Die Herausforderung des Widerspruchs und die Kraft zur Ermutigung
Heißt es: Betrachtet wohl den, der so großes Widersprechen von Sündern gegen sich erduldet hat, damit er nicht ermüdet und in euren Seelen ermattet.
Betrachtet ihn also so, wie er erduldet hat. Betrachtet das große Widersprechen und die vielen Sünder, die gegen ihn waren. Viele Gegner standen ihm gegenüber. Genau das erlebten auch die Hebräer-Christen: viele Gegner und viele Menschen, die sie nicht verstanden.
Es ist schwer, Widerspruch erdulden zu müssen. Noch schwerer ist es, wenn der Widerspruch von denen kommt, die man liebt und die einen nicht verstehen. Es ist schwer, wenn sie nicht begreifen, dass man gerade für sie leidet. Der Herr Jesus hat für seine Feinde gelitten.
Nun verlangt der Herr nichts Unmögliches. Er sagt hier: damit ihr nicht ermüdet und in euren Seelen ermattet. Der Herr wird auch zur rechten Zeit Kräftigung und Erfrischung geben.
Was jetzt aber wichtig ist für jene Christen, ist: Sie müssen verstehen, dass das, was sie zu erdulden haben, zur Erziehung dient. Das Wort, das bei uns oft mit Züchtigung übersetzt wird, stammt eigentlich von dem griechischen Wort Paideia. Das bedeutet Pädagogik, also Erziehung.
Die Bedeutung der göttlichen Züchtigung als Erziehung
Kapitel 4, Vers 12
Im Kampf gegen die Sünde habt ihr noch nicht bis aufs Blut Widerstand geleistet. Ihr habt ganz vergessen, welchen Aufruf er an euch richtet, wenn er zu euch als zu Söhnen spricht: „Mein Sohn, achte nicht gering die Züchtigung des Herrn, ermatte auch nicht, wenn du von ihm zurechtgewiesen wirst. Denn wen der Herr liebt, den züchtigt er, und er geißelt jeden Sohn, den er aufnimmt.“
Dieses Zitat stammt aus den Sprüchen. Er sagt zuerst in Vers 4 als Ermutigung: Es könnte viel schlimmer sein, es könnte viel schlimmer kommen – und tatsächlich kam es schlimmer. Die Christenverfolgung war im Jahr 63, als dieser Brief geschrieben wurde, oder etwa um 63, noch nicht ausgebrochen.
Die Christenverfolgung begann in der zweiten Hälfte des Jahres 64 und dauerte dann, ich weiß nicht genau wie lange, vielleicht ein oder zwei Jahre. Diese große Christenverfolgung unter Kaiser Nero wurde von den Juden gegen die Christen genutzt. Zu diesem Zeitpunkt wart ihr noch nicht getötet worden, ihr habt noch nicht den Märtyrertod erleiden müssen. Auch waren in eurer Mitte noch keine Märtyrer gefallen – weder links noch rechts. Nein, so weit war es noch nicht.
Die Sünde, von der hier die Rede ist, ist erneut die Sünde des Abfalls. Das haben wir schon mehrmals in diesem Brief bemerkt. Wenn er von der Sünde spricht, denkt er an eine konkrete Sünde: das Zurückgehen zum Judentum. Im Ringen mit dieser Sünde habt ihr noch nicht bis aufs Blut widerstehen müssen.
Die Ermahnung zur Wertschätzung der göttlichen Züchtigung
Vers 5
Ihr habt ganz vergessen – jetzt folgt ein Hinweis, eigentlich eine Ermahnung oder ein Tadel. Ihr habt völlig vergessen, den Aufruf in dieser Schriftstelle aus Sprüche 3,11-12. Was habt ihr da vergessen? Gott spricht zu euch in Vers 5, und ihr habt den Aufruf, den er zu euch spricht, ganz übersehen. Nicht den, den er früher gesprochen hat, sondern den, den er jetzt spricht. Denn das Wort Gottes ist immer lebendig und aktuell.
Gott spricht in der Bibel ständig. Wir müssen nicht beten: „Herr, sprich heute neu!“ – das braucht er nicht, denn er spricht ohnehin. Was Gott einmal gesprochen hat, spricht er auch weiterhin. Wenn wir die Bibel lesen, hören wir sein Sprechen, und das ist frisch, nicht veraltet.
Natürlich achten wir auf den Zusammenhang, das tun wir auch. Dann schauen wir, was wir anwenden können und müssen. Diese Schriftstelle zeigt, welche Haltung wir gegenüber der Züchtigung Gottes einnehmen sollen. Wir sollen sie nicht gering achten und auch nicht den Mut verlieren.
Es gilt also, die Züchtigung oder Erziehung Gottes als wertvolle Erfahrung zu schätzen – als eine Lektion, die ich bewusst annehmen muss. Ich weiß, wie schwer das ist. Zwar muss ich nicht viel leiden, ich sehe das als Geschenk. In vielerlei Hinsicht muss ich kaum leiden, aber es gibt manchmal Dinge, die tief schmerzen.
Dann muss man lernen, das hinzunehmen, innerlich „Ja“ zu sagen und nicht dagegen zu rebellieren. Es geht darum, die Züchtigung zu schätzen: „Ja, Herr, ich weiß, das ist eine Züchtigung für mich, eine Erziehung, und ich sage jetzt Ja dazu.“
Manche Menschen werden bitter gegenüber Gott, zynisch oder giftig. Das sollen wir nicht sein, diese Christen nicht, und auch wir nicht. Wir sollen alle Widrigkeiten in unserem Leben bewusst annehmen.
Wenn etwas nicht so läuft, wie ich es mir vorstelle, oder wenn mein Ehepartner sich nicht so verhält, wie ich es mir wünschen würde, muss ich bewusst „Ja“ dazu sagen und loslassen. Es gibt Menschen, die wollen andere nicht loslassen, sie wollen sie krampfhaft verändern und verzweifeln daran. Das funktioniert nicht.
In der Ehe kann man den Partner sowieso nicht erziehen. Erziehen tut man die Kinder, nicht den Ehepartner. Den Ehepartner liebt man, ordnet sich unter und liebt ihn. Als Mann liebt man seine Frau und gibt sich hin, wie Christus sich für die Gemeinde hingegeben hat – man hält den Kopf hin. Wenn du der Kopf bist, dann halte deinen Kopf hin.
„Nicht den Mut verlieren“ heißt es hier. Ermüde nicht, wenn du von Gott zurechtgewiesen wirst. Lass es dir nicht zu viel werden. Manchmal meint man, es sei zu viel, aber es ist nicht zu viel. Der Herr möchte sich verherrlichen und zeigen, dass er die Kraft gibt.
Die Liebe Gottes als Grundlage der Züchtigung
Vers 6: Die Begründung für Gottes Züchtigung beachten. Was ist die Begründung? Hier kommt sie: Denn wen der Herr liebt, den erzieht er. Also aus Liebe. Gott erzieht seine Kinder, weil er jedes seiner Kinder liebt und weil er weiß, was jedes von ihnen braucht. Das ist ganz wichtig.
Würde der Vater seine Kinder nicht erziehen, würden die Kinder zu Taugenichtsen werden. Und jetzt erzieht er uns – daraus entsteht eine wertvolle Frucht. Eine Gesellschaft, in der die Väter ihre Kinder nicht mehr züchtigen dürfen, wird zerbrechen.
Züchtigung bedeutet übrigens Gespräch und manchmal auch Rute. Manchmal spürt man etwas, manchmal muss man etwas spüren.
Thomas, in diesem Vers klingt es so, als würde der Herr nur ausgewählte Menschen lieben. Ist das so gemeint?
Wen der Herr liebt, ja, es sind ausgewählte Menschen, nämlich genau diejenigen, die seine Kinder sind. Das sind die Ausgewählten.
Die Fremden, die nicht seine Kinder sind, würde er gerne als seine Kinder haben. Aber weil sie nicht seine Kinder sein wollen, kann er ihnen nicht jene Liebe entgegenbringen, die er ihnen gerne geben würde. Sie sind in diesem Fall ausgeschlossen aus der Familie Gottes.
Aber jedes seiner Kinder in seiner Familie wird wirklich geliebt.
Wenn ihr Züchtigung erduldet, behandelt Gott euch wie Söhne. Denn wer ist der Sohn, den der Vater nicht in Zucht nimmt?
Seid ihr aber ohne Züchtigung, wie es bei allen Mittelhabenden der Fall ist, dann seid ihr unehelich und nicht Söhne.
Hier kommt die Erläuterung: Züchtigung ist ein Zeichen von Sohnschaft.
Ich züchte meine Kinder. Wenn es zwei Kinder gibt, die ungehorsam sind, erziehe ich nur meinen Sohn. Den Sohn der Nachbarin erziehe ich nicht. Das ist ein Zeichen von Sohnschaft.
Die Unterordnung unter die Züchtigung als Weg zum Leben
Und Unterordnung unter die Züchtigung bringt Leben.
Vers 9: So hatten wir Väter unseres Fleisches, die uns züchtigten, und wir erwiesen ihnen Achtung, also Respekt. Werden wir nicht vielmehr dem Vater der Geister untergeordnet sein und leben?
Wenn wir also schon dem irdischen Vater Respekt erweisen, obwohl irdische Väter auch Fehler machen können, sollten wir umso mehr den himmlischen Vater respektieren. Wenn wir uns seiner Züchtigung unterordnen, das heißt, wenn wir ein Ja zur Züchtigung haben, dann wird die Frucht Leben sein. Wir werden leben!
Wer die Kinder in rechter Weise züchtigt, wird sich Respekt erwerben. Man wird sie nicht anbrüllen oder ihnen ins Gesicht schlagen, aber man wird sie züchtigen und erziehen – in der Liebe. Das Kind wird merken, dass der Vater dies aus Liebe tut, sonst wäre es falsch.
Ich habe hier notiert: Kein guter Vater wird sein Kind in eine besondere Schule oder Ausbildung schicken, um ihm das Leben so sauer wie möglich zu machen. Der Vater schickt das Kind nicht in die Schule oder Ausbildung, damit es dem Kind schlecht geht. Stattdessen überlegt der Vater sich genau, was er tut. Er will, dass etwas Gutes aus seinem Kind wird.
Deshalb möchte er die Fähigkeiten dieses Kindes entwickeln. Er will, dass es ihm später im Leben gut geht, dass es kein Taugenichts wird, dass es das Leben besser genießen kann und fruchtbar für die Gesellschaft wird. Vor allem soll es fruchtbar für den Herrn sein, damit er Freude haben kann.
Dazu ist die Erziehung des Vaters da – auch im Geistlichen. Der himmlische Vater erzieht uns, damit wir ein gutes, schönes Leben genießen dürfen. Ein Leben in der Abhängigkeit von Gott. Gott will Leben; er will nicht Tod und auch nicht, dass das Leben sauer wird.
Der Zweck der Züchtigung: Heiligung und ewiges Leben
Vers 10
Der Zweck der Züchtigung ist Heiligung. Jene Menschen züchtigen uns zwar für wenige Tage nach ihrem Gutdünken, doch Gott züchtigt uns zum Nutzen, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden.
Was die Väter tun, ist nicht immer zum Nutzen; es gibt auch schlechte Väter. Aber was Gott tut, ist immer zum Nutzen, er hat immer Gewinn. Was Gott auf uns zukommen lässt, bringt immer einen geistlichen Gewinn für uns, wenn wir die Züchtigung nur akzeptieren und annehmen.
Wenn man die Züchtigung nicht annimmt, dann bewirkt sie nichts – auch bei unseren Kindern ist das so. Wenn Kinder sich entschieden haben, die Züchtigung nicht zu akzeptieren, wird sie keine Frucht in ihnen hervorbringen. Es gibt solche Kinder. Dabei ist natürlich schon etwas Negatives vorausgegangen, dass die Kinder überhaupt so geworden sind. Da sind schon Fehler vorher gemacht worden.
Also ist alles, was Gott uns bringt und auf uns zukommen lässt, zum Nutzen. Der Kleine denkt sich vielleicht: „Oh, jetzt muss ich in die Schule, lernen, auswendig lernen und so weiter.“ Aber wenn er dann als 18-Jähriger auf sein Leben zurückschaut, ist er dankbar, dass er die Schule durchlaufen hat. Jetzt will er Pilot werden oder einen anderen wertvollen Beruf ergreifen.
Auch geistlich gesehen schickt uns der himmlische Vater in die erste Klasse, dann gibt es Aufgaben, und danach die nächste Klasse. Sein Ziel und seine Perspektive ist, dass wir reife Männer und Frauen in Christus werden. Diese Perspektive ist noch viel größer: Wir sollen für die Ewigkeit zugerüstet werden.
Gott hat nicht nur diese Welt im Auge, sondern auch die andere Welt. Dort sollen wir ihm ein großer Gewinn für die Ewigkeit sein. Gott will einen Gewinn von uns haben in der Ewigkeit. Man sollte nicht denken, dass die Ewigkeit etwas Langweiliges ist – Gott denkt das nicht. Es gibt Aufgaben.
Gott möchte, dass seine Geschöpfe ihm in der Ewigkeit zum Gewinn werden. Die Ewigkeit wird höchst interessant sein, und dort wird der Mensch erst richtig sein Potenzial entwickeln, das Gott in ihn hineingelegt hat. Bereitet euch also gut auf die Ewigkeit vor.
Der Herr möchte, dass wir uns in diesem Leben vorbereiten, damit wir seiner Heiligkeit teilhaftig werden. Das bedeutet, dass wir im Charakter ähnlich werden wie er. Er möchte seinen Charakter in uns als Frucht hervorbringen.
Das Leben ist sehr kurz, und deshalb ist es oft gedrängt. Auch die Lektionen, die wir durchmachen müssen, sind oft gedrängt. Aber wir dürfen nicht trotzig sein gegen Gott – das wäre sehr unweise.
„Alle Züchtigung scheint für die Gegenwart nicht Freude zu sein, sondern Betrübnis; hiernach liefert sie aber eine friedsame Frucht der Gerechtigkeit denen, die durch sie geübt sind.“
Man muss also durch Züchtigung geübt werden. Übung bedeutet immer wieder Training, und das ist Arbeit. Training ist kein Genuss. Jetzt ist die Trainingszeit für die Regierungszeit.
Jemand hat auf Englisch gesagt: „Now it's training time for reigning time“ – also Trainingszeit für Herrschaftszeit.
Ich weiß, wie ich bin. Ich habe immer wieder gebetet: „Herr, nimm den Schmerz weg, Herr, nimm die Schwierigkeit weg.“ Und manchmal muss ich lernen, dass Schmerz und Schwierigkeit bleiben müssen, damit ich etwas lerne.
So wollen wir also die Zucht Gottes nicht vergeuden – auch wir als Hebräer-Christen nicht.
Das ist ein sehr praktisches Thema, über das man eine ganze Stunde predigen könnte. Aber dafür haben wir jetzt keine Zeit. Wir kommen zur nächsten Aufforderung.
Aufforderungen zum geistlichen Wettlauf und zur gegenseitigen Fürsorge
Jetzt folgen mehrere Aufforderungen, die sich immer wieder auf das Laufen beziehen. Richtet Hände und Knie auf und macht eine gerade Bahn für eure Füße – das hat mit dem Lauf zu tun.
Es geht um einen Wettlauf. Richtet die erschlafften Hände auf und stellt die gelähmten oder ermatteten Knie wieder auf. Die Hände braucht man zum Beten, die Knie ebenfalls. Aber man braucht sie auch zum Laufen.
In unserem Wettlauf müssen wir ja auch beten. Richtet also die Hände auf, auch wenn ein Knie matt ist. Kein Verzagen! Es ist gar nicht nötig zu verzagen. Wir haben Grund genug, uns zu freuen und nach vorne zu schauen.
Jagt nach! Es geht immer noch ums Laufen. Jagt nach – und zwar mit allen! Also mit allen zusammen. Es sind mehrere unterwegs, es ist keine Einzeljagd. Ihr seid alle zusammen, sagt er, ihr Christen, jagt alle zusammen nach.
Was sollen wir verfolgen? Das griechische Wort bedeutet „verfolgt“. Verfolgt Frieden und Heiligung! Das Ziel sollen wir verfolgen: Frieden und Heiligung. Jagt mit allen nach Frieden! Jagt mit allen nach Heiligung! Ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen.
Wenn jemand zurückgeht und ermattet, den Wettlauf nicht mehr läuft, wird er das Ziel nicht erreichen – keine Heiligung. Und ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen.
Heiligung bedeutet hier, dass Christus Gestalt gewinnen kann im Einzelnen. Wenn jemand zurückgeht ins Judentum, wird er keine Heiligung erleben. Man muss den Kontext bewahren: Es geht um Israeliten, die versucht sind, zurückzugehen zum Judentum.
Dort gibt es keine Heiligung. Dort gibt es nur einige Opfer, die man nach außen hin darbringt – äußerlicher Gottesdienst, aber keine innere Heiligung, nichts. Das eigentliche Ziel wird verfehlt. Und ohne Heiligung wird niemand den Herrn sehen.
Das sind Menschen, die von Christen zu Nichtchristen werden, also abgefallen sind. Sie haben keine Heiligung, deshalb werden sie den Herrn nicht sehen. Wer dem Herrn aus der Schule wegläuft, läuft auch von der Heiligung weg.
Es gibt auch Christenhäute, die dem Herrn aus der Schule weglaufen. Vielleicht nicht sofort, aber ich kenne einige, die am Anfang halbherzig sind, dann bitter werden und schließlich ganz weg vom Herrn sind – ohne Heiligung, ohne Ziel, das Ziel nicht erreicht.
Bis jetzt nicht, vielleicht später. Solange sie noch leben, gibt es doch eine Möglichkeit.
Die Verantwortung der Gemeinschaft und die Gefahr des Abfalls
Verse 15 bis 17, nächster Aufruf
Haltet Aufsicht, dass nicht jemand von der Gnade Gottes wegkomme und so zukurzkomme. Das heißt, von der Gnade wegzugehen bedeutet, zurück ins Gesetz, zurück ins Judentum oder zurück in die Welt zu gehen. Dann mangelt es einem, man hat die Gnade nicht mehr, sie fehlt einem.
Das Wort „haltet Aufsicht“ steht im Griechischen als episkopäite, was bedeutet: Seid Hirten füreinander oder seid Aufseher füreinander – nicht Polizisten. Ein Hirte ist kein Polizist. Ein Hirte sorgt sich in Liebe um den anderen und hilft ihm, nicht um ihn unter Druck zu setzen, sondern um ihn aufzurichten.
Christen dürfen niemals andere Christen unter Druck setzen. Gott arbeitet auch nicht mit Druck. Er setzt uns nicht unter Druck. Er mahnt zwar, warnt und zeigt uns den Weg, und er kann auch sehr ernst sprechen und aufrufen, wenn Gefahr droht. Aber er setzt uns nicht unter Druck.
Es gibt psychologische Tricks, um jemanden unter Druck zu setzen. Dabei muss man vorsichtig sein, denn das darf man nicht tun. Ich war in Russland und habe dort gemerkt, dass Gläubige sehr stark unter Druck gesetzt wurden. Sie mussten so und so handeln, sonst wurden sie so isoliert, dass sie praktisch keine andere Wahl hatten: Entweder verlieren sie den Kontakt zu allen Christen oder sie tun, was verlangt wird. Einer sagte dann: „Okay, dann tue ich so, wie er sagt.“ Aber das ist nicht geistlich, nicht vom Heiligen Geist, sondern menschlicher Druck.
Das Ziel mag gut gewesen sein, und die Motivation auch, aber der Weg war völlig falsch. Das dürfen wir nicht tun. Wir dürfen keinen Druck ausüben, sondern müssen mit geistlichen Mitteln arbeiten. Das heißt, das Wort Gottes und das Gewissen über das Wort Gottes ansprechen, das Wort Gottes klar lehren und die Menschen eindrücklich vor Gott stellen – mit der Bibel.
Man soll sagen: „Sag mir, was die Schrift sagt. Was steht da geschrieben?“ Dann liest man es vor, und die Person muss selber lesen und erkennen, was Gott sagt, welches Prinzip gilt. Dann muss jeder für sich entscheiden: „Tust du das?“ Wenn jemand sagt: „Nein, ich tue es nicht“, dann weiß er, wo er steht. Das ist kein Druck. So kann der Heilige Geist jemanden überführen von der Sünde.
Seid also Hirten, seid Aufseher füreinander, damit nicht jemand von der Gnade Gottes abkomme und hinter ihr zurückbleibe. Denn sonst kann eine giftige Wurzel der Bitterkeit emporwachsen, Schwierigkeiten bereiten und viele durch diese verunreinigt werden.
Der Kernsatz lautet: Seid Aufseher! Das Ziel der Aufsicht ist, dass Menschen bei der Gnade bleiben und nicht von ihr wegkommen. Wir sind keine Leistungsmenschen. Es geht nicht um Leistung, sondern um Gnade. Gnade bedeutet, dass Gott uns beschenkt.
Das Christenleben ist ein Leben aus der Gnade, ein Leben aus dem, was Gott uns schenkt. Jeder Dienst, den wir haben, ist ein Geschenk, kein Muss. Wenn Frucht entsteht, ist es ein Geschenk. Manchmal schränkt uns Gott ein – auch das ist ein Geschenk. Er hat einen Grund dafür, den nur er kennt.
Manchmal bereitet er uns die Bahn und macht sie breit – auch das ist ein Geschenk. Es ist alles ein Geschenk, und wir sollen in der Abhängigkeit bleiben. Wir sollen nicht selbst etwas für ihn tun wollen, sondern eher durch uns handeln lassen.
Also: Nicht von der Gnade wegkommen! Jeder soll sich durch die Gnade Gottes tragen lassen, und jeder wird durch die Gnade Gottes ans Ziel gebracht werden. Wichtig ist, dass wir an der Gnade dranbleiben – nicht auf eigene Leistungen setzen, nicht in ein Leistungsdenken verfallen und auch nicht in einen Libertinismus.
„Es ist alles erlaubt“ – das ist falsch. Abhängigkeit heißt nicht: Es ist alles erlaubt. Abhängigkeit heißt: Herr, ich binde mich freiwillig ganz an dich. Ich will keinen Schritt ohne dich gehen. Der Herr zeigt uns dann gewisse Dinge auf, aber es macht der Herr. Wir helfen einander, den Blick auf den Herrn zu richten.
Manchen muss man helfen, weil sie die Bibel nicht lesen. Dann muss man sie ermutigen, die Bibel zu lesen – aber nicht durch fleischlichen Druck, sondern durch geistlichen Druck. Das geht nur über Gebet, über die Verkündigung des Wortes Gottes, über gute, ermutigende Gespräche.
Es geht auch darum, jemandem Sünden aufzuzeigen, ihm zu helfen, seine Sünden zu erkennen und zu bekennen. Das ist eine große Arbeit, die Hirtenarbeit. Aber jeder Christ soll ein Hirte für den anderen sein.
Natürlich gibt es auch Hirten im Sinne von reiferen Leuten, die vorangehen für die Gruppe oder für mehrere Gruppen. Aber alles kommt von Gott, alles geht von ihm aus. Wir müssen die Menschen zu Christus und zum Wort Gottes führen.
Das Wort Gottes muss die absolute Autorität in unseren Kreisen behalten. Es darf nie etwas uns vom Wort Gottes wegbringen. Keine Menschen stehen im Zentrum, sondern allein das Wort Gottes.
Drei ernste Gefahren für die Gemeinde
Weiter, hier sind drei ernste Gefahren. In Vers 15 habe ich sie nicht auf der Folie notiert, aber ich nenne sie jetzt.
Erste Gefahr: Die bittere Wurzel
Die erste Gefahr ist die Gefahr der bitteren Wurzel. Dabei geht es nicht einfach um eine bittere Wurzel, die bitter ist, weil sie giftig ist. Nicht alles Bittere ist giftig, wie ich mir sagen lassen habe. Zum Beispiel kann man Löwenzahn essen, und er ist bitter. Die Blätter des Löwenzahns sind zwar bitter, aber nicht giftig.
Es gibt jedoch Dinge, die bitter sind, weil sie giftig sind. Diese Vorstellung stammt aus 5. Mose 29,17 (manchmal auch Vers 18 genannt). Dort heißt es: „Kein Mann oder keine Frau, kein Geschlecht oder Stamm unter euch soll sein, dessen Herz sich heute von Yahweh, unserem Gott, abwendet, um den Göttern jener Völker zu dienen, damit nicht eine Wurzel unter euch sei, die Gift und Wermut trägt.“ Das Wort für Wermut bedeutet Bitterkeit. Es geht also um eine Wurzel, die Gift und Bitterkeit trägt.
Genau darauf bezieht sich der Schreiber des Hebräerbriefs hier. Man merkt, dass er seine Bibel sehr gut kennt und biblische Bildersprache verwendet. Eine bittere Wurzel entsteht, wenn man gegen Gott bitter wird, rebelliert oder seine Züchtigung nicht akzeptiert.
Welche Wirkung hat das? Es bereitet Schwierigkeiten und führt dazu, dass viele dadurch befleckt werden. Das Wort „Schwierigkeit“ ist hier sehr sanft ausgedrückt. Auf verbitterte Christen sollte man besonders achten. Solche Christen können ein Gift unter den Gläubigen werden.
Menschen, die negativ über Gott oder das Wort Gottes sprechen, sind wie Gift. Sie beeinflussen andere und verursachen große Schwierigkeiten. Deshalb ist es wichtig, auf solche Personen zu achten, sie zurechtzuweisen und ihnen das klare Wort Gottes vor Augen zu führen.
Zweite Gefahr: Geistliche Hurerei
Weiter, sechzehn Gefahr der Hurerei – geistlicher Hurerei natürlich, nicht eine Hurerei im weltlichen Sinne. Geistliche Hurerei bedeutet im übertragenen Sinne Bundesbruch mit Gott, also Ehebruch gegenüber Gott, geistlicher Ehebruch.
Jakobus 4,4 sagt: „Ihr Ehebrecher und Ehebrecherinnen, wisset ihr nicht, dass die Freundschaft mit der Welt Feindschaft gegen Gott ist?“ Ein Hurer oder ein Treuloser, jemand, der den Gottesbund nicht beachtet, lebt dann wie die Welt.
Ein Hurer lebt wie die Welt und macht keinen Unterschied zwischen dem Heiligen und der Welt. Er profanisiert das Heilige, das heißt, er entweiht es oder macht es weltlich. Das ist das Nächste – ein Unheiliger. Bei mir steht: „einer, der entweiht“, das heißt profanisiert, das Heilige verweltlicht, profanisiert.
Ein Unheiliger ist jemand, der außerhalb des Heiligtums steht, der sich vom Heiligtum entfernt. Das soll man aber nicht tun. Christen und Gläubige sollen im Heiligtum bleiben.
Wie Esau – Esau war so einer. Ihm war das Heilige nicht heilig. Er lebte ungezügelt sinnlich für das Hier und Jetzt. Esau gab sein Erstgeburtsrecht für eine einzige Mahlzeit weg. Im Griechischen steht hier „für eine einzige Mahlzeit“. Das Erstgeburtsrecht war sein geistliches Erbe, sein Vorrecht als Erstgeborener, und er verkaufte es für eine einzige Mahlzeit.
Jakob durfte es sich nehmen, weil Esau so unweise und töricht war, es so billig zu verkaufen. Jakob kaufte es sich. Doch Esau sagte: „Was nützt mir schon das Erstgeburtsrecht?“ Das Erstgeburtsrecht bringt geistliche Vorzüge, etwas für die Zukunft. Aber jetzt hatte er Hunger und wollte sofort etwas zu essen. Er lebte für das Hier und Jetzt.
Der irdische Gewinn war ihm wichtiger, und er verachtete den Segen Gottes. Das Diesseitige hatte Vorrang. In diesem Fall war es die Lust des Gaumens, das Stillen des Bauches. Er lebte aus dem Bauch heraus.
Vers zwölf: „Denn ihr wisset ja auch, dass er, als er die Segnung empfangen wollte, abgelehnt wurde, denn er fand keinen Raum zur Sinnesänderung, obwohl er sie mit Tränen ernsthaft suchte.“
Hier kann sich „Sinnesänderung“ sowohl auf die Segnung beziehen als auch auf die Veränderung des Vaters. Im Griechischen ist beides möglich. Wir brauchen nur im Alten Testament nachzulesen, um zu wissen, worauf es sich bezieht.
In 1. Mose 27 kommt Esau zu Jakob, denn Jakob wollte Esau segnen. Esau geht hin und jagt ein Wildtier, ein Reh oder einen Hirsch, und bringt es. Inzwischen hat Jakob sich den Segen gestohlen. Dann kommt Esau zum Vater und sagt: „Segne mich auch! Segne mich!“ Er beginnt zu weinen und zu heulen. Doch der Vater antwortet: „Zu spät, mein Sohn, ich habe den Segen schon vergeben.“
Was konnte der Vater nicht mehr rückgängig machen? Er hatte schon gesegnet, und Esau konnte den Segen nicht mehr erhalten. Warum bekam Esau den Erstgeburtssegen nicht? Weil er ihn vorher verkauft hatte.
Später behauptete Esau, Jakob habe ihn zweimal betrogen. Das stimmt nicht. Beim Erstgeburtsrecht handelte es sich nicht um Betrug, sondern um einen Handel. Esau war töricht und verkaufte es billig. Jakob hat ihn nicht betrogen.
Der eigentliche Betrug war, als Jakob den Vater betrog, ihn also hinterging.
Nochmal der Text: „Denn ihr wisset, dass er auch nachher, als er die Segnung empfangen wollte, abgelehnt wurde, denn er fand keinen Raum zur Sinnesänderung, obwohl er sie mit Tränen suchte.“
Was suchte Esau mit Tränen? Beides ist möglich: die Segnung oder die Sinnesänderung des Vaters. Es ist eigentlich egal, denn es führt zum selben Ergebnis.
Manche meinen, das Wort könne auch mit „Buße“ übersetzt werden. Sie sagen, Esau fand keinen Raum zur Buße und durfte keine Buße tun. Wo steht das in 1. Mose 27? Esau hatte längst Buße getan und bereut, dass er das Erstgeburtsrecht verkauft hatte.
Er fand nur keine Sinnesänderung beim Vater. Deshalb ist die Übersetzung „Raum zur Sinnesänderung“ besser als „Raum zur Buße“. Denn Buße klingt so, als müsste der Vater Buße tun, was nicht der Fall ist. Der Vater sollte nur seine Meinung ändern.
Das wollte Esau: „Vater, bitte segne mich auch!“ Aber der Vater konnte den Erstgeburtssegen nicht mehr geben. Den anderen, geringeren Segen erhielt Esau, der fast wie ein Fluch war.
Ist das klar und verständlich? Diese Details brauchen wir nicht weiter zu vertiefen.
Ich denke, wir dürfen Esau nicht mit einem Hurer verbinden. Esau war kein Hurra, kein Unzüchtiger. Ich weiß nichts im Alten Testament, was darauf hindeutet, dass Esau ein Hurra war. Er hatte mehrere Frauen, aber das war damals erlaubt. Er trieb keine Unzucht.
Man könnte sagen, er beging geistliche Unzucht, indem er das Weltliche vor das Geistliche stellte. Wenn das gemeint ist, dann ja, es trifft zu. Aber er war kein tatsächlicher Unzüchtiger.
Wenn man sagt, Esau sei nur im übertragenen Sinne ein Unzüchtiger, weil er für die Welt lebte, dann passt das auch nicht ganz. Denn Esau stand eigentlich nicht in einer Bundesbeziehung mit Gott. Israel stand in einer solchen Beziehung, war verheiratet mit Gott. Wenn Israel sich unsittlich mit anderen Götzen einlässt, ist das geistlicher Ehebruch.
Hier bezieht sich das Wort vermutlich nur auf das Zweite, den Unheiligen, den Profanen, der das Heilige entweiht. Das Heilige war das Erstgeburtsrecht, das Esau verkauft hat. Dann ...
Dritte Gefahr: Die Gegenüberstellung von Sinai und Zion
Vers 18: Was jetzt kommt – ich bin mir nicht ganz sicher, ob es wirklich ein Einschub ist. Ich habe hier „ein Einschub“ geschrieben, aber vielleicht ist es auch keine Unterbrechung, sondern eine Weiterführung des Gedankens. Es geht ja immer noch um das Laufen. Ihr habt einen Wettlauf, einen Marathonlauf, sagt er, und jetzt spricht er davon, dass ihr nicht zu dem Berg Sinai gekommen seid, sondern zum Berg Zion. Also nachdem man lange gelaufen ist, kommt man schließlich beim Berg Zion an. Man läuft sozusagen in Richtung eines Berges.
Es könnte hier sein, dass es kein Einschub ist, sondern einfach eine nähere Erläuterung des Zustandes dieser Christen. Wie man es auch nennen mag, ist jetzt nicht so wichtig, nur für meine Gliederung. Was ist der Sinn dieses nächsten Abschnittes? Von Vers 18 bis Vers 24 geht es um zwei Berge: den Sinai einerseits (Vers 18 und Vers 22) und den Zion andererseits.
Da lesen wir den Text: „Denn ihr seid nicht hingekommen zu einem berührbaren Berg, und einem angezündeten Feuer, und einer dicken Wolke, und Finsternis, und starkem Winde, und zu Posaunenschall und einer Stimme von Worten, bei der die Zuhörer für sich erbaten, es möchte nicht weiter ein Wort an sie gerichtet werden, denn sie ertrugen nicht das Aufgetragene. Und wenn ein Tier den Berg antasten sollte, soll es gesteinigt oder mittels Pfeil erschlossen werden. Und so furchterregend war die Erscheinung, dass Mose sagte: Ich habe Angst und zittere. Sondern ihr seid hingekommen zum Berg Zion und zur Stadt des lebenden Gottes, einem himmlischen Jerusalem, und zu zehntausenden von himmlischen Boten, einer großen Festversammlung, und zu einer Gemeinde von Erstgeborenen in den Himmeln eingetragen, und zu Gott, dem Richter aller, und zu den Geistern der am Ziel angekommenen Gerechten, und zu Jesus, dem Mittler eines neuen Bundes, und zu dem vergossenen Blut, das Besseres redet als Abel.“
Also geht es hier um eine Reise, um einen Wettlauf oder ein Wandern in Richtung eines Berges.
Jetzt denken wir mal nach: Er spricht ja zu Israeliten. Und wir müssen die Bilder, die er hier verwendet, im israelitischen Zusammenhang beachten. Es geht um den Auszug Israels aus Ägypten. Dort sind sie herausgezogen, und die erste Station war der Berg Sinai. Dort ist das Volk hingekommen, und am Berg Sinai begann die Theokratie Israels im Alten Testament. Das heißt, Gott war der König. Gott als König offenbart sich dem Volk und sagt: „Ihr sollt mir ein Königreich von Priestern sein.“ Wenn ihr fleißig auf meine Stimme hört und an die Gebote achtet, werdet ihr mir ein Priestertum, ein königliches Priestertum, ein Königtum von Priestern sein.
In diesem Zusammenhang hat er sich dann auf diesem Berg Sinai geoffenbart. Der Sinai rauchte, der Berg bebte, und es war eine mächtige Erscheinung Gottes, wie hier beschrieben mit Feuer, dicker Wolke, Finsternis, starkem Wind – also ein großes Gewitter – und dann kam ein Posaunenschall. Eine Stimme von Worten ertönte, bei der die Zuhörer für sich erbaten, es möge nicht weiter ein Wort an sie gerichtet werden, denn sie ertrugen nicht das Aufgetragene.
Als sie die Stimme Gottes hörten, begannen sie zu zittern und baten darum, dass Gott nicht mehr direkt zu ihnen sprechen solle, sondern mit Mose. Sie ertrugen es nicht.
Was wir hier noch erfahren: Das Volk durfte sich nicht dem Berg nähern. Der Berg war heilig, und es musste ein Zaun errichtet werden. Tiere durften den Berg nicht berühren, und wer zu nahe kam, sollte sofort erschossen werden. So furchterregend war die Erscheinung, dass selbst Mose sagte: „Ich habe Angst und zittere.“
Was hier deutlich wird, ist die Umgebung, in die sie damals kamen: die Sinai-Umgebung. Dort war etwas Sichtbares vorhanden, aber alles sprach von Entfernung – „Nähe euch ja nicht, kommt nicht näher!“ Gott war sichtbar und hörbar. Es gab eine Erscheinung, Gewitter und weitere Naturphänomene, die man mit den Sinnen erfassen konnte. Aber es war eine große Entfernung zwischen Gott und dem Volk. Das wird in diesen Versen betont: die Entfernung.
Er sagt, ihr seid nicht dorthin gekommen. Das war früher, das war der alte Bund. Dort hat Gott den alten Bund, den Bund des Gesetzes, mit Israel errichtet. Dort begann die Theokratie Israels. Das heißt, Gott begann, ein Königreich auf Erden zu haben. Gottes Königreich war damals auf Erden. Gottes Herrschaft – Gott war der, der das Volk regierte. Es gab keinen König, Mose war kein König, auch Josua nicht und die Richter nicht. Es gab keinen König in Israel, Gott war König in Israel.
Gott zog mit Israel mit, aber immer in Entfernung. Als dann das Zelt aufgerichtet wurde, war Gott im Allerheiligsten, aber sie durften nicht nahen, durften nicht dorthin. Die alttestamentliche jüdische Welt war geprägt von sichtbaren Dingen und von Entfernung: „Du darfst nicht nahen.“
Dann weiter: Die neue Umgebung. Er sagt, es gibt jetzt aber eine andere Umgebung und einen anderen Berg, zu dem ihr gekommen seid. Vers 22: „Sondern ihr seid hingekommen zum Berg Zion, zur Stadt des lebenden Gottes, einem himmlischen Jerusalem.“ Dieses Zion, der Berg, auf dem die Stadt steht, ist himmlisch. Die Stadt ist himmlisch, und der Berg, auf dem diese Stadt steht, ist dementsprechend auch himmlisch.
Der irdische Zion, das irdische Jerusalem, stand als Bild für ein ewiges himmlisches Jerusalem. Paulus hat dieses Bild im Galaterbrief auch verwendet. Ich mache mal kurz einen Ausflug zum Galaterbrief, um zu zeigen, dass dieses Bild nicht nur geläufig war. Paulus hat in seinem eigenen Brief, dem Hebräerbrief, dieses Bild noch einmal verwendet.
In Galater 4, Vers 21, heißt es: „Sagt mir, ihr, die ihr unter dem Gesetz sein wollt: Hört ihr nicht das Gesetz? Denn es ist geschrieben, dass Abraham zwei Söhne hatte, einen von der Magd und einen von der Freien. Der jedoch, der von der Magd war, ist nach dem Fleisch geboren, aber der von der Freien war durch die Verheißung.“ Dieses Bild dient als Symbol.
Denn diese sind die zwei Bündnisse: Der eine Bund ist der vom Berg Sinai, der Versklavung erzeugt. Wer Hagar ist? Hagar ist der Berg Sinai in Arabien, er entspricht dem gegenwärtigen Jerusalem. Sie ist mit ihren Kindern in Versklavung. Paulus nimmt hier das Bild, dass Sinai für das fleischliche Jerusalem, für das Judentum steht (Galater 4, Vers 26).
„Aber das obere Jerusalem ist frei, welches unser aller Mutter ist. Denn es ist geschrieben: Sei fröhlich, du Unfruchtbare, die du nicht gebierst; brich in Jubel aus und rufe, die keine Geburtsschmerzen erleidet, weil zahlreich die Kinder der Einsamen sind mehr als die der, die einen Mann hat.“
Vers 28: „Aber wir Brüder sind nach der Art Isaaks Kinder der Verheißung.“ Gleich wie damals der nach dem Fleisch Geborene den nach dem Geist Geborenen verfolgte, so ist es auch jetzt.
Der eine war nach dem Fleisch geboren – das war Ismael, von Hagar, der Sklavin. Er steht für das irdische Jerusalem zur Zeit Paulus. Der andere war durch den Geist geboren, das heißt durch die Verheißung geboren. Der Heilige Geist hat das Wunder getan, dass er überhaupt geboren wurde. Das war Isaak. Isaak steht für die geistliche Nachkommenschaft, für das wahre Jerusalem, für das wahre Israel, das den Messias angenommen hat. Ismael steht für das fleischliche Jerusalem, das den Messias ablehnt.
Das ist die Gegenüberstellung. Und genau dasselbe tut Paulus weiter: Was sagt die Schrift? Vers 30: „Tu hinaus die Magd und ihren Sohn, denn auf keinen Fall darf der Sohn der Magd mit dem Sohn der Freien erben.“ Der Sohn der Magd musste weg. Das Erbe bekommt nur der, der nach dem Geist geboren ist, das Kind der Verheißung. Das heißt, das obere Jerusalem – nur die Kinder des oberen Jerusalems bekommen das Erbe, die anderen bekommen gar nichts. Das irdische, fleischliche Jerusalem bekommt nichts. Das muss man sich einmal ganz bewusst machen. Das irdische Jerusalem bekommt nichts.
Dann heißt es weiter: „Brüder, sind wir also nicht Kinder der leibeigenen Magd, sondern der Freien.“
Jetzt dasselbe Bild im Hebräerbrief: Der Sinai steht also für das Gesetz. Das Gesetz war die Zeit, als Gott mit dem Volk begann, dieses Königtum auf Erden. Dort war der Tempel, zuerst die Stiftshütte, dann der Tempel, dort war der Priesterdienst. Schließlich wurden sie in die Gefangenschaft geschickt, weil sie Gott ungehorsam waren. Gott versprach ihnen, sie dürften wieder zurückkehren. Sie kehrten zurück und errichteten wieder einen irdischen Tempeldienst, bis zu dem Zeitpunkt, als dieser Brief geschrieben wurde.
Es war immer noch der jüdische Tempeldienst in Aktion. Das ist, wofür der Sinai steht.
Er sagt: Ihr seid nicht dorthin gekommen. Ihr seid wie ein Volk, das aus Ägypten herausgezogen ist, aber nicht, um zum Sinai zu gehen, sondern um zu einem Berg Zion zu kommen – einem himmlischen Jerusalem.
Wir sind wieder in Hebräer 12, Vers 22: „Ihr seid gekommen zum Berg Zion, zur Stadt des lebenden Gottes, einem himmlischen Jerusalem, und zu zehntausenden von Engeln, und zu einer großen Festversammlung, zu einer Gemeinde von Erstgeborenen in den Himmeln eingetragen, und zu Gott, dem Richter aller, und zu den Geistern der am Ziel angekommenen Gerechten usw.“
Merkt ihr etwas? Die Geister sind schon am Ziel angekommen. Mir scheint, er spricht hier von der Vollendung. Ihr seid schon herangekommen, seid praktisch wie die Israeliten, die zum Sinai-Berg kamen und sich am Fuße des Berges versammelten. So sind sie jetzt herausgezogen und kommen zum Zion-Berg. Die einen kamen zum Sinai und versammelten sich dort, die anderen kommen zum und stehen unmittelbar vor dem himmlischen Jerusalem.
Sie sind noch nicht drinnen, aber sie sind schon hingekommen. Hier ist die Rede von Unsichtbarkeit, aber Nähe. Dieses himmlische Jerusalem ist unsichtbar, die Engel sind unsichtbar, die große Festversammlung ist unsichtbar, die Gemeinde der Erstgeborenen unsichtbar im Himmel, Gott der Richter unsichtbar, Geister unsichtbar usw.
Alles ist unsichtbar, aber keine Entfernung. Da heißt es nicht: „Bleibt fern vom Zion, bleibt fern.“ Nein, im Gegenteil, sie dürfen zu einer Festversammlung kommen, sie dürfen zu Personen ganz nahe hin. Er sagt: Ihr seid hingekommen zu einer Personenwelt, nicht zu einer Welt mit Steinen, Priestergewändern, Opfertieren, Zäunen, Vorrang, „komm nicht weiter“ usw., wie beim Sinai-Berg. Nicht diese Welt. Eure Welt ist eine geistliche Welt, und es ist ein himmlisches Jerusalem.
Aber ihr seid noch nicht ganz zu Hause. Ihr seid herangekommen, hingekommen, wie die Israeliten zum Sinai. So sind sie jetzt hingekommen zum Zion.
Was wird hier gegenübergestellt? Die alttestamentliche Szene gegenüber der neutestamentlichen Szene.
Und denken wir bitte daran: Es geht immer um Israel. Israel, das jetzt an den Messias glaubt – ein Israel, das an den Messias glaubt – kommt jetzt ganz nahe an Gott heran und darf hier herantreten.
Im Alten Testament herrscht Abstand, Entfernung wird betont. Im Neuen Testament ist alles unsichtbar, mit den Sinnen nicht spürbar, nicht berührbar, nicht schmeckbar, nicht riechbar, nichts hörbar, aber sie sind ganz nahe gekommen zu Personen.
Heute ist es so, dass manche Christen etwas erleben wollen. Bei den Charismatikern habe ich schon gehört, man könne Gott riechen. Das zeigt, wie fleischlich das Ganze ist. Das klingt so geistlich, sie reden viel vom Heiligen Geist, sind aber total fleischlich.
Man kann Gott nicht riechen, nicht hören, nicht spüren, nicht angreifen, nicht schmecken. All das ist absolut unsichtbar. Wir dürfen nicht meinen, wenn wir ins Gebet gehen, „Oh, jetzt spüre ich die Gegenwart Gottes.“ Was soll das? Die Bibel sagt nicht, dass man die Gegenwart Gottes spürt. Paulus sagt einmal, er habe es gespürt, aber die Bibel sagt nicht, dass wir zu einem spürbaren Gott kommen.
Wir kommen im Glauben. Wie es im 2. Korinther 4, Vers 18 heißt: „Wir achten nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare, denn das Sichtbare ist zeitlich, das Unsichtbare aber ewig.“
Weiter heißt es: „Wir wandeln nicht im Schauen, sondern im Glauben“ (2. Korinther 5,7).
Durch Glauben wandeln wir, nicht durch Schauen. Schauen, Spüren, Riechen, Schmecken – das ist nicht unser Metier, nicht unsere Sache.
Diese zwei Welten werden hier gegenübergestellt. Hier ist eine Welt von Personen, alles ist vollendet, fertig. Die Engel sind da, die Gläubigen sind da, die Geister der Gläubigen sind da, der Herr Jesus ist da, der Mittler des neuen Bundes mit seinem Blut.
Das Blut des Herrn Jesus kann man nicht sehen, nicht spüren, nicht angreifen. Es ist einmal in der Vergangenheit geflossen, aber jetzt nicht spürbar. Aber dorthin sind wir hingekommen – zu dem vergossenen Blut dieses Hohenpriesters, das besser redet als Abel.
Was redet das Blut?
Ganz sicher: Das Blut wurde zur Vergebung vergossen. Das Blut spricht für uns. Das Blut spricht uns frei von Schuld, es bringt Freispruch, Vergebung und Reinigung.
Bei Abel war das anders. Im Zusammenhang mit Abel war das nicht Vergebung, sondern etwas anderes – Strafe, Schuld. Denn wenn jener...
Ich habe noch eine Minute, oder?
Okay, ich will nicht bis zum Schluss des Kapitels gehen, aber ich möchte ein bisschen von den nächsten Versen anfangen, weil die mir sehr wichtig sind. Ich muss morgen noch mehr dazu sagen.
Warnung vor Ablehnung des himmlischen Redens
Vers 25: Seht zu, dass ihr den Redenden nicht abweist.
Jetzt folgt eine Warnung im Zusammenhang mit dem, was wir gerade gelesen haben: „Seht zu, dass ihr den Redenden nicht abweist, denn wenn jene nicht entkamen, die den abwiesen, der auf der Erde Weisung gab, wie viel mehr werden wir nicht entkommen, wenn wir uns von dem abwenden, der es vom Himmel her tut.“
Wie hat der Hebräerbrief begonnen? Was war der erste und der zweite Vers? Nun, wir kommen wieder darauf zurück. Da der Brief sich dem Ende nähert, muss er noch einmal zu dem zurückkehren, was am Anfang gesagt wurde. Er muss den Sack jetzt zusammenbinden. Er hat nicht vergessen, was er in Kapitel 1 gesagt hat: Nachdem Gott in alter Zeit auf vielerlei Weise zu den Propheten gesprochen hat, hat er in diesen letzten Tagen zu uns durch den Sohn geredet. Gott hat neu gesprochen.
Dieses neue Reden Gottes sollen wir achten. „Achtet auf das Geredete“ heißt es in Kapitel 2, Vers 1. Wie sollen wir entrinnen, wenn wir uns von diesem Reden abwenden und nicht darauf achten? Deshalb heißt es hier erneut: Seht zu, dass ihr den Redenden nicht abweist.
Gott hat neu geredet. Am Sinai hat er zum ersten Mal gesprochen und durch die Propheten fortgesetzt – das war das alte Reden Gottes. Jetzt aber, in Christus, hat er neu geredet. Christus ist in den Himmel aufgefahren, hat den Heiligen Geist ausgesandt, und die Apostel verkündigten durch den ausgegossenen Heiligen Geist das Evangelium.
Denn wenn jene nicht entkamen, die den abwiesen, der auf der Erde Weisung gab, wie viel mehr werden wir nicht entkommen, wenn wir uns von dem abwenden, der es vom Himmel her tut.
Welche zwei Reden werden hier gegenübergestellt? Wann war das Reden auf der Erde? Gott gab Weisung auf der Erde durch die Propheten, doch es begann am Sinai. Dort war auf der Erde die Stimme zu hören – die Posaune und die Stimme der Worte, wie wir gerade gelesen haben.
Am Sinai auf der Erde hat Gott seine Worte gegeben. Und diejenigen, die den abwiesen, der diese Worte am Sinai gab, entkamen nicht. Über sie wurde Gericht gehalten.
Wie viel mehr werden wir nicht entkommen, wenn wir uns von dem abwenden, der vom Himmel her redet?
Was ist das für ein Reden vom Himmel her? Welches Reden geschieht vom Himmel her? Der Sohn wurde gesandt. Er kam auf die Erde und hat hier geredet. Aber warum heißt es nun „Reden vom Himmel her“?
Das wäre nur eine einzige Gelegenheit oder ein Satz. Doch wir müssen den Zusammenhang des ganzen Hebräerbriefs bedenken. Christus setzte sich nach seiner Himmelfahrt zur Rechten Gottes. Wie redet er nun?
Er redet durch seinen Geist, durch den Heiligen Geist. Der, der auf die Erde kam, ging wieder in den Himmel und sitzt dort zur Rechten Gottes. Jetzt spricht Gott durch ihn im Heiligen Geist. Die Apostel waren seine Sprachrohre.
Genau das ist gemeint: Das Evangelium wurde durch die vom Heiligen Geist gesandten Apostel verkündigt. Die Apostel haben den Heiligen Geist empfangen und verkündigten das Wort Christi.
Eine Parallelstelle dazu findet sich in 1. Petrus 1,12. Dort heißt es im zweiten Teil des Verses: „Die Väter haben sich selbst nicht alles offenbart, sondern es wurde uns durch die gesandten Engel bekannt gemacht, denen das Evangelium verkündigt wurde durch den Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde, durch den auch die Engel genau hinschauen.“
Habt ihr es? Die, die euch das Evangelium verkündigten, taten dies durch den Heiligen Geist, der vom Himmel gesandt wurde.
Die Boten, die Apostel, haben durch den Heiligen Geist geredet. Das Geredete war das Wort Christi. Die Apostel sprachen das Wort Christi, und Christus ist es, dessen Reden vom Himmel her gemeint ist.
Gut, morgen werden wir dann die letzten Verse dieses Kapitels sowie Kapitel 13 besprechen.
Bitte schaut euch die letzten Verse noch einmal an, wenn ihr zwischen Traum und Schlaf seid. Ich möchte euch eine Hausaufgabe geben: Was ist das Erschütterte? Dort wird vom Erschütterten gesprochen.
Ihr solltet eine genaue Bibelübersetzung verwenden. Am besten ist die von Herbert Janssen, der hier sehr genau übersetzt hat. Diese Frage könnt ihr mit nach Hause nehmen.
In Vers 27, glaube ich, steht das Erschütterte. Nein, es ist Vers 27. Was ist das Erschütterte in Vers 27?
Okay, wir schließen hier ab und beten gemeinsam zum Schluss. Stimmt.
