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04.08.1985Johannes 8,12
Wie eine Pflanze ist auch der Mensch eine Lichtgeburt. Erst im Licht beginnt der Mensch zu leben. Gottes Licht leuchtet über den Mensch auf, es leuchtet durch und es leuchtet heim. - Jugendgottesdienst auf dem Jusi-Treffen der Apis/Ev. Gemeinschaftsverband Württemberg (Freiluftveranstaltung in Kohlberg bei Metzingen)

Der Text für diesen Morgen ist kurz. Er steht im Johannesevangelium im 8. Kapitel im 12. Vers:

Jesus Christus spricht zu Thomas: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben.

Ich könnte jetzt noch andere "Ich bin"-Worte lesen. Aber was uns an diesem Morgen beschäftigen soll und will ist jenes andere. Und zuerst an diesem Tag - die anderen am Nachmittag -: "Ich bin das Licht der Welt. Ich bin das Licht der Welt."

Liebe Freunde, dass ich kein Biologe bin, ist unbestritten. Ich besuchte eine vornehme Dame in Stuttgart. In Stuttgart wohnen nur vornehme Leute. Und nach einem Museumsbesuch ihrer Wohnung - alles erinnerte mich an den Pariser Flohmarkt - ließ ich auch noch einen Pflanzenkurs in ihrem Garten über mich ergehen. Und weil ich nicht bei allem so ein "Ah" und "Oh" wie ein Esel ausstoßen wollte, aber umgekehrt mich auch nicht als Gartenmuffel blamieren wollte, deutete ich auf ein grünes Bet und sagte: "Oh, beautiful, herrlich, wie das schon duftet! Meine Lieblingspflanze!" Und dann schaute sie mich erstarrt an und sagte: "Ach, Herr Pfarrer, das ist doch geschossener Endiviensalat".

Dass ich kein Biologe bin, ist unbestritten, und trotzdem ist mir etwas aus der Naturkunde geblieben. Man nehme z.B. eine Pflanze. Nehmen wir eine Amaryllis, eine Azalee oder Aster. Und dann pflanzen wir sie in die beste Erde, die wir haben, Humuserde, Komposterde, Walderde. Und dann tun wir alles in den schönsten Topf, den wir haben, Keramik oder Meissner Porzellan. Und dann gießen wir es mit dem weichesten Wasser, das wir haben, Regenwasser oder Waschwasser. Und dann düngen wir es mit dem besten Dünger, den wir bekommen können, mit Salz, mit Mairol oder mit Odol. Und dann geben wir alles, was die Pflanze brauchen könnte. Und dann stellen wir es in den Keller und machen das Licht aus. Und schon nach kurzer Zeit beginnt die Pflanze zu welken.

Nun kann ich mich selbstverständlich vor dieser Pflanze aufpflanzen und ihr eine Gardinenpredigt halten. "Liebes Pflänzchen, nun hast du das beste Regenwasser. Nun hast du einen Topf. Nun hast du alles, was dein Herz begehrt. So geht das ja nun auch wieder nicht. Nun wachs mal schön!" Aber die Pflanze denkt nicht daran. Der Trübling denkt nicht daran, auch nur einen Zentimeter zu schieben. Er wird noch welker und stirbt ab.

Ich muss die Pflanze schon aus dem Keller holen. Ich muss sie schon in der Sonne platzieren. Ich muss sie schon ins Licht stellen. Erst im Licht beginnt die Pflanze zu wachsen. Erst im Licht beginnt die Pflanze zu treiben. Erst im Licht beginnt die Pflanze zu leben. Die Pflanze, sie ist eine Lichtgeburt.

Jede natürliche Pflanze ist eine Lichtgeburt - und jedes menschliche Pflänzchen auch. Wenn ich so das hier vor mir sehe auf der Wiese, dann ist das doch eine herrliche Blütenwiese: Hier vorne die schönen Rosen, hinten die blauen Veilchen und hier die richtigen Tulpen. Doch, jeder ist ein richtiges Plänzchen. Und nun könnten wir es auch so machen. Nun besorge sich jeder das, was er sich eigentlich von Herzen wünscht. Man besorge sich den schnellsten Wagen, einen BMW oder einen Porsche oder einen R4, und dann lächle man sich die netteste Freundin an oder einen Freund, einen Aufsteiger, Umsteiger oder einen Aussteiger, und dann gehen man auf die besten und größten Reisen, Hitchhiking, Travelling oder wo auch sonst hin, und dann esse man die schönsten Menüs, Gulasch mit Elefanteneinlage. Man nehme alles, was diese Erde zu bieten hat und dann stelle man sich in diese Welt und mache das Glaubenslicht aus. Und schon nach kurzer Zeit wird dieses Leben welken.

Nun könnte ich jedem eine Gardinenpredigt halten und Rost heruntertun, aber das nützt nichts. Man muss heraus aus der Dunkelheit. Man muss hinein in die Helligkeit. Erst im Licht beginnt der Mensch zu treiben. Erst im Licht beginnt der Mensch zu leben. Jeder Mensch ist eine Lichtgeburt.

Das ist mir aufgegangen und das muss ihnen auch aufgehen, wenn Ihnen ein Licht aufgehen will über diesem einen Wort Jesu Christi: "Ich bin das Licht der Welt".

Ein Dreifaches. Zum Ersten:

1. Dieses Licht leuchtet auf - so wie ein Flutlicht.

In Jerusalem hockten sie zusammen, ein paar Männer, geschlagen, kaputt, am Ende. Hinter ihnen lag die babylonische Gefangenschaft, eine schreckliche Zeit. Neben ihnen das zerstörte Jerusalem und vor ihnen eine ungewisse Zukunft. Sie wussten nicht, was auf sie zukommt. Und in diesem Augenblick, in dieser trüben Runde, stand plötzlich einer auf. Einer, der an seinen Kleidern erkenntlich war, nicht als irgendeiner, sondern als ein gewisser. Er war ein Gottesmann, ein Prediger, ein Prophet. Und der sagte: "Finsternis bedeckt das Erdreich". Und alle nicken: "Genauso ist es". Der checkt's, der weiß wenigstens, wo es lang geht. Doch Finsternis ist es." Und dann fuhr er fort: "Und Dunkel bedeckt die Völker". Und die nickten wieder. "Doch, genauso ist es, so haben wir es erlebt. Dunkel ist in dieser Welt." Und dann fuhr dieser Prediger fort: "Aber über dir geht auf das Licht, über dir geht auf die Herrlichkeit des Herrn." Und die rissen ungläubig ihre Augen auf und die schüttelten mit ihren Köpfen: "Ist das denn die Möglichkeit, Helle statt Dunkelheit? Ist das die Möglichkeit? Ist denn der noch helle in der Kapelle? Es sieht doch anders aus hier in unserer Welt." Aber er blieb bei seinem seinem Satz.

Und er hat Recht behalten. Im Jahre Null hat Gott dieses Licht gezündet, weil ihm unser Elend sein Vaterherz entzündete. Er konnte es nicht länger mit ansehen, wie Menschen sich in der Dunkelheit die Köpfe einrennen und einschlagen. Ihm zerriss das Herz über der Tatsache, dass in der Nacht junge Menschen eingehen wie die Primel. Dieser Gott, "da jammert Gott in Ewigkeit mein Elend übermaßen", und er wollte das Beste für uns und er gab sein Bestes. In Bethlehem ist sein Sohn geboren und unsere Väter haben gesungen:

"Das ewig Licht geht da herein,
gibt der Welt ein neuen Schein"
.

Und dieses Licht, es leuchtete. Es sah noch einmal ganz anders aus am Karfreitag, als es nachmittags um drei Uhr stockdunkel wurde. Aber am Ostermorgen zerriss dieses Licht alle Finsternis. Seither wissen wir: Jesus Christus ist dieses Licht.

Er ist kein Rücklicht, der nur die Vergangenheit erhellt. Er ist kein Stopplicht, der uns interessante Wege verbauen will. Er ist kein Irrlicht, der ein paar Jünger an der Nase herumführen will. Er ist kein Kerzenlicht, das Fliegen anzieht und verbrennt. Jesus Christus ist Flutlicht, vor dem die Schatten fliehen. Im Dunkel der Weltgeschichte ist das Licht der Welt aufgegangen. Jesus ist Licht, Sonne, Tag, Helle, Hoffnung.

Und dieses Licht ist seither nicht verblasst. Es leuchtet heute. Es scheint jetzt. Es will dir deinen Weg hell machen.

So etwa wie dem Paul Gerhardt, diesem größten Liederdichter in unserem Gesangbuch. Er lebte im 30-jährigen Krieg, in dem es ganz schwarz ausgesehen hat. Der große Kurfürst kickte ihn noch aus dem Amt. Und in Lübben in einer Diakonenstelle kam er mit ganz kleinem Gehalt nur schmählich durch. Und in dieser seiner Lebenslage, was sang er, was dichtete er?

"Die Sonne, die mir lachet
ist mein Herr Jesus Christ.
Das, was mich singen machet,
ist, was im Himmel ist."

Und wenn dein Weg auch dunkler wird und wenn du auch nicht weißt, wie das alles weitergehen soll und wenn dein Gehalt auch so klein ist, dass du nicht siehst, wie das eigentlich noch in deinem Leben weitergeht, ob du ihm nicht nachsingen solltest:

"Die Sonne, die mir lachet,
ist mein Herr Jesus Christ.
Das, was mich singen macht,
ist, was im Himmel ist."

Dieses Licht will dir's hell machen und dieses Licht will dir's warm machen.

So etwa wie dem Philipp Friedrich Hiller, diesem schwäbischen Paul Gerhardt. Droben auf der Ostalb, dort saß er doch. Bei ihm ist es kalt geworden. Auf der Flucht vor den Franzosen gelangte er auf die Ostalb. Und dann bekam er eine Krankheit. Er konnte überhaupt nicht mehr reden, geschweige denn singen. Und dann erlebte er den Undank der Welt. Seine eigenen Kirchengemeinderäte gingen zum Dekan nach Heidenheim und wollten ihn weg haben. Und in dieser dunkelsten Stunde seines Lebens, da schrieb er und sang in sich hinein:

"Die Sonne der Gerechtigkeit
will allen Gnade geben."

Und wenn du's auch mit Krankheit zu tun hast, und wenn du auch den Undank dieser Welt spürst, selbst den Undank von den eigenen Kindern, ob du nicht trotzdem singen solltest:

"Die Sonne der Gerechtigkeit
will allen Gnade geben."

Gnade macht's auch im Dunkel hell.

Und dieses Licht will's bei dir klar machen, so etwa wie bei einem Dietrich Bonhoeffer. In der Wirrnis dieses Reiches kam er von London zurück nach Deutschland. Und dann wurde eingesperrt. Und dann in Flossenbürg, kurz vor seinem Tode, dort schrieb er's: "Die Sonne, das Licht scheint mitten in der Nacht". Und wenn es bei dir auch stockfinster wird und wenn du selbst sogar vor dem Tode stehst und Angst hast vor dem letzten Gehen, ob du es ihm nicht nachsprechen müsstest: "Das Licht scheint mitten in der Nacht".

Doch dieses Licht will's hell, dieses Licht will's warm und dieses Licht will klar machen. Sein Licht leuchtet auf. Das ist das eine.

Und das andere:

2. Dieses Licht leuchtet durch - so wie ein Röntgenlicht.

Bis vor wenigen Jahren hatte jeder Bundesbürger noch aufs Gesundheitsamt zu gehen, um dort die Reihen-Röntgenuntersuchung erleiden zu müssen. Es gab dann immer wieder solche, die kamen nicht. Man schickte ihnen eine Einladung, eine zweite Einladung, aber ganz bestimmte Bürger erschienen nicht auf der Bildfläche geschweige denn auf dem Bildschirm. Warum eigentlich? Es tat nicht weh. Es kostete nichts. Es gab überhaupt keine Komplikationen. Warum sind sie eigentlich nicht erschienen? Ganz einfach deshalb, weil sie Angst hatten, man könnte einen Schatten auf ihrer Lunge feststellen, einfach weil sie Angst hatten, man könnte einen Schatten in ihrem Leben entdecken. Sie wollen nicht sehen lassen, wie es innen aussieht. So ist es. Man will nicht sehen lassen, wie es innen aussieht.

Und so ist es auch beim Gotteslicht. Und deshalb haut man ab. Und deshalb geht man von seinem Angesicht. Und deshalb flieht man bis ans Ende der Meere. Aber nehmen wir selbst Perry Rhodans Enterprise und schipperten durch den Weltraum. "Nähme ich Flügel der Morgenröte, so wird er mich doch erreichen".

Diesem Licht weicht keiner aus. Diesem Gott haut keiner ab. Diesem Gott läuft keiner aus den Fingern. Sein Licht leuchtet durch und stellt nicht nur einen Schatten auf unserer Lunge, sondern einen Schatten in unserem Herzen fest. Dieses Licht diagnostiert die Schuld in unserem Leben. Schuld ist die Last. Schuld ist das Dunkel. Schuld wischen wir nicht weg. Wir können diskutieren. Wir können disputieren. Wir können sagen, die gibt's gar nicht. Wir können sie reinwaschen wollen und mit unserer weißen Weste angeben. Dieses Schuld wäscht keiner rein. Sie ist so schwarz wie Kohle in unserem Leben. Schuld ist die Last deines Lebens.

Aber: Kohle verändert sich unter der Hitze des Feuers. Und Schuld verändert sich unter der Hitze des Lichtes. Das ist die einzige Möglichkeit, die Schuld aus unserem Leben loszukriegen, nämlich in dieses Licht zu treten, in dieses Licht zu gehen.

Und so rate ich und so meine ich, wir müssten morgens wieder anfangen. Morgens, bevor wir Zeitung lesen und bevor wir das Radio anmachen, uns unter dieses Licht zu begeben, einfach Stille Zeit zu halten mit dem Worte Gottes. Wir sollten es anfangen, nicht nur beim Jusi-Fest zum Gottesdienst zu gehen, sondern auch sonst wieder. Und wir sollten sonst einen Kreis haben, nicht wo nur Spiele gespielt, nicht nur wo irgend gelacht und gesungen, sondern dort, wo miteinander dieses Wort gelesen wird.

Denn wenn wir dieses Wort aufschlagen, wenn wir uns diesem Licht aussetzen, dann brennen wir schuldmäßig ab und wir leuchten glaubensmäßig auf. Es gibt nur dies eine:

"Suche Jesum und sein Licht.
Alles, alles, alles andere hilft dir nicht."

Dieses Licht leuchtet durch, so wie ein Röngenlicht.

Und das Dritte und Letzte.

3. Dieses Licht leuchtet heim - so wie ein Positionslicht.

Vor Jahren fuhr ich einmal mit einem großen Schiff quer über den Atlantik. Und nach einigen Tagen des Sturmes und Regens konnte ich nachts nicht mehr schlafen. Ich stand auf in meiner Kajüte und ging auf Deck. Es regnete und stürmte, es war kalt. Und dann sah ich es plötzlich vorne über das Wasser tippen - ein Licht. Es war das Leuchtfeuer in der Wesermündung. Und in regelmäßigen Abständen tippte dieses Licht auf den Wellen. Und ich wusste doch in diesem Augenblick: Dieses Schiff hat Kurs auf den Heimathafen. Jetzt ist es nicht mehr lange, bis dies alles vorüber ist. Bald ist man im Ziel. Und mir fiel jenes Wort des Franzosen Blaise Pascal ein, der gesagt hat, dass es herrlich sei, auf einem Schiff zu fahren, das zwar von Stürmen geschüttelt werde, von dem man aber wisse, dass es im Heimathafen ankomme.

Liebe Freunde, es kommt der Tag, an dem alle Finsternis weichen wird. Es kommt die Stunde, an dem alles Dunkel gehen muss. Es kommt der Augenblick, in dem alles in den gleißenden Schein seiner Herrlichkeit getaucht ist. Es wird nicht ewig gelitten werden. Es wird nicht ewig Schmerzen getragen werden. Es wird nicht ewig gestorben werden. Aber es wird ewig gelobt und geliebt und geehrt werden.

"Das wird allein
Herrlichkeit sein,
wenn frei von Weh
ich dein Angesicht seh."

Wir sind auf diesem Weg. Dieses Licht zeigt uns den Kurs und wir sind auf gutem Kurs. Doch, es dauert nicht so lange, bis dieser Herr uns heimholen wird. Jesu Licht will dir heimleuchten. Doch, Jesu Licht will dir heimleuchten. Dieses Licht leuchtet auf. Es leuchtet durch und es leuchtet heim.

Gott sei Dank haben wir nicht im Dunkeln zu munkeln. Jesus Christus spricht: "Ich bin das Licht der Welt".

Amen.