Einführung: Aufeinander Acht geben in der Gemeinde
Das Thema heute Abend lautet: Lasst uns aufeinander Acht geben – hab Acht auf deine Gemeinde.
Das gelingt besonders gut, wenn man sich auf einer Gemeindefreizeit befindet. Dabei hat man vielleicht einen etwas distanzierten Blick und kann das Gesagte besser für sich aufnehmen.
Ich möchte wieder mit einem Vers aus Hebräer 10 beginnen: Lasst uns aufeinander achten und uns gegenseitig zur Liebe und zu guten Taten anspornen. Wir sollen uns gegenseitig ermutigen, und zwar umso mehr, je näher der Tag rückt, an dem unser Herr kommt. Also habt Acht auf deine Gemeinde!
Dafür gibt es viele Bibelstellen. Zunächst möchte ich euch einige vorstellen. In 1. Timotheus 3,15 schreibt Paulus an seinen jungen Freund Timotheus, der zu dieser Zeit offenbar in Ephesus war: „Dies schreibe ich dir, damit du weißt, wie man sich im Haus Gottes verhalten muss, das die Gemeinde des lebendigen Gottes ist, die Säule und Grundfeste der Wahrheit.“
Vielleicht habt ihr darüber schon Predigten gehört. Paulus macht deutlich, dass es eine Hausordnung für die Gemeinde in Bad Ischl gibt. Denn das, was er Timotheus für Ephesus schreibt, können wir durchaus auf unsere Gemeinden anwenden.
Die Gemeinde als lebendiger Organismus und Auftrag
Und wenn wir uns bewusst machen – und das möchte ich heute Abend versuchen – was Gemeinde des lebendigen Gottes bedeutet, dann wird uns Gemeinde lieb. Gemeinde ist kein Pflichtprogramm, sondern, ja, ich möchte es mal so ausdrücken: Gemeinde ist der liebliche Gedanke des Herrn Jesus. Dafür hat er alles getan.
Natürlich hat er für jeden Einzelnen sein Leben gegeben, aber die Bibel sagt auch, dass er sich seine Gemeinde erkauft hat. Das sollte uns heute Abend vor Augen stehen. Wenn wir zur Gemeinde gehen, wenn wir zur Gemeinde gehören, dann ist das die Gemeinde des Herrn Jesus, die Gemeinde des lebendigen Gottes. Sie ist die Säule und die Grundfeste der Wahrheit.
Das würde keiner von uns wagen, von der Gemeinde zu sagen. Ihr werdet euch wahrscheinlich auch in Bad Ischl so vorkommen: Wer sind wir denn? Wir, ein paar wenige. Und wir sollen in Bad Ischl Säule und Grundfeste der Wahrheit sein? Da würde jeder sagen, das ist doch völlig übertrieben. Die gesamte Welt drumherum nimmt das überhaupt nicht wahr.
Aber ich glaube, es darf unser Selbstbewusstsein als Gemeinde stärken. Wenn wir später sehen, im 2. Thessalonicher 2, wenn Gott die Gemeinde wegnimmt, wird auf dieser Erde Chaos sein. Nicht weil wir so gut sind, sondern weil es seine Gemeinde ist, die dann weg ist.
Verantwortung und Struktur in der Gemeinde
Die zweite Stelle ist Apostelgeschichte 20,28. Dort ruft Paulus die Ältesten der Gemeinde in Ephesus nach Milet, um sich von ihnen zu verabschieden. Er weiß, dass er sie nicht mehr sehen wird. Dabei sagt er: „Habt Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in die der Heilige Geist euch als Aufseher gesetzt hat, die Herde Gottes zu hüten.“
Diese Aussage richtet sich hauptsächlich an die Verantwortlichen einer Gemeinde. Dennoch zeigt sie auch allen Gemeindegliedern deutlich, wie Gott seine Gemeinde sieht und dass er ihr eine bestimmte Struktur gegeben hat. Er hat Aufseher eingesetzt. Gleichzeitig wird hier klar, dass es Hirten sind.
Es ist interessant, sich mit diesem Bild zu beschäftigen. Heute ist der Beruf des Hirten eher nostalgisch. Doch wir empfinden das gerade wieder ganz neu. In unserem Stadtteilcafé haben wir als Stammgast einen ehemaligen Wanderhirten. Es ist faszinierend, ihm zuzuhören, was er mit seinen Schafen erlebt hat und welche Aufgaben Hirten haben.
Er ist über achtzig Jahre alt, aber wenn man ihn sieht, muss man ihn einfach liebhaben. So richtig, wie man sich einen Opa vorstellt: mit roten Bäckchen, weißem Haar und hellen Augen. Sobald man das Stichwort „Schafe“ sagt, beginnt er zu erzählen.
Er kommt inzwischen auch zur Gemeinde. Ich weiß nicht, ob er wirklich ganz hart ist, aber er ist von ganzem Herzen begeistert dabei. Er sagt, so etwas habe er in seinem Leben noch nie erlebt.
An ihm wird mir deutlich, welche Aufgaben die Ältesten einer Gemeinde haben, wenn es um die Herde geht.
Die Bedeutung der Lehre für die Gemeinde
Im dritten Vers, 1. Timotheus 4,16, sagt Paulus zu Timotheus: „Hab Acht auf dich selbst und auf die Lehre, verharre in diesen Dingen! Denn wenn du dies tust, so wirst du sowohl dich selbst retten als auch die, die dich hören.“
Hier spricht Paulus eine Verantwortung an jemanden aus, der in einer Gemeinde ebenfalls Verantwortung trägt. Er macht deutlich, dass die Lehre sehr wichtig ist, damit eine Gemeinde gut funktioniert und lebt. Deshalb sagt er: „Hab Acht auf die Lehre.“
Wir hatten uns heute Nachmittag bereits etwas mit diesem Thema beschäftigt.
Die fünf Worte Jesu über die Gemeinde
Wie würdest du deine Gemeinde mit nur fünf Worten beschreiben? Könnte ich euch das als Hausaufgabe mitgeben? Wisst ihr, dass der Herr Jesus seine Gemeinde mit fünf Worten beschrieben hat?
Nun, diejenigen, die ihre Bibel ein wenig kennen, wissen, dass der Herr Jesus nicht viel über die Gemeinde gesagt hat. Aber wir schlagen mal Matthäus 16, Verse 15 bis 18 auf.
Ihr seht, ich habe hier die fünf Finger einer Hand aufgezeichnet, damit wir uns die fünf Worte, mit denen der Herr Jesus die Gemeinde charakterisiert, leichter merken können.
Wir lesen in Matthäus 16, 15-18:
Er, der Herr Jesus, spricht zu seinen Jüngern: „Ihr aber, was sagt ihr, wer ich bin?“
Petrus antwortete und sprach: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“
Und Jesus antwortete und sprach zu ihm: „Glückselig bist du, Simon bar Jona, denn Fleisch und Blut haben es dir nicht geoffenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist.
Aber auch ich sage dir, dass du Petrus bist, und auf diesem Felsen werde ich meine Gemeinde bauen, und die Pforten der Hölle werden sie nicht überwältigen.“
Fünf Worte in diesem kurzen Satz, den Jesus hier sagt: „Ich werde meine Gemeinde bauen.“
Ich mache ihn etwas farbig und schreibe ihn aus grammatikalischer Sicht etwas anders: „Ich werde meine Gemeinde bauen.“ Fünf Worte.
Und ich möchte uns diese fünf Worte, die Jesus über seine Gemeinde sagt, vorstellen: „Ich werde meine Gemeinde bauen.“
Das ist sozusagen die „Fünf-Finger-Predigt“ des Herrn Jesus über Gemeinden.
Der Bauherr und Planer der Gemeinde
Jesus erklärt seinen Jüngern nicht nur das Wesentliche über seine Person. Zuvor hatte er sozusagen eine Meinungsumfrage bei seinen Jüngern gemacht: „Was sagen die Leute, wer ich bin?“ Sie hatten ihr Ohr am Volk und trugen verschiedene Meinungen zusammen. Dabei kamen eigenartige Ansichten zustande. Man sagte, er sei ein Prophet oder Johannes, oder dass er wie einer der auferstandenen Propheten sei.
Dann fragt Jesus: „Und was sagt ihr?“ Dabei verwendet er nicht „Was meint ihr?“, sondern „Was sagt ihr?“. Er will nicht ihre Meinung hören, sondern wissen, wovon sie überzeugt sind. Petrus antwortet: „Du bist Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Jesus bestätigt diese Aussage und macht deutlich: „Jawohl, ich bin Gott.“ Aus diesem Grund habe ich hier das Dreieck aufgezeichnet, das die Dreieinigkeit Gottes darstellt.
Jesus erklärt den Jüngern hier nicht nur das Entscheidende über seine eigene Person, sondern auch über sein besonderes Anliegen – seine Gemeinde. Er sagt: „Ich werde meine Gemeinde bauen.“ Mit diesen fünf Worten möchte ich versuchen, das, was Jesus auf dem Herzen hat, uns deutlich zu machen.
Er beginnt mit „Ich“. Das hatte er gerade zuvor durch Petrus erklären lassen: Wer er ist – der Sohn Gottes, der Messias, Gott selbst. Er ist der Bauherr, der Planer, der Architekt der Gemeinde. Das ist etwas Besonderes. Architekten planen vielleicht auch ihr eigenes Haus, aber meist planen sie für andere Bauherren.
Jesus ist für die Gemeinde der Bauherr, also der Auftraggeber. Er ist der Planer und der Architekt. Und wir werden gleich noch sehen, dass er es auch durchführt. Er ist also auch der Bauunternehmer. Und was hat man noch vom Beruf Bautechnik? Eben, das braucht man auch dafür.
Jesus sagt: „Ich baue meine Gemeinde.“ Das muss uns immer wieder deutlich werden: Nicht wir bauen Gemeinde. Es gibt viele Bücher über Gemeindebau, Tipps und Methoden. Jesus sagt: „Ich baue meine Gemeinde.“ Ihr könnt mir dabei helfen, aber ich baue.
Wenn der Architekt ein Haus baut, braucht er auch Helfer. Am Baustellenschild steht aber der Architekt. Dort steht nicht der einzelne Polierer oder der einzelne Maurer, sondern der Bauherr und der Architekt. Damit wird deutlich gemacht: Jesus ist der, der seine Gemeinde baut.
Der Wille und die Ausführung des Bauwerks
Das Zweite ist: Er sagt, ich werde meine Gemeinde bauen. Wenn der Herr Jesus etwas sagt, können wir uns darauf verlassen, dass er es auch tut. Wenn er sagt „ich werde“, dann kann nichts in dieser Welt ihn daran hindern. Wenn er sagt „ich werde“, dann bedeutet das auch „ich will das“. Und was er will, das wird getan. Du kannst also genauso gut das Wörtchen „will“ da hineinsetzen: „Ich will meine Gemeinde bauen.“
Jesus sagt sonst nur noch einmal, dass er etwas will. Wo? In Johannes 17,24: „Vater, ich will, dass die, die du mir gegeben hast, auch bei mir sind, damit sie meine Herrlichkeit schauen.“ Sonst sagt der Herr Jesus meistens: „Vater, dein Wille geschehe.“ Aber bei diesen beiden Dingen – beim Bau der Gemeinde und bei dem Wunsch, dass wir bei ihm sind – sagt er „Ich will“. Und wir können uns darauf verlassen, dass er es auch tut.
Das heißt, in diesem Moment ist der Herr Jesus der Bauunternehmer. Er ist also sowohl der Bauherr, der Planer, der Architekt, als auch der Bauunternehmer. Der Bauunternehmer engagiert Maurer, Verputzer, Gipser, Glaser usw. Und genau so ist es beim Bau seiner Gemeinde: Jesus ist derjenige, der die einzelnen beauftragt zu arbeiten.
Er hat der Gemeinde Gaben gegeben, wie es später heißt, „zur Auferbauung der Gemeinde“. Das bedeutet nicht, dass wir uns unseren Arbeitsplatz auf der Baustelle der Gemeinde selbst aussuchen, sondern Jesus möchte das regeln. Wir haben das eben in Apostelgeschichte 20,28 gelesen, wo Paulus sagt, dass der Heilige Geist die Ältesten eingesetzt hat.
Einerseits wird zwar gesagt: „Wer nach einem Aufseher trachtet, begehrt ein schönes Werk.“ Du kannst den Wunsch haben, aber die Arbeitseinweisung geschieht durch den Herrn Jesus, durch den Heiligen Geist. Von daher merken wir: Ältester in einer Gemeinde ist kein Job, und auch alle anderen Dienste in der Gemeinde sind kein Job.
Deshalb plädiere ich dafür, möglichst ehrenamtlich und nebenberuflich zu dienen. Damit nicht der Gedanke aufkommt: „Ich werde hier dafür bezahlt.“ Sondern vielmehr: „Ich tue etwas für ihn, der Jesus beauftragt hat.“ Und ich darf für ihn arbeiten.
Der Eigentümer und die Hausordnung der Gemeinde
Der dritte Finger, der Mittelfinger: Ich will meine Gemeinde bauen. Jesus ist also nicht nur der Architekt, der Bauherr, der Planer und der Bauunternehmer, sondern auch der Eigentümer und Besitzer der Gemeinde.
Auch wenn wir sagen, wir gehen in unsere Gemeinde, ist das biblisch nicht korrekt. Wir gehen immer in seine Gemeinde. Das sollte uns bewusst sein: Wir gehen in seine Gemeinde.
Wir haben das eben aus dem Timotheusbrief gelesen: „Dies schreibe ich dir, damit du weißt, wie man sich verhalten soll im Hause Gottes.“ Das heißt, die Hausordnung für die Gemeinde setzen nicht wir auf, sondern er hat die Hausordnung. Wenn wir Gemeinde des lebendigen Gottes sein wollen, dann haben wir uns nach der Hausordnung zu richten, die er gibt.
Es geht also nicht um Pragmatismus oder um unsere Interessengruppen oder Traditionen, sondern um das, was er will. In dieser Spannung leben wir als Gemeinde immer wieder.
Manche haben mich gefragt, wie alt die Gemeinde ist, in die ich gehe. Sie besteht seit 1854. Und jede Gemeinde, die ein bisschen älter ist – wahrscheinlich werdet ihr das auch merken, obwohl ihr noch nicht so alt seid – hat Traditionen entwickelt. Das ist auch nicht schlecht. Traditionen helfen uns, uns sicherer zu fühlen und nicht jedes Mal neu über Dinge nachdenken zu müssen.
Aber wir müssen sehr klar unterscheiden zwischen den Aussagen der Bibel, also der Hausordnung, und den Traditionen. Ich muss sagen, es ist uns auch nicht leicht gefallen, zu definieren, was in unserer Gemeinde Tradition ist und was Aussage der Bibel ist. Über die Aussagen der Bibel können wir nicht diskutieren, über Traditionen können wir uns einigen.
Obwohl ich bei euch noch nicht sonntags gewesen bin – das werde ich morgen merken –, ist es sicherlich auch etwas anders als in Bad Ischl. Jede Gemeinde hat unterschiedliche Gewohnheiten, sowohl beim Zusammenkommen zur Wortverkündigung als auch beim Zusammenkommen zum Brotbrechen.
Ihr bleibt zum Beispiel, habe ich gemerkt, beim Beten sitzen. Unsere Geschwister sind gewohnt, beim Beten aufzustehen. Es gibt Gemeinden, da steht man auf, wenn aus der Bibel vorgelesen wird. Es gibt Gemeinden, die stehen auf, wenn sie singen. Das sind Traditionen. Das steht nicht vorgeschrieben in der Bibel.
Es ist auch nicht vorgeschrieben, wie zum Beispiel die Stunde zum Brotbrechen ablaufen muss. Es steht nur, dass sie dazu zusammenkamen und das regelmäßig taten. Ob dieses Zusammenkommen jetzt fünfzig Minuten, sechzig Minuten, dreißig Minuten oder drei Stunden dauert, steht nicht in der Bibel.
Die ersten Christen kamen täglich zusammen, um das Brot zu brechen. Es scheint zu der Zeit, als Paulus unterwegs war, nach dem Bericht in Apostelgeschichte 20 in Troas, dass sie sonntäglich zusammenkamen. Daraus ist die Tradition entstanden, dass wir sonntags zusammenkommen. Außerdem, weil es eben der erste Tag der Woche ist, an dem Jesus auferstanden ist.
Aber es gibt Gemeinden in anderen Ländern, wo der Sonntag nicht Feiertag ist. Dort kommt man am Dienstag zusammen. Ich glaube, das sind alles Dinge, bei denen wir miteinander in der Verantwortung vor Gott stehen und überlegen müssen, was wir tun sollten.
Es ist nicht gut, wenn man sich darüber streitet. Die Bibel sagt klar, dass wir uns nicht streiten sollen. Darum hat Gott in einer Gemeinde Älteste gegeben, Hirten.
Ein Hirte geht seiner Herde voraus. Deswegen das Bild des Hirten mit den Schafen: Ein Schafhirte geht seiner Herde voraus, ein Kuhhirte geht hinterher und prügelt sie nach vorne. Deshalb gebraucht die Bibel nicht das Bild des Kuhhirten für den Hirten.
Wir sind keine Cowboys, sondern Schafhirten. Ich glaube, es ist wichtig, darüber nachzudenken, warum Gott solche Bilder genau gebraucht hat.
Gott gibt die Hausordnung, und wir müssen klar sehen, was die Bibel über das Zusammenkommen als Gemeinde sagt. Das wollen wir tun. Darüber hinaus gibt Gott viele Möglichkeiten und Freiheiten, es je nach Generation, Kultur usw. unterschiedlich zu handhaben.
Ich bin in verschiedenen Gemeinden gewesen, nicht nur in Deutschland, auch in anderen Ländern. Ich kann das nur so sagen, wie schon Nelson Darby es einmal gesagt hat, nachdem er seine Europareise gemacht hatte: „Wie machen das die Brüder auf dem Kontinent?“ Er antwortete: „Überall anders und überall richtig.“
Ich glaube, das ist wichtig. Wir müssen wissen, was die Bibel sagt und wo sie uns Freiheit lässt.
Freiheit und Vorgaben im Gemeindeleben
Ich habe das gemerkt, als ich mich mit der Stiftshütte beschäftigt habe. Gott gibt Mose ganz bestimmte Anweisungen zum Bau der Stiftshütte.
Wenn man die Stiftshütte jedoch nach den Angaben in der Bibel bauen will, stößt man an vielen Stellen auf Fragen. Man fragt sich: Wie ist das denn jetzt wirklich gewesen? Über manche Details können sich Theologen heftig streiten. Zum Beispiel über die Pfosten an den Ecken: Waren es zwanzig oder zweiundzwanzig? Werden die Ecken mitgezählt oder extra?
Ich denke, darüber muss man sich nicht streiten. Mose hat das Bild gesehen und danach gebaut. Gott hat ihm ein Modell gezeigt. Das ist wie bei einem Architekten: Zuerst wird immer ein Modell gemacht. Dieses Modell hat Gott gemacht, und es ist im Himmel. Mose hat es gesehen und danach gebaut. Wahrscheinlich hat er Oliab und Bezaliel gesagt, wie alles gehen soll. Er hat die Maße gegeben.
Man kann sich vorstellen, dass Mose auf dem Berg einen Zollstock dabei hatte. Leider hatte er noch kein iPad, auf dem er alles hätte notieren können. Später wird gesagt, dass Mose alles so gemacht hat, wie Gott es ihm gesagt hat.
Wenn man heute die Bibel liest, merkt man, dass es an manchen Stellen Freiheit gibt. Zum Beispiel wird beim Schaubrot-Tisch gesagt, wie breit die Kante sein soll: eine Handbreit. Aber Gott sagt nicht, ob das eine Handbreit von Mose oder von Aaron sein soll. Er hätte auch in Millimetern angeben können.
Außerdem sagt Gott nicht, ob der Tisch verziert werden soll, ob nach ägyptischen Vorbildern, nach griechischen oder ob sie selbst etwas erfinden sollen. Beim goldenen Leuchter gibt Gott kein Maß vor, sondern nur das Gewicht eines Klumpens Gold, aus dem er getrieben werden soll.
Wir merken also: Gott gibt Vorgaben, aber auch Freiheiten.
Das ist im Neuen Testament genauso bei der Gemeinde. Gott gibt bestimmte Vorgaben, die wir einhalten wollen. Gleichzeitig gibt er aber auch Freiheiten. Zum Beispiel, wenn wir zum Brotbrechen zusammenkommen. Es gibt keine rituellen Vorgaben wie Lied, Gebet, Vorlesen, Lied, Gebet, Vorlesen oder Lied, Gebet, Vorlesen. Das steht nicht so in der Bibel. Es steht nur, dass wir, indem wir essen und trinken, den Tod des Herrn verkündigen, bis er kommt.
Gott gibt uns gewisse Freiheiten, und das müssen wir wissen. Die Hausordnung, die Gott, also Jesus, gibt, sollten wir peinlich genau einhalten. Aber bei anderen Dingen dürfen wir durchaus Veränderungen vornehmen.
Traditionen und Veränderungen in der Gemeinde
Ich habe oft den Eindruck, besonders bei traditionellen Gemeinden, dass es dort enorm schwer ist, Veränderungen durchzusetzen. Das führt oft zu Streitigkeiten.
Ein Beispiel: Ich war in einer Gemeinde fast jährlich eingeladen, an einem Sonntagsgottesdienst teilzunehmen. Über Jahre hinweg hatten sie immer die gleiche Sitzordnung. Dann kam ich im darauffolgenden Jahr wieder und stellte fest, dass sie den Gemeindesaal umgestaltet hatten. Der gesamte Sitzblock war um neunzig Grad gedreht, und das Podium stand nun an einer anderen Wand.
Ich war ziemlich früh da und schaute mir die neue Anordnung an. Dabei fiel mir auf, dass ein Stuhl anders stand als alle anderen. Kurz darauf kam der Hausmeister und ich fragte ihn, ob er vergessen habe, den Stuhl umzustellen. Er antwortete: „Nein, nein, rühr nicht dran.“
Ich fragte weiter, was los sei. Er erklärte, dass ein Bruder dort sitzt, der unbedingt in der alten Sitzordnung sitzen bleiben will. Das muss man sich wirklich vorstellen. Ich stand da und predigte, während ein Bruder quer zum Rest saß. Das war schon bemerkenswert. Man könnte sagen, der hat Charakter.
Für mich ist das ein deutliches Bild dafür, wie wichtig manchen Menschen ihre Traditionen sind. Sie bleiben bis zur Entrückung genau so sitzen. Ich war ehrlich gesagt erstaunt, dass die anderen so geduldig waren und den Stuhl nicht jede Stunde wieder umgedreht haben.
Mein Vater hat oft gesagt: „Jesus hat schon sonderbare Blumen in seinem Garten.“ Wahrscheinlich seid ihr in dieser Hinsicht noch nicht so weit, aber was noch nicht ist, kann ja noch kommen.
Die Gemeinde als Wunder und Zuhause
Ja, der vierte Finger
Ich will meine Gemeinde bauen. Die Gemeinde des lebendigen Gottes, die Gemeinde Jesu Christi, ist ein riesiges Wunder. Wir hätten uns nie gegenseitig ausgesucht, oder? Wir würden doch nach Sympathie gehen. Aber wir sind zusammengestellt durch den Herrn Jesus, und das ist eine völlig andere Grundlage.
Gemeinde ist für meine Begriffe das größte Wunder seit der Auferstehung des Herrn Jesus, und es dauert an, bis der Herr Jesus wiederkommt. Vielleicht ist es euch auch schon einmal so gegangen: Du kommst in ein anderes Land und in eine Gemeinde hinein. Du verstehst die Sprache nicht, aber du bist sofort zu Hause. Ich empfinde das immer als wunderbares Geschenk und ein Wunder.
Es kann durchaus sein, dass du in einem Land bist, die Sprache nicht verstehst und die Lieder nicht kennst. Trotzdem weißt du: Hier bin ich zu Hause, das sind meine Geschwister. Am meisten ist es mir so gegangen – und Erika auch – in einem Gefängnis in Ungarn.
Ungefähr 50 Kilometer nördlich von Budapest gibt es ein Gefängnis mit langjährigen Haftstrafen. Dort ist vor ungefähr zehn Jahren ein ehemaliger Bandenführer zum Glauben gekommen. Er hat noch etliche Jahre zu sitzen. Dieser Mann hat sich total verändert.
Der Gefängnisdirektor hat ihm erlaubt, mit allen Inhaftierten zu sprechen. Er darf jede Zelle besuchen, weil sie gemerkt haben, welchen Einfluss er hat. Dieser Bruder macht jede Woche freitags eine Bibelstunde im Gefängnis. Zu dieser Bibelstunde kommen 80 Inhaftierte, das sind genau zehn Prozent der Insassen.
Am Sonntag kommen sie als Gemeinde im Gefängnis zusammen und brechen das Brot. Als er uns das erzählte, lächelte er und sagte: „Wir sind eine echte Brüdergemeinde.“ Die Frauenfrage ist geklärt – es ist ein Männergefängnis. Inzwischen haben sie eine Gefängnisseelsorgerin, die gläubig ist, und sie haben einen Gefängnisdirektor bekommen, der ebenfalls gläubig ist.
So etwas wünsche ich mir für Deutschland. Und die beiden fördern das.
Als wir das erste Mal in diesem Gefängnis waren, standen wir vorne als Chor auf der Bühne. Ich habe die Inhaftierten angesehen, es waren ungefähr 150 in dem Saal. Mir fiel plötzlich auf, dass manche Gesichter anders waren als die anderen. Da waren Gesichter, wie man sie sonst im Gefängnis so gut wie nie findet. Sie strahlten und schauten dich offen an.
Das hat mich total irritiert. Dann habe ich näher hingeschaut: Alle, die strahlten, hatten eine Bibel auf ihren Schultern. Das in einem Knast, oder? Ehrlich, ich war so irritiert, dass ich anschließend nach dem Gottesdienst draußen am ersten Schaufenster vorbeigegangen bin, reingeschaut und mich gefragt habe: Kann man mir ansehen, dass ich gläubig bin?
Du konntest sehen, wer von denen gläubig war.
Wisst ihr, in dem Gefängnis geschah ein Wunder nach dem anderen. Lajosch, dieser Inhaftierte, hat die Genehmigung, einmal im Monat mit der sogenannten „grünen Minna“ – ihr wisst, was das ist, dieses Transportfahrzeug für Inhaftierte – in ein anderes Gefängnis zu fahren, um zu evangelisieren. Natürlich in Handschellen.
Der Gefängnisdirektor hat dafür gesorgt, dass eine Evangelisation im Ort in der katholischen Kirche durchgeführt wurde – eine Woche lang. An den Abenden hat jeweils ein gläubig gewordener Inhaftierter in Handschellen gepredigt. Verrückt, oder? So etwas habe ich noch in Deutschland und Österreich erlebt.
Lajosch wird vom Gefängnisdirektor und von der Anstaltsfahrerin unterstützt. Er macht Musik, sie haben ihm ein E-Piano besorgt. Er ist ein Kollege, der Lieder komponiert und dichtet. Sie haben CDs aufgenommen und verkaufen diese. Von dem Erlös renovieren sie eine alte Kirche, die sie auf dem Gefängnisgelände entdeckt haben. Diese Kirche war zur Zeit des Kommunismus eine Lagerhalle.
Sie renovieren diese Kirche. Es war ein erhebendes Gefühl, als wir als Gruppe zum ersten Mal in dieser Kirche predigten und sangen. Dieser Einsatz wird uns immer als letzter Einsatz aufgehoben, wenn wir in Ungarn unterwegs sind.
Wenn du dann da bist, brauchst du dir nur die graue Anstaltskleidung wegzudenken, und du denkst, du bist in der Gemeinde.
Nach dem Konzert standen die gläubig gewordenen Inhaftierten auf und sangen uns ein Lied. Ich muss sagen, ich dachte, ich bin im Himmel. Ihr könnt euch wahrscheinlich vorstellen: Die Ungarn singen ähnlich wie die Donkosaken oder ein Männerchor in Moll. Sonst höre ich nicht gerne Männerchöre, muss ich sagen, aber das ging wirklich durch.
Selbst unsere harten Jungs aus der Gefährdendenhilfe – entschuldigt, das darf man nicht aufnehmen, man kann das da rauswischen – bei uns sagt man: „Die hat Pipi in den Augen.“ Wisst ihr, das geht zu Herzen.
Gemeinde ist wirklich ein Wunder, eine Gemeinde in einem Knast. Und du merkst sofort: Du bist zu Hause.
Ich habe von einem Inhaftierten in Kenia gehört, der seine Strafe abgesessen hat und den Antrag gestellt hat, weiter im Gefängnis bleiben zu dürfen, um die anderen Inhaftierten missionieren zu können.
Gemeinde als unvollendetes Bauwerk und Mitarbeit
Was ist Gemeinde? Gemeinde ist ein Wunder, nicht weil wir alle so großartige Menschen sind, sondern weil wir so einen großartigen Herrn haben. Er ist der Mittelpunkt. Die Bibel sagt, er ist das Haupt, wir sind der Leib. Was bist du ohne Haupt? Du bist kopflos. Und eine Gemeinde ohne Haupt ist ebenfalls kopflos.
Nun zum fünften Finger: Ich will meine Gemeinde bauen. Das heißt, Gemeinde ist noch nicht komplett. Und das ist logisch. Man braucht nur einmal einen Sonntag dabei sein, um zu merken: Wir sind nicht komplett, wir sind nicht vollkommen. Es menschelt überall. Aber Jesus sagt, er will seine Gemeinde bauen. Das bedeutet, die Gemeinde des lebendigen Gottes ist noch eine Baustelle.
Ich stelle mir vor, draußen an der Gemeinde steht ein großes Schild, wie bei Neubauten: „Baustelle – Betreten verboten.“ Bei der Gemeinde ist das anders. Da steht: „Wir suchen Mitarbeiter – Betreten erwünscht!“
Manchmal habe ich jedoch den Eindruck, dass es auch bei der Gemeinde so ist wie bei manchen Arbeiterdenkmälern. Dort warten die Maurer bis Feierabend, stehen herum, schauen zu, wie andere arbeiten, und wissen alles besser. Solche Menschen gibt es auch in jeder Gemeinde. Ich gehe davon aus, dass es solche auch bei euch gibt. Sie sind natürlich jetzt nicht auf der Freizeit dabei, aber man kann sie trotzdem erkennen.
Jesus will seine Gemeinde bauen und möchte dich als Mitarbeiter. Er will nicht, dass du am Bauzaun stehst und dumme Kommentare gibst.
Wir waren 32 Jahre Hausmeister in der Gemeinde. Wir kennen das genau und wissen, wie die Temperatur sein muss. Eines Tages habe ich angefangen, die Außenmauer vom langen Gang bis zur Gemeinde zu streichen. Am nächsten Sonntag kamen die Geschwister vorbei und fragten: „Warum hast du die denn weiß gestrichen? Die war doch grau.“ Der Nächste sagte: „Warum hast du sie nicht hellbraun gestrichen?“
Da habe ich den Geschwistern gesagt: „Ja, ich habe einen Fehler gemacht. Ich hätte die Mauer in zweihundert Teile teilen sollen, und jeder hätte seine Farbe streichen können.“ Es gibt immer wieder solche, die gute Kommentare geben, aber sich die Finger nicht schmutzig machen wollen.
Mein Anliegen in der Gemeinde ist, dass wir wirklich mit anpacken, die Hände schmutzig machen und mitarbeiten. Wenn wir in der Gemeinde mitarbeiten, wird uns Gemeinde lieb.
Das haben wir während unserer Zeit als Hausmeister gemerkt. Wir waren verantwortlich für die Sauberkeit des Gebäudes. Als Erika schwanger wurde, haben wir eine Putzfrau angestellt. Das ist manchmal frustrierend. Sonntagsmorgens kommen die Geschwister mit dem Zeigefinger, gehen an der Fensterbank entlang und brauchen gar nichts zu sagen. Als Hausmeister versteht man das sofort.
Das schlimmste Gebet für einen Hausmeister ist: „Herr, wir liegen vor dir im Stau.“ Ich weiß nicht, ob ihr einen Hausmeister habt. In der Regel, wenn ich in Gemeinden komme und nur ein Stichwort erwähne, habe ich hinterher einen heulenden Hausmeister bei mir. Überlegt mal, wie man mit Hausmeistern umgeht.
Ich bin dankbar für einen Bruder, der einmal zu uns Geschwistern gesagt hat: „Wenn ihr etwas zu loben habt, dann sagt es dem Hausmeister. Wenn ihr etwas zu bemängeln habt, dann kommt zu mir. Ich werde es filtern.“ Dafür bin ich dankbar. Vielleicht ist das bei euch auch schon so.
Alles das ist Gemeinde. Gemeinde ist Baustelle, Gemeinde ist noch nicht vollkommen. Wir bringen alle unsere Eigenarten mit. Am besten wäre es, wenn wir sie an der Garderobe abgeben würden.
Denken wir immer daran: Wir sind Mitarbeiter des Herrn Jesus. Wir sind ihm verantwortlich. Er braucht Mitarbeiter, keine, die rummäkeln und alles besser wissen.
Die ersten Gemeinden und ihre Säulen
Ich will meine Gemeinde aufbauen. Dabei finde ich es spannend, wie die erste Gemeinde in kurzen Worten beschrieben wird.
In Apostelgeschichte 2,38-47 spricht Petrus zu den Menschen: „Tut Buße, und jeder von euch lasse sich taufen auf den Namen Jesu Christi zur Vergebung der Sünden, und ihr werdet die Gabe des Heiligen Geistes empfangen.“
In Vers 41 heißt es: „Die nun sein Wort aufnahmen, ließen sich taufen, und es wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen zugetan.“
Die Gläubigen verharrten in der Lehre der Apostel, in der Gemeinschaft, im Brechen des Brotes und in den Gebeten.
In Vers 46 wird beschrieben, dass sie täglich einmütig im Tempel zusammenkamen, zu Hause das Brot brachen, Speisen mit Frohlocken und Schlichtheit des Herzens teilten, Gott lobten und Gunst beim ganzen Volk hatten.
Der Herr aber tat täglich hinzu, die gerettet werden sollten.
Man spricht oft von den vier Säulen der Gemeinde, die ihr sicherlich auch kennt und über die bei euch gepredigt wurde. Ich habe eine fünfte Säule hinzugefügt, wahrscheinlich zur Freude von Andreas: Sie lobten Gott.
Ich glaube, dass das Lob Gottes in der Gemeinde unbedingt dazugehört. Diese fünf Säulen werden in der Gemeinde sichtbar.
Die fünf Säulen der Gemeinde
Erste Säule: die Lehre der Apostel. Ich möchte jetzt nicht ausführlich darauf eingehen, denn das wären sicherlich einzelne Predigten oder Predigtreihen. Ich habe zuhause schon einige Predigten darüber gehalten, was die Lehre der Apostel ist.
Ich möchte nur so viel sagen: Es gibt fünf Säulen, in denen Gemeinde sichtbar wird. Gemeinde ist ja nicht nur dann Gemeinde, wenn wir zusammenkommen. Das ist ähnlich wie bei euch in Österreich: Alle Mitglieder des Bundestages sind Mitglieder mit einer Amtseinführung. Sichtbar wird das, wenn sie zusammenkommen. Aber sie sind auch Mitglieder des Bundestages, wenn sie im Freibad sind, walken oder sonst etwas tun – oder sogar in der Badewanne liegen. Sie sind Mitglieder des Bundestages, aber sichtbar wird der Bundestag erst, wenn sie zusammenkommen.
Und so ist es auch bei Gemeinden. Wir stellen Gemeinde dar, aber Gemeinde wird sichtbar, wenn wir zusammenkommen. Das heißt, du bist auch Teil der Gemeinde, wenn du zuhause im Garten arbeitest oder gerade bei McDonald's isst. Sichtbar wird Gemeinde jedoch beim Zusammenkommen.
Die erste Säule ist die Lehre der Apostel. Ich darf wissen: Wenn wir als Gemeinde zusammenkommen, spricht Gott zu mir durch sein Wort. Das ist ein Geschenk. Ich darf auf Gottes Wort hören. Es geht nicht darum, wer predigt, sondern was gepredigt wird. Deshalb bin ich dankbar, wenn solche Vorträge hier sind, bei denen ich meistens im Dunkeln stehe. Es geht gar nicht um mich, guck lieber auf das Wort.
Die zweite Säule ist Gemeinschaft. Viele verwechseln Gemeinschaft mit Geselligkeit. Viele sagen, sie seien zusammen wandern gewesen und hätten eine tolle Gemeinschaft gehabt. Nein, das ist Geselligkeit. Die Bibel bezeichnet Gemeinschaft ganz anders. Gemeinschaft bedeutet immer, dass ich Gemeinschaft mit Gott und mit Menschen habe. So beschreibt Johannes das in seinem ersten Brief. Gemeinschaft ist immer begründet in der Gemeinschaft mit Gott.
Natürlich sind Kaffee trinken, Gemeindemittagessen oder Gemeindefreizeiten tolle Sachen, aber das ist nicht zwangsläufig Gemeinschaft. Gemeinschaft ist da, wo Jesus der Mittelpunkt ist, wo wir Gemeinschaft mit ihm haben und dadurch auch miteinander.
Die dritte Säule: Sie blieben beständig im Brechen des Brotes. Hier darf ich den Tod des Herrn verkündigen. Es gibt Gemeinden, in denen zum Brotbrechen nur wenige Geschwister kommen. Und ich muss sagen, dann bin ich traurig. Ich bin überzeugt, dass auch der Herr Jesus traurig ist. Jesus sagt: „Tut dies zu meinem Gedächtnis.“ Beim Brotbrechen geht es überhaupt nicht um mich, sondern um den Herrn Jesus.
Wir sollen deutlich machen, dass er gestorben ist und den Sieg über den Teufel errungen hat. Durch das Essen und Trinken verkündigen wir den Tod des Herrn, bis er wiederkommt. Und das heißt: „So oft ihr das tut“ – nicht „so selten ihr das tut.“
Einer ist natürlich daran interessiert, dass wir das möglichst nicht tun – das ist der Teufel. Denn jedes Mal, wenn wir zusammenkommen, um das Brot zu brechen, sagen wir mit der Verkündigung des Todes des Herrn: „Teufel, du hast verloren. Der Sieger ist Jesus.“
Deshalb ist der Teufel daran interessiert, dass wir sonntagmorgens so müde sind, dass wir meinen, ausschlafen zu müssen, uns von der Woche erholen zu müssen. Ich muss sagen: Ein Sonntag ohne Brotbrechen ist kein richtiger Sonntag. Ich freue mich auf das Zusammenkommen, um an den Herrn Jesus zu denken und was er getan hat.
Wisst ihr, seit meinem achtzehnten Lebensjahr breche ich Sonntag für Sonntag das Brot. Das sind also über fünfzig Jahre. Und ich muss sagen, es war nie langweilig. Es ist immer wieder neu, und ich lerne den Herrn Jesus immer wieder von einer anderen Seite kennen und danke ihm für das, was er getan hat.
Die vierte Säule ist das Gebet. Hier darf ich Gott danken, ihn ehren und ihm meine Bitten bringen. Es hat mal jemand gesagt: „Wenn du eine Gemeinde kennenlernen willst, dann geh in die Gebetstunde.“ Ich hoffe, bei euch ist das völlig anders als in den meisten anderen Gemeinden.
In den meisten Gemeinden ist die Gebetstunde die schlechteste besuchte Stunde. Als wir damals Hausmeister in der Gemeinde waren, bekamen wir kurz nach der Wende Besuch von rumänischen Geschwistern. Ich zeigte ihnen den Gemeindesaal: „Hier ist unser großer Saal, hier kommen wir sonntags zusammen.“ Dann gingen wir eine Treppe hoch, und ich sagte: „Das hier ist der Saal, in dem wir zum Gebet zusammenkommen.“
Da schaute mich einer an und fragte: „Warum kommt ihr nicht im großen Saal zum Gebet zusammen?“ Da dachte ich: Der hat recht, oder? Warum tun wir uns oft so schwer, zum Gebet zusammenzukommen? Glauben wir nicht, dass der Herr Jesus Gebet hört? Glauben wir nicht an die Wirkung des Gebets?
Ich denke, das ist ein ganz wichtiger Punkt. Gemeinde wird sichtbar in der Gebetstunde.
Und fünftens: Lob Gottes. Hier darf ich Gott loben und anbeten. Das ist ein Vorrecht. Auch hier geht es überhaupt nicht um mich, sondern um ihn. Das werdet ihr ja merken, wenn ihr eure Lieder anschaut. Die meisten Lieder sind Gebete, aber oft singen wir gar nicht, als ob es Gebete wären.
Wir missbrauchen oft Lieder. Wir wollen schon mal ein Lied singen, vielleicht kommen dann doch noch die anderen, und wir wollen so herbeisingen. Wir brauchen Lieder als Verlegenheitslösung. Ich denke oft, das ist eine Beleidigung Gottes. Gott hat uns die Möglichkeit gegeben zu singen.
Vielleicht sagst du: „Ich kann nicht singen.“ Doch, du kannst singen. Du brauchst ja keine Solostimme im Opernhaus zu sein, aber du kannst die vierte Stimme brummen. Wenn es von Herzen kommt, erreicht es Gott richtig. Singt und spielt dem Herrn in euren Herzen.
Gut, wenn manche wirklich nicht singen können, dann können sie im Herzen singen und ihren Mund zuhalten. Aber ich bin manchmal erschrocken, wenn ich in Gemeinden sitze und die Geschwister während des Singens ansehe. Ich habe manchmal den Eindruck, viele singen nur im Herzen und nicht mit dem Mund.
Ich singe dir mit Herz und Mund – also raus mit der Sprache! Und ich möchte bei euch auch noch viel mehr Begeisterung beim Singen hören.
Gemeinde als lebendiger Organismus
Die Gemeinde des Herrn Jesus ist kein Verein, sie ist ein Organismus, keine Organisation. Ralf Schallis, ein Missionar in Nordafrika, hat einmal in seinem Buch „Lebendige Zellen“ geschrieben: Ein Körper ohne Sauerstoff ist nichts anderes als eine Leiche, ein unbewohntes Haus ist sinnlos. Ob es bescheiden, herrschaftlich, modern oder genormt ist, spielt keine Rolle. Ist es leer, ist es nutzlos.
So ist es auch mit einer Gemeinde. Auch wenn sie groß und gut eingerichtet ist, bleibt sie nur eine lose Ansammlung von Menschen, wenn Christus nicht in ihrer Mitte ist. Das finde ich ein gewaltiges Wort. Christus muss das Zentrum der Gemeinde sein.
Für den Herrn Jesus ist die Gemeinde ein lebendiger Organismus, sein Leib, der bis in die hinterste Zelle von seiner Lebenskraft und seinem Wesen erfüllt ist. Dort, wo seine Jünger diese innige Beziehung verstehen und ausleben, sichert der Herr seine Gegenwart zu. Das ist ein kostbares Geschenk: zu begreifen, was Gemeinde überhaupt ist.
Die Bibel benutzt ein Bild für die Gemeinde und sagt, sie ist der Leib Christi. Sie nimmt unseren Körper sozusagen als Bild, als Gegenstandslektion für Gemeinde.
Man könnte fragen, wie Paulus dieses Geheimnis des Organismus der Gemeinde entdeckt hat. Er entfaltet es besonders in seinen Briefen. Ich bin überzeugt, dass er diese Tatsache begriffen hat, als er auf dem Weg nach Damaskus war.
Als er die Gemeinde verfolgte, begegnete ihm der Herr Jesus kurz vor Damaskus. Paulus fiel blind zur Erde, und eine Stimme aus dem Himmel rief: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Saul fragte: „Wer bist du, Herr?“ Der Herr Jesus antwortete: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“
Saul hätte sagen können: „Wieso? Ich verfolge hier auf der Erde Menschen, aber doch nicht dich im Himmel.“ Doch ich bin überzeugt, in diesem Moment hat er etwas begriffen. Es ist wie bei einem Leib: Wenn ich dir auf den Fuß trete, schreit nicht der Fuß, sondern dein Mund.
Du merkst, da ist eine Verbindung zwischen dem Fuß und deinem Kopf. Paulus verfolgte die Gemeinde, das Fußvolk des Herrn Jesus, und das Haupt antwortete. Da hat Paulus verstanden: Christus ist das Haupt, und wir sind sein Leib. Das ist ein sehr wichtiges Bild.
Ein Leib ist ein Organismus, der durch das Zusammenspiel der einzelnen Glieder funktioniert. Die einzelnen Glieder werden durch das Haupt gesteuert. Paulus macht das sehr deutlich, zum Beispiel in 1. Korinther 14.
Ralf Schallis sagt deshalb noch einmal: Je enger eine Gemeinde mit Christus verbunden ist, desto gesünder ist sie.
Deshalb ist die absolute Notwendigkeit für eine Gemeinde erstens die persönliche Gegenwart Christi in ihr und zweitens die durch den Heiligen Geist entfachte Liebe in jedem Gläubigen.
Das macht deutlich: Gemeinde existiert nur, wenn der Herr Jesus der Mittelpunkt ist und wenn du als einzelnes Glied der Gemeinde durch den Heiligen Geist die Liebe zu Jesus hast.
Das bedeutet, dass Gemeinde nur so viel Gemeinde sein kann, wie du in Verbindung zu Jesus stehst. Deshalb hab Acht auf deine Gemeinde. Hab Acht auf dich!
Und wieder gilt das gleiche Prinzip, das ich auch bei anderen Vorträgen gesagt habe: Es hängt von dir ab, wie deine Ehe ist, wie deine Familie ist und wie deine Gemeinde ist. Deine Beziehung zum Herrn Jesus gibt den Ausschlag.
