nein, zum Brotbrechen gehört das nicht.
Wir versuchen immer, zum Beispiel – ich weiß nicht, wie das bei euch ist, glücklicherweise weiß ich das nicht, ihr könnt es selbst überprüfen – wovon lebt eine Stunde, in der wir zusammenkommen, um das Brot zu brechen? Worum geht es da? Es geht darum, an ihn zu denken und ihm Danke zu sagen für das, was er getan hat. Und das ist keine Beerdigung.
Ja, natürlich sind wir auf der einen Seite betroffen über das, was er getan hat. Auf der anderen Seite ist unser Herz unendlich froh und glücklich, weil er gesiegt hat. Das wäre ja schrecklich, wenn er totgeblieben wäre, oder? Dann säßen wir alle nicht hier.
Wir denken oft, solch eine Stunde lebt davon, dass man Bibelverse vorliest und Lieder singt, die andere gedichtet haben. Ich glaube, solch eine Stunde lebt davon, was wir beten. Da kommt mein Herz zum Ausdruck.
Wir sagen, wir kommen zur Anbetung zusammen. Anbetung kann man nicht befehlen. Es kann durchaus sein, dass wir zu 50 oder 100 zusammen sind und nur zwei wirklich anbeten, während die anderen in ihren Gedanken schon beim Mittagessen sind. Ein Bruder hat einmal gesagt: "Ich möchte nicht wissen, wie viele Mittagessen während der ersten Stunde gekocht wurden."
Und ihr lieben Brüder, ihr denkt schon an den Montagmorgen, an das, was auf eurem Schreibtisch liegt, oder? Oder ihr denkt noch an den Krimi vom Samstagabend. Auch da müssen wir uns nicht wundern, wenn wir nach dem Krimi am Samstagabend am Sonntagmorgen kein Loblied auf den Lippen haben.
Merken wir, wir müssen zurück zum Eigentlichen, nicht zu einer Form. Wenn ich darüber nachdenke: Wir haben bei uns durch die Gefährdetenhilfe viele Jungs, die eigentlich null Ahnung von christlicher Gemeinde haben. Und wenn so einer zum Glauben kommt, ist das manchmal sehr umwerfend.
Da ist einer letzte Woche zum Glauben gekommen, und am Sonntagmorgen steht er auf und betet: "Herr Jesus, du bist super! Herr Jesus, das ist total cool, was du gemacht hast! Du hast mich aus der Scheiße rausgeholt! Danke, Amen!" Und wir sagen, das gehört sich nicht, oder? Das war nicht die Sprache Kanaans, nein. Aber Geschwister, ich konnte darauf Amen sagen, weil ich gemerkt habe, dass das Herz dahinter hing.
Natürlich lernt er noch Hochkananäisch, braucht nur lang genug dabei zu sein, dann schwebt er auch. Oh nein, kann unser Herz noch einmal wirklich gepackt sein von der Liebe des Herrn Jesus, dass er dich errettet hat? Kannst du noch darüber weinen, über dein verkorkstes Leben?
Der vierte Teil ist die Gebete. Ich war nicht Mäuschen in eurer Gebetsstunde. Das ist in der Regel in unseren Brüdergemeinden die Stunde, die am wenigsten besucht ist. Ihr seid wahrscheinlich die Ausnahme.
Wisst ihr, vor einigen Jahren, ich war Hausmeister, 32 Jahre bei uns in der Gemeinde, und wir bekamen Besuch von lieben Geschwistern aus Rumänien. Ich machte eine Hausführung und zeigte alle Räume. Dabei sagte ich: "Und hier kommen wir donnerstags zum Gebet zusammen." Da schaute er mich ganz verwundert an und fragte: "Wieso nicht im großen Saal?"
Was soll man da sagen? Das ist peinlich. Er sagte: "Bei uns sind die Gebetsstunden genauso gut besucht wie der Gottesdienst am Sonntagmorgen. Erklär das mal deinen Geschwistern." Natürlich haben wir alle irgendwelche Ausreden, oder?
Ich weiß auch, als ich Teenager war, fragte ich meinen Vater: "Vater, woher kommt es, dass ich donnerstags abends immer müde bin?" Er antwortete: "Kein Problem, wenn wir die Gebetsstunde auf Mittwoch legen, bist du mittwochs so müde." Tja, ich bin dankbar für meinen Vater, der das manchmal so auf den Punkt gebracht hat.
Oh, wir haben so viele Ausreden, oder? Aber es ist doch besser, du schläfst in der Versammlung – eure Fenster sind nicht so hoch wie in Troas, wo der Eutychus aus dem dritten Stock gefallen ist – besser du schläfst in der Gemeinde als zuhause, oder?
Während der Predigt ist es eine Herausforderung, dass keiner einschläft. Geschwister, ich möchte euch Appetit machen. Ich bin fünfunddreißig Jahre, sechsunddreißig Jahre selbständig gewesen. Ich habe jede Gemeindestunde in meinen Kalender geschrieben, damit ich jede Gemeindestunde als Termin fest habe.
Darum herum wurden Kundenbesuche arrangiert, nicht umgekehrt. Der Kundenbesuch bei Herrn Jesus ist doch der wichtigste, oder? Und der kann nicht am Rande laufen. Wenn ich gerade mal Zeit habe, wirst du nie Zeit haben, dafür sorgt der Teufel.
Täglich versammelten sie sich im Tempel und brachen zuhause das Brot. Und wir sagen, es reicht, wenn wir das einmal in der Woche machen. Da sind wir ja schon gut, im Vergleich zu anderen Gemeinden, die das alle Vierteljahre machen, oder?
Was heißt das, wenn sie jeden Tag zusammenkamen, um das Brot zu brechen? Die Langen in der Gemeinde wissen ganz genau: Spätestens bis zum Sonntag muss ich eigentlich alle Dinge geregelt haben, oder? Sonst kann ich doch nicht teilnehmen. Und es gibt Geschwister, die dann nicht teilnehmen, weil Dinge nicht geregelt sind.
Komisch, diese Hintertür steht nirgendwo in der Bibel. Aber stell dir vor, du hättest jeden Tag Brotbrechen. Was heißt das dann? Dann muss doch jeden Tag alles geregelt sein, oder?
Ist das denn nicht das normale Christenleben? Ich habe doch so zu leben, dass jeden Tag alles geregelt ist, oder? Dann dürfte der Herr Jesus doch nur sonntags morgens zur Entrückung kommen, oder? Das wäre ja schrecklich. Stell dir vor, er kommt mitten in der Woche, und du sagst: "Herr Jesus, es passt aber gerade nicht, ich habe Dinge noch nicht geregelt."
Vielleicht sagt der Herr Jesus: "Okay, ich komme eine Viertelstunde später." Entschuldigt, aber merken wir, wie eigentümlich wir oft denken.
Die Identität und Zugehörigkeit zur Gemeinde
Was ist Gemeinde? Ja, das wissen Versammlungsgeschwister alle: Ekklesia, das heißt die Herausgerufenen. Aber was bedeutet das eigentlich? Was sind wir?
Inzwischen gibt es ja so schöne Schilder. Manche Freikirchen sind sehr darauf erpicht, ein Schild am Ortseingang zu haben. Ich kann mir zwar nicht vorstellen, dass dadurch Leute in die Gemeinde kommen, aber was sind wir denn als Gemeinde? Sind wir eine Kirche? Sind wir eine Freikirche? Sind wir eine Sekte? Sind wir vielleicht ein Verein, ein komischer? Sind wir ein Club oder nur eine Interessengemeinschaft?
Geht es euch auch so? Da fragt ein Arbeitskollege oder ein Klassenkamerad: „Wo gehst du denn eigentlich hin?“ Und dann fängt es an zu stottern. Also, weißt du, das ist komisch, oder? Wir werden verlegen, wenn andere uns fragen, wo wir hingehen.
Ich habe gemerkt: Wenn wir ganz genau, klar und selbstverständlich erzählen, wo wir hingehen, dann werden die anderen verlegen. Das ist viel besser. Du musst nicht erklären, was eine Brüdergemeinde ist. Du brauchst nicht erklären, was eine Freikirche ist. Nein, wir sind nicht eine Organisation, die brauchen wir nur, um so ein Haus zu verwalten. Das ist, wie sagt man heute, ein Pinz, ja.
Nein, wir möchten Gemeinde nach dem Neuen Testament sein. Wir sind einfach Christen, nichts anderes. Wir möchten es so tun, wie es die Bibel sagt.
Ich sagte schon, als ich meine Frau kennenlernte, sie gehörte zur Landeskirche. Den Pfarrer interessierte das nicht sonderlich, aber der Diakon wollte wissen, wo sein Schäfchen hingeht, in was für einer Sekte. Er kannte die Brüdergemeinde nicht. Da hat er uns beide eingeladen. Damals waren wir verlobt. Er wollte also so ein bisschen raushören, was das denn ist. Er stellte Fragen und sagte so weiter.
Nach einiger Zeit sagte er: „Jetzt weiß ich es, also jetzt bin ich übergespannt.“ Er sagte: „Ihr nehmt die Bibel wörtlich.“ Ich habe gesagt: „Das versuche ich nur. Wenn das so ist, dann kann ich Ihnen erklären, wie wir uns versammeln.“ Dann hat er mir erklärt, wie wir zusammenkommen, als ob er aus einer Brüdergemeinde käme.
Am Schluss seiner Ausführung sagte er: „Aber das will ich nicht. Ich will nach der Lehre der Kirche leben.“ Ich bin dankbar, dass er das so gesagt hat, denn das war für meine Frau der ausschlaggebende Punkt, aus der Kirche auszutreten. Bisher – das ist wichtig.
Wir müssen nicht irgendwas sein. Wir möchten einfach nur nach der Bibel leben versuchen, aber wir wissen, dass wir unvollkommen sind.
Die Gemeinde als Werk Jesu Christi
Nun, was ist Gemeinde? Jesus hat einmal eine Fünf-Finger-Predigt gehalten, die wir in Matthäus 16 finden. Dort ist er mit seinen Jüngern unterwegs in die Gegend ganz im Norden von Israel, Richtung Caesarea Philippi. Auf unserer Israelreise waren wir ebenfalls in dieser Gegend und haben eine Bibelarbeit über diese Verse gemacht.
In dieser Szene fragt Jesus seine Jünger: „Wer meint ihr, dass ich bin?“ Petrus antwortet: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Daraufhin sagt Jesus: „Das haben dir nicht Fleisch und Blut geoffenbart, sondern mein Vater, der im Himmel ist.“ Dann fügt er hinzu: „Ich sage dir auch: Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Gemeinde bauen.“
Fünf Worte: „Ich will meine Gemeinde bauen.“ So, als wollte er es ihnen an einer Hand abzählen. Ich denke, darin ist eigentlich alles enthalten, was Gemeinde ist. Er sagt: „Ich, ich will meine Gemeinde bauen.“ Nicht die Brüder, nicht die Ältesten, nicht die verantwortlichen Brüder bauen eine Gemeinde. Heute wird ja viel vom Gemeindebau geredet. Nein, sagt Jesus, ich.
Und wer ist dieses „ich“? Das hatte Petrus gerade vorher gesagt: Der Sohn des lebendigen Gottes. Das heißt, die höchste Instanz ist der Planer der Gemeinde. Der, der Himmel und Erde gemacht hat, hat auch den Plan für die neutestamentliche Gemeinde gelegt.
Auf der einen Seite kann uns das ein heiliges Erschrecken geben. Ich kann nicht einfach tun, wie ich möchte. Er ist der Planer, der Architekt, und ich habe mich nach seinen Vorgaben und nach seinem Plan zu richten.
Das Zweite, was Jesus sagt, ist: „Ich will meine Gemeinde bauen.“ Jesus hat nur selten gesagt, was er will. Er sagt: „Ich will meine Gemeinde bauen.“ Und er sagt auch: „Vater, ich will, dass die, die bei mir sind, auch meine Herrlichkeit schauen.“ Sonst hat er gesagt: „Nicht mein Wille geschieht, sondern deiner.“ Aber wenn es um die Gemeinde geht, dann sagt er: „Ich will.“
Und wenn der Herr Jesus sich etwas in den Kopf setzt, dann wird er das auch tun, oder? Ich muss sagen, vor etlichen Jahren hat ein österreichischer Missionar, Fred Colvin, einmal darüber gepredigt, und das hat mich nicht losgelassen. Er hat gesagt: „Nagel den Herrn Jesus darauf fest, dass er seine Gemeinde auch in Bochum baut. Und wenn du möchtest, hier stehe ich zur Verfügung, mitzuhelfen.“
Herr Jesus hat gesagt: „Ich will.“ Herr Jesus, dann lass uns beten! Herr Jesus, dann tu es auch! Dann sagt er: „Ich will meine Gemeinde bauen.“
Die Gemeinde gehört nicht den Brüdern, könnte man ja meinen, Brüdergemeinde. Oder wir sagen: Wir gehen in unsere Gemeinde. Nein, es ist seine Gemeinde. Und es ist wichtig, dass uns das immer wieder bewusst wird, sobald wir da vorne durch die Tür gehen: Es ist seine Gemeinde.
Und dann sagt er noch einmal: „Ich will meine Gemeinde bauen.“ Das wäre noch ein extra Thema. Wir kommen heute Abend sicherlich nicht mit allen Punkten durch. Vielleicht kommen wir morgen noch auf die anderen zu sprechen.
Gemeinde ist das größte Wunder, das es im Neuen Testament gibt. Im Grunde hatte Jesus das schon in seinem Herzen, bevor er die Erde geschaffen hat, so schreibt Paulus im Epheserbrief 1. Dort heißt es, die Gemeinde sei vor Grundlegung der Welt ausgewählt worden.
Könnt ihr euch vorstellen, wie lange der Herr Jesus darauf gewartet hat, bis das Realität wurde? Und endlich, endlich fängt er an – und wir dürfen dazugehören. Dann sagt er: „Ich will meine Gemeinde bauen.“
Das ist auch kaum verständlich, oder? Der Herr Jesus sagt nicht: „Okay, ich stelle jetzt in Bochum eine fertige Gemeinde hin.“ Sondern er sagt: „Ich will sie bauen.“ Ich brauche Mitarbeiter.
Jesus ist also der Architekt, der Eigentümer, der Hausherr und der Bauherr. Wir dürfen Gäste sein, aber auch Mitarbeiter. Natürlich, wenn ein Haus gebaut wird, gibt es die unterschiedlichsten Aufgaben. Jeder hat von Gott Fähigkeiten bekommen.
Wer gehört zur Gemeinde dazu?
Wer gehört zur Gemeinde?
Nun, auch das sagt die Bibel sehr deutlich: So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden.
Zur Gemeinde gehört man nicht, weil man sich hat taufen lassen. Zur Gemeinde gehört man nicht, weil man irgendeine Mitgliedschaft unterschrieben hat. Zur Gemeinde gehört man nicht, weil man am Brotbrechen teilnimmt. Zur Gemeinde gehört man nicht, weil man etwas in den Klingelbeutel tut.
Zur Gemeinde gehört jeder, der ein Eigentum des Herrn ist, also Kinder Gottes. Und das ist wichtig.
Von daher ist die Gemeinde des lebendigen Gottes in Bochum viel größer, als hier reinpasst. Das muss uns sehr deutlich werden. Wir sind hier nur ein Teilbereich der Gemeinde des lebendigen Gottes. Er hat überall die Seinen.
Das wird einmal offenbar werden, wenn die Entrückung da sein wird. Dann werden wir uns wundern, wer alles mitkommt, oder? Dann wirst du wahrscheinlich denken: Boah, wenn alle Bochumer da mal zusammen sind! Ja, wir müssen nicht meinen, wir seien die Einzigen. Ich allein bin übrig geblieben.
Alle, die ihn aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben. Die nun sein Wort aufnahmen, wurden getauft, und es wurden an jedem Tag hinzugetan bei dreitausend Seelen.
Der Herr aber tat täglich zu der Gemeinde hinzu, die gerettet werden sollte.
Die Gemeinde gehört Christus
Wem gehört die Gemeinde? Das hatten wir eben schon gesagt: Es ist nicht unsere Gemeinde, es ist nicht die Gemeinde der Brüder – sie gehört ihm.
Denn Paulus sagt: Ihr seid um einen Preis erkauft worden. In der Apostelgeschichte zwanzig heißt es ebenfalls, dass Gott sie sich durch das Blut seines eigenen Sohnes erworben hat.
Die Gemeinde gehört also rechtmäßig ihm. Sie ist die Gemeinde des lebendigen Gottes, oder kurz gesagt: die Gemeinde Gottes.
Das bedeutet, Gott ist der Eigentümer, der Planer, der Architekt, der Bauherr und der Hausherr. Er allein hat in seiner Gemeinde das Sagen und gibt die Hausordnung vor.
So sagt Paulus es in 1. Timotheus 3: Damit du weißt, wie man sich im Hause Gottes verhalten soll – denn die Gemeinde ist die Gemeinde des lebendigen Gottes.
Wie findet man Gemeinde?
Nun könnte man fragen: Wie finde ich denn die Gemeinde? Wie kann man Gemeinde finden?
Gut, vorne am Gebäude gibt es einen Schaukasten. Wer genau hinschaut – zumindest diejenigen, die von einer Seite kommen – können ihn vielleicht sehen. Schade nur, dass die von der anderen Seite kommen und einfach daran vorbeilaufen.
Wie findet man also Gemeinde? Wir hatten als Familie ein interessantes Erlebnis dazu. Einmal im Urlaub waren wir in Schleswig-Holstein. Wir erkundigten uns bei unseren Gastgebern, wo es eine christliche Gemeinde gibt.
Sie antworteten, dass es solche Gemeinden gibt, die sich im nächsten Ort treffen. Ich fragte, wie man sie findet. Die Antwort war eigentlich ganz einfach: Es ist ein rot verklinkertes Haus.
Also sind wir sonntagmorgens hingefahren – vier Kinder im Auto. Wir kamen in den Ort, alles war rot verklinkert. Wie findest du die Gemeinde? Heute schaut man im Internet nach. Aber damals? Wie findet man Gemeinde?
Eigentlich ist es ganz einfach: Wen trifft man sonntagmorgens auf der Straße? Es gibt nur drei Arten von Menschen: Die mit einem Hund, die gehen Gassi; die Jogger natürlich; und die, die zur Gemeinde gehen. Diese drei kann man unterscheiden.
Ich habe noch keinen gesehen, der seinen Hund mit zur Gemeinde gebracht hat. Und auch noch keinen, der zur Gemeinde gejoggt ist. Also muss die dritte Gruppe die richtigen sein.
So habe ich meinen Kindern gesagt: „Kinder, wir stellen uns jetzt mit dem Auto am Ortseingang hin und beobachten die Leute.“ Das war lustig.
Heute kann man ja auch nicht mehr am Dutz hinten erkennen, wer zur Gemeinde geht. Das geht alles nicht mehr. Und das war ja auch nur so ein Geheimpunkt.
Die Fische am Auto sind heute auch sehr unterschiedlich. Sie sind eher Vertreter von Nordsee oder Imbissketten. Aber wir haben die Gemeinde tatsächlich gefunden.
Spötchen hat einmal gesagt: „Wenn du sonntags zur Gemeinde gehst, dann trag deine Bibel unterm Arm. Dann bist du nämlich auf dem Weg schon ein Zeugnis.“
Wir haben unsere Bibeln natürlich immer sehr gut verpackt, damit nichts dran kommt. Und wir fahren immer mit dem Auto bis auf den Parkplatz davor.
Sichtbarkeit des Glaubens in der Gemeinde
Ja, woran sind Christen zu erkennen? Es gibt viele Möglichkeiten. Mich hat besonders beeindruckt, dass wir ungefähr einmal im Jahr nach Ungarn fahren und dort ungarische Gefängnisse im Rahmen unserer gefährdeten Hilfe besuchen.
Wir sind regelmäßig in einem Gefängnis in Vác, das liegt am schönen Donauknie im Norden von Ungarn. Vor ungefähr zehn oder elf Jahren ist dort ein Inhaftierter zum Glauben gekommen. Er hat so einen guten Einfluss auf die anderen Gefangenen, dass inzwischen schon eine ganze Menge von ihnen zum Glauben gekommen ist.
Diese Gefangenen treffen sich freitags zur Bibelstunde im Gefängnis. Etwa 80 Inhaftierte nehmen daran teil, das sind rund zehn Prozent der Gefangenen dort. Der Mann sagte mir, dass sie sonntags als Gemeinde zusammenkommen. Sie seien eine echte Brüdergemeinde. Das Gefängnis ist ein Männerknast, die Frauenfrage ist also geklärt.
Wir standen dort vorne im Gefängnis als Chor beim Gottesdienst, und ich schaute die Inhaftierten an. Das war frappierend. Man muss sich vorstellen, in Ungarn tragen alle die gleiche Kleidung. Sie haben eine Art Einheitskleidung, alles in vornehmem Grau. An der Kleidung konnte man also nicht erkennen, wer gläubig war. Aber an den Gesichtern konnte man es sehen.
Man konnte an den Gesichtern erkennen, wer gläubig war. Ich muss sagen, ich bin hinterher rausgegangen und an der ersten Schaufensterscheibe vorbeigegangen, um zu kontrollieren, ob man mir ansehen kann, ob ich Christ bin.
Was hat Nietzsche einmal gesagt? Wenn die Botschaft der Christen stimmt, dann müssten sie viel erlöster aussehen. Aber wir Christen sehen oft so pietistisch aus, mit herunterhängenden Augen- und Mundwinkeln.
Allgemein sagt man, ab dem dreißigsten Lebensjahr ist man selbst für die Falten im Gesicht verantwortlich. Die Frage ist tatsächlich: Geht es mir nicht einfach um ein aufgesetztes Lächeln, sondern darum, ob die Menschen in meiner Umgebung wirklich erkennen können, dass ich mit Jesus lebe.
Ich habe von einem jungen Bruder einmal dieses schöne Zeugnis gehört: Eine alte Schwester sagte, wenn der Bruder in die Gemeinde kommt, ist es, als wenn die Sonne aufgeht.
Wenn ich an manche Geschwister denke, dann ist das Abendland schon längst vorbei, oder?
Wie wird Gemeinde sichtbar?
Ja, wie war das damals eigentlich? Wie wird Gemeinde sichtbar? Wir haben eben gesagt, alle Wiedergeborenen in Bochum gehören zur Gemeinde des lebendigen Gottes. Aber wie zeigt sich Gemeinde sichtbar?
Ist das etwa so wie bei unserem Bundestag in Berlin? Die einzelnen Bundestagsabgeordneten erkennt man in der Regel nicht an ihrer Kleidung oder an ihrem Lächeln. Sie sind auch Bundestagsabgeordnete, wenn sie abends im Bett liegen oder gerade unter der Dusche stehen. Wer sieht, dass sie Bundestag sind? Nur wenn der Bundestag zusammenkommt.
Gemeinde wird sichtbar, wenn sie als Gemeinde zusammenkommt. Deshalb sind die Zusammenkünfte so wichtig.
Ich kann mir vorstellen, dass damals in Jerusalem vielleicht irgendwo ein Schaukasten stand, ähnlich wie bei euch. Brotbrechen fand täglich in den Häusern statt – bitte erfragt das –, genauso wie tägliche Gebetsstunden in den Häusern – auch hier bitte erfragen –, und Bibelstunden täglich im Tempelvorhof. Gemeinschaft gab es immer dort, wo zwei oder drei zusammenkamen. Paulus sagt im Korintherbrief öfter: Wenn ihr als Gemeinde zusammenkommt.
Auf die nächsten Punkte möchte ich jetzt nicht näher eingehen, aber wir hatten sie schon erwähnt: Die Lehre der Apostel, die Gemeinschaft, das Brechen des Brotes und die Gebete.
Offenheit und Abgrenzung der Gemeinde
Ich möchte kurz und prägnant auf den Punkt eingehen: Ist Gemeinde offen oder ein geschlossener Verein? Wer gehört dazu?
Wir leben heute in einer Zeit, in der viele neue Gemeindekonzepte entstehen, wie Willow Creek, Saddleback und viele andere. Man sagt, man möchte Gemeinde für Kirchendistanzierte machen. Deshalb findet Gemeinde im Kino, im Theater oder an anderen ungewöhnlichen Orten statt. Aber was sagt die Bibel dazu?
Auf der einen Seite ist Gemeinde offen. Der Herr fügte täglich zur Gemeinde hinzu, und die Gemeinde sagte nicht: „Moment, heute haben wir eine geschlossene Veranstaltung.“ Auf der anderen Seite ist Gemeinde aber auch eine geschlossene Gesellschaft. In Kapitel 5 heißt es: Keiner wachte sich, ihnen anzuschließen. Das muss sehr deutlich werden – nicht weil wir komisch sind, sondern weil die anderen merken: „Da passe ich nicht hin“ oder „Ich muss mich bekehren.“
Der Leiter der Gefährdetenhilfe Scheideweg bei Hückeswagen, Friedl Pfeifer, hat es einmal so formuliert: Nimm einen Ungläubigen in deine Familie, lebe ihm das Christsein vor, und derjenige wird innerhalb von sechs bis acht Wochen gläubig – oder er haut ab. Länger hält das kein Mensch aus. Du wahrscheinlich auch nicht. Das wäre die effektivste Bekehrungsmethode, sage ich mal.
Wir merken das auch in unserer Gefährdetenhilfearbeit. Vor einigen Jahren hatten wir ein junges Mädchen bei uns in der Familie. Lebe dem anderen das Christsein vor! In der Gefährdetenhilfe leben wir nach dem Prinzip, dass immer ein Christ mit einem Gefährdeten zusammen auf dem Zimmer wohnt. Der Christ hat die Aufgabe, dem anderen vorzuleben, wie man als Christ lebt. Das ist eine Herausforderung, oder?
Dadurch wird der andere in die Entscheidung gestellt. Es ist nötig, dass Menschen merken: Ich bin in meiner Entscheidung gefordert – für oder gegen den Herrn Jesus. Nicht weil wir gesetzlich sind, sondern weil wir so leben möchten, wie Jesus es möchte.
Und am Herrn Jesus haben sich immer die...
