Unser Predigttext steht im Galaterbrief 5,1-15.
Freiheit durch Christus und die Gefahr der Knechtschaft
Zur Freiheit hat uns Christus befreit. So steht nun fest, und lasst euch nicht wieder unter das Joch der Knechtschaft zwingen.
Seht, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch dem Ritus der Beschneidung unterzieht, wird euch Christus nichts nützen. Noch einmal bezeuge ich jedem, der sich beschneiden lässt, dass er verpflichtet ist, das ganze Gesetz zu halten.
Ihr habt Christus verloren, die ihr durch das Gesetz gerecht werden wollt, und seid aus der Gnade herausgefallen. Denn wir warten im Geist durch den Glauben darauf, dass unsere Hoffnung auf Gerechtigkeit erfüllt wird.
Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas. Wir können alle Zeremonien und religiösen Bräuche einsetzen, aber entscheidend ist der Glaube, der durch die Liebe tätig ist.
Ihr liefet so gut. Wer hat euch aufgehalten, dass ihr der Wahrheit nicht mehr gehorcht? Diese Überredung kommt nicht von dem, der euch berufen hat. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.
Ich habe das Vertrauen zu euch im Herrn, dass ihr nicht anders gesinnt sein werdet. Der aber euch verwirrt, der wird sein Urteil tragen müssen, es sei, wer er wolle.
Wenn ich aber, liebe Brüder, die Beschneidung noch predige, warum leide ich dann Verfolgung? Dann wäre ja der Anstoß, den das Kreuz erregt, beseitigt. Sie sollten sich doch lieber gleich beschneiden lassen, die euch aufhetzen.
Ihr aber, liebe Brüder, seid zur Freiheit berufen. Nur seht zu, dass ihr durch die Freiheit nicht eurer Selbstsucht Raum gebt. Vielmehr diene einer dem anderen in Liebe.
Denn das ganze Gesetz findet seine Erfüllung in dem einen Gebot: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Wenn ihr euch aber gegenseitig beißt und fresst, dann seht zu, dass ihr euch nicht miteinander auffresst. Das heißt hier, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet.
Herr, erkläre uns auch dieses scharfe Wort. Amen!
Die Entdeckung eines neuen Kontinents im Glauben
Im Jahr 1506, das ist schon lange her, wurde in Spanien ein Großadmiral zu Grabe getragen. Er war ein Ausländer. Zwischen Ausländern gibt es ja oft Rivalitäten. Er stammte aus Italien, war aber in seinem neuen Heimatland Spanien sehr anerkannt.
Dieser Mann war einer der größten Entdecker der Neuzeit: Christoph Kolumbus. Er unternahm vier große Seereisen nach Westen und entdeckte dabei Neuland. Doch als Kolumbus beerdigt wurde, wusste er selbst nicht genau, was er wirklich entdeckt hatte. Er war der Meinung, er hätte nur eine neue Route nach Indien gefunden.
Trotzdem war er ein gefeierter Mann. Man pries ihn, lobte ihn, und er war ein gefeierter Mann ohnegleichen. Doch was seine Entdeckung wirklich wert war, das hat er nie erfahren: dass er einen neuen Kontinent entdeckt hatte – ein weites, unermessliches, reiches Land. Das hat er nicht bemerkt, das hat er nicht erfahren.
So kommen mir manchmal Christen vor, die viel über Jesus wissen. Jeder weiß, dass Jesus den Tod am Ostermorgen besiegt hat – das ist eine Neuigkeit. Wir kennen seine ungeheure Liebe zu uns. Er hat sein Leben für uns geopfert. Wir sind erfüllt davon, wissen, dass Jesus alles für uns tut, und dürfen zu ihm im Gebet rufen.
Aber ich behaupte: Die meisten Christen sind sich nicht bewusst, dass sie längst noch nicht alles entdeckt haben. Wenn wir von Jesus reden, dann ist das für uns nicht nur eine neue Route der Frömmigkeit, des Glaubens, der Religion. Für uns ist das ein ganz neuer Kontinent – ein Land unermesslichen Reichtums, ein großes Gebiet, das sich uns eröffnet.
Darüber möchte ich heute Morgen mit Ihnen sprechen.
Das Neuland des Glaubens entdecken
Zuerst entdecken Sie dieses Neuland! Das könnten Sie jetzt abstreiten und sagen, Sie glauben schon, dass Sie ziemlich gut Bescheid wissen über Jesus Christus. Vielleicht haben Sie sogar im Gegenteil die Angst, dass hier in der Ludwikowacken Kirche manchmal zu stark der Akzent auf Jesus gelegt wird.
Ich muss Ihnen sagen: Nein, im Gegenteil, wir haben das große Neue noch gar nicht richtig entdeckt. Vielleicht liegt das daran, dass wir zu sehr mit all den frommen Sätzen aus unserer Kindheit aufgewachsen sind.
Paulus war von Haus aus ein Mann, der in anderen Traditionen aufwuchs. Er war sehr fromm, sehr eifrig, und er wusste, was alle Menschen eigentlich auf dieser Welt wissen müssten: Wir Menschen müssen ringen und kämpfen, damit wir uns befreien von der unglückseligen Art, die an uns hängt. Wir Menschen haben, das weiß ja jeder, eine böse Lebensart, ein ungehorsames Herz.
Darum hat sich Paulus mit einem Eifer ohnegleichen dem Gesetz Gottes verschrieben. Er wollte gut sein. Und es gibt bis heute in jedem Menschen den Wunsch: Ich will anders sein, ich will gut sein. Das umschreibt Paulus immer wieder mit dem Gesetz. Das war seine Norm, an der er sein Leben ausrichten wollte.
Das ist doch in unserem Denken etwas Gutes, etwas Edles. Wenn wir heute in unserer Welt Menschen treffen, denen es wichtig ist, sich zu verbessern, die emporkommen und sich moralisch weiterentwickeln wollen, freuen wir uns doch darüber.
Aber dieser Paulus sagt: Ich habe erst entdeckt, was man an Jesus findet. Das können nur Leute richtig entdecken, die sich mit einem ganz großen Eifer dem Guten und dem Tun des Guten verschrieben haben.
Er hat entdeckt: Wenn ich zu Jesus komme, dann habe ich all das auf einmal erreicht. Dann bin ich ans Ziel gekommen. Dann habe ich all das gefunden, wonach mein Herz Verlangen hatte.
Das ist so eine ungeheure Nachricht. Da muss man fragen: Paulus, wie ist das in deinem Leben geschehen? Bist du wirklich ein anderer Mensch geworden? Was ist denn neu geworden?
Man liest das manchmal in Zeitungskommentaren, wie neulich in unserer Stuttgarter Zeitung. Dort wird ein wenig gespöttelt und gewitzelt über die Christen in Amerika, die sich als Wiedergeborene bezeichnen.
Was ist denn das neue Erlebnis derer, die etwas in Christus entdeckt haben? Was ist dieses Geheimnis, was ist dieses Neuland?
Paulus hat nur das eine entdeckt: dass er vor Gott nicht gerecht sein kann. Er schafft das gar nicht. Aber dass ihm Jesus all seine Schuld durchstreicht, dass das alte Leben in dem Augenblick ausgelöscht ist und er mit Christus ein neuer Mensch, eine neue Persönlichkeit geworden ist – durch die Glaubensverbindung, durch das Vertrauen zu Jesus Christus.
Das ist eine ungeheure Nachricht für Paulus gewesen. Er sagte dann: Dann habe ich ja alles schon entdeckt, dann ist ja alles schon gut geworden in meinem Leben.
Er spricht in den größten Worten davon: Dann habe ich Frieden mit Gott durch Jesus Christus. Dann muss ich nicht mehr ringen und kämpfen, dann bin ich ans Ziel gekommen.
Es gibt wunderbare Lieder in unserem Gesangbuch, die das besingen:
Herr, mein Herr, Brunn aller Freuden, du bist mein, ich bin dein. Niemand kann uns scheiden. Wir gehören jetzt so fest zusammen, dass wir gar nicht mehr auseinandergerissen werden können.
Die Freiheit in Christus und der Schutz vor eigener Kraft
Aber was hat das mit Freiheit zu tun? Paulus sagt: In dem Augenblick, in dem ich zu Christus komme und ihm vertraue, hat der Teufel keine Macht mehr über mich. Denn dann stehe ich unter der Hand Jesu, ich bin unter seinem Schutz. Ab diesem Moment beginnt mein Leben neu.
Ich muss das so deutlich sagen, weil es in unserem eigenen Leben viele Situationen gibt – prüfen Sie sich mal in den letzten Wochen –, in denen wir uns gezwungen fühlen, verkrampfen und denken, wir müssten gewisse Schwierigkeiten aus eigener Kraft lösen. Paulus spricht immer wieder von der Befreiung davon, einer Befreiung ohnegleichen.
Du schaffst es nicht allein. Du reißt dich nicht aus eigener Kraft heraus. Du kannst kämpfen und dich anstrengen, aber du wirst es nicht schaffen. Doch du darfst dich in die Hand Jesu geben und daraus wissen: Es ist alles gut geworden.
Das ist eine so anstößige Botschaft: Ist das wirklich so einfach? Wir haben bei unseren Freizeiten in Bergen ein Bild gewählt, das das ganz einfach ausdrückt. Es zeigt Bergwanderer, die eine steile Felswand hochklettern. Die Sonne brennt, und sie kämpfen mit aller Muskelkraft, um den Berg zu schaffen. Daneben sind einige, die sich in die Gondel setzen und mit der Seilbahn hochfahren.
So hat Paulus das Werk des Glaubens umschrieben: Wisst ihr, was ihr an Jesus habt? Das ist anstößig, sagen manche. Ihr macht es euch zu leicht. Aber Paulus sagt: Anders kommt man da nicht hoch.
Ich komme ja nicht zu Gott, indem ich mein Leben auf all den Wegen der Anstrengung verbessere. Am Ende meines Lebens bleibe ich ein Schuldner, der nicht bezahlen kann für das, was er vor Gott eigentlich zahlen müsste.
Nun aber habe ich Freiheit. Ich bin die Last meiner Vergangenheit los.
Die Tragik der Freiheit und die wahre Quelle der Freiheit
Man spricht in unseren Tagen viel von Emanzipation. Das ist die große Befreiungsbewegung. Wir wollen die Zäune niederreißen, die uns einengen. Es ist schön und wichtig, dass wir frei werden. Doch wir erleben auch die Tragik aller großen Freiheitsbestrebungen.
Es ist eine Schande, wie viele Worte des Lobes und der Anerkennung heute noch etwa für die große Freiheitsbewegung im Iran gesprochen werden. Man kann dies durch die Revolutionen nachvollziehen. Ob am Ende der großen gegenwärtigen Emanzipation der Jugend wirklich Freiheit steht, möchte ich allen Ernstes bezweifeln.
Darum ist es ernst zu nehmen, was Paulus sagt: Freiheit findet er, indem er zu Christus kommt. Da ist er auf einmal frei von der Angst. Das hat er bewährt, als man ihn ins Gefängnis steckte. Er konnte mitten in der Nacht noch Loblieder singen. Er war ganz ruhig, selbst als Menschen Böses mit ihm vorhatten und planten.
Dann sagte er: „Ich weiß, dass alles zum Besten dienen muss.“ Er war innerlich so frei und so gelöst von all den Dingen, obwohl die äußeren Schwierigkeiten gar nie gelöst waren. Wenn sie wirklich Freiheit suchen – bis hin zur äußeren Freiheit –, dann wissen Sie, dass ein christlicher Mensch auch in äußeren Bindungen, Lasten, Beschwerden und Leiden frei werden kann. Das geschieht durch das Neuland, das er in Jesus entdeckt, durch den Glauben.
Das macht frei von der Sorge: Jesus ist doch da. Ist das so einfach, so billig? Ja, so billig. So besteht nun die Freiheit, zu der Christus euch befreit hat.
Die Verteidigung des Glaubens gegen Verwirrung und Gesetzlichkeit
Ich komme zum Zweiten und verteidige das Neuland. Sie waren vorher sicher auch überrascht, wie scharf Paulus dort spricht. Das sind ja richtig böse Worte, er redet ganz heftig. Nun hat Paulus ja immer wieder dafür plädiert, dass wir sehr lieb sein sollten. Warum ist er hier denn gar nicht mehr lieb?
Weil es um die Sache geht. Paulus hat an dieser Stelle sehr scharf gesprochen, weil er sagt, dass sich an dieser Stelle keine Missverständnisse unter den Christen ausbreiten dürfen – gerade in dem, was wir in Jesus haben.
Ich habe immer so ein Bild von der Urgemeinde, dass sie sich nur ein Herz und eine Seele waren, sich geliebt und erfreut haben. Nein, an dieser Stelle, was wir in Jesus haben, waren sie unterschiedlicher Meinung – und das ist schlimm. Das zieht sich bis in unsere Tage fort. Christen sind an dieser Stelle nie einer Meinung.
In Galatien, und übrigens nicht nur dort, gab es eine große Gruppe von Christen, die sagten: Es ist ja schon recht, dass Paulus das so betont. Jetzt gibt es kein Verdammungsurteil mehr für die, die in Christus Jesus sind. Wir sind frei geworden vom Gesetz der Sünde. Er stellt das sehr stark in den Mittelpunkt seiner Verkündigung.
Aber man muss auch das andere betonen: das Tun. Denn wenn man nämlich nur immer von Jesus spricht, dann werden die Leute ganz träge. Am Ende machen sie überhaupt nichts mehr, legen die Hände in den Schoß und werden faul. Darum haben diese anderen sehr stark das Tun in den Mittelpunkt ihrer Verkündigung gestellt.
Sie griffen also wieder zurück auf das mosaische Gesetz und sagten: Da steht ja so viel drin, was ein Christ tun muss. Sie betonten die Zeremonien und Handlungen, aber auch die ganzen Forderungen. Die Predigten wurden sehr gesetzlich. Sie sagten: Du musst mehr opfern, du musst mehr leben, das ist alles sehr wichtig.
Und wenn man das hört, muss man sagen: Die haben ja auch Recht. Man kann ja nicht bloß so sagen, es fällt mir alles in den Schoß. Nun ringt Paulus mit diesen Leuten. Er schreibt im Galaterbrief, dass sogar Petrus auf die anderen reingefallen sei.
Petrus war ja ein mutiger Mann. Sie wissen, dass er unter Bedrohung seines Lebens gesagt hat: Wir müssen Gott mehr gehorchen als den Menschen. Dafür ließ er sich sogar verhaften. Aber im Streit innerhalb der Gemeinde wurde er weich und kuschte.
Er schloss einen faulen Kompromiss, sagte: Ja, das eine und das andere gehört zusammen, und dann rührte er einen Brei. Er meinte, das sei gut. Später hat er dafür Buße getan. Paulus legte sehr viel Wert darauf, diese Dinge ganz klar vor der Gemeinde auszubreiten.
Da müssen wir fragen: Was ist da in der Urgemeinde geschehen? Wir könnten uns sehr wohl darüber unterhalten und zuhören, wenn jemand sagt, das Tun ist wichtig, wir müssen etwas tun. Aber wir müssen fragen: In welcher Kraft können wir etwas tun?
Es ist eben doch ein Holzweg, wenn ein Christ versucht, über seine eigene Anstrengung etwas Neues zu erreichen.
Die Kraft des Glaubens als Grundlage für das Tun
Ich möchte es an einem ganz aktuellen Beispiel erläutern. Ich habe Ihnen einen Auszug aus einem Brief von Doktor Pflüger abgedruckt. Er hat darin auch noch etwas anderes geschrieben: Man solle immer wieder fragend an die Arbeit herangehen, die man tue.
Wenn es so einfach wäre, dass die Zahl der geheilten Armbrüche den Erfolg garantiert, dann wäre es einfach. Vor Gott zählt jedoch ein anderes Maß, und genau hier hat er den Nagel auf den Kopf getroffen. Meine Werke sind es doch nicht. Ich weiß ja gar nicht, ob Gott dazu Ja sagt, ob das seinen Segen hat.
Wir leiden immer wieder daran, dass wir auch heute unser Tun völlig überschätzen. Bis hinein in unsere Tage geht dieser Streit der Urgemeinde. Es wird so viel vom Tun geredet, und wenn wir ehrlich sind, wird auch heute gerade von Christen so erbärmlich wenig getan. Selbst im Vergleich mit anderen Generationen müssen wir uns schämen.
Das mit dem Tun ist eine ganz wackelige Sache. Darum hat Paulus so großen Wert darauf gelegt und gesagt: Lasst euch doch nicht verwirren durch die, die wiederkommen und euch nun das vorne hinhalten. Sondern wir warten im Glauben durch die Gerechtigkeit, auf die man hoffen muss (Römer 8,4-5).
Er sagt, wir können das Neue nur vollbringen, wenn Christus uns segnet. Jede Tat hat nur Sinn, wenn sie aus Glauben kommt. Sagen Sie nicht zu schnell: Ja, das ist selbstverständlich! Denn das ist das Entscheidende, ob ich aus der Verbindung mit Christus handle.
Und bringen Sie nicht wieder das Zerrbild, indem Sie sagen: Ja, aber dann tun Sie eben nichts und legen die Hände in den Schoß. Nein, ich bin ja glücklich, wenn ich etwas tun kann. Sie sind doch froh, wenn Sie in den kommenden Tagen etwas bewirken können.
Ich darf Ihnen heute dies zusprechen: Wenn Sie Ihr Leben in die Hand Jesu stellen, auf ihn blicken und ihm vertrauen, wird in der Stille Ihrer Lebenshandlungen Gott wirken können. Das wird oft übersehen. Das ist die große Tat des Glaubens in unseren Tagen. Das war es auch, was Christen immer wieder vollbracht haben, über Jahrhunderte am Rande der Beobachtung.
Paulus sagt, lass das Gesetz beiseite und wir sollten einen Abscheu bekommen vor allen Appellen, die uns immer wieder erreichen – vor den Aufrufen, dies und jenes zu tun. Es bleibt so einfach: Glaube und lebe, Glaube und lebe. Dann wird die Kraft Christi in unserem Leben lebendig sein können.
Darum ist es eben der erste und wichtigste Schritt, dass die Stille und das Gebet am Anfang des Tages stehen, dass Christus Raum gewinnt. Dann lass ihn wirken. Du wirst staunen, wie die Liebe Christi tätig ist. Das ist der Antrieb, das ist der Motor unseres Tuns.
Die Gefahr der Verwirrung durch falsche Lehren
Diese Gemeinden in Galatien hatten damals wundervolle Gottesdienste, und es waren viele Leute anwesend. Die Lehre der anderen Gruppen fand dort Anklang. Paulus sagt sogar, dass diese Lehre leichter akzeptiert wird als die Botschaft Jesu, des Gekreuzigten.
Er fragt: Warum soll ich noch das Ärgernis des Kreuzes predigen? Allein durch den Gekreuzigten, allein durch Jesus geschieht die Veränderung – nicht durch eure eigene Kraft. Und sagt nicht, dass das der Anfangspunkt sei und das Tun erst danach komme. Sondern allein durch den Glauben entsteht das neue Tun.
Glauben ist dabei nicht nur ein Denkakt. Aus der Liebe zu Jesus erwachsen die Werke der Diakonie. Aus Liebe zu Jesus, die im Glauben verwurzelt ist, haben Menschen ihr Leben geopfert und sogar um ein Taschengeld gewirkt. Aus Liebe zu Jesus haben Menschen die größten Taten vollbracht – aus Glauben.
Wenn in unserer Zeit das Tun fehlt, dann hilft nur das neue Glauben. Und das Neuentdecken dessen, was Christus für uns getan hat. Paulus warnt: Lasst euch nicht verwirren. Wenn ihr nur ein bisschen Sauerteig in euch habt, dann wirkt dieser und durchsetzt alles andere.
Ihr müsst den Schwerpunkt ganz allein auf die angebotene Gnade in Christus legen. Wenn ihr beides immer wieder vermischt und verdreht, werdet ihr merken, dass ihr Christus verloren habt. Ihr habt die Gnade verloren, die wunderbare Zuneigung Gottes in eurem Leben. Dann fehlt der große Antrieb, der euer Leben kennzeichnet.
Bewahrt die Freiheit, zu der euch Christus befreit hat. Lasst euch nicht wieder in dieses „Muss“ hineinjagen. Denn aus menschlichem Willen und Appellen kommt nichts hinzu.
Der einfache Weg zur Freiheit im Glauben
Ich möchte dazu einen aktuellen Bezug herstellen. Es geht nicht nur darum, heute etwas zu tun, sondern es gibt auch heute viele Bemühungen, die immer wieder betonen: Glaube ist wichtig, aber man muss sich auch richtig darauf vorbereiten. Es gehört etwas vom Menschen dazu.
Lassen Sie sich nicht einreden, der Weg zur Erneuerung unseres Lebens und zur Freiheit sei kompliziert. So einfach, wie Menschen zu Jesus gekommen sind und vor ihm niedergefallen sind, so einfach ist dieser Weg geblieben. Dort darf ich kommen, glauben, vertrauen und wissen, dass dann das Neue geschieht.
Es gibt nichts Höheres und keine weiteren Stufen, die man erreichen könnte. In diesen Tagen wird oft viel Wert darauf gelegt, was der Geist Gottes tut. Der Geist Gottes bewirkt nichts anderes, als dass er mir in meiner Not, dort wo ich mit meiner Sünde und meiner Unvollkommenheit ringe, immer wieder Christus zeigt.
Er lässt mich erkennen, dass ich mich freuen darf, weil er mich angenommen hat. Das darf ich täglich singen: Wie lange habe ich mühvoll gerungen, gesäufzt unter Sünde und Schmerz. Doch als ich mich ihm überließ, strömte sein Frieden in mein Herz.
Wir sind sehr notvolle Menschen. Wenn man uns ansieht, sind wir nicht vollkommen und gerecht. Wir warten im Glauben auf die Gerechtigkeit, auf die man im Geist hoffen muss.
Der Geist Gottes weist uns immer wieder darauf hin: Passt auf, dass nicht ein Tröpfchen falscher Lehre das verdirbt, was wir in Christus haben. Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig.
Das Neuland der Freiheit bewahren und die Gefahr des Ichs
Und noch das Letzte: Lasst das Neuland blühen, entdeckt das Neuland, verteidigt das Neuland! Es gibt immer wieder Streit um diese Sache. Lasst das Neuland blühen.
Paulus spricht von dem einen Feind, der immer wieder in diesem Neuland alles zerstören und zerreißen kann. Das ist der Feind, der Teufel, der Satan, der Zerstörer. Er verbündet sich mit einem Feld, auf dem er bei uns wirken kann – und das ist unser eigenes Ich.
Der Teufel hat seine schlimmste Bedrohung bei uns nicht durch äußere Einflüsse, sondern in uns selbst hat er so viel Macht. Paulus spricht vom Fleisch. Er meint damit unsere ganze Persönlichkeit – unsere irdische Persönlichkeit mit Geist, Seele und Leib. Diese nennt Paulus Fleisch. Sie ist so empfindsam und fordert ihr Recht. Wir sind schnell beleidigt, empfindsam und manchmal böse; so reagieren wir von unserer ganzen Art her. Mit dieser ganzen Persönlichkeit, die wir von Geburt an sind, verbündet sich nun der Feind. Der Teufel besetzt dieses Gebiet, und jetzt wirkt er in uns.
Paulus sagt: Passt auf, dass ihr durch die Freiheit nicht eurer Selbstsucht Raum gebt. In der neuen Luther-Übersetzung wird Fleisch immer mit Selbstsucht übersetzt. Das Wort trifft es nicht ganz, aber es gibt neue Aspekte, die uns helfen, es besser zu verstehen – nämlich eure Selbstsucht, euren Egoismus nicht Raum zu geben.
Dieses Neuland eines Christenlebens, des Glaubens an Jesus, wird immer wieder von innen heraus zerstört. Darum kennen wir den dauernden Kampf. Kaum sind wir zum Glauben gekommen, da geht es richtig los. In uns gibt es Regungen, die gegen Christus streiten. Da wollen wir unser Recht durchsetzen. Unsere Behaglichkeit, unsere Gemütlichkeit – wir wollen uns nichts bieten lassen, wir pausieren auf und leben unser eigenes Leben.
In unserer Zeit ist es besonders schwierig. Wie zur Zeit des Paulus, im ausgehenden Römischen Reich, war es nicht anders: Die Lust wurde zum Hauptkennzeichen eines erfüllten Lebens gesetzt. Das ist ganz gefährlich, weil gerade dort auch der Teufel seine Macht hat. Gott gibt uns Lust und Erfüllung, aber der Teufel gibt auch Lust und Erfüllung. Nur ist eine betrogene Lust nicht die wahre erfüllte Lust. An dieser Stelle werden heute so viele Christen irregeführt.
Darum sagt Paulus: Passt auf! Wir sind in ein Land der Freiheit hineingeführt und können wirken, weil Christus uns die alte Schuld weggenommen hat. Aber jetzt passt auf, damit nicht in diesen Freiraum wieder der Ich-Mensch einbricht – die Selbstsucht.
Paulus gibt ein ganz einfaches Kennzeichen, an dem man das prüfen kann: Er gibt die Liebe, die tätig ist und die dient. Ob ihr innerlich richtig steht, könnt ihr daran überprüfen, ob euer Leben überströmt ist von Liebe. Wenn ihr sie nicht habt, dann hilft euch keine Verkrampfung und keine Willensenergie, sondern nur eine noch viel tiefere Hinwendung zu Jesus. Sagt: Beherrsche mich!
Wie hat Gottfried Arnold in dem Lied gesagt, das wir gerade gesungen haben: Herz um Malme, brich, vernichte alle Macht der Finsternis, dieses eigene Ich, das sich immer wieder regt!
Da sind so viele Christen traurig und sagen: Ach, in mir gibt es so viele Regungen, und ich schäme mich richtig, was in meiner Phantasie, in meinem Willen und Wünschen auftaucht. Legt es doch vor Christus hin, damit er es auslöscht. Und gebt Raum seiner Liebe! Seine Liebe kann euch erfüllen und treiben.
Liebe – ihr habt recht – eine erfüllende, richtig lustbringende Liebe, die glücklich macht.
Beispiel Simson: Kraft und Schwäche im Glaubenskampf
Da möchte ich ein Beispiel aus der Bibel bringen, von einem großen Gottesmann, der im Alten Testament sogar als Heiland bezeichnet wurde: Simson. Er war ein Mann, der mit außergewöhnlicher Kraft begabt war.
Sie wissen ja, er hatte seine Schwachstelle. Immer wenn er Frauen sah, war er sofort fasziniert. „Sie gefällt meinen Augen“, dachte er, und dann war er nicht mehr zu bremsen. Er fiel auf die gemeinsten Betrügereien von Frauen herein – schlimmer als ein Baby, schlimmer, wie dumm ein Mensch sein kann.
Er hat sich dieser Bathseba ausgeliefert, die kein anderes Ziel hatte, als ihn den Philistern auszuliefern. Simson war ein Mensch, der von einer anderen Macht gesteuert wurde. Es wird eine ganze Zeit lang eine wunderbare Geschichte erzählt: Wie Bathseba ihn betrügt, und er dann ganz süß schlummernd im Schoß der Bathseba liegt.
Da bindet sie ihn mit neuen Stricken und ruft: „Philister, kommt her!“ Die Philister standen schon in der Nebenkammer und wollten ihn gefangen wegführen. Doch er zerriss die Stricke. Sehen Sie, das ist die Kraft des Glaubens, die Kraft der Freiheit.
Wissen Sie, dass Sie Stricke durchbrechen können im Glauben? Bindungen schlimmster Art.
Das Neuland der Freiheit zum Blühen bringen
Lasst dieses Neuland blühen – dieses Neuland der Freiheit, dieses neue Leben, das euch Christus erschlossen hat. Lasst es blühen, damit die Liebe darin wachsen kann. Eine ganz andere, neue Liebe – eine Liebe, die dient.
Wo wir aus dem Glauben kommen, da wird die Liebe überfließend unser Herz ergriffen haben. Dort wird Raum für den Dienst sein.
Wir können nur bitten: Herr, gieße deine Liebe in uns aus und gib uns einen so festen Glauben, dass wir mit dir ganz eng verbunden sind und neue Menschen der Tat werden. Amen.
