Einführung in das Johannesevangelium und die bevorstehende Episode
Gott wird Mensch: Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter, Weg, Wahrheit und Leben ist.
Episode dreiundachtzig: Wasser wird zu Wein.
Wir sind nun an dem Punkt angekommen, an dem wir für einige Episoden strikt dem Johannesevangelium folgen werden. Bis jetzt war Jesus noch nicht groß in Erscheinung getreten. Er hatte einige wenige Nachfolger, doch bisher lesen wir nichts von einem Predigtdienst und auch nichts von Zeichen und Wundern. Heute wird sich das ändern.
Das erste Wunder Jesu bei der Hochzeit zu Kana
Am dritten Tag fand in Kana in Galiläa eine Hochzeit statt. Die Mutter Jesu war ebenfalls dort. Jesus und seine Jünger waren zu dieser Hochzeit eingeladen.
Als der Wein ausging, sagte die Mutter Jesu zu ihm: „Sie haben keinen Wein mehr.“ Jesus antwortete ihr: „Was habe ich mit dir zu tun, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Seine Mutter sagte zu den Dienern: „Was er euch sagt, das tut!“
Es standen sechs steinerne Wasserkrüge dort, die nach der Reinigungssitte der Juden bereitgestellt waren. Jeder Krug fasste zwei oder drei Maß. Jesus sagte zu ihnen: „Füllt die Wasserkrüge mit Wasser!“ Sie füllten sie bis oben hin.
Dann forderte er sie auf: „Schöpft nun und bringt es dem Speisemeister!“ Sie brachten das Wasser. Als der Speisemeister das Wasser kostete, das zu Wein geworden war, wusste er nicht, woher es kam. Die Diener, die das Wasser geschöpft hatten, wussten es jedoch.
Daraufhin rief der Speisemeister den Bräutigam und sagte zu ihm: „Jeder Mensch bringt zuerst den guten Wein heraus. Wenn die Gäste betrunken sind, dann den geringeren. Du hast den guten Wein bis jetzt aufgehoben.“
Dies war das erste Zeichen, das Jesus in Kana in Galiläa tat. Dabei offenbarte er seine Herrlichkeit, und seine Jünger glaubten an ihn.
Danach ging er mit seiner Mutter, seinen Brüdern und seinen Jüngern nach Kapernaum. Dort blieben sie nicht viele Tage.
Die Bedeutung und Umstände des ersten Zeichens
Das ist also das erste Zeichen, das Jesus tut – ein Zeichen inkognito, hinter den Kulissen. Sechs steinerne Wasserkrüge mit einem Gesamtvolumen von ungefähr sechshundert Litern werden mit Wasser bis oben angefüllt. Und eben noch voll Wasser sind sie plötzlich voll Wein.
Und nicht irgendein Wein, sondern so guter Stoff, dass der Speisemeister meint, ein ernstes Wort mit dem Bräutigam reden zu müssen. Denn, wie jedermann weiß, serviert man zuerst den guten Wein. Im Verlauf der Hochzeitsfeier, so heißt es, „wenn die Gäste betrunken geworden sind, dann kommt der billige Wein auf den Tisch.“
Die ganze Aktion findet in Kana statt, etwa zwei Stunden zu Fuß von Nazareth im Hügelland von Galiläa. Wenn man sieht, wie vertraut Maria mit den Abläufen ist, dass sie den Dienern Befehle geben kann und sich für das Problem verantwortlich fühlt, dann scheint es sich bei der Hochzeit selbst um einen Verwandten oder mindestens um einen guten Bekannten der Familie gehandelt zu haben.
Die Frage nach Jesu Antwort an seine Mutter
Bevor wir uns noch etwas näher mit dem Zeichen beschäftigen, gibt es meist eine Frage zu dem Text: Wie kann Jesus so unhöflich zu seiner Mutter sein? Soll man seine Eltern nicht ehren?
Maria macht ihren Erstgeborenen auf das Problem mit dem Wein aufmerksam, und er antwortet: „Was habe ich mit dir zu schaffen, Frau? Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“ Das klingt irgendwie nicht sehr nett, oder? Hat Jesus seine Mutter nicht lieb?
Wie sehr er sie liebt, merken wir ganz am Ende des Evangeliums. Dort sorgt er, während er am Kreuz hängt, dafür, dass Johannes sich um seine Mutter Maria kümmert. Und doch spürt man in dieser Szene deutlich einen gewissen Unwillen.
Im Johannesevangelium wollen sowohl Maria als auch die Halbbrüder Jesu ihn dazu bewegen, sich mehr Popularität zu verschaffen. Jesus lehnt das beide Male ab. Er will nicht populär sein, sondern das tun, was er von Gott sieht. Deshalb sagt er: „Meine Stunde ist noch nicht gekommen.“
Die Zurückhaltung Jesu und das stille Wunder
Ja, er wird helfen, ja, er wird die Hochzeit retten – aber es geschieht fast im Geheimen.
Bis auf die Diener, die auf Jesu Befehl hin die Wasserkrüge mit Wasser gefüllt haben, und bis auf seine Mutter, die genug Vertrauen in ihren Sohn hat, um den Dienern zu befehlen: „Was er euch sagen mag, tut“, weiß zunächst niemand, was gerade passiert ist.
Ich kann mir gut vorstellen, dass etwas später auch die Jünger und noch ein paar andere Hochzeitsgäste davon Wind bekommen haben. Immerhin heißt es am Ende rückblickend, dass er seine Herrlichkeit offenbarte und seine Jünger an ihn glaubten.
Und doch wird klar: Jesus möchte nicht im Rampenlicht stehen. Er sucht nicht möglichst viele Anhänger. Seine Zeit ist noch nicht gekommen. Er lässt sich von niemandem drängen, auch nicht von seiner Mutter.
Und dennoch tut Jesus ein Zeichen – sein erstes Zeichen – und es ist außergewöhnlich. Sechshundert Liter besten Wein, achthundert Flaschen, Gesamtwert zwanzigtausend Euro. Unglaubliche Qualität und total unnötig. Die Gäste wären mit viel weniger zufrieden gewesen.
Die Offenbarung von Gottes Charakter durch das Wunder
Warum offenbart Jesus seine Herrlichkeit, also sein einzigartiges Wesen, sein Gottsein im Fleisch, durch viel zu viel, viel zu guten Wein? Die Antwort hat natürlich etwas mit Gottes Charakter zu tun. Wer ist Gott, und wie denke ich über Gott?
Immer dann, wenn Gott in der Bibel etwas tut, das erstaunt und nicht in unser Bild passt, muss ich innehalten – wirklich innehalten. Es sind diese Momente, in denen Gott mein Denken, meine Erwartungen und vielleicht auch meinen Sinn für das, was angemessen wäre, sprengt. In diesen Augenblicken offenbart er mir sein Wesen.
Es ist wirklich wichtig, dass unser Bild von Gott auch wirklich Gott entspricht. Es gehört zu den schlimmen Fehlern einer Beziehung mit Gott, wenn wir anfangen, uns Gott nach unseren Vorstellungen zu denken, statt uns von der Offenbarung seiner Herrlichkeit überraschen zu lassen. Gott ist nicht so, wie wir ihn gern hätten, sondern er ist so, wie er ist.
Wir können ihn nicht ändern oder uns nach unserem Willen hinbiegen, denn Gott bleibt er selbst, egal was wir über ihn denken. Unser falsches Denken über Gott wird immer nur uns selbst schaden.
Die symbolische Bedeutung des Weins und Gottes Wunsch nach unserer Freude
Und deshalb zurück zum ersten Zeichen: Wofür steht Wein in der Bibel? Wein wird dort positiv als Genussmittel dargestellt, das Freude, Feiern und Fröhlichkeit symbolisiert.
In Psalm 104,15 heißt es: „Und Wein, der das Menschenherz erfreut.“ Ebenso lesen wir in Prediger 10,19: „Um zu lachen bereitet man ein Mahl, und Wein erheitert das Leben.“
Meine Frage war, warum Jesus seine Herrlichkeit offenbart, sein einzigartiges Wesen, sein Gottsein im Fleisch, gerade durch viel zu viel, durch sehr guten Wein. Die Antwort lautet etwa so: Weil wir, wenn es um Gott geht, vor allem eine Sache verstehen müssen: Er will unsere Freude.
Gott ist ein Gott, der meine Freude will – und er will davon viel zu viel für mich. Mehr, als ich vertragen und verstehen kann. Das ist Gott.
Die Herausforderung des Glaubens und die Einladung zur Freude
Und jetzt merken wir sofort, dass wir uns entscheiden müssen. Glaube ich an einen Gott, der Wasser in Wein verwandelt? Der aus Mangel Überfluss macht und aus Hoffnungslosigkeit Freude schaffen will? Glaube ich das, egal wohin Gott mich führt, egal was er von mir verlangt, egal was mich Nachfolge gerade kostet oder wie ich mich gerade fühle?
Mich fasziniert diese kleine Geschichte aus den Anfangstagen von Jesus wirklich, weil sie mich mit der Idee konfrontiert, dass Gott kein Knauserer ist, sondern ganz im Gegenteil. Er sieht meine Nöte und will mich mit mehr Freude beschenken, als ich mir jemals vorstellen kann.
Bei Gott gibt es Überfluss an Freude, er kann nicht anders. Wenn es darum geht, die zu beschenken, die ihm wichtig sind, dann gibt es bei ihm nur Überfluss.
Abschluss und Anregung zur persönlichen Reflexion
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir die Frage stellen, wie du Gott siehst. Vielleicht ist er für dich doch ein Knauserer.
Das war es für heute. Die zwei Minuten Stille am Ende jeder Episode sind übrigens bewusst eingebaut. Sie sollen dir Zeit zum Nachdenken geben.
Der Herr segne dich, lasse dich seine Gnade erfahren und lebe in seinem Frieden. Amen.
