Einführung in die Zeit zwischen Mose und Malachi
Wir wollen an diesem Vormittag versuchen, einen Eindruck von der langen Zeitspanne zwischen Mose, dem Gesetzgeber und Mittler des Gesetzesbundes, und Malachi, dem letzten Propheten, zu gewinnen.
Die beiden Stellen, die aus 5. Mose und Malachi gelesen wurden, spannen nicht nur chronologisch einen Bogen, sondern auch einen Spannungsbogen. Dieser entsteht durch Mose und die Gabe des Gesetzes. Hoffentlich wird im weiteren Verlauf deutlich, was damit gemeint ist.
Mit Mose beginnt ein neues Zeitalter. Das zeigt sich bereits daran, was durch Mose und in seiner Zeit geschah. Diese Zeit wird im Neuen Testament bestätigt. Der Herr Jesus selbst fasst diese Epoche zusammen. Mehr als einmal spricht er zusammenfassend von „Gesetz und Propheten“. Obwohl Gesetz und Propheten Unterschiede aufweisen, bilden sie doch eine höhere Einheit.
Ich lese dazu einen Vers aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 7, Vers 12:
„Alles nun, was ihr wollt, dass euch die Menschen tun sollen, das tut auch ihr ihnen; denn das ist das Gesetz und die Propheten.“
Auch in Matthäus Kapitel 11, Vers 13 werden die beiden zusammengefasst:
„Alle Propheten und das Gesetz haben geweissagt bis auf Johannes.“
Diese Periode gehört also zusammen.
Gottes Treue und Kontinuität im Handeln
Nun lesen wir im zweiten Mosebuch, wie Gott beginnt, seine Verheißungen zu erfüllen und zu handeln. Dabei setzt er die Zusagen um, die er bereits im ersten Mosebuch gegeben hat.
Wir erkennen erneut, dass Gott, der am Anfang schuf und sprach, ein treuer Gott ist. Er hat von Anfang an seine Absichten vor Augen und arbeitet zielstrebig auf deren Erfüllung hin. Dies schafft das, was ich gestern Kontinuität nannte.
Wie wichtig ist es, diese Kontinuität in der Bibel zu erkennen: Gott ist ein treuer, beständiger Gott, der sich nicht ändert. Dieses Wissen brauchen wir besonders dort, wo es darum geht, den Weg aus unserem Dilemma zu finden. Dieses Dilemma betrifft den gefallenen, sündigen Menschen, über den wir gestern sprachen. Der Tod herrscht über ihn, und das Einzige, was ihn retten kann, ist Gott.
Auf menschlicher Seite braucht es dafür Glauben. Glaube bedeutet, jemandem vertrauen zu können, der vertrauenswürdig ist. So zeigt Gott immer wieder, dass er derselbe bleibt – der Gott, der zu den Vätern sprach und der am Anfang alles schuf. Dies wird auch zu Beginn der Zeitspanne von Mose bis Maleachi deutlich.
Im zweiten Mosebuch erscheint Gott Mose als der Gott der Väter. So heißt es in 2. Mose 3,15: Gott sprach weiter zu Mose: „Also sollst du zu den Kindern Israel sagen: Der Herr, der Gott eurer Väter, der Gott Abrahams, der Gott Isaks und der Gott Jakobs, hat mich zu euch gesandt.“
Erfüllung der Verheißungen an Abraham
Kontinuität: Beginn mit Mose und Erfüllungen von Verheißungen, die Gott Abraham bereits gegeben hat. In 1. Mose 15 greife ich nur eine Stelle heraus. Gott sagt zu Abraham in 1. Mose 15,13 und folgende:
Und Gott sprach zu Abraham – hier steht noch „Abram“ –: „Wisse gewiss, dass dein Same ein Fremdling sein wird in einem Land, das nicht ihres ist. Sie werden ihnen dienen und sie werden sie bedrücken vierhundert Jahre. Aber ich werde die Nation auch richten, welcher sie dienen werden. Danach werden sie mit großer Habe ausziehen. Du aber wirst zu deinen Vätern eingehen in Frieden und in gutem Alter begraben werden. Im vierten Geschlecht werden sie hierher zurückkehren, denn die Ungerechtigkeit der Amoriter ist bis dahin noch nicht voll.“
Anschließend wird das Land mit seinen Grenzen beschrieben, das Gott Abraham und seinen Nachkommen verheißt.
Die Bücher des zweiten Mose und die gesamten Mosebücher sowie das Buch Josua dienen als Beweis für die Wahrhaftigkeit der Verheißungen Gottes. Tatsächlich erhält Israel das Land, nachdem es 400 Jahre in der Fremde in Ägypten gelebt hatte. Es kehrt zurück in das Land, in dem Abraham gelebt hatte, und nimmt es in Besitz.
Kontinuität also: Gott ist der, der Verheißungen gibt, Gott ist der, der handelt, und Gott ist der, der zu Israel redet und ihm einen Weg zeigt, wie es in den Genuss der von Gott bereiteten Segnungen gelangen kann.
Grundsätze der Rettung: Gottes Tun und menschlicher Glaube
Doch ich wiederhole die beiden Punkte, die wir gestern Abend hörten: Es ist immer der gleiche Weg, auf dem Gott den Menschen rettet. Erstens: Gott tut alles. Darum lesen wir im zweiten Mosebuch, dass im Mittelpunkt, im Zentrum der Befreiung Israels ein Opfer steht, das Passahlam. Gott muss alles tun. Er muss die Folgen der Sünde auf sich nehmen, so wie er es in der Sendung und Hingabe seines Sohnes getan hat.
Zweitens: Der Mensch muss glauben. Diese beiden Dinge, dieses Begegnen Gottes, gelten auch in diesem neuen Zeitalter. In 2. Mose 4,1 heißt es: Mose antwortete und sprach: „Aber siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören.“ Dann in Vers 9: „Es wird geschehen, wenn sie selbst diesen zwei Zeichen nicht glauben und nicht auf deine Stimme hören, so sollst du dann noch ein Zeichen tun.“ Am Schluss von Kapitel 4 lesen wir: „Und das Volk glaubte. Als sie hörten, dass der Herr die Kinder Israel heimgesucht und ihr Elend gesehen hatte, da neigten sie sich und beteten an.“
Soweit stellen wir also fest: Diese Grundsätze bleiben immer gleich. Die Treue Gottes, die Beständigkeit Gottes – er erfüllt seine Verheißungen. Der Weg, auf dem der Mensch je gerettet werden konnte, ist seit den Tagen Adams und Abels und Abrahams, auch während der ganzen Gesetzeszeit, derselbe.
Nun werden wir noch vom Gesetz sprechen. Wozu denn das Gesetz? Es wurde nicht gegeben, um den Menschen zu retten. Nie wurde ein Mensch durch das Gesetz gerettet, auch nicht in den Tagen Moses. Zu allen Zeiten wurden Menschen nur gerettet, weil Gott bereit war, die Folgen der Sünde auf sich zu nehmen. Er hat natürlich denen, die ihm dann glaubten, im Wissen und Vorausblick auf das Opfer seines Sohnes, Menschen vergeben und aufgrund ihres Glaubens sie gerechtfertigt und gerettet. Das war zu allen Zeiten so.
Es ist doch eine bemerkenswerte Geschichte, die wir hier vor uns haben. Gott führt Abraham in das Land der Verheißung und sagt ihm dann: „Aber 400 Jahre lang werden deine Nachkommen nicht in diesem Land sein. Danach werde ich deine Nachkommen in dieses Land zurückführen und ihnen dieses Land geben.“ Warum dieser lange Umweg? Wir werden später von noch einem Umweg hören. In 1. Mose 15,16 wird ein Grund genannt: „Im vierten Geschlecht werden sie hierher zurückkehren, denn die Ungerechtigkeit der Amoriter ist bis hierher noch nicht voll.“ Ein Grund ist also die Sünde der Bewohner des Landes.
Die Sünde muss zuerst ausreifen. Ganz allgemein gesagt: Bevor Gott den Menschen segnen kann, muss offensichtlich die Sünde ihren Lauf nehmen. Aber es hängt auch mit Israel zusammen. Israel muss in der Gottesferne empfinden, was es heißt, ohne Gott zu leben, ohne Gott der Väter zu sein. Und so lässt Gott es zu, führt es so, dass Israel leidet, dass ihnen das Leben bitter wird. Das weckt in ihnen den Wunsch nach Errettung. Genau so geht es uns. So ist das Handeln Gottes mit Israel Anschauungsunterricht für sein Handeln auch mit einzelnen Menschen.
Die Sünde muss bei uns auch zuerst ausreifen. Wir müssen merken und kapieren, was Sünde ist, was Sünde anrichtet, was durch die Sünde des Menschen geschieht und wie die Sünde uns zerstört und kaputt macht. So müssen im übertragenen Sinne 400 Jahre vergehen. Es können auch vier Jahre oder vier Monate sein – je kürzer, desto besser – aber es muss in unserem Leben deutlich werden, wie destruktiv Sünde ist.
Dann müssen wir empfinden lernen, und wir empfinden es auch, wie furchtbar ein Leben ohne Gott ist, wie bitter das Leben ohne Gott ist. Den Israeliten wurde das Leben bitter gemacht, wie es in 2. Mose 1 heißt: „Sie machten ihnen das Leben bitter durch harten Dienst in Lehm und Ziegeln und durch allerlei Dienst auf dem Felde.“ Damit hängt zusammen, oder das ist der Grund, warum Gott diesen Umweg geht. Gott muss auch mit uns lange Umwege gehen, bis wir endlich merken und kapieren, dass wir unseren Gott brauchen, unseren Retter, sein Opfer, sein Heil.
Was hier an Israel demonstriert wird durch den Umweg über Ägypten, ist gleichzeitig eine Gegenstandslektion für die ganze Menschheit. Gott muss den Menschen lange Wege führen. Es braucht sehr lange, bis der Mensch erkannt hat, nachdem die Sünde ausgereift ist, wie notorisch böse der Mensch ist und wie unfähig er ist, diese Welt in Ordnung zu bringen. Die Schöpfung, die Gott ihm anvertraut hat, führt er am Ende nur an den Rand des Chaos. Erst dann ist eine Menschheit bereit, sich der Regierung dessen zu unterwerfen, der allein diese Schöpfung für Gott verwalten kann. Unter seiner Regierung kann der Mensch erst in das von Gott bereitete Reich eintreten, unter der Regierung seines Sohnes.
Wir haben gesehen: Der Glaube seitens der Israeliten führt dazu, dass Gott sie retten kann. Dann wird am Berg Sinai der Gesetzesbund errichtet. Wozu denn das Gesetz, fragen wir uns wieder. Wir hatten gesehen: Abel glaubte und wurde gerechtfertigt, Noah glaubte und wurde gerettet, Abraham glaubte und wurde gesegnet, Israel glaubte und wurde aus Ägypten herausgeführt. Wozu also das Gesetz? Ein weiterer Umweg, den Gott gehen muss.
Das Gesetz wurde eingeführt, um dem Menschen zu zeigen, wie sündig er wirklich ist. Ich sprach vorhin vom Ausreifen der Sünde. Ja, das müssen wir lernen, erkennen und sehen, wie viel Böses in uns ist, wie destruktiv die Sünde ist. Aber die Sünde hat auch eine andere Seite, die Gott uns ebenfalls zeigen muss. Ich schlage Römer 5 auf. Dort steht in Vers 20: „Das Gesetz kam daneben ein, damit die Übertretung überströmen würde.“ Das Gesetz war niemals das Mittel, das Gott je vorgesehen hat, um einen Menschen zu retten. Es kam hinzu, um etwas anderes zu bewirken: Es sollte zeigen, wie sündig der Mensch ist.
In welcher Hinsicht sündig? Nicht nur, dass wir Böses tun, also lügen, andere hintergehen oder uns etwas aneignen, das uns nicht gehört. Solche Dinge tun wir, und das ist böse Tun. Auch unsere Zunge richtet viel Böses an. Aber wir sind noch viel schlimmer als das. Und das kann erst das Gesetz zeigen: Wir sind auch unfähig zum Guten. Wir tun nicht nur Böses, sondern sind auch unfähig zum Guten. Das hatte Israel noch nicht kapiert.
Israel war gerettet worden, herausgeführt worden, stand am Fuße des Sinai, und Gott legt ihm das Gesetz vor. Was sagt Israel? Hätten sie gewusst, wie unfähig sie zum Guten sind, hätten sie bekannt und gesagt: „O Gott, sei uns gnädig! Wie wollen wir diese Forderungen erfüllen?“ Aber das sagen sie nicht. Stattdessen sagen sie: „Alles, was Gott gesagt hat, wollen wir tun.“ (2. Mose 19,8) Dort antwortete das ganze Volk insgesamt: „Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun.“
Damit ging Israel auf die Probe des Gesetzes ein. Natürlich musste Israel versagen. Gott wusste, was im Herzen der Israeliten, was im Herzen der Menschen ist. Er weiß, dass im Menschen auch dieses Übel steckt: Der Mensch hält sich für gut und meint, er könne Gutes tun, Gott gefallen. Er denke, Gott müsse ihm nur sagen, was und wie, dann werde er es tun.
Darum hat Gott das Gesetz gegeben: um zu zeigen, dass wir unfähig zum Guten sind. Eine niederschmetternde Feststellung, ein niederschmetterndes Ergebnis dieser Probe. Aber so ist es. Das Gesetz hat erwiesen, was der Herr Jesus in Johannes 6,63 sagt: „Das Fleisch nützt nichts.“ Das meint den Menschen – auch den besten, den polierten, den religiösen, den zivilisierten und kultivierten Menschen. Von ihm sagt Gott: Das Fleisch nützt nichts.
Das Gesetz allein konnte uns das zeigen. Vergleichen wir das Gesetz mit dem Neuen Testament, sehen wir, wie groß die Diskontinuität ist. Die Gegensätze könnten nicht größer sein zwischen dem, was das Neue Testament lehrt, und dem, was das Gesetz lehrt. Das Gesetz fordert vom Menschen, was er niemals erfüllen kann.
Im Evangelium wird uns offenbart, dass Gott gehandelt hat und das getan hat, was der Mensch nicht kann. In Römer 8,3 heißt es: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn sandte.“ In seinem Sohn hat Gott alles getan, was der Mensch nie tun kann und was darum auch das Gesetz nie zuwege bringen kann.
Römer 10,4 sagt: „Christus ist des Gesetzes Ende jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.“ Und in Römer 6,14 steht: „Denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, weil ihr nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade seid.“ Wie großartig ist das!
Ich wünsche mir, dass wir das noch viel tiefer und gründlicher verstehen. Die Sünde wird nicht über euch herrschen – warum nicht? Weil ihr euch so treu an das Gesetz haltet? Nein, das steht nicht da. Das Gesetz kann niemals von Sünde befreien. „Denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.“ Die Gnade allein vermag uns von der Macht der Sünde zu befreien. Die Gnade allein vermag uns mit Gott selbst zu verbinden. So ist die Gnade allein der Weg, der uns befähigt, die Sünde zu überwinden.
Der Hebräerbrief arbeitet mit diesen Gegensätzen: Gesetzesbund, Alter Bund und das, was Gott in Christus getan hat, zieht sich durch den ganzen Brief hindurch. Ich meine, das ist ein Thema, mit dem sich die christliche Gemeinde immer wieder schwer getan hat und womit wir uns auch persönlich schwer tun.
Wir haben es als Gläubige oft schwer, das Prinzip der Gnade zu erfassen. Warum? Ich denke, weil wir uns immer noch zu viel Gutes zutrauen. Irgendwie meinen wir: „Ja, ich bin ein Sünder und konnte nur gerettet werden, weil der Herr Jesus meine Sünde getragen hat und Gott mir vergeben hat. Jetzt bin ich ein Kind Gottes und amtlich.“ Und dann meinen wir: „Jetzt können wir aber Gutes tun.“ Nein, wir können es immer noch nicht. Auch auf uns gestellt nicht.
Ich denke, unter uns wirkt viel mehr das Prinzip des Gesetzes, als wir meinen. Wir sind viel gesetzlicher, als wir glauben. Manche meinen, Gesetzlichkeit sei, wenn man sagt, man müsse bestimmte Haartrachten tragen oder dies und das nicht essen. Das kann auch Gesetzlichkeit sein, aber ich glaube nicht, dass solche Dinge uns Schwierigkeiten machen. Schwieriger ist das Prinzip des Gesetzes, dass wir meinen, wir müssten etwas leisten. Aber wir können nichts leisten.
Ich lese einen Vers aus dem Kolosserbrief, Kolosser 2,6: „Wie ihr nun Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm.“ Wie haben wir Christus, den Herrn, empfangen? Ihr erinnert euch, ich erinnere mich auch noch gut: Als ich zum Herrn kam und ihn aufnahm, da wusste ich, dass ich total bankrott bin, dass ich mich ihm anvertrauen musste und mich selbst nicht retten konnte. So habe ich ihn aufgenommen.
Dann ändert sich unser Leben. Wir hören auf zu rauchen, zu trinken, gehen täglich arbeiten und versorgen unsere Familie. Wir werden anständige Menschen. Und dann meinen wir, wir könnten es. Das ist ein fataler Fallstrick. Wir bleiben bis an unser Lebensende unfähig, Gott zu gefallen, wenn wir auf uns gestellt sind.
So wie wir den Herrn aufnahmen, so wandeln wir. Wir bleiben völlig auf ihn angewiesen bis zuletzt. Denn Jesus sagt in Johannes 15,5: „Ohne mich könnt ihr nichts tun.“
Paulus fasst im Römerbrief zusammen: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist die Kraft Gottes zum Heil jedem Glaubenden, sowohl dem Juden zuerst als auch dem Griechen. Denn darin wird Gottes Gerechtigkeit offenbart aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.“ Es bleibt Glaube, sich völlig auf Gott zu verlassen, nie auf uns selbst.
Das lehrt das Neue Testament von verschiedenen Seiten immer wieder. Wir merken an uns selbst, wie schwer es uns fällt, das Prinzip der Gnade zu begreifen. Wir rutschen sehr schnell in gesetzliches Denken hinein. Oder wir fallen ins Gegenteil. Judas, Vers 4, spricht von Menschen, die die Gnade Gottes in Ausschweifung verkehren. Das ist die Gnade Gottes so interpretiert, dass man sich gar nicht mehr darum schert, was Gott will.
Nein, die Gnade wirft mich auf Gott und bindet mich an Gott. Wenn ich an Gott gebunden bin, ist mein ganzes Denken, Sehnen, Sinnen und Trachten von ihm regiert. Dann lebe ich für ihn, wenn die Gnade mich erfasst hat und ich sie ergriffen habe.
Im Hebräerbrief 7,19 heißt es: „Denn das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht.“ Da sehen wir es wieder: Das Gesetz hat kein Heilsziel erreicht, sondern nur etwas, das nötig ist, damit Gott den Menschen an sein Ziel bringen kann. Es kann uns nur zeigen, wie unfähig wir zum Guten sind.
Der Gesetzesbund hängt zusammen mit einem Land. Nun muss ich aus diesem sehr großen Gegenstand eine Auswahl treffen. Mose bis Maleachi: Das Gesetz hängt zusammen mit einem Land. Die Verheißungen, die Gott Abraham gab und später durch Mose wiederholte, hängen zusammen mit einem Land, mit geografisch definierten Grenzen.
Ich lese diesen Vers noch einmal, den wir heute bereits hörten: 5. Mose 4,1: „Nun Israel, höre auf die Satzungen und Rechte, die ich euch lehre zu tun, damit ihr liebt und hineinkommt und das Land in Besitz nehmt, das der Herr, der Gott eurer Väter, euch gibt.“ Hier ist also das Land verheißen, und die ganze Geschichte Israels von Mose bis Maleachi dreht sich um das Land: Einzug ins Land, Leben im Land, Verlieren des Landes, Rückkehr ins Land.
Aber jetzt kommt dieses Aber: Das Gesetz vermochte es nicht, den Israeliten ewige, bleibende Ruhe im Land zu geben. Das Gesetz hat auch hierin nichts zur Vollendung gebracht. Wir merken hier die Bedingung, die 5. Mose 4 stellt: „Höre auf die Satzungen und tue sie, damit ihr das Land in Besitz nehmt.“ Unter diesen Bedingungen musste Israel das Land verlieren – und es hat es auch verloren.
Hier setzt der Dienst der Propheten ein. Die Propheten bestätigen wiederum, was Mose lehrte. Ich muss vorher noch sagen: Die ganze Geschichte im Land bestätigt, was Mose lehrte. Was Mose lehrte, bestätigt einmal die Wahrhaftigkeit und Treue Gottes. Gott sagte: „Ich gebe euch das Land.“ Wir lesen das in 5. Mose 4 ein. Dutzende Male in den Mosebüchern, auch in Josua, heißt es: „Ich gebe euch das Land.“ Und Gott hat es ihnen gegeben.
Aber dann wurde die Bedingung des Gesetzes daran gehängt: Gedeihen im Land hing am Erfüllen der Gebote Gottes. Mose hat vorausgesagt, dass Israel die Gebote Gottes, das Wort Gottes, brechen würde und entsprechend aus dem Land vertrieben würde.
Ich lese eine Stelle aus 3. Mose 20,22: „Ihr sollt alle meine Satzungen und Rechte beobachten und tun, damit euch das Land nicht ausspeie, wohin ich euch bringe, um darin zu wohnen.“ Ich bringe euch hinein, aber wenn ihr meine Rechte und Satzungen nicht haltet, wird das Land euch ausspeien.
Wir werden später noch darauf zurückkommen. Die Geschichte der christlichen Kirche endet nämlich ganz ähnlich. Da speit Gott auch aus am Ende, wie es im Neuen Testament steht.
Unter diesen Bedingungen sagt Mose voraus, dass Israel das Land verlieren wird. Mose sagt aber auch voraus, was in 5. Mose 28 steht: Verlust des Landes, und dann in 5. Mose 30, dass Israel das Land wiederbekommen wird: „Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird der Herr, dein Gott, dich von dort sammeln und holen. Er wird dich in das Land bringen, das deine Väter besessen haben, und du wirst es besitzen. Er wird dir wohltun und dich mehren über deine Väter hinaus.“
Das hat Mose also bereits angekündigt. Die Propheten bestätigen, was Mose sagte. Die Propheten messen das Volk beständig am Gesetz Moses. Wenn ihr das nächste Mal die Propheten durchlest, achtet einmal darauf, wie sie sich auf Mose beziehen, sei es durch direkte Nennung oder durch Wiederholung von Wahrheiten und Forderungen, die Mose gemacht hat.
Ihr könnt mit Jesaja 1 beginnen. Dort sind die Parallelen offenkundig und springen einem direkt ins Auge: Jesaja kennt Mose und argumentiert von Mose her, um Israel ihre Sünde und ihr Versagen aufzuzeigen. Das machen alle Propheten so. Sie überführen das Volk und können ihm nichts anderes ankündigen als das Gericht, das Mose im Falle des Gesetzesbruchs angekündigt hat.
Alle Propheten reden von Gericht: Jesaja sagt, der Assyrer wird kommen; Jeremia sagt, der vom Norden, Babylon, wird kommen. Alle Propheten bestätigen, dass Gericht kommen wird.
Dann kündigen die Propheten wiederum Errettung an. Mose sagte: „Der Herr wird euch sammeln, ihr werdet das Land wieder besitzen, darin wohnen, nicht mehr ausgespien werden, und der Herr wird euch wohltun.“ Aber wie soll das aufgehen?
Mose hat einige Hinweise gegeben, und die Propheten reden durch Gottes Geist inspiriert davon ganz deutlich und offen. Sie sagen: Zuerst muss das Gesetz seinen Lauf gehen, und Israel muss unter dem Gesetz als untauglich zum Guten offenbar werden. Wenn Israel so weit ist, werden sie bereit sein, in einen neuen Bund einzutreten.
Dieser neue Bund wird nicht von einem Menschen geschlossen werden, von einem menschlichen Mittler wie Mose, sondern von Gott selbst, in der Person des Messias. Die Propheten kündigen einen neuen Bund unter einem neuen Mittler an, und unter diesem neuen Mittler wird es kein Versagen und Abfallen mehr geben, sondern bleibenden Segen und Frieden.
Genau davon spricht auch der letzte Prophet. Die Stelle, die der Bruder gelesen hat, passt vorzüglich. Darum schlagen wir noch einmal Maleachi 3 auf, Vers 1. Was sagt Maleachi, der etwa tausend Jahre nach Mose lebte? Wir müssen bedenken, was Israel inzwischen alles hinter sich hat: Einzug ins Land, Leben im Land, Vertreibung aus dem Land, teilweise Rückkehr unter Esra und Nehemia.
Ist Israel bereit, diese Botschaft zu hören? Nein, das ist zu viel gesagt. Ein Teil der Israeliten ist bereit, die Botschaft zu hören, die Maleachi hier verkündet und die in den Tagen des Messias in Erfüllung ging: „Siehe, ich sende meinen Boten, dass er den Weg vor mir bereite.“ Johannes der Täufer.
„Und plötzlich wird er zu seinem Tempel kommende Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr begehrt.“ Die Israeliten fingen an zu empfinden, dass sie einen besseren Bund, einen besseren Mittler und bessere Verheißungen brauchen als die des Gesetzes. Sie hatten gemerkt: Tausend Jahre haben gezeigt, dass sie das Gesetz gebrochen haben, versagt haben und es nicht halten können. Sie brauchen einen besseren Bund und einen besseren Mittler.
Dieser bessere Bund und Mittler ist der Herr Jesus, der von den Propheten angekündigte Messias. Ich lese dazu zwei Stellen aus dem Hebräerbrief, Kapitel 8, Vers 6: „Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist.“
So schlagen die Propheten die Brücke zwischen Gesetz und Propheten und dem Kommen des Herrn und des neuen Bundes. Dieser neue Bund wird zu ihrer Zeit noch nicht aufgerichtet, sondern nur angekündigt. Der Messias kam noch nicht, aber er wird angekündigt.
So wird diese Spannung aufgelöst, die darin besteht, dass Gott den Vätern das Land verheißen hatte und Israel das Land auch gibt und alle Segnungen, aber dann von den Israeliten verlangt, das Gesetz zu halten. Irgendwie passt das nicht zusammen. Das ist eine Spannung, aber kein Widerspruch, der Gott begründet wäre. Es war notwendig, um die Israeliten zu erziehen und anhand Israels die ganze Menschheit davon zu überzeugen, dass der Mensch nichts Gutes tun kann.
Wenn wir diese Lektion aus dem Alten Testament gelernt haben, dürfen wir als Heiden – einst wilde Germanen und Wikinger, ich komme aus dem Norden – dieses Evangelium hören, annehmen und bekennen, dass wir nicht nur Böses getan haben, sondern auch Gutes nicht tun können. Wie der Römerbrief sagt: „Da ist keiner, der Gutes tut; alle sind abgewichen, alle sind untauglich geworden.“
Wir dürfen das bekennen und durch den Glauben an den besseren Mittler von Anfang an einen besseren Bund genießen, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist.
So viel zum Gegensatz Gesetz und Gnade, so viel zur Heilsbotschaft, die Gott durch Mose und die Propheten verkünden ließ. Wir sehen, dass zur Heilsbotschaft Gottes auch gehört, dass er den Menschen erziehen muss, ihm zeigen muss, wie nötig er den Retter hat.
Jetzt noch zwei Dinge, die mit Israel zusammenhängen, mit dem Alten Testament, mit seiner Berufung und ebenfalls für unsere Zeit lehrreich sind, weil sie einerseits einen Gegensatz darstellen und andererseits eine Besonderheit.
Israels Berufung hängt mit einem Land zusammen. Ich machte das einmal vor etlichen Jahren, als ich das fünfte Mosebuch durchlas. Jedes Mal, wenn Gott vom Land redet, habe ich es angestrichen. Das kommt sicher hundertmal in den fünf Mosebüchern vor. Dort wurde mir deutlich, wie seine Verheißungen mit diesem Land zusammenhängen.
Das ist kein Zufall. Es zeigt uns, dass Israel eine ganz andere Berufung hatte als die christliche Gemeinde. Im Neuen Testament lesen wir auch von einem Land, das Gott uns gegeben hat. Ja, seine Grenzen sind aber nicht Rhein und Weichsel oder so etwas. Das Land ist nicht geografisch definiert, sondern geistlich.
Epheser 1,3 sagt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns mit jeder geistlichen Segnung in himmlischen Örtern in Christus Jesus gesegnet hat.“ Himmlische Örter, geistliche Segnungen. Das ist ein Gegensatz von ungeheurer Tragweite.
Das soll uns lehren, dass wir das, was Gott Israel verheißen hat, nicht eins zu eins auf die Gemeinde übertragen dürfen. Gott verheißen Israel ein Land, und damit ist deutlich gemacht, dass die alttestamentlichen Verheißungen an Israel diesseitig und irdisch sind. Er verheißen ihnen langes Leben, Gesundheit, große Familien, große Herden, große Ernten, volle Speicher.
Solches lesen wir im Neuen Testament nicht. Wir haben Verheißungen, dass Gott die Seinen bewahrt und versorgt, aber nicht, dass er sie reich macht. Er kann es, aber wir haben keine Verheißung, auf die wir pochen können, dass unsere Speicher sich füllen, unser Geldbeutel immer dicker wird und so weiter. Das steht nirgends.
Oder große Familien, viele Kinder und langes Leben stehen im Neuen Testament nicht. Das ist alttestamentlich. Der Friede, den Gott Israel im Land bereitete, war ein gesellschaftlicher und politischer Friede – um einmal diese für mich immer etwas läppisch klingenden Schlagwörter zu gebrauchen. Es war also ein Friede, der sich auf das Zusammenleben der Menschen auf der Erde und der Nationen untereinander bezog.
Wir haben auch solchen Frieden als Geschwister untereinander, einen zwischenmenschlichen Frieden. Aber das ist nur das Ergebnis eines viel höheren und größeren Friedens, nämlich des Friedens mit Gott und des Friedens Gottes, der in unserem Herzen ist – geistlich.
Im Alten Testament lesen wir Verheißungen dieser Art. Ich lese zwei Verse, die Gott Israel gab: 2. Mose 15,26: „Wenn du fleißig auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hören wirst und tun, was recht ist in seinen Augen, und seine Gebote und Satzungen beobachten wirst, so werde ich keine der Krankheiten auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr, der dich heilt, ich bin der ewige Jahwe.“
Und Psalm 103,1-3: „Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht alle seine Wohltaten, der dir alle deine Ungerechtigkeiten vergibt und alle deine Krankheiten heilt.“
Solche Verse werden häufig zitiert, und dann wird gesagt: Hier steht, dass der Herr alle unsere Krankheiten heilt. Also du musst keinen Husten haben. Hast du Husten, dann hast du Gott nicht genug Vertrauen. Rheuma musst du auch nicht haben, Krebs auch nicht, nicht einmal Zahnweh.
Wir haben dabei vergessen, dass Israel eine ganz andere Berufung und Bestimmung hatte als die christliche Gemeinde. Gott hat uns als Gemeinde keine solchen umfassenden Verheißungen gegeben. Darum dürfen wir das nicht einfach so übertragen, sondern müssen bedenken: Unsere Segnungen, unser Teil sind in erster Linie himmlisch und geistlich.
Darum kommen wir in keiner Weise zu kurz, auch wenn wir krank sind, auch wenn wir irdisch schwach sind, auch wenn wir hier nicht besonders erfolgreich sind oder gesellschaftlich nicht besonders angesehen. Wenn unser Glaube an den Herrn intakt ist, haben wir in ihm alles. Und das wird in keiner Weise berührt von unserem zeitlichen, irdischen Wohlergehen oder Nichtwohlergehen.
Wir haben zwar – und das sage ich mit Dankbarkeit – solche Zusagen. 1. Timotheus 4,10: „Denn für dieses arbeiten wir und werden geschmäht, weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der Erhalter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.“ Gott erhält uns, und wir dürfen ihn bitten, dass er unsere Bedürfnisse stellt, dass er uns gibt, was wir brauchen.
Aber der gleiche Timotheusbrief sagt auch: Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, lasst uns damit genügen. Keine Spur von Erwartungen, dass wir reich, angesehen, erfolgreich, gesund und schön sein müssen. Das ist eine fatale Verwechslung der Bestimmung der Gemeinde mit dem, was einst Israel unter dem Alten Bund verheißen war.
Wir bedenken auch, dass unser Herr und die Apostel arm waren, gesellschaftlich nicht arriviert. Ich habe gestern daran erinnert, wie Paulus im Gefängnis endet. Als vom römischen Gesetz Verurteilter galt er als Gesetzesbrecher, weil er eine Religio illicita – eine inzwischen verbotene Religion – lehrte, das Christentum.
Er sagt, dass er um des Wortes Gottes willen leidet wie ein Übeltäter bis zu den Fesseln (2. Timotheus 2,9). Das griechische Wort kakurgos, das hier für Übeltäter steht, wird auch in Lukas 23,33 für die zwei Verbrecher verwendet, die mit Jesus gekreuzigt wurden. Auch Jesus wurde öffentlich als Übeltäter identifiziert und verurteilt.
Paulus war gesellschaftlich in vielerlei Hinsicht eine Niete, nach dem Urteil der Öffentlichkeit. Er hatte eine abgebrochene Karriere wie ein gescheiterter Akademiker, sehr gelehrt, aber aus der Karriere wurde nichts. Er hatte keine Familie, kein Zuhause. Er war kein Vagabund, denn er arbeitete und diente Gott und den Gemeinden, aber er hatte kein festes Zuhause.
Wie oft wurde er deswegen wohl schief angesehen? Er hatte wahrscheinlich ein körperliches Gebrechen, von dem er als „Pfahl im Fleisch“ spricht, den der Herr ihm nicht wegnahm, als er darum bat. Er musste erleben, dass Mitarbeiter von ihm krank wurden und er nichts tun konnte, sondern sie liegen lassen und weiterziehen musste (2. Timotheus 4,20).
Das Neue Testament legt das Gewicht in zeitlichen Dingen ganz anders als das Alte Testament, und das sollten wir nicht vergessen. Ich sage das so deutlich, weil diese Tatsachen in den letzten Jahren oft übersehen oder sogar verdreht wurden. Man hat gelehrt, und viele haben es geglaubt, weil man so etwas gerne hört und es schmeichelt: Als Kind Gottes sei man ein Kind des Höchsten, ein Königskind, und es solle einem nur gut gehen. Man müsse nicht nur mit dem Rad fahren, sondern mindestens einen Rolls Royce besitzen.
Das ist völlig falsch beurteilt. Ach, was sind diese zeitlichen Dinge, die ja alle vergehen? Was macht es, wenn wir krank sind, aber an den Herrn glauben und in ihm ewigen Frieden, ewige Freude und unvergängliche Wonne haben? Oder was macht es, wenn wir hier irdisch, menschlich, in der Zeit einen kürzeren ziehen und nicht die Ersten als die Besten gelten? Haben wir dadurch etwas verloren? Nein, nichts, weil wir in Christus alles haben, alle geistlichen, ewigen Segnungen in ihm, und weil wir einst bei ihm sein werden, mit ihm verbunden.
Mose tut Zeichen. Dabei dürfen wir zwei Dinge nicht außer Acht lassen: Mose war der Mittler des Gesetzesbundes. Er war also ein Mittler zwischen Gott und Israel und hatte damit eine einmalige Bedeutung und Rolle. Das muss uns zur Vorsicht mahnen, wenn wir sagen, Mose konnte Zeichen tun, also können wir das auch, wenn wir nur genug glauben. Das ist völlig falsch gedacht.
Keiner von uns ist ein Mittler. Ich hoffe, niemand denkt das. Mose hatte eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle, ebenso der Herr Jesus. Das brauchen wir nicht eigens hervorzuheben. Doch oft wird gesagt: Der Herr Jesus heilte alle, ich kann das auch tun. Wir müssen da sehr vorsichtig sein.
Auch die Apostel hatten eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle. Wir dürfen nicht sagen: Weil die Apostel Zeichen taten, können wir das auch, wenn wir nur genügend glauben. Darauf werde ich noch näher eingehen in einem der nächsten Vorträge.
Mose tut Zeichen, weil er ein Mittler ist und eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle hat. Er ist der erste Mann in der Geschichte der Erlösten, der Zeichen tut. Das zeigt, dass das etwas sehr Seltenes ist. Nach 2500 Jahren Menschheitsgeschichte tat Abraham keine Zeichen, Noah keine, von Henoch, Abel, Jakob, Isaak oder Josef lesen wir nichts dergleichen.
Mose ist der Erste, der Zeichen tut. Was ist der Zweck der Zeichen? Zwei Dinge: Mose selbst sagt, sie werden mir nicht glauben, dass du mich gesandt hast. Gott gibt Mose drei Zeichen, die zeigen, dass Gott ihn gesandt hat.
Erstens zeigen sie, dass Gott ihn gesandt hat. Zweitens, und das ist fast noch wichtiger: Sie zeigen, wozu Gott ihn gesandt hat. Zeichen sind mehr als bloße Erweise göttlicher oder übernatürlicher Macht. Wunder sind Erweise übernatürlicher Macht. Zeichen sind Wunder, die etwas zeigen. Das Wort Zeichen und zeigen sind vom selben Wortstamm her verwandt.
Zeichen zeigen etwas auf, wie eine Verkehrstafel oder ein Symbol. Wenn Sie in Not geraten, sehen Sie ein Symbol – ein Männchen, das anzeigt, wo die Toilette ist. Das ist ein Zeichen, das etwas aussagt, eine Hieroglyphe. So hat Mose Zeichen getan. Das bedeutet, dass jedes Zeichen etwas über die Absicht Gottes in der Erlösung aussagt.
Das bestätigt sich bei den Zeichen, die der Herr Jesus und die Apostel taten, erneut. Lassen Sie uns das kurz in 2. Mose 4 betrachten: Mose antwortete und sprach: „Aber siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören, denn sie werden sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen.“ Da sprach der Herr zu ihm: „Was ist das in deiner Hand?“ Er antwortete: „Ein Stab.“ Und der Herr sprach: „Wirf ihn auf die Erde!“ Er warf ihn auf die Erde, und er wurde zur Schlange. Mose floh vor ihr.
Der Herr sprach zu Mose: „Strecke deine Hand aus und fasse sie beim Schwanz.“ Er streckte seine Hand aus, ergriff sie, und sie wurde zum Stab in seiner Hand. Das ist ein Zeichen.
Wenn Gott Anweisungen gibt, ein Zeichen zu tun, wenn Gott ein Zeichen durch einen Menschen wirkt, dürfen wir annehmen, dass das Zeichen in Einklang steht mit dem Gott des Friedens. Es ist keine x-beliebige Machtdemonstration, die ein Zauberer tun könnte, sondern es sagt etwas über Gottes Wesen und Absichten aus.
Der Stab in der Hand ist das Zeichen der Regierungsgewalt. Psalm 110 verwendet diesen Ausdruck auch in Bezug auf den Messias. Mose hat einen Stab in der Hand, und der Herr sagt: „Wirf ihn auf den Boden!“ Das geschah beim Sündenfall: Der Mensch hat den Stab verloren.
Wozu hat Gott den Menschen geschaffen? Wir hörten gestern von der Herrschaft. Durch die Sünde hat der Mensch den Stab aus der Hand gegeben. Da starben wir zur Schlange. Die Schlange ist die alte Schlange aus der Geschichte des Sündenfalls. Sie jagt seither den Menschen. Seitdem ist der Mensch ein Knecht Satans und ein von Todesfurcht sein ganzes Leben in Knechtschaft Gehaltener.
Dann sagt Gott: „Jetzt greif die Schlange!“ Mose greift die Schlange beim Schwanz, und die Schlange wird zum Stab. Das bedeutet, dass Gottes Absicht der Erlösung ist, den Menschen seiner wahren Bestimmung wiederzuführen.
Durch den Glauben an Jesus Christus kommen wir tatsächlich zur Herrschaft. Jetzt geistlich. Wir herrschen im Leben, haben Sieg und Herrschaft über die Sünde. Gesellschaftlich sind wir noch außen vor – macht aber nichts. Ich bin das gerne.
Dieses Zeichen spricht davon, wie der Mensch seiner wahren Bestimmung zugeführt wird.
Das zweite Zeichen, ich sage das nur als Denkanstoß, könnt ihr mal durchdenken – vielleicht kommen wir heute Abend noch darauf – ist in Vers 6: „Der Herr sprach weiter zu ihm: Stecke doch deine Hand in deinen Busen.“ Er tat es, zog sie heraus, und siehe, seine Hand war aussätzig wie Schnee.
Dann sprach Gott: „Tue deine Hand wieder in deinen Busen.“ Er tat es, zog sie heraus, und sie war wieder wie sein Fleisch. Gott redet zum Menschen und sagt: „Fass mal an dein Herz.“ Mose fährt mit seiner Hand in sein Herz.
Was ist in deinem Herzen? Außer dem Menschen, der außen so poliert und geschliffen erscheinen mag, so zivilisiert und nett, was hat der für ein Herz? Unreinheit! Davon spricht der Sohn Gottes ganz deutlich in den Evangelien: „Aus dem Herzen des Menschen kommen Lüge, Tücke, Neid, Mord, Hurerei, falsches Zeugnis und diese Dinge verunreinigen den Menschen.“
Dieses Zeichen zeigt also, was im Herzen des Menschen ist. Danach redet Gott wieder. Das ist das Schöne: Gott redet nicht nur einmal, um uns zu zeigen, wie verkehrt und sündig wir sind, sondern er redet wieder und zeigt einen Weg, wie wir rein werden können.
So steckt Mose die Hand wieder hinein, holt sie heraus, und die Hand ist wieder rein. Gott ist daran, Israel aus der Knechtschaft zu befreien und Israel von der Sünde zu reinigen.
Das wollen die Zeichen bedeuten.
Wir könnten jetzt alle Zeichen durchgehen, die der Herr Jesus getan hat. Jedes Zeichen redet von ihm, wer er ist – der von Gott Gesandte, der Sohn Gottes – und von seinem Wesen und Werk, von seinem Erlösungswerk.
Es geht bei Zeichen also nicht um bloße Demonstrationen übernatürlicher Macht, damit die Leute starren und rückwärtsfallen, sondern darum, dass sie erkennen, wer Gott ist und was seine Absichten sind.
Das soll uns sehr vorsichtig machen, wenn es darum geht, ob Christen auch Zeichen tun sollen. Ich meine nicht, aber davon werden wir heute Abend noch hören.
Lasst uns mit diesem Gedanken schließen: Das Großartige, das Gott mit dem Menschen vorhatte und durch Mose schon zeigte, ist, dass Israel über den Umweg des Gesetzes erfahren wird, Befreiung von jeder Knechtschaft, von der Knechtschaft der Sünde und Satans letztlich, und Reinigung von der Befleckung durch die Sünde, die uns untauglich und unpassend macht für die Gegenwart und Gemeinschaft Gottes.
In Christus dürfen wir beides besitzen: Leben, Herrlichkeit, Gemeinschaft mit ihm.
Glaube und Gesetzesbund am Berg Sinai
Nun, wir haben gesehen, dass der Glaube seitens der Israeliten dazu führt, dass Gott sie retten kann. Danach wird am Berg Sinai der Gesetzesbund errichtet.
Wozu dient denn das Gesetz, fragen wir uns erneut. Wir hatten gesehen: Abel glaubte und wurde so gerechtfertigt, Noah glaubte und wurde so gerettet, Abraham glaubte und wurde so gesegnet, Israel glaubte und wurde aus Ägypten herausgeführt. Ja, wozu dann das Gesetz? Ist es ein weiterer Umweg, den Gott gehen muss?
Das Gesetz wurde nebenbei eingeführt, um dem Menschen zu zeigen, wie sündig er wirklich ist. Ich sprach vorhin vom Ausreifen der Sünde. Ja, das müssen wir lernen, erkennen und sehen, wie viel Böses in uns ist und wie destruktiv die Sünde ist. Aber die Sünde hat auch eine andere Seite, eine Seite, die Gott uns ebenfalls zeigen muss.
Ich schlage Römer Kapitel 5 auf. Dort steht in Vers 20: „Das Gesetz kam daneben ein, auf dass die Übertretung überströmen würde.“ Das Gesetz war also niemals das Mittel, das Gott je vorgesehen hat, um irgendeinen Menschen zu retten. Es kam hinzu, um etwas ganz anderes auszuführen und zu bewirken: nämlich zu zeigen, wie sündig der Mensch ist.
In welcher Hinsicht ist der Mensch denn sündig? Es ist nicht nur so, dass wir Böses tun – dass wir zum Beispiel manchmal lügen, Leute hintergehen oder uns etwas aneignen, das uns nicht gehört. Solche Dinge tun wir, und das ist böses Tun. Auch unsere Zunge richtet allerhand Böses an. Doch wir sind noch viel schlimmer als das – und das kann erst das Gesetz zeigen.
Wir sind auch unfähig zum Guten. Wir tun nicht nur Böses, sondern sind auch unfähig, Gutes zu tun. Das hatte Israel noch nicht erkannt. Israel war gerettet worden, herausgeführt worden, stand am Fuße des Sinai, und Gott legt ihm das Gesetz vor. Was sagt Israel? Hätten sie gewusst, wie unfähig zum Guten sie sind, hätten sie bekannt und gesagt: „O Gott, sei uns gnädig! O Gott, sei uns gnädig! Wie wollen wir diese Forderungen erfüllen?“ Aber das sagen sie nicht.
Stattdessen sagen sie: „Alles, was Gott gesagt hat, wollen wir tun.“ Das steht in 2. Mose 19, Vers 8: „Da antwortete das ganze Volk insgesamt und sprach: Alles, was der Herr geredet hat, wollen wir tun.“ Damit ging Israel die Probe des Gesetzes ein. Und natürlich musste Israel versagen.
Gott wusste natürlich, was im Herzen der Israeliten, was im Herzen der Menschen ist. Er weiß, dass im Menschen auch dieses Übel steckt: dass der Mensch sich nämlich für gut hält und meint, er könne Gutes tun, er könne Gott gefallen. Gott müsse ihm nur sagen, was und wie, dann werde er es tun.
Darum hat Gott das Gesetz gegeben – um durch das Gesetz zu zeigen, dass wir unfähig zum Guten sind. Eine niederschmetternde Feststellung, ein niederschmetterndes Ergebnis dieser Probe. Aber so ist es.
Das Gesetz hat erwiesen, was der Herr Jesus in Johannes Kapitel 6, Vers 63 sagt: „Das Fleisch nützt nichts.“ Das ist der Mensch – auch der beste Mensch, auch der polierte Mensch, auch der religiöse Mensch, auch der zivilisierte und kultivierte Mensch. Von ihm sagt Gott: Das Fleisch nützt nichts.
Diskontinuität zwischen Gesetz und Evangelium
Aber das Gesetz allein konnte es uns nicht zeigen. Wenn wir jetzt das Gesetz mit dem Neuen Testament vergleichen, sehen wir das, was ich gestern Diskontinuität nannte. Die Gegensätze könnten größer nicht sein zwischen dem, was das Neue Testament uns lehrt, und dem, was das Gesetz fordert.
Das Gesetz verlangt vom Menschen, was er niemals erfüllen kann. Im Evangelium wird uns jedoch offenbart, dass Gott gehandelt hat und das getan hat, was der Mensch nicht kann. In Römer 8,3 heißt es: „Denn das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war“ – weil der Mensch eben Mensch ist –, konnte das Gesetz kein Heil bewirken.
Das dem Gesetz Unmögliche, weil es durch das Fleisch kraftlos war, tat Gott, indem er seinen eigenen Sohn sandte. Ich habe das Zitat abgekürzt: Indem er seinen eigenen Sohn sandte, hat Gott in seinem Sohn alles getan, was der Mensch nie tun kann und was darum auch das Gesetz nie zuwege bringen kann.
In Römer 10,4 steht: „Christus ist des Gesetzes Ende, jedem Glaubenden zur Gerechtigkeit.“ Außerdem lesen wir in Römer 6,14: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen.“ Wie großartig ist das! Ich wünsche mir, dass wir das noch viel tiefer und gründlicher verstehen.
Warum wird die Sünde nicht über euch herrschen? Nicht, weil ihr euch so treu an das Gesetz haltet. Nein, das steht nicht da. Das Gesetz kann niemals von der Sünde befreien. Es heißt vielmehr: „Die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter dem Gesetz“ – also nicht gesetzlos, sondern unter Gnade.
Ja, unter Gnade! Die Gnade allein vermag es, uns von der Macht der Sünde zu befreien. Die Gnade allein vermag uns mit Gott selbst in Beziehung zu bringen. So ist die Gnade allein der Weg, der uns befähigt, die Sünde zu überwinden.
Gesetz und Gnade im Hebräerbrief und im Leben der Gläubigen
Der Hebräerbrief arbeitet durchgehend mit Gegensätzen: dem Gesetzesbund, dem Alten Bund und dem, was Gott in Christus getan hat. Dieses Thema bereitet der christlichen Gemeinde immer wieder Schwierigkeiten, und auch wir persönlich tun uns damit oft schwer.
Als Gläubige fällt es uns manchmal schwer, das Prinzip der Gnade wirklich zu erfassen. Warum ist das so? Ich denke, es liegt daran, dass wir uns selbst noch zu viel Gutes zutrauen. Wir sagen zwar: „Ja, ich bin ein Sünder und wurde nur gerettet, weil Jesus meine Sünde getragen hat und Gott mir vergeben hat. Jetzt bin ich ein Kind Gottes und amtlich berechtigt.“ Doch dann meinen wir, dass wir jetzt auch gute Werke tun können. Aber das stimmt nicht. Wir können es immer noch nicht – auch nicht aus eigener Kraft.
Ich denke, dass bei uns das Prinzip des Gesetzes viel mehr wirkt, als wir glauben. Wir sind gesetzlicher, als wir es wahrhaben wollen. Manche meinen, Gesetzlichkeit bestehe darin, bestimmte Kleidervorschriften einzuhalten oder bestimmte Speisegebote zu beachten. Solche Dinge können auch Gesetzlichkeit sein, aber ich glaube nicht, dass sie uns die größten Schwierigkeiten bereiten. Schwieriger ist das Prinzip des Gesetzes selbst: die Vorstellung, wir müssten etwas leisten. Doch wir können nichts leisten.
Ich lese einen Vers aus dem Kolosserbrief, um das zu verdeutlichen. Kolosser 2,6: „Wie ihr nun Christus Jesus, den Herrn, empfangen habt, so wandelt in ihm.“ Wie haben wir Christus empfangen? Ich erinnere mich noch gut an den Moment, als ich zum Herrn kam. Ich wusste, dass ich völlig bankrott war, dass ich mich ihm anvertrauen musste und mich selbst nicht retten konnte. So habe ich ihn aufgenommen.
Nachdem wir den Herrn aufgenommen haben, ändert sich unser Leben. Wir hören auf zu rauchen, trinken weniger, gehen täglich arbeiten und versorgen unsere Familie. Wir werden anständige Menschen. Und dann meinen wir, wir könnten es jetzt aus eigener Kraft schaffen. Das ist ein fataler Trugschluss. Bis zum Ende unseres Lebens bleiben wir unfähig, Gott aus eigener Kraft zu gefallen – wir sind immer auf ihn angewiesen.
So wie wir den Herrn aufgenommen haben, so sollen wir auch wandeln. Wir bleiben völlig auf ihn angewiesen, bis zuletzt. Denn Jesus sagt: „Ohne mich könnt ihr nichts tun“ (Johannes 15,5).
Im Römerbrief fasst Paulus dies zusammen. In der Einleitung schreibt er: „Ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist die Kraft Gottes zum Heil für jeden, der glaubt, für den Juden zuerst und auch für den Griechen. Denn darin wird die Gerechtigkeit Gottes offenbart aus Glauben zum Glauben, wie geschrieben steht: ‚Der Gerechte wird aus Glauben leben.‘“ (Römer 1,16-17)
Es bleibt also immer der Glaube, das völlige Vertrauen auf Gott – niemals auf uns selbst. Das Neue Testament lehrt uns diesen Grundsatz immer wieder von verschiedenen Seiten. Doch wir merken an uns selbst, wie schwer es uns fällt, die Gnade zu verstehen. Schnell rutschen wir in gesetzliches Denken hinein. Oder wir schlagen ins Gegenteil um.
Judas, Vers 4, spricht von Menschen, die die Gnade Gottes zur Ausschweifung missbrauchen. Sie interpretieren die Gnade so, dass sie sich nicht mehr darum kümmern müssen, was Gott will. Das ist falsch. Die Gnade bindet uns an Gott. Wenn wir an Gott gebunden sind, wird unser ganzes Denken, Sehnen und Trachten von ihm bestimmt. Dann leben wir für ihn – wenn die Gnade uns erfasst hat und wir sie ergriffen haben.
Im Hebräerbrief, Kapitel 7, Vers 19, heißt es: „Denn das Gesetz hat nichts zur Vollendung gebracht.“ Das sehen wir hier deutlich: Das Gesetz hat das Heilsziel nicht erreicht. Es hat nur gezeigt, wie unfähig wir zum Guten sind. Der Gesetzesbund ist verbunden mit einem Land, aber er kann uns nicht vollenden. Er dient nur dazu, uns unsere Unfähigkeit zu zeigen, damit Gott uns zu seinem Ziel führen kann.
Das Gesetz, das Land und die Propheten
Nun muss natürlich aus diesem sehr großen Gegenstand eine Auswahl getroffen werden: Mose bis Maleachi. Das Gesetz hängt zusammen mit einem Land. Die Verheißungen, die Gott Abraham gab und später durch Mose wiederholte, sowie die Verheißungen, die im Gesetz erneut aufgenommen werden, sind verbunden mit einem Land – einem irdischen Land mit geografisch definierten Grenzen.
Ich lese diesen Vers noch einmal, den wir heute bereits hörten: 5. Mose 4,1: „Nun Israel, höre auf die Satzungen und auf die Rechte, die ich euch lehre zu tun, auf dass ihr liebhet und hineinkommet und das Land in Besitz nehmet, welches der Herr, der eurer Väter Gott, euch gibt.“ Hier ist also das Land verheißen, und die ganze Geschichte Israels von Mose bis Maleachi dreht sich um das Land: Einzug ins Land, Leben im Land, Verlieren des Landes, und wieder Rückkehr ins Land.
Aber jetzt kommt dieses „Aber“: Das Gesetz vermochte es nicht, den Israeliten ewige, bleibende Ruhe im Land zu geben. Das Gesetz hat auch hierin nichts zur Vollendung gebracht. Wir merken hier die Bedingung, die 5. Mose 4 stellt: „Hört auf die Satzungen und tut diese Satzungen, damit ihr das Land in Besitz nehmet.“ Unter diesen Bedingungen musste Israel das Land verlieren – und es hat es auch verloren.
Hier setzt der Dienst der Propheten ein. Die Propheten bestätigen wiederum, was Mose lehrte. Ich muss vorher noch sagen: Die ganze Geschichte im Land bestätigt, was Mose lehrte. Was Mose lehrte, bestätigt nämlich einmal die Wahrhaftigkeit und Treue Gottes. Gott sagte: „Ich gebe euch das Land.“ Wir lesen das in 5. Mose 4, und da steht es Dutzende Male in den Mosebüchern, auch im Buch Josua: „Ich gebe euch das Land.“ Und Gott hat ihnen das Land gegeben.
Aber dann wurde die Bedingung des Gesetzes daran gehängt: Das Gedeihen im Land hing am Erfüllen der Gebote Gottes. Mose hat vorausgesagt, dass Israel die Gebote Gottes, das Wort Gottes, brechen würde und entsprechend aus dem Land vertrieben würde.
Ich lese eine Stelle aus 3. Mose 20,22: „Ihr sollt alle meine Satzungen und alle meine Rechte beobachten und sie tun, damit euch das Land nicht ausspeie, wohin ich euch bringe, um darin zu wohnen.“ Ich bringe euch hinein, aber wenn ihr meine Rechte und Satzungen nicht haltet, wird das Land euch doch ausspeien.
Wir werden später noch darauf zurückkommen, im letzten oder vorletzten Vortrag. Die Geschichte der christlichen Kirche endet nämlich ganz ähnlich. Dort speit Gott auch aus; das steht im Neuen Testament.
Also, unter diesen Bedingungen sagt Mose voraus, dass Israel das Land verlieren wird. Mose sagt aber auch voraus, das steht in 5. Mose 28 (Verlust des Landes) und dann 5. Mose 30: „Ihr werdet das Land aber wiederbekommen. Wenn deine Vertriebenen am Ende des Himmels wären, so wird der Herr, dein Gott, von dort dich sammeln und von dort dich holen, und der Herr, dein Gott, wird dich in das Land bringen, welches deine Väter besessen haben, und du wirst es besitzen, und er wird dir wohltun und dich mehren über deine Väter hinaus.“
Das hat Mose also bereits angekündigt. Die Propheten bestätigen, was Mose sagte. Die Propheten bestätigen Mose, indem sie das Volk beständig am Gesetz Moses messen.
Wenn ihr das nächste Mal die Propheten durchlest, achtet darauf, wie die Propheten beständig Bezug auf Mose nehmen. Sei es, dass sie ihn direkt nennen, oder sei es, dass sie Wahrheiten und Forderungen wiederholen, die Mose gemacht hat.
Ihr könnt anfangen mit Jesaja 1. Dort sind die Parallelen offenkundig und springen einem direkt ins Auge, wie Jesaja Mose kennt und von Mose her argumentiert, um Israel ihre Sünde und ihr Versagen aufzuzeigen. Das machen alle Propheten so – alle.
Sie überführen so das Volk und können darum dem Volk nichts anderes ankündigen als das ebenfalls von Mose im Falle des Gesetzesbruchs angekündigte Gericht. So reden alle Propheten vom Gericht. Jesaja sagt, der Assyrer wird kommen. Jeremia sagt, der vom Norden, Babylon, wird kommen. Alle Propheten bestätigen, dass das Gericht darum kommen wird.
Dann bestätigen die Propheten wiederum Mose, indem sie auch von Errettung reden. Mose sagte: Der Herr wird euch sammeln, ihr werdet das Land wieder besitzen, darin wohnen, nicht mehr ausgespien werden, und der Herr wird euch wohltun.
Aber wir fragen uns, wie soll das aufgehen? Mose hat einige Hinweise gegeben, und die Propheten beginnen dann, durch Gottes Geist inspiriert, davon ganz deutlich und offen zu reden.
Sie sagen: Ja, zuerst muss das Gesetz seinen Lauf gehen, und Israel muss unter dem Gesetz offenbar werden als untauglich zum Guten. Wenn Israel so weit ist, dann werden sie bereit sein, in einen neuen Bund einzugehen.
Dieser neue Bund wird nicht von einem Menschen geschlossen werden, von einem menschlichen Mittler wie Mose, sondern von Gott selbst in der Person des Messias.
So kündigen die Propheten einen neuen Bund unter einem neuen Mittler an. Unter diesem neuen Mittler wird es kein Versagen und Abfallen mehr geben, sondern bleibenden Segen und Frieden.
Ankündigung des neuen Bundes durch Malachi
Und genau davon spricht auch der letzte Prophet. Die Stelle, die der Bruder gelesen hat, passt vorzüglich. Darum schlagen wir noch einmal Maleachi Kapitel 3, Vers 1 auf.
Was sagt hier Maleachi, der etwa tausend Jahre nach Mose lebte? Wir müssen bedenken, was Israel inzwischen alles hinter sich hat: den Einzug ins Land, das Leben im Land, die Vertreibung aus dem Land, die teilweise Rückkehr unter Esra und Nehemia. Ist Israel inzwischen bereit, diese Botschaft zu hören? Nein, das wäre zu viel gesagt. Ein Teil der Israeliten ist bereit, die Botschaft zu hören, die Maleachi hier verkündet und die in den Tagen des Messias in Erfüllung ging.
Siehe, ich sende meinen Boten, dass er den Weg bereite vor mir her: Johannes der Täufer. Und plötzlich wird er zu seinem Tempel kommende Herr, den ihr sucht, und der Engel des Bundes, den ihr begehrt.
Wir merken also, dass die Israeliten selbst anfingen zu empfinden, dass sie einen besseren Bund, einen besseren Mittler und bessere Verheißungen brauchen als das Gesetz. Sie hatten ja erkannt, dass tausend Jahre gezeigt haben, dass sie das Gesetz gebrochen haben. Sie haben versagt und können es nicht halten. Deshalb brauchen sie einen besseren Bund und einen besseren Mittler.
Dieser bessere Bund und dieser bessere Mittler ist der Herr Jesus, der von den Propheten angekündigte Messias. Ich lese dazu zwei Stellen aus dem Hebräerbrief: Hebräer 8,6: „Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist.“
So schlagen die Propheten die Brücke zwischen Gesetz und Propheten sowie dem Kommen des Herrn und dem neuen Bund. Dieser neue Bund wird zu ihrer Zeit noch nicht aufgerichtet, sondern nur angekündigt. Der Messias kam noch nicht, er wird aber angekündigt.
Diese Spannung wird so aufgelöst: Gott hatte den Vätern das Land verheißen und gibt Israel das Land und alle Segnungen. Gleichzeitig verlangt er von den Israeliten, dass sie das Gesetz halten. Irgendwie passt das nicht zusammen. Wir merken, dass hier eine Spannung besteht, aber kein Widerspruch, der von Gott begründet wäre. Vielmehr war es notwendig, um die Israeliten zu erziehen und anhand der Israeliten die ganze Menschheit davon zu überzeugen, dass der Mensch nichts Gutes tun kann.
Die Lehre für die Heiden und die Gemeinde
Und wenn wir diese Lektion aus dem Alten Testament gelernt haben, dürfen wir als Heiden – einst wilde Germanen und Wikinger, denn ich komme aus dem Norden – dieses Evangelium hören, annehmen und bekennen. Wir bekennen, dass wir nicht nur Böses getan haben, sondern auch Gutes nicht tun können.
Wie der Römerbrief sagt: Da ist keiner, der Gutes tut; alle sind abgewichen, alle sind untauglich geworden (Römer 3,12). Wir dürfen das bekennen und durch den Glauben an den besseren Mittler von Anfang an einen besseren Bund genießen, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist.
So viel zum Gegensatz von Gesetz und Gnade, so viel zur Heilsbotschaft, welche Gott durch Mose und die Propheten verkünden lässt. Wir sehen, dass zur Heilsbotschaft Gottes auch gehört, dass er den Menschen erziehen muss. Er muss ihm zeigen, wie nötig er den Retter hat.
Israels Berufung und die Unterschiede zur Gemeinde
Jetzt noch zwei Dinge, die mit Israel zusammenhängen, mit dem Alten Testament, mit seiner Berufung und ebenfalls für unsere Zeit lehrreich sind, weil sie einerseits ein Gegensatz sind und andererseits eine Besonderheit darstellen.
Israels Berufung hängt mit einem Land zusammen. Ich machte das einmal vor etlichen Jahren, als ich das fünfte Mosebuch durchlas. Jedes Mal markierte ich mit einer Farbe, wenn Gott vom Land redet. Das kommt sicher hundertmal vor in den fünf Mosebüchern, immer wieder. Dort wurde mir deutlich, wie seine Verheißungen mit diesem Land zusammenhängen. Nun, das ist kein Zufall. Es zeigt uns, dass Israel eine ganz andere Berufung hatte als die christliche Gemeinde.
Wir lesen im Neuen Testament auch von einem Land, das Gott uns gegeben hat. Ja, ja, seine Grenzen sind aber nicht die Reihen und die Weichsel oder irgendetwas Ähnliches. Das Land ist nicht geografisch definiert, sondern geistlich. Epheser 1,3: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in himmlischen Örtern in Christus Jesus.“ Himmlische Örter, geistliche Segnungen.
Das ist ein Gegensatz, der in der Tragweite ungeheuer ist. Und das soll uns lehren, dass wir das, was Gott Israel verheißen hat, nicht eins zu eins auf die Gemeinde übertragen dürfen. Gott verheißen Israel ein Land, und damit ist deutlich gemacht, dass die Verheißungen, die alttestamentlichen Verheißungen an Israel, diesseitig irdisch sind. Er verheißen ihnen langes Leben, Gesundheit, große Familien, große Herden, die sich ausbreiten, große Ernten, volle Speicher.
Solches lesen wir im Neuen Testament nicht. Wir haben Verheißungen im Neuen Testament, dass Gott die Seinen bewahrt und versorgt, aber nicht, dass er sie reich macht. Er kann es, aber wir haben keine Verheißung, auf die wir pochen können und sagen: „Du hast gesagt, wenn wir dir glauben, dann werden unsere Speicher sich füllen, unser Geldbeutel wird immer dicker und praller.“ Das steht nirgends.
Oder große Familien, viele Kinder und langes Leben steht nirgends im Neuen Testament. Das ist alttestamentlich. Der Friede, den Gott Israel im Land bereitet hat, war ein gesellschaftlicher Friede und ein politischer Friede – um einmal diese für mich immer etwas läppisch klingenden Schlagwörter zu gebrauchen. Es war also ein Friede, der sich auf das Zusammenleben der Menschen auf der Erde und der Nationen untereinander bezog.
Nun, wir haben auch solchen Frieden als Geschwister untereinander, einen zwischenmenschlichen Frieden. Aber das ist nur das Ergebnis eines viel höheren und größeren Friedens, nämlich des Friedens mit Gott und des Friedens Gottes, der in unserem Herzen ist – geistlich.
Wir lesen im Alten Testament Verheißungen dieser Art. Ich lese zwei Verheißungen, die Gott Israel gab:
2. Mose 15,26: „Wenn du fleißig auf die Stimme des Herrn, deines Gottes, hören wirst und tun, was recht ist in seinen Augen, und horchen wirst auf seine Gebote und alle seine Satzungen beobachten wirst, so werde ich keine der Krankheiten auf dich legen, die ich auf Ägypten gelegt habe; denn ich bin der Herr, der dich heilt. Ich bin der ewige Jahwe.“
Und dann Psalm 103,1-3: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat! Der dir alle deine Schuld vergibt und alle deine Krankheiten heilt.“
Nun werden solche Verse häufig zitiert. Dann wird gesagt: Hier steht, dass der Herr alle unsere Krankheiten heilt. Also musst du keinen Husten haben. Du hustest, dann hast du Gott nicht genug Vertrauen. Rheuma musst du auch nicht haben und Krebs auch nicht, nicht einmal Zahnweh.
Nun, wir haben vergessen, dass Israel eine ganz andere Berufung und Bestimmung hatte als die christliche Gemeinde. Gott hat uns als christlicher Gemeinde keine solchen umfassenden Verheißungen in dieser Richtung gegeben. Darum dürfen wir das nicht einfach so übertragen, sondern wir müssen bedenken: Unsere Segnungen, unser Teil, ist in erster Linie himmlisch-geistlich.
Darum kommen wir in keiner Weise zu kurz, auch wenn wir krank sind, auch wenn wir irdisch schwach sind, auch wenn wir hier nicht besonders erfolgreich sind oder gesellschaftlich nicht besonders angesehen. Wenn unser Glaube an den Herrn intakt ist, haben wir in ihm alles. Und das wird in keiner Weise berührt von unserem zeitlichen, irdischen Wohlergehen oder Nichtwohlergehen.
Wir haben zwar – und das sage ich mit Dankbarkeit – solche Zusagen:
1. Timotheus 4,10: „Das Wort ist gewiss und aller Annahme wert, denn für dieses arbeiten wir und werden geschmäht, weil wir auf einen lebendigen Gott hoffen, der ein Erhalter aller Menschen ist, besonders der Gläubigen.“
Gott erhält uns, wir dürfen ihn darum bitten, dass er unsere Bedürfnisse stellt, dass er uns gibt, was wir brauchen. Aber dann sagt der gleiche Timotheusbrief: „Wenn wir Nahrung und Kleidung haben, so lasst uns damit zufrieden sein.“ Also keine Spur von solchen Erwartungen, dass wir reich, angesehen, erfolgreich, gesund und schön sein müssen.
Das ist eine ganz fatale Verwechslung der Bestimmung der Gemeinde, ihrer Identität und ihrer Orientierung mit dem, was einst Israel unter dem Alten Bund verheißen war.
Wir bedenken auch, dass unser Herr und die Apostel arm waren, gesellschaftlich nicht arriviert. Ich habe gestern daran erinnert, wie Paulus im Gefängnis endet. Als ein vom römischen Gesetz Verurteilter gilt er als ein Gesetzesbrecher, weil er eine Religio illicita, eine inzwischen als verboten erklärte Religion – das Christentum – lehrt.
Er sagt, dass er um dieses Wort Gottes willen leidet wie ein Übeltäter bis zu Fesseln:
2. Timotheus 2,9: „Für dieses Wort aber leide ich bis zu Fesseln wie ein Übeltäter.“
Das Wort „Übeltäter“ (griechisch kakurgos) ist dasselbe Wort, das in Lukas 23,33 für die beiden Verbrecher verwendet wird, die mit dem Herrn Jesus gekreuzigt wurden. Auch der Herr Jesus wurde in der Öffentlichkeit als kakurgos, ein Übeltäter, identifiziert und verurteilt – gesellschaftlich nicht arriviert.
Paulus war gesellschaftlich in vielerlei Hinsicht eine Niete nach dem Urteil der Öffentlichkeit. Er hatte eine abgebrochene Karriere, wie ein gescheiterter Akademiker, sehr gelehrt, wusste viel, aber aus der Karriere wurde nichts, mitten im Leben abgebrochen. Was ist das für einer? Er hatte keine Familie, kein Zuhause.
Nun, er war kein Vagabund. Es gibt auch heute Leute, die kein Zuhause haben, weil sie nicht arbeiten wollen. Das war bei ihm nicht der Fall. Er hat gearbeitet, Gott gedient, den Gemeinden gedient, aber er hatte kein festes Zuhause. Und wie oft wird man ihm deswegen nicht auch schief angesehen haben?
Er hatte wahrscheinlich ein körperliches Gebrechen. Er spricht von einem Pfahl im Fleisch, den der Herr ihm nicht wegnahm, als er darum bat. Er musste selbst erleben, dass Mitarbeiter von ihm krank wurden und krank blieben, und er konnte nichts tun, sondern musste sie liegen lassen und weiterziehen:
2. Timotheus 4,20: „Erastus blieb in Korinth, Trophimus habe ich krank in Milet zurückgelassen.“
Also merken wir, dass das Neue Testament das Gewicht ganz anders legt in den zeitlichen Dingen als das Alte Testament, und das sollten wir nicht vergessen.
Ich sage das so deutlich und klar, weil diese Tatsachen in den letzten Jahren sehr oft übersehen oder sogar auf den Kopf gestellt worden sind. Man hat gelehrt, und viele haben es geglaubt, weil man so etwas ja gerne glaubt und es einem schmeichelt, dass man als Kind Gottes ein Kind des Höchsten sei, ein Königskind, und dass es einem nur gut gehen soll.
Man sagt, man soll nicht nur mit dem Rad fahren, sondern mindestens einen Rolls Royce besitzen. Das ist völlig verkehrt geurteilt.
Ach, was sind diese zeitlichen Dinge, die ja alle vergehen? Was macht es, wenn wir krank sind, aber an den Herrn und in ihm ewigen Frieden, ewige Freude, unvergängliche Wonne haben? Oder was macht es, wenn wir hier irdisch, menschlich, in der Zeit ein bisschen kürzer treten und hier nicht die Ersten als die Besten gelten? Was macht es?
Haben wir damit etwas verloren? Nein, nichts, nichts, weil wir in Christus alles haben – alle geistlichen, ewigen Segnungen in ihm – und weil wir einst bei ihm sein werden, mit ihm verbunden sein werden. Mose tut Zeichen.
Mose als Mittler und Zeichenwunder
Mose tut Zeichen. Dabei dürfen wir zwei Dinge nicht außer Acht lassen.
Mose war der Mittler des Gesetzesbundes. Er war also ein Mittler zwischen Gott und Israel und hatte damit eine ganz einmalige Bedeutung und Rolle. Das muss uns zur Vorsicht mahnen, wenn wir sagen, Mose konnte Zeichen tun, also können wir das auch, wenn wir nur genug glauben. Das ist völlig falsch gedacht.
Keiner von uns ist ein Mittler. Ich hoffe, niemand sitzt hier und meint, dass er einer sei. Keiner von uns hat eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle. Auch Mose hatte eine solche Rolle, ebenso wie der Herr Jesus. Das brauchen wir nicht eigens hervorzuheben, und doch wird oft gesagt: Der Herr Jesus heilte alle, also kann ich das auch tun. Oder: Die Apostel hatten eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle. Wir dürfen nicht sagen, weil die Apostel Zeichentaten tun, können wir das auch, wenn wir nur genügend glauben. Darauf werde ich noch näher eingehen im nächsten oder übernächsten Vortrag.
Mose tut also Zeichen, weil er ein Mittler ist und eine heilsgeschichtlich einmalige Rolle hat. Er ist der erste Mann in der Geschichte der Erlösten, der Zeichen tut. Das zeigt, dass das etwas sehr Seltenes ist.
Nach 2500 Jahren Menschheitsgeschichte tat Abraham keine Zeichen, Noah tat keine Zeichen, von Henoch lesen wir nichts, auch nicht von Abel, Jakob, Isaak oder Josef. Mose ist der erste Mann, der Zeichen tut.
Zweck und Bedeutung der Zeichen bei Mose
Was ist der Zweck der Zeichen?
Zwei Dinge sagt Mose selbst: „Sie werden mir nicht glauben, dass du mich gesandt hast.“ Daraufhin gibt Gott Mose drei Zeichen, die er tun soll. Diese Zeichen zeigen erstens, dass Gott ihn gesandt hat. Zweitens – und das ist fast noch wichtiger – zeigen sie auch, wozu Gott ihn gesandt hat.
Zeichen sind mehr als bloße Beweise göttlicher oder übernatürlicher Macht. Wunder sind Beweise übernatürlicher Macht, Zeichen hingegen sind Wunder, die etwas zeigen. Das Wort „Zeichen“ und „zeigen“ sind vom gleichen Wortstamm her verwandt. Zeichen zeigen etwas auf, ähnlich wie eine Verkehrstafel oder ein Symbol.
Wenn Sie plötzlich in Not geraten, sehen Sie vielleicht ein Symbol, auf dem ein Männchen abgebildet ist. Dann rennen Sie dorthin, weil es die Toilette anzeigt – ein Zeichen, das etwas aussagt, eine Hieroglyphe. So hat Mose Zeichen getan, und das bedeutet, dass jedes Zeichen etwas über die Absicht Gottes in der Erlösung aussagte.
Das bestätigt sich auch bei den Zeichen, die der Herr und die Apostel vollbrachten. Schauen wir uns das kurz in 2. Mose 4 an:
Mose antwortete und sprach: „Aber siehe, sie werden mir nicht glauben und nicht auf meine Stimme hören. Denn sie werden sagen: Der Herr ist dir nicht erschienen.“ Da sprach der Herr zu ihm: „Was ist das in deiner Hand?“ Er antwortete: „Ein Stab.“
Der Herr sprach: „Wirf ihn auf die Erde!“ Mose warf ihn auf die Erde, und er wurde zur Schlange. Mose floh vor ihr. Der Herr sagte zu Mose: „Strecke deine Hand aus und fasse sie beim Schwanz!“ Mose streckte seine Hand aus, ergriff die Schlange, und sie wurde wieder zum Stab in seiner Hand. Das ist ein Zeichen.
Wenn Gott Anweisungen gibt, ein Zeichen zu tun, wenn Gott ein Zeichen durch einen Menschen wirkt, dann dürfen wir annehmen, dass das Zeichen in Einklang steht mit dem Gott des Friedens. Es ist also keine beliebige Machtdemonstration, wie sie ein Zauberer tun könnte. Vielmehr sagen die Zeichen etwas über Gottes Wesen und seine Absichten aus.
Der Stab in der Hand ist ein Zeichen der Regierungsgewalt. Psalm 110 verwendet diesen Ausdruck auch in Bezug auf den Messias. Mose hat einen Stab in der Hand, und der Herr sagt: „Wirf ihn auf den Boden.“
Das erinnert an den Sündenfall: Der Mensch hat den Stab verloren. Wozu hat Gott den Menschen geschaffen? Was hatten wir gestern gehört? Zur Herrschaft. Durch die Sünde hat der Mensch den Stab aus der Hand gegeben.
Und so starb der Mensch zur Schlange. Die Schlange ist natürlich die alte Schlange, die wir aus der Geschichte des Sündenfalls kennen. Sie jagt seitdem den Menschen. Der Mensch ist ein Knecht Satans und lebt in ständiger Todesfurcht, in Knechtschaft.
Dann sagt Gott: „Jetzt greif die Schlange! Strecke deine Hand aus und fasse sie beim Schwanz!“ Mose greift die Schlange, und die Schlange wird zum Stab. Das bedeutet, dass Gottes Absicht der Erlösung darin besteht, den Menschen wieder zu seiner wahren Bestimmung zu führen.
Durch den Glauben an Jesus Christus kommen wir tatsächlich zur Herrschaft. Zunächst geistlich: Wir herrschen im Leben, haben Sieg und Herrschaft über die Sünde. Gesellschaftlich sind wir noch nicht anerkannt – aber das macht nichts. Ich nehme das gerne in Kauf.
Dieses Zeichen spricht also davon, wie der Mensch zu seiner wahren Bestimmung zurückgeführt wird.
Das zweite Zeichen – ich sage das nur als Denkanstoß, vielleicht könnt ihr das mal durchdenken – steht in Markus 16 und knüpft hier an. Vielleicht kommen wir heute Abend noch darauf.
Das zweite Zeichen, 2. Mose 4, Vers 6: Der Herr sprach weiter zu Mose: „Stecke deine Hand in deinen Busen!“ Mose tat dies und zog sie heraus. Sie war aussätzig wie Schnee. Der Herr sagte: „Tue deine Hand wieder in deinen Busen!“ Mose tat es, zog sie heraus, und sie war wieder wie sein Fleisch.
Gott spricht zum Menschen und sagt: „Stecke deine Hand in deinen Busen, in den Bausch deines Gewandes!“ Das bedeutet: „Fass mal an dein Herz!“ Mose fährt mit seiner Hand in sein Herz.
Was ist in deinem Herzen? Außer dem Menschen, der äußerlich poliert, geschliffen, zivilisiert und nett erscheint – was hat der für ein Herz? Unreinheit. Davon spricht der Sohn Gottes ganz deutlich in den Evangelien: Aus dem Herzen des Menschen kommen Lüge, Tücke, Neid, Mord, Hurerei, falsches Zeugnis und all diese Dinge, die den Menschen verunreinigen.
Dieses Zeichen zeigt also, was im Herzen des Menschen ist. Danach redet Gott weiter – und das ist das Schöne: Gott redet nicht nur einmal, um uns zu zeigen, wie verkehrt und sündig wir sind. Er redet auch von einem Weg, wie wir rein werden können.
So steckt Mose die Hand wieder in den Busen, zieht sie heraus, und die Hand ist wieder rein. Gott will Israel aus der Knechtschaft befreien und Israel von der Sünde reinigen. Das wollen die Zeichen ausdrücken.
Wir könnten jetzt alle Zeichen durchgehen, die der Herr Jesus getan hat. Jedes Zeichen spricht von ihm, wer er ist – der von Gott Gesandte, der Sohn Gottes – und von seinem Wesen und Werk. Was sein Erlösungswerk bedeutet.
Es geht bei Zeichen also nicht um bloße Demonstrationen übernatürlicher Macht, bei denen die Leute einfach starren und rückwärts fallen. Vielmehr sollen sie erkennen, wer Gott ist und was seine Absichten sind.
Das sollte uns sehr vorsichtig machen, wenn wir uns fragen, ob Christen auch Zeichen tun sollen. Ich meine nicht, aber davon werden wir heute Abend noch hören.
Lasst uns mit diesem Gedanken schließen: Das ist das Großartige, das Gott mit dem Menschen vorhatte und das er durch Mose schon zeigte. Israel wird über den Umweg des Gesetzes erfahren, dass es Befreiung gibt – Befreiung von jeder Knechtschaft, von der Knechtschaft der Sünde und Satans letztlich – und Reinigung von der Verunreinigung, von der Befleckung durch die Sünde, die uns untauglich und unpassend macht für die Gegenwart und Gemeinschaft Gottes.
In Christus dürfen wir beides besitzen: Leben, Herrlichkeit und Gemeinschaft mit ihm.