Die rasante Veränderung der Welt durch digitale Medien
Wir haben heute, darf ich hier noch einflechten, ein ganz großes Problem. Seit den letzten zehn Jahren verändert sich die Welt rasant schnell.
Ein Grund dafür, warum sich die Welt und der Mensch verändern, ist das Internet, das Mobiltelefon und die ganzen elektronischen Medien. Das ist wunderbar, denn man kann sie gut verwenden. Ich kann sie zum Beispiel nutzen, um die Bibel anzuhören oder zu lesen.
Aber leider steckt dahinter eine so starke Kraft, die einen absorbiert. Da sagt man sich: „Ich hole mir schnell etwas im Internet.“ Und dann sind plötzlich drei Stunden wie im Nu vergangen. Haben Sie schon einmal gesagt: „Ich bete noch schnell“ und dann sind drei Stunden im Gebet vergangen? Beim Internet verfliegen die Stunden einfach so, beim Beten oder Bibellesen dauert es meist länger.
Das Internet hat eine ganz, ganz gewaltige Sogwirkung. Wissen Sie, warum? Es hängt mit dem Bild zusammen – und zwar mit dem beweglichen Bild.
Die Macht des beweglichen Bildes und seine Auswirkungen
Ich habe mir einige Gedanken gemacht und möchte hier gerne einige Dinge über das bewegliche Bild ansprechen. Die restlichen Verse besprechen wir morgen. Mir ist das Thema aber so wichtig, dass ich es, falls Sie noch Kraft haben zuzuhören, gerne weitergeben möchte.
Ein Mann namens Neil Postman hat ein Buch geschrieben, das heißt „Wir amüsieren uns zu Tode“. Er schrieb es Ende der Siebziger oder Anfang der Achtzigerjahre. Damals gab es noch keine Computer, zumindest nicht allgemein für jedermann.
Dieser Mann, der meines Wissens nicht gläubig ist – jedenfalls steht nirgends, dass er gläubig sei – hat Folgendes geschrieben: Unsere Gesellschaft, am Ausgang des zwanzigsten Jahrhunderts, unterhöhlt ihre eigenen Fundamente, weil sie ihre Kommunikationsmedien vom Wort auf das Bild umstellt.
Früher haben wir hauptsächlich mit Worten kommuniziert. Heute kommunizieren wir vor allem mit Bildern. Worte, in geschriebener oder gesprochener Form, haben gewisse Auswirkungen auf das Denken. Sie regen das Denken an und fordern es heraus. Worte fördern eine Kultur des Diskutierens und der Auseinandersetzung mit der Welt. Fast alle kulturellen Leistungen beruhen auf der Tradition des Wortes.
Bilder dagegen lösen starke Emotionen aus, die das Denken überlagern – zum Beispiel in der Werbung. Die Werbefachleute wissen genau, wie das funktioniert. Man braucht Bilder, Plakate, und noch besser bewegte Bilder.
Postman, dieser Mann, sagt, dass unsere Kultur in Gefahr ist. Anstatt zu denken, werden wir verführt. Anstatt informiert zu werden, werden wir mit Gefühlen gefüttert. Anstatt zu leben, werden wir gelebt.
Er sagt sogar: „Unsere Demokratie ist in Gefahr, denn die Kultur des Diskutierens und Nachdenkens gerät in Vergessenheit, und das fordert Diktaturen geradezu heraus.“ Wenn man nicht mehr diskutiert, wenn man nicht mehr spricht, sondern sich manipulieren lässt und von Gefühlen leiten lässt, dann wird man gelenkt. Dann wird man kein denkender Mensch mehr, sondern ein gelenkter Mensch.
Die Rolle der Gefühle in der modernen Gesellschaft
Menschen lassen sich oft von Gefühlen leiten. Besonders Jugendliche sagen heute oft: „Feeling ist alles.“ Feeling bedeutet Gefühl. Sie möchten dieses Feeling erleben, dieses besondere Gefühl einmal haben.
Beim Einkaufen hört man dann Sätze wie: „Kaufen Sie sich ein Auto, das ist ein Erlebnis.“ Der Autokauf soll also ein Erlebnis sein. Früher fuhr man zur Tankstelle, um Benzin oder Diesel zu holen. Heute geht man zur Erlebnis-Tankstelle. Dort muss man verschiedene Bereiche durchlaufen, bevor man an der Kasse ankommt. Unterwegs erlebt und sieht man vieles und bleibt vielleicht hier und da stehen.
Alles soll ein Erlebnis sein. Es gibt heute Erlebnisparks, Erlebniskindergärten und vieles mehr. Der Mensch wird durch Gefühle und Erlebnisse gelenkt. Hauptsache, es ist cool. So sieht unsere Gesellschaft heute aus.
Die hypnotische Wirkung des Films auf das Gehirn
Was geschieht durch das bewegliche Bild? Der Film zum Beispiel ist schon eine Botschaft an sich. Setzt man ein dreijähriges Kind vor den Fernseher, was passiert dann?
Das Kind ist wie erstarrt, bewegt sich nicht und starrt auf das Bild. Für ein Kind ist es ganz unnatürlich, sich nicht zu bewegen, denn Kinder müssen sich bewegen. Doch hier wirkt alles wie unter Hypnose. Warum ist das so?
Das liegt daran, dass viele Bilder rasch aufeinander folgen. Man kann sie gar nicht wirklich betrachten. Es entsteht keine innere Verbindung zwischen dem Gehirn und dem Bild. Wenn ich mir ein ruhendes Bild anschaue, eine Malerei oder eine Blume, oder wenn ich ein Kind betrachte, was geschieht dann?
Man konzentriert sich auf diesen einen Punkt und sagt: „Jetzt schau dir das mal an“, oder „Da kommt noch eine Biene hinzu, das ist höchst interessant.“ Dabei ist man ruhig und beschäftigt sich mit diesem einen Bild.
Beim Film ist das anders. Üblicherweise dauert eine Szene etwa sechs Sekunden, dann wechselt die Perspektive oder die Szene. Oft ist es sogar noch schneller. Was passiert dann?
Ich kann gar nicht über das Bild nachdenken, das ich sehe. Ich bekomme nur immer wieder einen Nervenkitzel – und schon wieder, und schon wieder. Ich komme nicht nach. Ich müsste jedes Mal auf die Stopptaste drücken, das Ganze anhalten und mir zehn Minuten Zeit nehmen, um dieses Bild einmal zu betrachten, um zu sehen, was ich alles wahrnehme. Oder fünf Minuten, um darüber zu sprechen. Aber das macht man natürlich nicht.
Das heißt, der Film an sich verändert den Menschen. Das Gehirn kann das nicht verarbeiten. Ich werde ständig gereizt, das wirkt auf meine Emotionen, hat eine hypnotische Wirkung und prägt sich tief in mein Unterbewusstsein ein. Verarbeiten kann ich das jedoch nicht.
Man nennt das Manipulation.
Zwölf negative Auswirkungen des Bildschirmmediums
Ich habe mir zwölf Punkte zum Bildschirmmedium aufgeschrieben, vor allem zum Fernsehen, DVD, Video oder ähnlichen Medien.
Erstens: Das Bildschirmmedium fördert die Passivität und hemmt die Kreativität. Das ist eine Tatsache. Menschen, die viel schauen, werden passiv, und das Kreative kommt zu kurz.
Zweitens: Das Bildschirmmedium bewirkt ein sprunghaftes Denken. Man denkt, lernt und verlernt das Denken. Man springt nur noch von einem Gedanken zum anderen, denkt einen Gedanken nicht mehr zu Ende, sondern springt herum – so wie der Film herumspringt. Das Ergebnis ist, dass man auch sprunghaft entscheidet. Das betrifft vor allem junge Leute. Ich habe oft beobachtet, dass junge Leute ad hoc, also ganz schnell und plötzlich, wichtige Entscheidungen treffen, die man eigentlich reiflich überlegen sollte. Sie handeln aus dem Bauch heraus, aus der Emotion. Da wird nicht viel nachgedacht, denn Nachdenken kostet Zeit und ist anstrengend. Wenn man das verlernt hat, weil man ständig berieselt wurde, will man gar nicht mehr nachdenken. Man entscheidet anders.
Drittens: Das Bildschirmmedium hemmt die Lesefreude. Bei jungen Leuten kann man feststellen, dass sie nicht mehr lesen wollen oder nur noch SMS lesen – aber bitte ganz kurz, fünf Wörter oder einen Satz. Ich spreche hier vom Durchschnitt. Es gibt immer Ausnahmen, Leute, die viel lesen. Wunderbar, wenn das so ist. Wenn es bei uns so ist, sind wir noch gesund. Aber in der Welt ist das anders: Man will nicht mehr viel lesen und schon gar nicht nachdenken. Die Folge ist, dass die Sprache verarmt. Der moderne Mensch kann kein richtiges Deutsch mehr sprechen, er verwendet nur noch Wortfetzen, SMS-Sprache. Wenn man jemandem einen längeren Satz vorlegt, ist er überfordert. Zum Beispiel ein Satz aus 1. Petrus 1,3-12 ist so komplex, dass viele nicht wissen, wo der Hauptsatz und wo die Nebensätze sind. Das lernt man in der Schule auch nicht mehr gut, weil die Lehrer mit solchen Kindern verzweifeln. Es ist zu schwierig, ihnen das beizubringen.
Viertens: Das Bildschirmmedium hemmt die Kontaktfähigkeit. Viele junge Leute, die mit Bildern und Filmen aufwachsen, werden einsam. Sie suchen sich ihre Facebook-Kontakte, aber das sind keine echten Kontakte, sondern etwas Oberflächliches – das ist gar nichts. Der echte Kontakt von Mensch zu Mensch geht verloren. Menschen werden einsam und unnatürlich. Der Mitmensch wird zum Störfaktor: „Geh weg, aus dem Bild! Ich bin gerade am Fernsehen.“
Fünftens: Das Bildschirmmedium behindert das Familienleben und nimmt Zeit weg, um gemeinsam etwas zu erleben. Wenn alle vor dem Fernseher sitzen, ist das kein gemeinsames Erlebnis. Es nimmt Zeit weg vom Spielen, Singen und gemeinsamen Diskutieren. Konflikte und Spannungen werden nicht mehr ausgetragen, sondern verdrängt. Eine Frau sagte: „Wenn wir Krach zu Hause haben, gehe ich zum Fernseher, dann ist wieder Ruhe.“ Das heißt aber keine echte Ruhe, sondern Verdrängung. Die Probleme sind noch da, nur werden sie nicht besprochen. Man redet nicht darüber, aber gerade das sollte man tun. Wenn ein Konflikt da ist, muss man ihn durchdiskutieren. Aber dazu hat man keine Zeit oder will es nicht, weil es unangenehm ist. Man muss lernen, sachlich zu diskutieren, ohne hohe Emotionen. Man muss die Argumente gegenüberstellen und sagen: „Hier sind meine Argumente“, und der andere antwortet: „Ja, aber meine Argumente sind das und das, und mein Gegenargument dagegen ist jenes.“ So kann man sich auseinandersetzen und überlegen.
Heute können viele Menschen nicht mehr richtig reden. Was heißt reden, was heißt kommunizieren? Diskutieren heißt, auf das Gegenüber achten und überlegen, was er sagt. Das braucht Zeit. Wenn ich mir das überlegt habe, gehe ich auf sein Argument ein und sage: „Ja, aber bei diesem Gedanken liegst du nicht ganz richtig, aus diesem und jenem Grund“ oder „Du hast recht, so habe ich das noch nie betrachtet.“ Nicht einmal Politiker können das. Haben Sie mal eine Fernsehdiskussion oder politische Debatte gesehen? Da wirft der eine dem anderen Argumente entgegen, und der andere lässt den gar nicht ausreden. Es sei denn, es gibt einen Moderator mit Stoppuhr, der die Redezeit begrenzt. Ohne Stoppuhr wird der eine nicht ausreden gelassen, und schon kommt das nächste Argument. Das ist kein Gespräch, das sind zwei Monologe.
Der 13-jährige Deutsche hat im Schnitt 5.500 Stunden Fernsehen geschaut, aber nur 3.000 Stunden Hausaufgaben gemacht und 300 Stunden gelesen. Das war vor der Zeit von Handy und PC. Heute ist das noch stärker, mit iPod, iPad, iPhone und wie sie alle heißen.
Sechstens: Die Aufnahme der Bilder prägt unser Gehirn. Wenn ich zehntausend Morde im Fernsehen gesehen habe, entsteht in meinem Gehirn eine Art Autobahn. Diese Autobahn heißt: keine Hemmung vor Morden, denn ich habe zehntausend Mal gesehen, dass jemand ermordet wurde. Dann wundert man sich, wenn Jugendliche andere Jugendliche erschießen oder sogar Kinder andere Kinder. Das ist fest im Gehirn verankert, wie eine Spur, wie eine Autobahnspur.
Siebtens: Das Medium manipuliert und zeigt nur einen Teil der Wirklichkeit. Wenn Sie eine Nachrichtensendung im Fernsehen ansehen, denken Sie nicht, dass das, was Sie sehen, die Wirklichkeit ist. Das ist nur ein kleiner Teil der Wirklichkeit. Sie sehen immer nur den Teil, den die Kamera zeigt, nicht die andere Seite. Sie werden manipuliert. Man erfährt viel mehr, wenn man eine Zeitung liest, weil die Journalisten das aufschreiben müssen. Selbst dann ist es nicht immer richtig und wahr, aber es ist mehr. Manche meinen, sie erfahren mehr, wenn sie die Nachrichten im Fernsehen sehen. Das stimmt nicht, man erfährt weniger.
In der Schweiz, ich weiß nicht, wie es in Deutschland ist, ist der Wetterbericht eine Unterhaltungssendung. Ich wollte eigentlich das Wetter erfahren, aber ich bekomme eine Unterhaltungssendung über das Wetter. Es dauert fast zehn Minuten, bis ich erfahre, wie das Wetter wird. Das Medium Film oder Fernsehen ist auf Unterhaltung ausgerichtet, nicht auf Schule – und schon gar nicht der Computer in der Schule.
Ich habe ein Buch gelesen, das heißt Die digitale Demenz von Manfred Spitzer. Ein Wissenschaftler zeigt darin, dass der Computer das Gehirn hemmt, statt das Lernen zu fördern. Früher mussten wir abschreiben und immer wieder schreiben. Heute wird kaum noch geschrieben. Das Ergebnis ist, dass Kinder nicht mehr richtig schreiben können. Wir leben in einer schwierigen Zeit, und es ist gut, wenn wir als Christen das wissen. Unsere Kinder werden damit konfrontiert, vielleicht schon lange.
Achtens: Das Bildschirmmedium ist auf Unterhaltung ausgerichtet, wie ich bereits sagte.
Neuntens: Das Bildschirmmedium macht das Filtern unmöglich. Wir werden überinformiert und bekommen viele Antworten auf Fragen, die wir nie gestellt haben. Wir gehen unter in einem Meer von überflüssigen Informationen. Wir meinen, wir müssten alles lesen und aufnehmen, um nichts zu verpassen. Was geschieht? Wir können gar nicht mehr filtern, was wichtig ist und was nicht. Es wird uns suggeriert, das sei das Eigentliche vom Leben, dabei sind es oft Banalitäten. Wir beschäftigen uns vielleicht mit Problemen in Südafrika und vergessen unsere Nachbarn, die allein sind und Hilfe bräuchten. Vielleicht nicht in einem Dorf wie hier, aber in der Stadt ist das so. Überinformation nimmt uns die Fähigkeit, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Wir meinen, alles sei wichtig, und das nimmt uns die Zeit für das Wesentliche. Wir werden ständig beschäftigt.
Zehntens: Durch das Bildschirmmedium verlieren wir viel wertvolle Zeit. Der Bildschirm kennt keine Sonntagsheiligung, keinen Ruhetag und keine Nachtruhe. Nachtruhe ist aber sehr wichtig. Das Buch von Manfred Spitzer zeigt, dass das Gehirn die Stunden in der Nacht zur Erholung braucht, damit wir am nächsten Tag wieder fähig sind, aufzunehmen. Träumen und Schlafen sind wichtig.
Wenn ich vor lauter Computerarbeit müde bin, habe ich es selbst ausprobiert: Ich war sehr müde vom Arbeiten und Lesen, und dann sagte ich mir: „Jetzt gehe ich noch schnell zum Computer.“ Wissen Sie, was passiert ist? Ich war nicht mehr müde. Warum? Weil alles Mögliche aktiviert wurde – wechselnde Bilder, viele Farben und so weiter. Man merkt nicht, dass man eigentlich die Zeit zum Schlafen gebraucht hätte. Oder auch zum Beten, das wäre auch gut gewesen.
So geht es weiter: Wir leben in einer Zeit, in der wir stark behindert werden. Der Apostel sagt, dass wir nüchtern bleiben sollen in unserem Denken, nüchtern und unsere Lenden umgürtet. Nicht voll beladen, sondern wir sollen unsere Hoffnung gezielt auf Jesus Christus setzen und auf die Zeit, wann der Herr Jesus geoffenbart wird und die Gnade, die er darbringen wird, wenn er uns abholt.
Wir müssen hier schließen, aber ich wollte diesen Exkurs bringen, weil ich denke, er ist wichtig für unsere Zeit.
