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Der Held aus Juda

02.12.1979

Advent als gelebte Erfahrung und Sterbebettfeier

Ich hoffe, liebe Gemeinde, dass Sie verstehen, wie man Advent richtig feiert. Gestern haben wir ja einen so schönen Adventsabend miteinander verbracht. Wenn man mitten aus der vollen Woche herauskommt und plötzlich in diese Festesfreude eintaucht, merkt man, dass all das, was dazugehört, nicht unwesentlich ist.

Die Kerzen, die wir anzünden, die Tannenzweige, die wir auflegen, das Gebäck, das wir einander reichen, die Lieder, die wir singen – all das gehört dazu. Doch heute möchte ich Ihnen von einer Adventsfeier erzählen, in der all das gar nicht vorhanden war, weil es dort einfach nicht hineinpasste. Und dennoch war es eine Adventsfeier, die viel intensiver war als viele, wie wir sie wohl feiern mögen.

Diese Feier spielt sich an einem Sterbebett ab. Sie haben richtig gehört: Ein alter Mann, dessen Augen schon dunkel geworden sind, bettlägerig, feiert Advent. Es ist der alte Jakob in Ägypten. Seine Söhne treten an sein Sterbebett.

Zuerst kommt Joseph mit seinen beiden Söhnen an das Bett. Der alte Jakob weiß um das Wunder der göttlichen Erwählung. Als der Vater den Erstgeborenen bevorzugen will, weil er denkt, er sehe nicht mehr so genau, widersetzt sich Jakob. Er sagt: „Nein, den anderen will ich segnen.“ Hellwach gibt er seinen Segen weiter.

Dann tritt Juda vor an das Sterbebett des alten Jakob. Juda ist ein Mensch mit einer schrecklichen Lebensgeschichte. Auch in seinem Leben finden sich Spuren von Eigenmächtigkeit und Sünde. Eine schreckliche Blutschande ist geschehen. Doch als er unter den Segen Gottes tritt, ist all das ausgelöscht. Es ist vergeben und vergessen, dass er einst auch dabei war, als der Bruder verkauft und verraten wurde – Joseph, der in den Brunnen gesteckt wurde.

Juda wird bestimmt nicht deshalb hervorgehoben, weil er später sein Leben für Benjamin riskiert hat. Vielmehr ist es das freie Wählen Gottes, sein unbegreifliches Erbarmen. Es liegt nicht an jemandem das Wollen oder Laufen, sondern allein an Gottes Erbarmen.

Die Verheißung des kommenden Helden

Ich möchte Ihnen in diesen vier Adventssonntagen vier Adventserwartungen des Alten Testaments vorstellen. Die erste lesen wir heute am Sterbebett Jakobs, im Segen über Juda, 1. Mose 49,10. Es ist hilfreich, wenn Sie eine Bibel dabei haben, damit Sie mitlesen können.

Der Text ist etwas kompliziert, denn er enthält Worte und Bilder, die den meisten nicht sofort vertraut sind. Dort heißt es: „Das Zepter wird nicht von Juda weichen, noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis dass der Held kommt, und ihm werden die Völker anhangen. Er wird seinen Esel an den Weinstock binden und seine Eselin an die edle Rebe. Er wird sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut.“

So wollen wir heute versuchen, diesen Text zu verstehen. Wir wollen die Bibel immer tiefer ergründen und herausfinden, was sie uns sagen will. Weiter heißt es: „Seine Augen sind dunkel von Wein und seine Zähne weiß von Milch.“

Herr, erkläre uns dein Wort! Amen!

Je mehr wir in der Bibel zurückblicken, vor allem ins Alte Testament, desto mehr wird deutlich, wie durch die lange Weltgeschichte hindurch die Erwartung auf Jesus, den kommenden Heiland, in den Vätern des Glaubens lebte.

Das Volk Israel musste viele schreckliche Katastrophen durchstehen: die babylonische Gefangenschaft, Kriege, Hunger, Unterdrückung und Armut. Doch die Augen Jakobs blicken weit hinaus.

Er wird dabei fröhlich und zuversichtlich, denn er sieht den Heiland, den Erlöser kommen.

Die Bedeutung des Einzugs Jesu in unser Leben

Wir Christen sind oft so hartgesottene Menschen. Das Schlimmste daran ist, dass man sich daran gewöhnt und immer wieder denkt: Ja, er will bei mir einziehen.

Wissen Sie noch, was es bedeutet, wenn dieser Herr Jesus Christus in unser Leben einzieht? Wenn wir die Tore weit öffnen und die Türen in der Welt hoch machen, damit der König der Ehren einziehen kann?

Dieses Wort, dieser Segen, den Jakob über Juda spricht, soll uns heute am ersten Advent begleiten. Ich möchte drei Beobachtungen aus diesem Wort ableiten.

Er hat einen unaussprechlichen Namen. Wenn Sie das Wort noch einmal betrachten, merken Sie, dass Jakob von einem Helden spricht, den er erwartet. Ein Held, der kommen wird. Von Juda soll das Zepter nicht weichen, noch der Stab des Herrschers von seinen Füßen, bis der Held kommt, und ihm werden die Völker anhangen.

Das Volk Israel bestand aus zwölf Stämmen, und einer dieser Stämme war Juda. Es war in der Erwählung Gottes festgelegt, dass ausgerechnet der Stamm Juda – obwohl er am Anfang nicht einmal über eine repräsentative Hauptstadt verfügte, denn Jerusalem wurde erst zur Zeit Davids erobert – die politische Führungsrolle im Stämmeverband Israels übernehmen sollte. Ein unerklärliches Geheimnis der göttlichen Wahl.

Die Führungsrolle Judas und das Geheimnis des „Schilo“

Nun zieht Jakob voraus: Diese lange Geschichte der Führungsrolle Judas in Israel war eine Geschichte der Untreue der Könige, die berufen waren. Es war eine Untreue derer, die als Gesalbte Gottes in ihr Amt gestellt wurden.

Jakob sagt, dass dies so lange geht, bis der Held komme, bis derjenige komme. Die ganze lange Weltgeschichte sieht er hindurch durch die Untreue der Menschen, und dann kommt der Erwählte und Verheißene. Es ist auch wirklich so geschehen.

Die Namen der anderen Stämme sind zurückgeblieben, und heute nennen wir jeden Angehörigen des Volkes Israel einen Juden. Ursprünglich war das nur der Name eines Stammes. Später wurde daraus das Königreich um Jerusalem, Judäa, zur Zeit Jesu.

Diese Führungsrolle dieses Stammes Juda bestand, bis der Held komme. Man muss erklären, dass dies eine der dunkelsten Stellen ist, die wir in der Bibel haben. Es gibt eine Fülle von Büchern, die in der alttestamentlichen Auslegungsliteratur darüber geschrieben wurden. Wenn man ehrlich sein will, muss man sagen: Diese Stelle ist nicht zu übersetzen.

Das liegt daran, dass das Wort, das hier für „Held“ steht, auf Hebräisch „Schilo“ heißt. Dieses Wort kommt nirgendwo sonst in der Bibel vor. Wenn ein Wort nirgendwo sonst vorkommt, weiß man nicht, was es bedeutet. Man hat kein Beispiel, von dem man es ableiten kann. In der Bibel ist es ein völlig einmaliges Wort.

Warum gebraucht Jakob dieses Wort „Schilo“? Nun, verschiedene Ausleger haben versucht, das zu erklären. Einige dachten, wahrscheinlich habe sich jemand einmal verschrieben, und so versuchten sie, es als „Schiloa“ zu übersetzen, wie der Name eines Teichs. Andere deuteten es als „der Gesandte“ und probierten alle möglichen Deutungen, um diesem Wort einen Sinn zu geben.

Besonders schwierig ist, dass im Hebräischen nur die Konsonanten geschrieben werden, nicht die Vokale. Dadurch gibt es viele Variationen. Wenn wir ehrlich sein wollen, gibt es keine richtige Übersetzung dieses Wortes.

Bei meiner Suche nach einer Erklärung, warum Gott uns das so gibt, bin ich auf einen Ausleger gestoßen, der ganz einfach sagt: Wenn man jemanden lieb hat, dann erfindet man auch Namen.

Der alte Jakob, im Sterben liegend, sieht Jesus, den kommenden Heiland. Er sagt, da gibt es gar keinen Namen, da muss man einen dafür erfinden. Es ist so unvergleichlich, ein Name über alle Namen.

Dann preist er diesen Kommenden, den er nur im Glauben sieht, denn seine irdischen Augen sind schon dunkel geworden. Er sieht den kommenden Heiland und preist ihn als diesen „Schilo“.

Tatsächlich klingen in den Konsonanten dieses Wortes verschiedene Wortbedeutungen mit. Darum haben wahrscheinlich alle Ausleger Recht.

Es ist ein Name, in dem Jakob mehrere Bedeutungen zusammenfasste. Diese will ich Ihnen nun erklären, die in diesem Namen mitschwingen.

Der Held als Kämpfer und Befreier

Jakob preist ihn als den Helden. Das bedeutet, dass hier ein Kampf stattfindet. Jesus wird als der Kämpfer dargestellt, obwohl wir ihn doch als den Friedfertigen kennen.

Auch wenn ich es am letzten Sonntag schon einmal getan habe, möchte ich Ihnen noch einmal, weil es in unseren Tagen so aktuell ist, das Bild der Geiselnahme näherbringen. Es gibt kein besseres Bild für diese gefallene Welt. Der Tod und der Teufel, als Fürst dieser Welt, haben diese Welt in Besitz genommen. Sie halten die Menschen in einer Knechtschaft gefangen.

Und wir können uns noch so sehr bemühen, wir kommen aus dieser Geiselnahme nicht heraus – aus der Geiselnahme der Sünde und des Todes. Sie wissen, wie furchtbar traurig das Schicksal von Geiseln ist, die immer noch hoffen und warten. Sie hoffen, dass es einen Weg hinaus gibt, dass irgendwo doch noch eine Aktion erlaubt wird.

Wann wird sich Gott endlich erbarmen über diese Not? Wann wird er diese armen Menschen freisetzen? Das ist die Sehnsucht der Völker: Wann wird endlich Gerechtigkeit, Liebe und Frieden in die Welt kommen?

Da tritt Jesus in diese Welt als der Held, als kühner Held, der sein Leben an unserer Statt hingibt, damit die Geiseln frei werden. Die Stellvertretung ist der Schlüsselpunkt des Evangeliums. Ich darf fröhlich sein, weil Jesus für mich in den Tod gegangen ist, weil er für mich meine Schuld gebüßt hat. Darum bin ich frei, weil er für mich gestorben ist.

Und dann sehen wir den kühnen Helden am Ostermorgen aus dem Grab heraustreten und fröhlich rufen: Der Tod ist besiegt, der Tod ist verschlungen im Sieg!

Jetzt verstehen Sie, warum Jakob so ein Wort rief: „Auf Juda, von Juda wird das Zepter nicht weichen, bis der Schilo kommt, der Held.“

Der Herrscher über unser Leben

Aber in diesem Wort klingt noch etwas anderes mit. Es klingt bis zu dem, dem es gebührt, nämlich dem, der das Zepter hält und die Macht hat.

In diesen Adventstagen kann man so schön die Adventslieder singen und Jesus dafür zujubeln. Doch ich fürchte, das bleibt oft nur irgendwo in unserer Stimmungslage.

Gestern hörte ich in einem Gespräch eine Aussage, in der erzählt wurde, dass es immer wieder Auseinandersetzungen unter Christen darüber gibt, wie sehr man den Willen im Glauben betonen sollte. Es geht darum, wie wichtig es ist, dass man selbst seinen Willen einsetzt, um Jesus Christus zu dienen.

Das ist ja nicht nur eine Frage der Stimmung, sondern ein Entschluss. Ich möchte mein Leben Jesus ausliefern, er soll mein Herr sein. Das ist der Schlüsselpunkt sogar der Adventsverheißungen. Ohne diesen Entschluss wird kein Adventsfrieden bei uns einkehren.

Jesus kommt als der, dem die Herrschaft gehört – und zwar nicht nur über die Welt, sondern auch über unser eigenes Leben. Über unseren Willen, unsere Gedanken, unsere Entschlüsse und unsere Wünsche. Er will in unserem Leben der Herrscher sein. Dem gehört die Herrschaft. Das ist der Erwartete von Jakob.

Im Vers davor steht noch in dieser Weissagung über Juda: „Von dem Löwen aus Juda …“ Die Pilger nach Israel erinnern sich daran, dass an einem Tor der Löwe aus Juda als Zeichen dargestellt ist. Das ist auch heute noch für Israel die Erinnerung an dieses Kennzeichen, den Löwen.

Interessant ist, dass im Jakobssegen nicht der Löwe gemeint ist, der etwas blutig reißt, sondern in der alten Jakobsweissagung der Löwe, der nur Pflanzennahrung zu sich nimmt – der friedliche Löwe, der seine Beute nicht blutig holt.

Wir erinnern uns: Auch dieses Bild schwingt hier mit, bei dem, dem die Herrschaft gebührt.

In Offenbarung 5 wird erzählt, wie Johannes einen Blick tun darf. Ihm wird ein verschlossenes Buch gereicht. Johannes möchte dieses Buch unbedingt öffnen und weint darüber, weil es niemandem gelingt. Dieses Buch enthält die ganzen Geheimnisse der Weltgeschichte.

Was wird noch geschehen in der Weltgeschichte? Ist die Macht des Islam die antichristliche Macht? Oder ist es die große antichristliche Macht des Atheismus in all seinen Ideologien? Was ist es?

Johannes wollte das gern wissen. Doch dann heißt es: „Weine nicht, es hat überwunden der Löwe aus Juda.“ Das ist der, dem das Zepter gehört.

Ich möchte, dass Sie in diesen Tagen ruhig werden, egal was die Fernsehnachrichten verbreiten. Sagen Sie fröhlich: Es hat überwunden der Löwe aus Juda.

Wie Jakob, der sich im Sterbebett noch einmal aufrichtet und die segnenden Hände auf Juda legt, sieht auch Jesus, der kommende Heiland, auf uns. Dieser Herr der Weltgeschichte will bei Ihnen einziehen.

Der Ruhebringer und Friedensstifter

In dem Wort Schilo steckt noch eine tiefere Bedeutung. In verschiedenen Bibelübersetzungen und Auslegungen finden sich unterschiedliche Interpretationen. Eine davon verwendet der große Magister Helmut Frey, der in Bedel noch lebt, in seinem Kommentar. Er spricht davon, dass Jakob sagt: „bis der Ruhebringer kommt“. Dieses Wort „Ruhebringer“ könnte man auch übersetzen mit „der, der Sicherheit und Frieden bringt“.

Heute leben wir alle sehr friedlich. In Europa haben wir eine Zeit des Friedens, auch wenn es in Deutschland keinen offiziellen Friedensvertrag gibt. In unserem Leben erfahren wir eine große Ruhe. Doch wir wissen, wie trügerisch diese Ruhe sein kann. Es reicht ein Unglück, ein Krankheitsbefund oder eine Schreckensnachricht, die von der Polizei überbracht wird, und schon bricht unsere ganze Ruhe zusammen.

Viele Menschen um uns herum sagen dann: „Mein Leben ist sinnlos geworden.“ Außerdem kennen wir die große Unruhe des Gewissens. Man kann sein Gewissen zwar abtöten und zum Schweigen bringen. Aber wenn das Gewissen spricht, werden alte Dinge immer wieder aufgewühlt. Die Ruhelosigkeit kann sich auch nachts zeigen. Das ist nicht nur eine Nervenfrage, sondern zu einem großen Teil eine Gewissensfrage, die sich auf unseren ganzen Körper auswirkt.

Hier wird die Verheißung Jakobs über Juda ausgesprochen: „Bis der Ruhebringer kommt.“ Jesus möchte in diesen Tagen als der Ruhebringer zu den Menschen kommen. Er will ihnen Frieden und Sicherheit schenken, sodass sie sagen können: „Die alte Last meines Lebens – ja, das ist richtig. Ich stelle mich meiner Schuld, ich stelle mich meinen Versäumnissen, ich stelle mich den unrechten Dingen, die geschehen sind. Aber für mich starb Jesus, sein Blut bedeckt meine Schuld.“ Das kann mich nicht mehr unruhig machen, weil ich weiß, dass mir vergeben ist. Jetzt darf ich es vergessen.

Und was wird kommen, wenn ich vor das Gericht trete? Nein, er ist meine Ruhe, er ist mein Friede! Vor uns steht die große Einladung Jesu: „Kommt her zu mir, alle, die ihr mühselig und beladen seid. Ich will euch erquicken. Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen.“

Das Wort „Seelen“ hier ist kein altmodisches Wort. Es entspricht dem, was heute bei einem Psychiater mit „Psyche“ gemeint ist. Dann wird ihre Psyche heilen, wenn sie in diesen Adventstagen dieses Wort hören, das Jesus, der einziehende Heiland, ihnen zuruft: „Für dich in den Tod gegeben, für dich gestorben.“ So darf ich ihnen jetzt den Frieden zusagen und die volle Ruhe, die er bringt.

Jesus ist der Name über alle Namen, ein unaussprechlicher Name. Schon im Alten Testament leuchtet das auf. Diese gewaltigen Adventsverheißungen deuten ganz andeutungsweise darauf hin. Sie überspringen das ganze Königtum Davids und seiner Nachfolger und weisen auf Jesus hin.

Die Anziehungskraft des kommenden Königs auf die Völker

Das zweite: Die Völker der Welt drängen zu ihm hin. Da lebt ein Jakob in Ägypten. Es war eine Gunst des Pharao, dass er dem alten Vater Josephs, der ja zu Amt und Würden gekommen war, noch Nachkommen ins Land Gosen ließ.

Jakob blieb ein Fremdling in Ägypten. Sie wissen ja, wie bald darauf die Ägypter diese Israeliten drängten und zu einer schrecklichen Geburtenkontrolle schritten. Alle jungen Buben, die geboren wurden, wurden umgebracht. Sie litten grausam.

Wie hat Israel in dieser Völkerwelt gelitten! In der Offenbarung wird ein Bild für die Völkerwelt gebraucht. Das wird uns auch in diesen Tagen wieder ganz verständlich: wie ein kochender Topf. Ein Topf, in dem es sprudelt, quirlt und heiß ist, wo man immer denkt, das läuft über. Wenn man in die Welt hineinsieht und den Blick von der Bibel bekommt, sieht man ein brodelndes Völkermeer.

Man weiß nicht, wo die Nationen gegeneinander schlagen, wo sie sich entzweien und was in diesem siedenden Topf alles geschieht. Jakob sieht in diesen unheimlichen Wogen die Fülle der Völker, in diesen Völkerwanderungen, in diesen Kriegen und Auseinandersetzungen, in diesen schrecklichen Mordbewegungen, die durch die Weltgeschichte gehen, eine wunderbare Bewegung.

Die Weltvölker hängen sich an den, den er da Schilo nennt, an diesen Helden, an den Ruhebringer. Sie hängen sich an ihn hin. Für einen Christen ist die Mission, die Weltmission, etwas Wunderbares, weil dies eine große Bestätigung und ein Zeichen für den Glauben ist.

Das tun wir nicht nur, weil wir hier eine Tätigkeit finden, in die wir unser Geld und unsere Kraft investieren können. Es ist vor allem deshalb wunderbar, weil es nichts Schöneres gibt, als zu erleben, wie fern in Asien oder Afrika Menschen plötzlich unter der Predigt des Evangeliums aufwachen und Jesus preisen.

Der alte, sterbende Jakob – sehen Sie den springenden Punkt, um den es geht: „Sie werden an ihm hängen“, heißt es hier, „und die Völker werden ihm anhängen.“

Ich habe große Sorge, dass bei uns in Deutschland die Frage der Kirche eine viel zu große Rolle spielt. Gerade in diesen Tagen hört man es von großen Repräsentanten immer wieder, auch von unserer Kirche: Die Zugehörigkeit zur Kirche mache unser Heil aus.

Vor wenigen Tagen ist es wieder gesagt worden: „Außerhalb der Kirche gibt es kein Heil.“ Ich weiß nicht, wie dieses Wort überhaupt verstanden sein soll. Es gibt Freikirchen, Gruppen und Gemeinschaften. Darin steht für mich das Heil nicht, und ich will darin von der Bibel unterwiesen werden.

Darum brauchen Sie eine Bibel in der Hand, um zu prüfen, ob das stimmt, ob das eine biblische Aussage ist: dass die Kirche uns das Heil garantiert. Die Völker werden Jesus anhängen, in welcher Kirche und Kirchengemeinschaft auch immer. Uns geht es nicht um diese Formationen.

Und es sind Brüder und Schwestern – aus welcher Konfession sie auch kommen –, wenn sie Jesus anhängen. Ich kann noch so sehr zu einer Kirche gehören: Was will ich denn im Sterben, wenn ich nicht an Jesus hänge? Was will ich denn haben in dieser Todesstunde, wenn ich nicht Jesus habe, der mich hindurchträgt, seine starke Hand, die mich hält?

Und das ist so groß, wie dieser Jakob es schon sah. Ach, was war das? 1700 Jahre vor der Geburt Jesu sah er diese große Bewegung. Und wann ist denn die große Weltmissionsbewegung erst eingetreten? Im achtzehnten, neunzehnten Jahrhundert. Da waren es Handwerksboten, die hinausgingen in den Missionsdienst, und Menschen, die das Evangelium predigten.

„Sie werden ihm anhängen.“ Ich möchte Sie bitten: Werden Sie in Ihrem Glauben nie von Menschen abhängig, wer es auch ist. Werden Sie nie von Predigern abhängig, nie von Richtungen. Werden Sie von Jesus von Mal zu Mal mehr abhängig, weil das das Heil ist.

Das ist die große Weissagung in diesen Adventstagen, wo die Weltvölker sich aufmachen und sich um ihn drängen. Und das verspreche ich Ihnen: In der Ewigkeit wird kein Name einer Kirche mehr erwähnt. Dort wird nur noch das Lamm, der gekreuzigte Jesus, der auf dem Thron sitzt, angebetet.

Und dann wird gerufen: „Er hat uns hindurchgebracht, er war die Kraft.“ Ich bin mit Freuden Glied meiner Kirche. Aber gerade darum, weil das die Tradition meiner Kirche ist, gilt: Allein das Hängen an Jesus selig macht und sonst nichts.

Die Verheißung der neuen Schöpfung und Festesfreude

Und noch ein letztes Mal möchte ich das Wort von der großen Festesfreude erklären. Ich habe lange überlegt, ob ich es noch hinzufügen soll, denn es wird nun vielleicht ein bisschen trocken. Doch Bibellesen ist niemals wirklich trocken.

Immer wieder treffe ich Christen, die bei mir eine unterentwickelte Seite entdecken und mich darauf aufmerksam machen – das sind die Tierfreunde unter uns. Ich will im Pfarrhaus keinen Hund halten, sonst kommen die Leute nicht mehr aus Angst. Sie bekommen dann verrissene Hosen, wenn sie ihn besuchen.

Es ist merkwürdig, wie die Bibel in großer Offenheit davon spricht, dass das Kommen des Weltheilands mit einem Frieden in der Natur verbunden ist. Dabei gibt es eine Seite in der Bibel, die wir nicht unterschlagen dürfen: die leidende Schöpfung wird begriffen.

Ich denke, wir sollten hier streng biblisch bleiben. Es geht nicht um moderne grüne Programme oder Ähnliches. Es geht um die große biblische Linie, in der erzählt wird, dass der kommende Schilo – dieser Heiland, dieser Ruhebringer – seinen Esel an den Weinstock anbindet.

Jetzt passiert etwas Merkwürdiges. Wir haben immer ein paar Leute aus Untertürkheim hier, die sich wahrscheinlich auskennen. Wenn man einem Esel einen Weinstock hinbringt, frisst so ein Esel normalerweise einen halben Weinstock leer. Doch es wird erzählt, dass, wenn der Heiland kommt, der große Löser einer leidenden Welt, der Esel nicht mehr den Weinstock abfressen wird, sondern er wird ruhen.

Da wird eine neue Natur kommen mit dem Heiland. Was bedeutet das? In der Bibel steht oft, dass in der neuen Welt Gottes auch Tiere sein werden. Das ist die unterentwickelte Seite bei mir.

Für mich persönlich müssen in der Ewigkeit keine Katzen und keine Kanarienvögel sein. Ich könnte darauf verzichten. Aber unser Herr offenbar nicht. Das gehört zur schönen Weltschöpfung dazu.

Wenn der Löwe liegt und das Säugling am Loch der Natter spielt, ohne von der Giftschlange gestochen zu werden – wie wunderbar ist das! Voller Frieden, wo der Löwe Stroh frisst und mit Lust. Wo das Reisen und Kämpfen in der Natur aufhört.

Diese Natur, die wir draußen sehen, ist eine Natur, die mit hineingerissen ist in den Fall, weg von Gott, in den Sündenfall, und die mitleidet. Der Weltfriede taucht da auf.

Darum ist es so schön, dass wir Christen Zeichen setzen dürfen für diese neue Welt. Nicht, dass wir sie selbst machen wollen, aber dass wir sagen: Wir leben schon von dieser Zukunft her. Wir haben einen Blick darauf, wie es einmal sein wird. Und darum freuen wir uns an diesen Dingen.

Dann steht da, dass er sein Kleid in Wein waschen und seinen Mantel in Traubenblut baden wird. Was ist das für ein unheimliches Bild?

Auch die Ausleger sagen, die Orientalen lebten viel realistischer. Das ist ein Zeichen des Überflusses, wenn man solch eine Traubenernte hat, dass man sie als Waschwasser benutzen kann. Der kommende Heiland bringt so viel mit, dass man die Kleider darin waschen kann.

Das ist im ganzen Alten Testament schon ein Bild der Reinigung unseres Lebens.

Nun wissen Sie, dass es im Alten Testament üblich war, Bilder so zu deuten, dass die Israeliten Freude daran hatten. Vielleicht sind wir verkümmert, vielleicht besteht unser Denken nur noch aus Geist und bloß aus akademischer Reife und Fülle. Die Orientalen hatten nicht viel mehr von der Natürlichkeit des Lebens eingefangen, wenn sie diesen kommenden Heiland schon sahen als den, der Vergebung bringt über das Volk.

Und dann ist das Bild ganz groß: Seine Augen sind dunkel von Wein. Das ist so anstößig, dass jetzt ein paar Protestierende die Kirche verlassen könnten – wie das Auge eines Zechers. Ein anstößiges Bild.

In der Bibel ist es ein Bild der großen Festesfreude, wo voll eingeschenkt wird am Tisch. Seine Zähne sind weiß von Milch, von bester Nahrung, die auf dem Tisch steht.

Da lädt uns der Heiland ein an seinen Tisch und sagt: Kommt, ich decke euch den Tisch, ich teile mit meinen Gaben aus.

Ich wollte Ihnen das nicht unterschlagen, weil das auch zu den Advents- und Weihnachtstagen dazugehört: diese Geschenke, die wir einander austeilen, diese Mahlzeiten, die wir zubereiten.

Da kann einer kommen und sagen: Alles Humbug, alles Kram, weg mit dem Zeug, braucht man alles nicht, verkauf’s lieber und schenk den Armen in der Welt. Und das ist schon eine Vorwegnahme der großen Festesfreude, wenn wir einmal mit ihm in der Herrlichkeit das Mahl feiern.

So kommt Jesus zu uns, der uns Festesfreude geben will.

Ich wünsche Ihnen eine gesegnete Festzeit. Amen.