Vielen Dank euch beiden für diese Einleitung und für das wunderschöne Lied zu Beginn. Es ist schön, dass ihr da seid.
Manche sind noch etwas unentschlossen. Ihr könnt gerne auch am Eingang stehen bleiben, aber dort steht man ein bisschen in der Tür und zwischen Tür und Angel.
Heute Nachmittag sind noch Plätze frei. Wahrscheinlich werden wir dann etwas mit Begleitmusik leiten müssen. Aber ihr seid ja geübt hier. Wir müssen also damit rechnen, dass immer wieder ein Basston hier hereinschwappt.
Die Grundfrage des Lebens: Wo ist Gott im Leid?
Die Frage, um die es heute Nachmittag geht, ist vielleicht die Grundfrage, die elementare Frage unseres Lebens. Ich glaube, dass alle großen und kleinen Lebensfragen, die wir haben, in dieser einen Frage wurzeln. Von dieser einen Frage lassen sich im Grunde alle anderen kleinen und großen Lebensfragen ableiten.
Es ist diese Frage: Wo ist Gott, wenn es wehtut? Wie passt Gott eigentlich zu den dunklen Seiten des Lebens? Wie passt Gott zu den Schwierigkeiten meines Lebens? Wie kann das zusammenpassen, dass es einen allmächtigen, guten Gott geben soll und gleichzeitig in meinem Leben – und nicht nur in meinem Leben, sondern in dieser Welt – so viel Rätselhaftes passiert?
Das ist die Grundfrage unseres Lebens, die viele Menschen umtreibt. Ich bin ziemlich oft unterwegs mit Vorträgen und Gottesdiensten. Am schönsten sind für mich die Männerfeste, weil es dort auch etwas zu essen gibt. Dorthin gehe ich sehr gern. Männer reden in der Regel nicht viel hinterher, und es gibt meist nicht allzu viele Fragen.
Aber vor einigen Monaten passierte es mir bei einem Männerfest auf der Schwäbischen Alb, dass ein gestandener Mann um die sechzig am Ende des Vortrags nach einer Gesprächsrunde plötzlich aus sich herausplatzte: „Mensch, Herr Gekle, wie soll ich das denn verstehen? Ich versuche, mit Gott zu leben, ich versuche, an Gott zu glauben, und bei mir im Leben passiert ein Schicksalsschlag nach dem anderen. Da hat man gerade mal einen Tiefschlag halbwegs überwunden, wusch, kommt der nächste Schlag auf die Mütze, der nächste Schlag auf den Hinterkopf, der einen wieder niederdrückt. Wie soll ich das denn bekommen, wie soll ich das verstehen? Wie soll ich das begreifen? Wo ist Gott, wenn es mir so wehtut, wenn ich so tief unten durch muss?“
Das ist eine Frage, die ganz viele von euch mitbringen, egal ob man es selbst im Leben erlebt oder spürt, ob jemand selbst betroffen ist oder ob man gute Freunde oder Menschen kennt, die gerade durch tiefes Leid gehen müssen.
Voraussetzungen und Erwartungen bei der Frage nach Gott im Leid
Wenn man die Frage stellt: „Wo ist denn eigentlich Gott, wenn es wehtut?“, bringt man bestimmte Voraussetzungen mit. Es lohnt sich, kurz darauf zu schauen, was wir eigentlich glauben, wenn wir diese Frage stellen.
Erstens glauben wir oft, dass das hier eigentlich nicht passieren sollte. Wenn wir an Gott glauben und davon ausgehen, dass Gott ein guter Gott ist, dann gehören wir doch zu den Guten. Es erscheint uns deshalb unlogisch, dass dem Guten Schlechtes widerfährt. Das ist eine unausgesprochene Voraussetzung unseres Denkens: Denen, die auf der Seite Gottes, des Guten, stehen, sollte eigentlich nichts Schlechtes passieren. Diese Schlussfolgerung ist jedoch alles andere als biblisch. Warum sollte das nicht sein?
Die zweite Voraussetzung, die automatisch in unserem Denken steckt, ist: Wenn doch Merkwürdiges oder Unerklärliches in unser Leben tritt, müsste es dafür eine Antwort geben. Irgendjemand müsste mir erklären können, was das Ganze soll und welchen Sinn es hat. Wir Menschen suchen nach Sinn. Wenn scheinbar Sinnloses passiert, haben wir ein großes Problem, weil uns die Antwort fehlt.
Wir Menschen suchen immer nach einer bestimmten Antwort im Leben, nach einem Rahmen, nach einer Ordnung, in die wir Dinge einordnen können. Solange uns das nicht gelingt, geht es uns nicht gut. Solange wir keine Antwort finden, tragen wir ein großes Fragezeichen mit uns herum.
Im Grunde beschäftigen sich alle Religionen der Welt mit dieser Frage: Erklär den Menschen, erklär den Leidenden, warum sie leiden. Das ist der Grundansatzpunkt der Religionen. Viele Religionen haben Mechanismen entwickelt, um zu bestimmten Antworten zu gelangen. So hat der Mensch am Ende eine Antwort auf seine Frage. Ob diese Antwort gut ist, werden wir später noch sehen.
Doch das Bedürfnis nach einer Antwort, nach Sinn, nach Verstehen und Begreifen steckt hinter allen Religionen. Das betrifft auch Menschen, die an Jesus Christus glauben. Warum schweigt Gott, wenn ich sein Reden gerade jetzt am dringendsten brauche?
Dieses Problem wird auch in der Bibel behandelt, auch wenn man es auf den ersten Blick nicht immer erkennt.
Gott schweigt: Gericht und Verstockung
Jetzt habe ich hier eine PowerPoint-Präsentation mitgebracht. Wir machen das ein bisschen steinzeitlich: Die Freunde an der Regie sind so flexibel, dass ich immer wieder sagen werde: „Bitte die nächste Tafel“, und dann wird etwas eingeblendet. Ihr lasst euch dabei nicht von der Regie stören.
Was ist, wenn Gott nicht antwortet? Das ist die Grundfrage. Und jetzt bitte die erste Tafel.
Seht ihr etwas? Ja, super. Wenn Gott nicht antwortet, dann kann das – und das ist eine Antwort der Bibel, ich werde noch viele andere geben – auch ein Gericht sein.
Jetzt habe ich eine Bibelstelle, bitte auf der nächsten Tafel: Amos 8,11-12. Dort beim Propheten Amos gibt es ein bemerkenswertes Wort. Dieser Amos sagt einmal: „Siehe, es kommt die Zeit“, spricht Gott der Herr, „dass ich einen Hunger ins Land schicken werde, nicht einen Hunger nach Brot oder Durst nach Wasser, sondern nach dem Wort des Herrn, es zu hören. Dass sie hin und her von einem Meer zum anderen, von Norden nach Osten laufen und das Wort des Herrn suchen und doch nicht finden werden.“
Das ist ein spannendes Wort. Da sagt der Prophet, es kann eine Situation eintreten, in der Menschen so weit weg sind von Gott, dass Gott sie in ihrer Gottesferne festhält. Dann kann es passieren, dass Schicksalsschläge über ein Volk, über eine Nation kommen. Bei Israel ist das immer wieder passiert: Die Menschen suchen nach Gott, aber Gott lässt sich dann nicht mehr finden, er lässt sich nicht mehr entdecken.
An dieser Stelle merken wir, dass Gott zu uns redet, in unser Leben hinein, keine Selbstverständlichkeit ist. Wir haben nicht automatisch einen Anspruch darauf, dass Gott einfach in unser Leben hineinredet. Es ist ein Privileg, wenn du hier in diesen Tagen in Eidlingen die Stimme Gottes hörst. Es ist ein Privileg, wenn du die Bibel aufschlägst und merkst: Hier redet mich der lebendige Gott an. Ich habe keinen Anspruch auf diese Dinge.
Gott hat auch das Recht, uns sein Wort vorzuenthalten. Das passierte damals zu Zeiten des Propheten Amos. Verstockung heißt, dass Menschen weit weggelaufen sind von Gott, dass Menschen sich über Jahre hinweg einen Dreck um das Wort Gottes geschert haben. Dann kann Gott Menschen festhalten in dieser Abwendung von ihm. Das nennt sich Verstockung: Gott macht Menschen unfähig zum Hören, unfähig, Antworten zu hören.
Wir erleben das zum Beispiel beim König Saul. Bei Saul heißt es einmal, dass der Geist von ihm geht und auf David übergeht. Saul wird unfähig, die Stimme Gottes zu hören. Er sucht nach einer Antwort und bekommt keine mehr – eine ganz große Tragik im Leben dieses Saul.
Das ist jetzt die nächste Tafel. Da habe ich das mal versucht zu formulieren: Gott redet nicht immer dann, wenn es mir gerade passt. Er redet aber fast immer dann, wenn es mir gerade nicht passt.
Wenn du nach Sinn und nach Antworten suchst, musst du dich einüben ins Hören. Gott redet manchmal zu sehr ungelegenen Momenten in deinem Leben, wenn es dir vielleicht lieber wäre, er würde lieber nicht reden. Wenn du dann aber ein hörender Mensch bleibst, wirst du auch Gott hören in den Momenten, in denen du es am dringendsten brauchst.
Aber wer ein ganzes Leben lang auf Gott und sein Wort gepfiffen hat, der kann erleben, dass Gott dann zu schweigen beginnt. Dass Nicht-Antworten ein Gericht bedeutet.
Gott ist kein Automat, der uns auf Knopfdruck alles erklärt, was wir in diesem Moment wissen wollen. Gott ist eine Person, die mit uns eine Beziehung eingehen möchte. Wenn wir diese Beziehung verweigern, kann das Schweigen Gottes ein Gericht sein.
Das ist eine Antwort, die ich euch nicht vorenthalten möchte, weil sie eine biblische Linie ist.
Leid als Prüfung am Beispiel Hiob
Ein weiterer Punkt, nächste Folie bitte.
Wenn Gott nicht antwortet, kann das auch eine Prüfung sein. Das lesen wir im Alten Testament in dem berühmten Buch Hiob. Hiob ist eine Figur, die eine Hiobsbotschaft nach der anderen erhält. Eine Katastrophe jagt die nächste in seinem Leben. Hiob weiß nichts davon, was auf einer ganz anderen Ebene im Himmel zwischen Gott und dem Widersacher, dem Satan, geschieht. Die beiden haben sozusagen eine Prüfung beschlossen.
Der Satan will Gott beweisen, dass Hiob nur einen Schönwetterglauben hat. Dieser Glauben funktioniere nur, wenn sein Leben glattläuft. Doch Gott sagt: Nein, Hiob hat einen starken und festen Glauben, der nicht davon abhängig ist, dass alles in seinem Leben glattläuft. Um das zu beweisen, schickt Gott Hiob einen Schicksalsschlag nach dem anderen.
Hiob erlebt in atemberaubender Geschwindigkeit eine Katastrophe nach der anderen, die über ihn hereinbricht. Interessant ist, wie Hiob damit umgeht – es ist beeindruckend.
Nun eine weitere Folie: Hiob sagt einmal: „Der Herr hat es gegeben, der Herr hat es genommen.“ Das ist ungeheuerlich. Hiob drückt damit aus, dass Gott das Recht hat, die Dinge, die er ihm gegeben hat, auch wieder zu nehmen. Hiob beansprucht diese Dinge nicht automatisch für sich. Es ist die Souveränität und Allmacht Gottes. Gott hat das Recht, uns viel Schönes zu schenken, aber es gehört ihm, und er darf uns Dinge auch wieder entziehen. Und dann sagt Hiob: „Der Name des Herrn sei gelobt.“ Auch über den Dingen, die er nicht verstehen kann, warum Gott sie ihm nimmt.
Ein weiteres Wort von Hiob lautet: „Haben wir Gutes empfangen von Gott und sollten das Böse nicht auch annehmen?“ Sehr häufig und schnell stellen wir die Frage, woher das Böse in unserem Leben kommt. Hiob jedoch hat mit hoher Intelligenz begriffen, dass man die Frage auch umdrehen kann. Man kann auch fragen: Woher kommt eigentlich das Gute in meinem Leben? Es ist keine Selbstverständlichkeit, dass es uns immer gut gehen muss. Woher kommt das Gute in meinem Leben? Nicht nur die Frage stellen, woher das Böse kommt.
Hiob weiß, dass von Gott alles in dieser Welt kommt und dass alles, was von ihm kommt, einen guten Sinn hat. Diese Antwort Hiobs ist eine Revolution unseres Gottesbildes. Gott hat das Recht, auch anders mit uns zu handeln, als wir es nach unseren menschlichen Maßstäben der Gerechtigkeit für gut halten. Er darf geben, aber er darf auch nehmen.
Viele Klagen und offene Fragen in unserem Leben entstehen aus dem Vergleich mit anderen. Wir vergleichen uns meist nach oben: Warum hat der oder die mehr als ich? Warum geht es jemand anderem besser als mir? Nach unten vergleichen wir uns selten. Auf solche Fragen erhalten wir von Gott meist keine Antwort.
Für Hiob – und das wird deutlich in seinen Worten – war das schwere Schicksal kein Widerspruch zu Gott. Gott kann das tun, aber das muss nicht heißen, dass Gott es böse mit ihm meint. Das ist eine Revolution des Gottesbildes. Wir denken oft, wenn einem Menschen Böses widerfährt, meint Gott es nicht mehr gut mit ihm. Das stimmt nicht. Gott kann es gut mit einem Menschen meinen, auch wenn wir manche schweren Schicksalsschläge im Leben nicht verstehen können.
Bei Hiob finden wir aber auch eine zweite Reaktion, die wir nicht vergessen sollten: Hiob beginnt zu klagen. Er entdeckt die Klage. Die Klage bedeutet, dass er Gott sein Leid klagt, ihm das aussprechen kann, was er nicht versteht. Er sagt Gott, was in seinem Leben drückend schwer ist. Diese Klage ist ein Ventil, um mit dem Unerklärlichen des Lebens und dem verborgenen Gott, den er nicht versteht, umzugehen.
Hiob wehrt sich auch gegen seine Freunde, gegen diese leidigen Tröster, die ihm Antworten aufzwingen wollen. Die drei Freunde Hiobs kommen und sagen: „Hiob, hör mal! Du musst etwas ausgefressen haben. Irgendetwas muss faul sein in deinem Leben, sonst wäre es nicht möglich, dass es dir so schlecht geht. Pack aus, sag, was bei dir schiefgelaufen ist.“
Hiob antwortet: Nein, da ist nichts. Ihr wollt mir eine Schuld unterschieben, um mein Leid zu erklären. Er weigert sich, dass man ihm etwas in sein Leben hineininterpretiert, um sein Leid zu begründen. Diese Freunde wollen eine Erklärung erzwingen, sozusagen Gott zum Reden zwingen. Hiob sagt: Ihr könnt mir nichts unterschieben, da ist nichts. Ich weigere mich, Schuld ins Leben hineinzuinterpretieren, die nicht da ist.
Gott bestätigt am Ende Hiob und rügt diese Freunde. Gerade das Standhalten Hiobs wird von Gott gelobt. Das Leid im Leben eines Menschen muss nicht mit Schuld verbunden sein. Das ist eine weitere Revolution der Bibel in einer Welt, in der Religionen Leid immer mit Schuld erklären. „Jemand hat etwas ausgefressen, also bekommt er von Gott eine Strafe.“ Nein! Diese Verbindung stimmt biblisch manchmal, aber nicht immer.
Die Bibel löst die Verbindung zwischen Leid und Schuld auf. Es kann Leid geben, ohne dass konkrete Schuld vorliegt.
Umgang mit Deutungsrahmen für Leid
Ein drittes: die nächste Folie, bitte.
Wenn Gott nicht antwortet, brauchen wir den richtigen Deutungsrahmen. Wir suchen nach Sinn, wir suchen nach Antworten. Dabei gibt es gesunde Deutungsrahmen und schlechte Deutungsrahmen.
Ich möchte euch nun einige Beispiele für schwierige Deutungsrahmen vorstellen.
Die Antwort des Islam auf das Leid
Wie ist das eigentlich mit der Frage nach dem Schweigen Gottes oder nach dem Leid und der Warum-Frage im Islam? Friedrich Dürrenmatt hat einmal eine Geschichte aus Tausendundeiner Nacht nacherzählt, die uns die Antwort des Islam auf die Warum-Frage, auf die Frage nach dem Leid in dieser Welt, sehr anschaulich vor Augen führt.
Die Geschichte geht so: Der Prophet Mohammed sitzt in einer einsamen Gegend auf einem hohen Hügel. Unterhalb des Hügels befindet sich eine Wasserquelle, an der Reiter und Reisende ihre Pferde tränken können. Es kommt ein Reiter vorbei, der sein Pferd drängt. Während er das Pferd zu Wasser führt, fällt sein Geldbeutel aus den Satteltaschen heraus. Er bemerkt den Verlust nicht und reitet weiter.
Ein zweiter Reiter kommt später dazu, drängt ebenfalls sein Pferd, findet den Geldbeutel und ist hochbeglückt. Er schnappt sich den Geldbeutel, packt ihn ein und reitet weiter. Mittlerweile hat der erste Reiter den Verlust bemerkt, kehrt um und kommt zur Wasserstelle zurück. Dort ist ein dritter Reiter, der ebenfalls sein Pferd tränkt.
Der erste Reiter glaubt, der dritte Reiter habe den Geldbeutel gestohlen. Der dritte Reiter weiß jedoch nichts von dem Geldbeutel. Es kommt zum Streit, die beiden zanken sich, und schließlich erschlägt der erste Reiter den dritten, der nichts von dem verlorenen Geldbeutel weiß.
Der Prophet Mohammed sitzt auf seinem Hügel und ruft verzweifelt: „Allah, Allah, die Welt ist ungerecht! Ein Dieb kommt ungestraft davon, nämlich der zweite Reiter, und ein Unschuldiger, der dritte Reiter, wird erschlagen.“ Allah, der sonst schweigt, antwortet ausnahmsweise dem Propheten Mohammed: „Dunar, Dunar, was verstehst du von meiner Gerechtigkeit?“
Der erste Reiter hatte das Geld, das er verloren hatte, dem Vater des zweiten Reiters gestohlen. Der zweite Reiter nimmt mit dem Geldbeutel also nur zurück, was ihm rechtmäßig gehört, weil es das gestohlene Geld seines Vaters ist. Der dritte Reiter hatte vor vielen Jahren einmal die Frau des ersten Reiters vergewaltigt. Indem der erste Reiter den dritten erschlägt, übt er somit nur gerechte Vergeltung für die Missetat, die an seiner Frau begangen wurde.
Dann schweigt Allah wieder. Der Prophet, nachdem er die Stimme Allahs vernommen hat, lobt dessen Gerechtigkeit.
Versteht ihr, was hier abläuft bei diesem Deutungsrahmen? Was ist die grundlegende Antwort des Islam auf all diese rätselhaften Fragen? Die Antwort lautet: Im Grunde hat alles einen tieferen Sinn. Wir verstehen ihn nur nicht. Aber wenn es einem von euch schlecht geht, hat das einen ganz tiefen Sinn. Es ist im Grunde ganz gut so und ganz gerecht, wenn es einem schlecht geht, wenn einen eine schlimme Krankheit befällt, ein schwerer Schicksalsschlag trifft oder ein Unfall passiert.
Irgendwie ist das schon in Ordnung und ganz korrekt, wenn die Dinge so laufen. Das ist eine schwierige Antwort.
Der Hinduismus und das Karma
Ich gehe einen Schritt weiter und schaue mir den Hinduismus an. Vor vielen Jahrzehnten gab es ein interessantes Ereignis: Queen Elizabeth, die Königin von England, besuchte Indien. Indien gehört zum britischen Commonwealth.
Bei diesem Staatsbesuch besuchte sie auch ein Missionskrankenhaus. Dort pflegen und versorgen Missionsärzte und Missionsschwestern die Ärmsten der Armen. Sie leisten christliche Barmherzigkeit und Liebe – besonders gegenüber Menschen, die an Lepra leiden und in einer fürchterlichen Existenz gefangen sind.
In der Begleitung der Queen waren auch ranghohe Vertreter des Hinduismus. Während des Besuchs in diesem Missionskrankenhaus wurden diese Vertreter sehr erbost. Sie regten sich heftig darüber auf, was die Missionsärzte und Missionsschwestern mit den Ärmsten der Armen und den leprakranken Menschen taten.
Irgendem Vertreter platzte der Kragen, und er schrie hinaus: Was ist das für eine Unbarmherzigkeit, die ihr hier in diesem Krankenhaus zeigt? Die Queen war fassungslos – wahrscheinlich wären wir es alle gewesen. Denn wenn das keine Barmherzigkeit ist, dass Menschen aus Europa in ein so mörderisches Klima kommen, um den Ärmsten der Armen und leprakranken Menschen, die am lebendigen Leib verfaulen, ärztliche Hilfe zu leisten, was ist dann Barmherzigkeit?
Warum aber sagten diese Hindu-Vertreter, dass das Unbarmherzigkeit sei? Wie kann man das verstehen? Das versteht man nur, wenn man den Hinduismus kennt.
Der Hinduismus geht davon aus, dass jeder Mensch sich mit der Summe seines Lebens, mit der Summe seiner guten und schlechten Taten, ein Karma schafft. Was ist Karma? Karma ist eine Art Zwischenbilanz. Man sammelt mit guten und schlechten Taten sozusagen ein Plus- und Minuskonto. Im Moment des Todes wird diese Zwischenbilanz gezogen.
Im Hinduismus stirbt man nicht wirklich, sondern man wird ständig wiedergeboren. Je nachdem, wie das Karma aussieht, kommt man in einer besseren oder schlechteren Existenz im nächsten Leben auf die Welt. Das nennt man Reinkarnation.
Aus der Sicht der Hindus waren die Menschen, die in diesem Krankenhaus lagen, Leute, die ihr schlechtes Karma abarbeiten mussten. Weil sie in einem früheren Leben viel verbockt hatten, mussten sie jetzt mit dieser Lepra-Krankheit und anderen Leiden klarkommen. Das war ihre Art, mit ihrem schlechten Schicksal aus dem früheren Leben oder ihrem schlechten Karma, ihrer schlechten Zwischenbilanz, umzugehen.
Wenn nun diese europäischen Ärzte, diese Christen, kommen und die Kranken gesund pflegen, verlängern sie im Grunde nur deren Leid. Denn im nächsten Leben müssten sie dann wieder in einer schlechten Existenz klarkommen. Jetzt hätten sie die Chance, ihr schlechtes Karma abzuarbeiten.
Indem diese Ärzte und Schwestern das verhindern, sind sie im Grunde unbarmherzig, weil sie das Leiden dieser Menschen verlängern. Die Antwort ist also im Grunde die gleiche: Wer leprakrank ist oder so eine elende Existenz führen muss, der hat es verdient.
Wir Menschen verstehen das nicht, weil wir nicht wissen, was derjenige im früheren Leben alles ausgefressen hat. Aber wenn er jetzt hier leidet, dann hat er seinen Grund. Er muss da jetzt halt durch und dieses elendige Leben führen, damit er in der nächsten Reinkarnation eine bessere Chance hat.
Kritik an einfachen Deutungsrahmen im Christentum
Hier in all diesen Beispielen wird das Leid erklärt. Gibt es eine klare, saubere Antwort auf das Leid von Menschen? Gibt es eine klare und saubere Antwort auf die Schwierigkeiten im Leben von Menschen?
Du musst halt nehmen, wie es ist. Es ist ja gerecht so, wie es ist, und es ist okay so. Bitte versuche nicht, jemanden um Hilfe zu bitten, denn du würdest sozusagen eine göttliche Ordnung durcheinanderbringen.
Ich will das offen sagen: Es gibt auch Christen, die solche verkürzten Antworten geben. Das sieht dann so aus: Wenn du krank bist, dann hast du halt nicht genügend geglaubt. Wenn in deinem Leben Unglück passiert, dann warst du irgendwie sündig. Vielleicht war einer deiner Urahnen ein großer Sünder, ein Okkultist oder ähnliches. Deshalb passiert dir heute das, weil in deinem Leben oder im Leben deiner Vorfahren irgendetwas ganz schiefgelaufen ist.
Das sind verkürzte Antworten. Das sind einfache Antworten auf die Fragen nach dem Schweigen Gottes.
Und jetzt bitte noch einmal eine Folie, die nächste Folie: Einfache Antworten auf die Frage nach dem Schweigen Gottes sind fast immer falsch. Lasst euch nie solche einfachen, schlichten Antworten unterjubeln. Sie helfen euch nicht weiter.
Es gibt ganz schlimme Deutungsrahmen. Manche Menschen denken irgendwann: Ich stehe unter dem Fluch Gottes, weil ich in grauer Vorzeit irgendetwas ausgefressen habe, an das ich mich kaum erinnern kann. Oder einer meiner Vorfahren hat irgendetwas ausgefressen. Deshalb muss ich heute dieses Leid erleben, weil Gott mich verflucht hat. Das ist ein ganz schlimmer Deutungsrahmen.
Man kann depressiv in sich schlagen, aber man kann auch aggressiv um sich schlagen. Manche sagen: Die anderen sind an allem schuld. Die anderen, mein Ehepartner, mein Freund, meine Freundin, meine Familie, meine Kollegen – alle wollen mich fertig machen. Ich bin unschuldig, alle anderen sind schuld.
Das ist ein aggressiver Deutungsrahmen. Da kann man aggressiv um sich schlagen oder depressiv in sich schlagen.
Greift nicht auf solche Antworten zurück. Sie helfen euch keinen Deut weiter.
Das Schweigen Gottes als Antwort und Gebet Jesu
Ein vierter Punkt: Wenn Gott nicht antwortet, kann das auch eine Antwort sein. Auch das ist ein biblischer Aspekt.
In der Passionsgeschichte Jesu gibt es eine eindrückliche Szene im Garten Gethsemane. Jesus spricht dort ein Gebet, das ich ebenfalls auf der nächsten Folie zeigen werde.
Dort heißt es in Matthäus 26: Zum zweiten Mal ging er wieder hin – gemeint ist Jesus im Garten Gethsemane – und er betete und sprach: „Mein Vater, ist es nicht möglich, dass dieser Kelch an mir vorübergehe, ohne dass ich ihn trinken muss? So geschehe dein Wille.“
Er kam zurück und fand seine Jünger abermals schlafend, und ihre Augen waren voller Schlaf. Er ließ sie zurück und ging zum dritten Mal hin, um zu beten und sprach dieselben Worte.
Dann kam er zu seinen Jüngern und sagte zu ihnen: „Ach, wollt ihr weiter schlafen und ruhen? Siehe, die Stunde ist da, dass der Menschensohn in die Hände der Sünder überliefert wird.“
Hier machen wir die Erfahrung, dass Jesus ein Gebet an seinen himmlischen Vater richtet, das nicht erhört wird. Wir lernen, dass Jesus das Phänomen unerhörter Gebete kennt – ein Phänomen, das wahrscheinlich jeder von uns im Leben schon erlebt hat: Man bittet eindringlich um etwas, doch Gott klärt die Situation nicht einfach oder beantwortet das Gebet nicht unmittelbar.
Jesus kennt dieses Phänomen unerhörter Gebete. Er bittet seinen himmlischen Vater, wenn es möglich ist, den Kelch des Leids – der am nächsten Tag, am Tag der Kreuzigung, über ihn ausgegossen wird – an ihm vorübergehen zu lassen.
Doch dann spricht Jesus ein ganz wichtiges Zusatzgebet: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst, soll es geschehen.“ Das bedeutet, Jesus gibt seinem himmlischen Vater die Freiheit, nach seiner Weisheit und seinem Willen zu handeln – nicht nach Jesu eigenem Willen.
Diese Freiheit geben wir Gott immer dann, wenn wir das Vaterunser beten. Vielleicht ist es euch schon einmal aufgefallen: In diesem Gebet sagen wir „dein Wille geschehe“. Manchmal meinen wir eigentlich „mein Wille geschehe“, doch faktisch bitten wir Gott darum, dass sein Wille geschieht – auch wenn wir manche Gebete sprechen, bei denen wir denken, es sollte anders laufen.
Das Leiden ist auch eine Verkündigung Gottes. Leiden ist eine Existenzform der Gemeinde. Es kann ein Weg sein, durch den sich Gott in dieser Welt offenbart. Es ist eher die Ausnahme, dass eine Gemeinde nicht leidet. Weltweit gibt es heute Schwestern und Brüder, die durch viel Leid gehen müssen.
Leiden kann eine Form sein, wie Gott seine Botschaft in dieser Welt durchdrückt.
Vielleicht fragst du dich jetzt: Warum soll ich überhaupt noch bitten? Wenn Gott sowieso macht, was er will, kann ich es doch gleich bleiben lassen.
Wir versuchen, das mit einem anderen Bild zu erklären.
Ich habe drei Kinder. Als sie noch klein waren, war im Grunde jeder Spielzeugkatalog identisch mit dem Wunschzettel für Weihnachten, Ostern und Geburtstag zusammen. Kinder wünschen sich Dinge sehr direkt – und wir tun das oft auch.
Nun habe ich in meinem Leben eines verstanden: Ich kann einen Menschen nicht schneller und effektiver zerstören, als wenn ich ihm alle Wünsche erfülle. Wenn uns alle Wünsche erfüllt werden, gehen wir daran zugrunde. Das ist ein Grundgesetz des Lebens.
Die Summe der erfüllten Wünsche macht uns kaputt. Ein Kind kann man nicht schneller zerstören, als wenn man ihm alles schenkt, was es will. So geht ein Kind kaputt, ein Mensch geht zugrunde. Ein junger Mensch, der sich alles nimmt, was ihm angeboten wird, richtet sich selbst zugrunde.
Das ist das Prinzip okkulter Mächte. Der Punkt bei ihnen ist, dass sie funktionieren – und zwar so, dass sie Menschen geben, was sie wollen. Gerade dadurch machen sie Menschen kaputt.
Das Interessante ist: Gott funktioniert nicht so. Gott ist kein Wunschautomat. Das wurde gestern Abend in einer großartigen Szene des Bibel-Anspiels der Schülerinnen deutlich: Gott funktioniert nicht wie ein Automat.
Gott ist eine lebendige Person, unser Schöpfer. Er weiß, was für uns gut ist und was nicht. Gerade deshalb erhört Gott nicht jedes Gebet, das wir an ihn richten.
Gott erhört viele unserer Gebete nicht, weil sie uns zerstören oder kaputt machen würden.
Hätte Gott damals das Gebet Jesu erhört und den Kelch an ihm vorübergehen lassen, wäre zwar Jesus nicht daran zugrunde gegangen, aber wir alle wären daran zugrunde gegangen, weil Jesus nicht für uns ans Kreuz gegangen wäre.
Ich persönlich kann nur sagen, dass ich heilfroh bin, dass Gott viele Gebete meines Lebens nicht erhört hat. Dass vieles nicht in Erfüllung gegangen ist, wofür ich schwachsinnigerweise gebetet habe.
Gott hat es gut gemeint, indem manches Gebet unerhört blieb.
Wir begreifen diese Dinge nicht immer gleich. Manchmal verstehen wir sie ein Leben lang nicht.
Aber eines weiß ich seit der Geschichte in Gethsemane ganz sicher: Auch unerhörte Gebete und das Schweigen Gottes in unserem Leben können einen guten Sinn haben. Einen Sinn, den wir vielleicht nicht sofort erkennen, vielleicht erst sehr spät – oder manchmal vielleicht auch nie.
Unerhörte Gebete als Rückfrage an den Glauben
Ein fünfter Punkt, bitte die nächste Folie.
Wenn Gott nicht antwortet, kann das auch eine Rückfrage an meinen Glauben sein. Es kann ein Fragezeichen Gottes an meinen Glauben sein. Dann stellt sich die Frage: Habe ich die richtige Erwartung an Gott? Habe ich vielleicht Erwartungen gehabt, die Gott eigentlich gar nicht erfüllen will? Erwartungen, die überhaupt nicht zu seiner Wahrheit und zu seinem Wesen gehören? Habe ich vielleicht ein falsches Bild von Gott?
Vor einigen Jahren war ich bei einem anderen Jugendtreffen. Dort hat ein junges Mädchen ein Zeugnis gegeben. Dieses Zeugnis verlief so, dass sie eines Tages an Gott ein Gebet richtete – nach dem Motto: „Jesus, gib mir ein Abenteuer. Jesus, ich habe Lust auf ein Abenteuer mit dir und ich hätte jetzt gern, dass du mir ein Abenteuer schenkst.“
Das Abenteuer, das Gott diesem Mädchen schenkte, bestand darin, dass ihre Großmutter, die sie liebte wie keinen zweiten Menschen auf dieser Welt, starb. Mit diesem Abenteuer, dem Tod ihrer Großmutter, kam sie nicht klar. Sie hat das nicht bewältigt.
Dieses Zeugnis änderte sich auf merkwürdige Weise nicht, weil sie immer noch nicht verarbeiten konnte, was Gott ihr da an Abenteuern zugemutet hatte. Für sie war das Leben mit Jesus ein großer Abenteuerspielplatz.
Ich sage nicht, dass es mit Jesus keine Abenteuer gibt – mein ganzes Leben ist ein Abenteuer. Aber es ist kein Adventure Park, kein Erlebnispark wie Legoland oder Ähnliches, wo man hineingeht und garantiert ein Abenteuer bekommt, das richtig hip und spaßig ist. Das Leben mit Jesus ist manchmal sehr überraschend, sehr kräftezehrend, aber sehr gut.
Korrigiere deine Erwartungen! Auch das kann eine Botschaft von unerhörten Gebeten und vom Schweigen Gottes sein – von den Dingen, die wehtun, ohne dass wir eine Antwort haben.
Die nächste Folie, bitte.
Ah ja, das war es, was ich sagen wollte: Könnte es sein, dass ich Erwartungen an Gott habe, die er gar nicht erfüllen möchte?
Genügend haben trotz Schweigen Gottes
Ein sechstes, nächste Folie gleich: Wenn Gott nicht antwortet, dann werde ich trotzdem genug haben. Wenn Gott nicht antwortet, werde ich genug haben.
Noch einmal eine Bibelstelle im Neuen Testament aus einem der Briefe des Apostels Paulus. Paulus war ein kranker Mann – denkt man gar nicht, aber ja, Paulus hatte eine schwere, schmerzhafte Krankheit. Davon redete er im zweiten Korintherbrief, und diese Stelle schauen wir uns an.
Da heißt es: Paulus schreibt, damit er sich nicht überhebt wegen der hohen Offenbarungen, die ihm geschenkt worden sind. Er berichtet davon, dass er gewaltige Offenbarungen Gottes erlebt hat. Damit er sich wegen dieser Dinge nicht überhebt, ist ihm ein Pfahl ins Fleisch gegeben.
Und es ist eines wichtig: Diese Formulierung „ist mir gegeben“ ist ein sogenannter göttlicher Passiv. Dieses „gegeben“ heißt, es ist mir von Gott gegeben. Dieser Pfahl ins Fleisch ist mir von Gott gegeben. Gott hat mir diese Krankheit gegeben, damit ich mich nicht überhebe.
Das hat einen pädagogischen Sinn. Gott hat eine pädagogische Zielsetzung mit meinem Leben.
Jetzt Interessantes: Nämlich des Satans Engel, der mich mit Fäusten schlagen soll, damit ich mich nicht überhebe. Ja, was jetzt? Woher kommt denn diese Krankheit? Vom Engel Satans oder von Gott? Die Antwort ist: von beiden.
Für Paulus ist das kein Widerspruch, dass er einerseits vom Satan und von seinem Engel mit dieser Krankheit geprügelt wird und dass andererseits das unter der Zulassung Gottes geschieht. Gott lässt zu, dass der Böse ihm diese Krankheit aufs Auge drückt.
Dass es von Gott gegeben und vom Engel des Satans geschlagen ist, ist für Paulus kein Widerspruch, sondern kommt hier zusammen. Und das Ziel ist, damit er nicht hochmütig wird, sich nicht überhebt, nicht arrogant wird und in seinem Leben nicht abhebt.
Deswegen, wegen dieser Krankheit, habe ich dreimal zum Herrn gefleht, dass er von mir weiche. Paulus hat dreimal intensiv im Gebet darum gerungen, dass dieser Satansengel verschwindet, dass diese Krankheit aufhört, dass diese Schmerzen aufhören, dass dieses Leid aufhört.
Er hat dreimal intensiv mit Gott gerungen: „Hör auf damit!“ Und dann schreit Paulus, und Jesus Christus hat ihm eine Antwort gegeben. Ihm hat er eine Antwort gegeben, uns gibt er sie nicht immer, aber diese Antwort, die Jesus da dem Paulus gegeben hat, ist fundamental.
Jesus sagt zu Paulus: „Lass dir an meiner Gnade genügen.“ Man kann übersetzen: „Meine Gnade, die genügt dir, die ist hinreichend für dich.“ Das, was ich dir schenke, das reicht für dich – auch wenn du krank bleibst, auch wenn du Schmerzen aushalten musst, auch wenn dieses Problem, für das du hier bittest, nicht gelöst wird.
Denn meine Kraft ist den Schwachen mächtig. Ich wirke auch durch Menschen, die von Leid geschlagen sind, ich wirke auch durch kranke Menschen, ich wirke durch arme Menschen, ich wirke durch Menschen, die manche Probleme an der Backe haben, ich wirke durch dich.
Meine Gnade ist hinreichend, die reicht. Du brauchst nicht noch die Gnade der Heilung. Ungeheuer! Paulus, du brauchst nicht die Gnade der Heilung. Du kannst für mich mitsamt dieser Krankheit, mitsamt diesem Problem ein Zeugnis in dieser Welt sein und Menschen zum Glauben an Jesus Christus rufen.
Darum will ich mich am allerliebsten rühmen, schreit Paulus, meiner Schwachheit, damit die Kraft Christi bei mir wohne. Gerade dadurch, dass ich ein kranker Apostel bin, ein schwacher Apostel bin, beweist Gott durch mich, dass es nicht meine Kraft ist, sondern Gottes Kraft!
Was heißt das? Es kann sein, dass du auf viele Rätsel deines Lebens keine Antwort bekommst und trotzdem hat Gott sein großes Ja über dein Leben geschrieben.
Bitte die nächste Folie:
In Jesus garantiert mir Gott kein Leben ohne Nöte, ohne Krankheiten, ohne Sorgen und Probleme. Aber – aber – in Jesus Christus garantiert mir Gott seine Liebe, seine Nähe und seine Kraft inmitten der unvollkommenen Verhältnisse des Lebens, inmitten der unvollkommenen Dinge, dass viele Dinge nicht geklärt werden.
Und im Licht des Kreuzes von Golgatha stehen einige Dinge fest, da stehen zwei Dinge fest:
Wer zu Jesus Christus gehört, den wird nichts und niemand mehr trennen können von der Liebe Gottes.
Bitte die nächste Folie:
Paulus schreibt mal im Römerbrief: „Ich bin gewiss.“ Und jetzt kommt eine lange Liste von rätselhaften Dingen im Leben, die passieren können.
„Ich bin gewiss, dass weder der Tod noch das Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, weder Hohes noch Tiefes noch irgendeine andere Kreatur mich trennen kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.“
Da steht felsenfest: Egal, was passiert in deinem Leben.
Für Paulus ist das ein ganz entscheidender Grund, ein ganz entscheidender Punkt: Was auch immer passieren mag im Leben eines Menschen, es wird ihn nicht trennen von Gott.
Und das Zweite, was feststeht – die nächste Folie bitte:
Wer zu Jesus Christus gehört, der ist niemals ein von Gott verlassener, sondern in allen Lagen ein von Jesus Christus begleiteter Mensch.
Ich hatte diesen Vers heute Morgen schon: „Siehe, ich bin bei euch alle Tage bis ans Ende der Welt.“
Dieses Nahesein, dieses Mitsein Gottes ist eine Dimension der Hilfe, die keine Philosophie und keine Religion dieser Welt versprechen kann.
Der in Jesus Christus Mensch gewordene Gott bleibt auf meiner Seite, bleibt an meiner Seite – dann, wenn ich auf die schweren Wege gehen muss, dann, wenn ich in einen Operationssaal geschoben werde.
Denn wenn ein Mensch mal zum Scheidungsrichter muss oder wenn du auf einmal hinter dem Sarg des liebsten Menschen hergehen musst, den du hast, dann ist Gott da, mitten in den schweren Stunden, mitten auf den harten Wegen.
Mit Gott an der Seite nicht verzweifeln
Ein siebtes und letztes bitte die Folie, danke.
Wenn Gott nicht antwortet, dann brauche ich an der Seite Jesu nicht mehr daran zu verzweifeln. Wenn Gott nicht antwortet, ist das kein Grund mehr, am Leben kaputtzugehen. Wenn Gott schweigt und der Sinn mehr verschlossen bleibt, ist das kein Grund mehr, am Leben zu verzweifeln.
Ich werde mit manchen Fragen meines Lebens leben müssen. Ich werde auch mit manchem Schweigen Gottes leben müssen. Übrigens hat auch Jesus mit dieser Frage gerungen.
Als Jesus am Kreuz von Golgatha hing, an diesem schwierigen Tag des Karfreitags, da hat er nach Antwort geschrien: „Eli, Eli, Lama, Asabdhani?“ – mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen? Merkt ihr was? Jesus selbst hat auch die Warum-Frage gestellt. Er hat gefragt: „Was soll das Ganze? Warum hast du mich jetzt verlassen?“ Und Gott schweigt.
Jesus bekommt an diesem Tag keine Antwort auf diese Frage. Aber bei diesem Schweigen wissen wir, warum Gott geschwiegen hat. Gott hat geschwiegen, weil er diesen Menschen, weil er Jesus an diesem Tag wirklich verlassen hat. Gott hat auf diesen Jesus von Nazaret alle Schuld, alle Sünde, alles Übel dieser Welt auf die Schultern gepackt. Alle Lüge, allen Hass, jeden Ehebruch, jeden Neid – alles hat er auf die Schultern Jesu gelegt.
Deshalb war Jesus an diesem Tag, an diesem Kreuz, der sündigste und schuldigste Mensch der Weltgeschichte. Deshalb ist Gott gegangen. Deshalb hat sich Gott von diesem Menschen distanziert, der die leibhaftige Sünde war. Deshalb ist Gott gegangen.
Auf die Frage Jesu können wir eine Antwort geben. Und wohlgemerkt, bitte die nächste Folie.
Gott gibt uns nicht immer eine Antwort auf die Fragen unseres Lebens. Aber er gibt uns eine Antwort auf die Frage nach dem Leiden seines geliebten Sohnes.
Könnt ihr noch die Folie kurz draufgeben?
Jesus selbst hat diese Antwort gegeben: „Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“ (Johannes 3,16)
Das ist die Antwort – die Antwort für das Leiden Jesu und im Grunde auch die Antwort für unsere Fragen.
Er hat gelitten, damit wir eine offene Tür in der Ewigkeit haben. Er hat gelitten, damit unser Leiden nicht bis in Ewigkeit dauert, sondern dass unser Leiden einmal aufhört. Und das ist die Antwort der Offenbarung des Johannes.
Es wird der Tag kommen, dieser glorious day, wenn alle Tränen und alles Leid abgewischt wird, wenn der Tod nicht mehr sein wird, wenn all die Fragen, die uns heute quälen, beantwortet werden. Dann wird dieser glorious day da sein, und dann werden wir die Antworten haben.
Bitte die nächste Folie.
Das heißt: Jesus – und noch mal eine weiter, und noch mal eine weiter – Jesus beantwortet nicht alle unsere Fragen. Jesus löst nicht alle unsere Probleme. Aber er begleitet uns mit unseren Fragen und geht mit uns durch die Probleme hindurch. Er erleidet mit uns diese Welt.
Das ist jetzt eine Antwort, die ganz anders ist als die Antworten der Religionen. Da bin ich immer der, der am Ende den schwarzen Peter hat. „Du bist schuld, du hast am Ende doch selber verbockt, deshalb musst du durch.“
Nein, diese Antwort gilt unter dem Kreuz von Golgatha nicht. Da ist die Schuld am Kreuz, und Jesus steht an meiner Seite und geht mit mir durch mein Leben.
Und deshalb darf ich mich mit all den Rätseln meines Lebens diesem Jesus anvertrauen. Dann kann ich beten: „Herr Jesus, ich weiß nicht, was du mit diesem oder jenem Rätselhaften eigentlich anstellen willst in meinem Leben, aber ich will dir vertrauen, dass du, weil du am Kreuz alles für mich gegeben hast, gute Gedanken über meinem Leben hast.“
Mit diesen guten Gedanken will ich durchs Leben gehen, auch wenn viele Rätsel offen bleiben.
Die letzte Folie bitte.
Gott löst nicht die Frage, warum er angesichts vieler Rätsel unseres Lebens schweigt. Aber er löst uns davon, dass wir an diesem Schweigen verzweifeln müssen, dass wir an diesem Schweigen zerbrechen müssen.
Ich muss mich nicht mehr kaputtmachen lassen von den fehlenden Antworten. Ich muss mich nicht mehr kaputtmachen lassen, wenn ich keinen Sinn in diesen Dingen sehe.
Ich kann die Hand des guten Hirten nehmen – der gute Hirte, der mit mir durchs Leben geht, der gute Hirte, der die Auferstehung und das Leben in Person ist, der gute Hirte, der mich begleitet.
Hoffnung und Vertrauen trotz offener Fragen
Das ist die Geschichte der Emmausinger. Diese Emmausinger waren an jenem Tag nach der Kreuzigung Jesu verzweifelt. Sie gingen ihren Weg nach Hause, nach Emmaus. Dann kam ein unbekannter dritter Wanderer dazu.
Sie erzählten ihm von ihren Sorgen und sagten: „Wir dachten, Jesus sei es, der Israel erlösen würde. Wir dachten, er würde alle Probleme dieses Landes, dieses Volkes und auch meine eigenen Probleme lösen.“ Sie klagten ihm ihr Leid und ihre Augen waren verschlossen. Sie sahen nicht, dass Jesus direkt neben ihnen ging. Sie bemerkten nicht, dass nur einen Meter neben ihnen die Auferstehung und das Leben unterwegs waren. Sie erkannten nicht, dass der gute Hirte, der Leben in Fülle gibt, neben ihnen herging. Sie sahen nicht, dass das Licht der Welt neben ihnen spazierte.
Stattdessen sahen sie nur ihre engen Probleme. Erst am Ende des Abends, als Jesus ihnen Brot und Wein reichte, gingen ihnen die Augen auf. Ihnen fiel wie Schuppen von den Augen.
So ist es auch in unserem Leben. Wir sehen vieles nicht. Dann klagen wir Jesus unser Leid, unsere Schwierigkeiten und Probleme. Wir merken nicht, dass die Auferstehung und das Leben, der gute Hirte, das Licht der Welt nur einen Meter neben uns stehen. Sie haben alle Antworten, die wir gerade noch nicht sehen.
Es wird der Tag kommen, an dem wir alles sehen werden. Es wird der Tag kommen, an dem all das aufhört, was uns heute umtreibt. Dann werden wir leben und ewiglich mit Jesus sprechen. Das ist die Hoffnung, mit der wir leben und leben können.
Ich danke euch für eure Geduld und Aufmerksamkeit. Ich möchte noch ein Gebet sprechen.
Herr Jesus Christus, so viele Menschen sind heute in diesem Zelt, und noch viel mehr gehen durch diese Welt mit offenen Fragen: Wo bist du? Es tut so weh. Warum tust du das? Sie suchen nach einer Antwort.
Wir wollen dich als den gekreuzigten und auferstandenen Herrn anrufen. Wir bitten dich, dass du an unsere Seite trittst und dich erleben lässt, gerade von denen, die im bitteren Leid sitzen.
Wir bitten dich, dass wir manche Antwort bekommen. Vor allem bitten wir aber, dass du bei uns bleibst, auch bei den offenen Fragen des Lebens.
Wir bitten dich, sei der gute Hirte, der mit uns geht. Gib uns erleuchtete Augen, dass wir dich sehen, wo du in unserem Leben bist. Gib uns neuen Mut und neue Kraft, den Weg unseres Lebens zu gehen – ganz egal, mit welchen Schwierigkeiten und Problemen wir zu kämpfen haben.
Du guter Gott, danke an diesem Mittag, dass du da bist. Danke, dass du alle Tage da bist bis an das Weltende. Amen.
