Einführung in die Gaben im Dienst der Gemeinde
Wir wollen fortfahren mit unserem Römerbrief, Kapitel 12, ab Vers 6, auf Seite 169 im Neuen Testament bei den ausgelegten Bibeln. Wir müssen mitten in Vers 6 einsetzen, denn dort hören wir auch das letzte Mal auf.
Dort ging es um die Gaben im Dienst der Gemeinde. Es wurde davon gesprochen, dass diese Gaben, die Gott jedem gibt, aufeinander bezogen sein müssen. Man darf sich nicht überschätzen und sich nichts Falsches von seinen Gaben einbilden. Hat jemand die Gabe der prophetischen Rede, so übe er sie dem Glauben gemäß. Hat jemand die Gabe des Dienens, so diene er. Jemand ist zum Lehren berufen, der lehre. Jemand zum Ermahnen berufen, der ermahne.
Was soll das denn sein, immer genau die gleichen Äußerungen? Ja, der soll nicht etwas anderes suchen und meinen, er müsse irgendetwas Tolles noch machen. Das ist seine Gabe, die soll er einbringen und darin wirken. Gibt jemand, so gebe er mit lauterem Sinn. Wer der Gemeinde vorsteht, der sei mit Eifer dabei. Wer Barmherzigkeit übt, der tue es fröhlich.
Die Liebe sei ohne Falsch. Gibt es falsche Liebe? Ja, davon werden wir nachher noch reden müssen. Das Böse haltet fest am Guten. Eure brüderliche Liebe sei herzlich. Einer komme dem anderen mit Ehrfurcht zuvor. Seid nicht träge in dem, was ihr tun sollt. Lasst euch vom Geist entzünden oder seid brennend im Geist – so hieß es in der älteren Lutherübersetzung.
Dient dem Herrn. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet. Nehmt euch der notleidenden Brüder an. Seid stets gastfreundlich. Segnet die, die euch verfolgen. Segnet und flucht nicht. Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seid eines Sinnes untereinander. Trachtet nicht nach Hohem, sondern nehmt euch der Geringen an. Haltet euch nicht selbst für klug.
Hört ihr? Ihr könnt die Befehle hier für uns zu lauter Angeboten eines neuen Lebens machen. Liebe Schwestern und Brüder, es gibt heute sehr viele einsame Menschen. Warum? Weil die menschlichen Beziehungen auseinanderbrechen wie noch nie zuvor. Die Ehen sind in eine Krise geraten, und wahrscheinlich ist kein einziges dieser Bündnisse anders begonnen worden als mit großen Worten der Liebe.
Aber nicht anders ist es dort, wo wir zusammenleben in den Häusern. Nicht anders ist es zwischen Jung und Alt und an den Arbeitsplätzen. Darüber würde jetzt niemand von uns reden, dass er Angst hat, morgen wieder an seine Arbeitsstelle zu gehen – doch nicht wegen der Arbeit, sondern wegen der Kollegen, die ihn dort erwarten. Und da ist ein spöttischer Unterton, der einen trifft, und die Verletzungen – die Wunden, die immer wieder zu schaffen machen.
Darum haben viele Menschen abgeschlossen, die Tür zugemacht und gesagt: „Ich will nichts mehr wissen.“ Die Einsamkeit heute ist eine Folge der abgebrochenen Beziehungen. Wir leben in einer Welt, in der doch hier die größte Not auch des Friedens untereinander liegt. Darum ist es so wichtig, dass unsere Gemeinden Stätten sind, in denen Gemeinschaft gelebt wird.
Dann ist das bei vielen Christen ein Problem: Wie war das denn bei den Urchristen? War das wirklich damals so eine Idealgemeinde? Sie können das selbst nachprüfen in der Apostelgeschichte. Dort gab es manche Konflikte, auch manche dunkle Schatten in dieser ersten Christengemeinde. Das ist gut, denn dann wissen wir wieder, das waren Menschen wie wir, bedroht, versucht, mit allen Schwächen, so wie wir hier leben.
Aber es ist ein Wunder, das Gott tun will, dass er in seiner Gemeinde dieses Miteinander schenken will, dieses neue Verstehen untereinander. Wir Christen haben also eine riesige Aufgabe vor uns: der Welt nicht nur mit Sprüchen zu erzählen, wie alles sein sollte, sondern das zu leben. Wir sind ja eigentlich die Advokaten der Ewigkeit, das Volk Gottes, diese Leute, die einmal vor dem Thron Gottes stehen.
Wir sollten in einer ganz besonderen Weise hier leben, wie die neue Gemeinschaft aussieht, wenn Gott die Herzen der Menschen verwandelt. Man kann es auch anders sagen: In dieser irdischen Gemeinde, in der wir hier zusammen sind, in der ganz normalen menschlichen Gemeinde, will Jesus seine Herrlichkeit offenbaren.
Wir sind Menschen mit all unseren Begrenzungen und Schwächen, und Jesus will uns alle so zueinander führen, dass wir uns mit unseren Gaben ergänzen, stärken und ermutigen. Jetzt ist das aber ein Problem: Ich weiß nicht, ob heute Morgen manche vielleicht gekommen sind, die sagen: „Ich wollte heute Morgen ein Stück Bibelauslegung bekommen, mehr will ich gar nicht. Ich will nichts von der Gemeinschaft der Nebenmenschen wissen, die interessiert mich nicht. Ich kann ihnen zwar einen guten Morgen wünschen, aber im Übrigen möchte ich nur die Wortauslegung mitnehmen.“
Ich muss Sie an dieser Stelle fragen, ob Sie an dem großen Geschenk Gottes vorübergehen wollen – Gemeinschaft zu finden, aus ihrer Einsamkeit und ihren Verwundungen herauszuerleben, wie Sie in eine Gemeinschaft der Liebe hineingestellt sind. Nicht los hier! Haben Sie vielleicht eine andere Gemeinschaft? Wir denken an unsere landeskirchlichen Gemeinschaften, den Aidlinger Kreis, die Süddeutsche Gemeinschaft oder die Hahnsche Gemeinschaft im Haus Bibelkreis, in denen sie das Leben teilen. Das sind Schwestern und Brüder, die mehr bedeuten als meine Blutsverwandten.
Wenn Sie darauf verzichten, dann sind Sie selbst schuld. Das ist die größte Gabe, die uns Jesus zum Spüren und Fühlen hier gibt. Unsere jungen Leute praktizieren in dieser herzlichen Weise in ihren Jugendgruppen, im offenen Abend, im Hauskreis, der weiß, was Gemeinschaft bedeutet.
Ich möchte die anderen bitten: Sie müssen an einer Stelle die Gemeinschaft mit Christen leben. Das geht ja jetzt im Zusammenhang des Römerbriefs darum, ob dieses neue Leben, das uns Jesus schenkt, auch wirklich gelebt wird in den irdischen Bezügen, da wo wir uns treffen und grüßen. Unser Glaube will tätig sein, und darüber haben wir nun hier ein paar ganz konkrete, praktische Ratschläge.
Es sind so viele Weisungen, dass wir jetzt fast in Gefahr geraten, zu schlampen und das Oberflächliche daraus zu machen. Man sollte Sonntag für Sonntag eins herausgreifen und dann ganz gründlich darüber reden. Ich habe versucht, diese Befehle zu ordnen in verschiedene Gruppen und möchte zuerst sprechen: Wir müssen im Kleinen treu sein.
Das ist ein Sog unserer Zeit, dass man dauernd große Pläne macht und dauernd über seine Verhältnisse lebt. Was hat man Großes vor, was man alles verwirklichen will, und dann ist man am Ende enttäuscht, wie wenig man hier schafft und wie wenig man fertigbringt. Darum spricht Paulus von den verschiedenen Gaben, die Menschen haben und die sie in die Gemeinde einbringen.
Das Erste, was er nennt, ist die Gabe prophetischen Redens. Ja, was ist das denn? Ist das nicht vielleicht jemand, der uns heute geheimnisvoll sagen kann, wann die Welt untergeht und ob ein dritter Weltkrieg kommt? Auch wenn das sehr wunderfitzig klingt, muss ich Sie warnen: Es steht in der Bibel genau drin, dass über die Worte der Bibel nichts hinaus gesagt werden kann. Wenn etwas hinzugefügt wird, wird derjenige ausgestoßen aus dem Volk Gottes.
Gott hat in seinem Wort alles niedergelegt, was wir brauchen. Die Gabe prophetischen Redens ist das, was wir praktizieren, was ich heute Morgen tun will: Ihnen dieses Wort auf Ihr Leben konkret zu sagen. In anderen Bibeln steht „weissagen“. Hier ist nicht gemeint, dass wir irgendwelche Geheimnisse entschlüsseln, die wir Menschen ja doch nicht entschlüsseln dürfen und die uns Jesus bewusst nicht entschlüsselt hat.
Sondern dass wir sagen: Einem Menschen auf den Kopf, du brauchst dies und jenes, das ist im Wort Gottes für dich gesagt, und das hat für dich eine ganz besondere Konsequenz. Das ist nicht nur für uns Pfarrer so. Das geschieht ja auch in der Seelsorge, das geschieht dort, wo wir im Hauskreis miteinander reden und das Wort Gottes konkret zuspitzen in eine Lage hinein.
Wenn du die Gabe hast, das Wort Gottes konkret auszulegen, nimm diesen Dienst an und bringe ihn in die Gemeinschaft der Christen ein. Wir sind hier kein Ein-Mann-Betrieb, wo nur einer redet, sondern wir brauchen die Gaben, dass Menschen erkennen aus der Schrift, was heute not tut, was heute konkret getan werden muss.
Aber sofort setzt Paulus hinzu: Als die nächste Gabe, die uns Jesus schenkt, eine Gabe, mit der unser doch so notvolles Leben plötzlich geschenkt wird, ist die Gabe zu dienen. Das ist heute nicht mehr hoch im Kurs, aus ihr haben wir den Dienst der Diakonie abgeleitet. Das ist die Gabe, einem anderen ganz praktisch zu helfen.
Nicht dass das eine über dem anderen steht. Es gehört ja auch zusammen und wird immer wieder miteinander wahrgenommen. Das wäre schlimm, wenn unsere Krankenschwestern unseren Kranken nicht auch ein Wort des Zuspruchs und der Ermutigung sagen könnten. Aber das ist ein voller Dienst, wo unser Leben ganz praktisch zur Entfaltung kommt.
Was wären unsere Gemeinden ohne so viele, die damit helfen – praktisch beim Kochen, beim Packen, beim Austragen, beim Vorbereiten des Raumes zum Gottesdienst, beim Mithelfen und Mitsingen im Chor? Dienen! Alle diese Gaben haben ihre Grenze dort, wo Gott mir die Gaben gegeben hat. So sei sie dem Glauben gemäß, wie Gott sie dir anvertraut hat. So benutze sie.
Wenn sie in einem Amt stehen, ist das Große, dass Gott ihnen auch die Gaben gibt. Wir haben das oft erlebt in unseren Jugendgruppen: Wenn man da ist, überlegt man, kann man so einen jungen Menschen jetzt schon in die Verantwortung hineinstellen? Und plötzlich sagt man ein halbes Jahr später: Merkwürdig, der ist richtig gewachsen.
Gott gibt die Gaben mit dem Amt. Wenn im Glauben einer die Hände ausstreckt, sonst könnten wir nie etwas ergreifen und nie ein solches Amt auf uns nehmen. Dann gibt es verschiedene Gaben des Zuspruchs, und Sie müssen jetzt überlegen, wo liegt Ihr Dienst. Sollte jetzt heute jeder weggehen und sagen: Jetzt weiß ich, wozu Gott mich braucht und wo mich einsetzen will.
Da gibt es die Ermahnung: Ist jemand zum Ermahnen berufen, dann soll er auch ermahnen. Für uns klingt das unangenehm, wir kennen sonst viel lieber das Trösten. Aber das ist wichtig: Einem Menschen auch zu sagen, lebt das doch, was du jetzt hörst in der Predigt auf dem Nachhauseweg. Du brauchst doch nicht den Kopf hängen zu lassen, du darfst doch damit rechnen, dass Jesus der Stärke und Kraft gibt.
Ermahnen heißt also, dass man wirklich im Glauben und im Leben verwirklicht, was man hört, und in die Konsequenz dessen stellt, was man gehört hat. Ermahne ihn! Das Ermahnen ist eine besondere Gabe. Die Bibel unterscheidet immer wieder das Evangelisieren, das ist, andere Menschen, die noch nicht glauben, Herr zu führen, und auf der anderen Seite das ruhige, sachliche Erklären der großen Grundlinien des Glaubens, so dass man es verstehen kann.
Nicht dass Sie daran denken, Sie müssten eigentlich andere Gaben haben. Sondern dort, in einem Hauskreis, in der Gemeinschaft, kommen die verschiedenen Fähigkeiten zusammen. Der eine ist ruhiger Denker, der andere ist der feurige Missionar. Alle Gaben gehören zusammen, bis hin zum Geben.
Wenn man etwas gibt, da wird an unsere Opfergaben gedacht, die wir einbringen, an sonstige Dienste, die wir tun. Dann mit lauterem Sinn, nicht als Mann mit Traurigkeit und Mutlosigkeit, das tut, und meint, da werde etwas von uns abverlangt, sondern vor Gott diesen Dienst.
Das Leiden in der Gemeinde – im alten Luthertext steht da vom Regieren. Das braucht auch Menschen, die in der Gemeinde die Linie angeben. Aber es wird deutlich gewarnt, nicht dass sie ihren Willen der Gemeinde aufdrücken, sondern dass einer vorsichtig und sorgfältig sich von Gott leiten lässt in diesem Dienst. Denn er kann auch irre führen und Gewissen zusammendrücken.
Von der Barmherzigkeit steht noch da, die geübt werden soll als die praktische Auswirkung unseres Christseins: barmherzig zu sein, mitzufühlen mit anderen, aber in einer Fröhlichkeit, die andere mitreißt. Es gibt ja diese wehleidige und klagende Barmherzigkeit, wo man wieder sein eigenes Opfer nur bestaunt.
Es ist ein Vorrecht, dass wir barmherzig sein dürfen. Unsere Gemeinden sollten Stätten sein, wo man mitfühlen kann mit Menschen, die in Not sind. Jetzt rede ich so theoretisch darüber und hätte viel lieber ganz praktisch gesprochen, ob wir das jetzt verwirklichen können in den Gruppen und Gemeinschaften, wo wir sind.
Wenn Sie vor dem Gottesdienst dasitzen und mit Ihrem Leben ein wenig reden, das ist ein Dienst, eine Gabe, die Sie da zur Anwendung bringen. Wenn Sie nur mit hören, was den anderen drückt, was ihn belastet und beschwert – sei im Kleinen treu.
Es wird heute viel darüber geredet, wie man die Gemeinde erneuern kann und wie unser kirchliches Leben wieder in Schwung kommt. Meinen Sie, anders als mit der Treue im Kleinen? Das wird leuchten in die Dunkelheit der Welt hinaus. Das werden unsere Nachbarn sehen, wenn wir hier einander lieben, einander annehmen, einander ermahnen und füreinander da sind.
Sei im Kleinen treu. Da setzt Paulus die große Botschaft des Römerbriefs um.
Nun kommt das Zweite: Nichts ohne Liebe. Dass die Liebe für Christen eine große Rolle spielt, ist klar. Aber wir leiden heute besonders an dem Missbrauch der großen Worte. Die Liebe ist in vieler Munde. Auch heute wird viel über Liebe gesprochen. Ist es die Liebe, die Jesus meint?
Wir müssen aufpassen und Worte ganz genau ansehen, auch wenn heute von Gerechtigkeit, von Frieden, von Liebe gesprochen wird. Was meint denn eigentlich Gottes Wort, wenn von Liebe gesprochen wird? Darum setzt Paulus hinzu – weil damals dies nicht anders war –, dass die Liebe nicht ein schmutziges Gefühl ist, nichts Klebriges, sondern etwas ganz Klares und Eindeutiges.
Die Liebe erweist sich am konkreten Nein zum Bösen. Hasst das Böse! Liebe hasst das Böse. Nicht den Bösen hasst, das Böse! Wenn Liebe in uns ist, dann werden wir einen Abscheu kriegen vor dem Gemeinen, vor dem Unreinen, vor dem, was Leben zerstört. Und das darf man leidenschaftlich sagen, weil darin Liebe sich zeigt.
In einer Gemeinde zeigt sich Liebe zum Menschen und doch so eindeutig in der Sache. Liebe kann ja manchmal eine Maske sein, und immer wieder wird das auch in den Christengemeinden so wieder vorgeholt: Wir sollten einander lieb haben und darum dürfen wir nicht klare Dinge aussprechen.
Gerade darum müssen wir klare Dinge sagen, eindeutig. Und das Wort „Hass“ sagt deutlich, um was es geht. Wir sollten einen Abscheu kriegen vor dem, was Menschenleben zerstört, das Böse beim Namen nennen.
Wir wollen keine Maske tragen, wohl nicht dieses Lächeln im Gesicht tragen, aber eine Liebe haben, die am Guten festhält, die Werte und Leitziele kennt, für die wir uns einsetzen. Liebe eben.
Bei den ganzen Worten klingt das jetzt fast ein wenig so, als wären das bloß Sprüche, wenn wir nicht die Spur Jesu hier hätten, in die uns Jesus hineinführt. Und wenn das Opfer unseres Lebens gebracht wird, dann in den Fußspuren Jesu jetzt zu leben, das zu verwirklichen.
Diese Liebe zeigt sich darin, in einer Gemeinde, dass wir einen Guinness-Rekord aufstellen und alle übertrumpfen im Ehren des Anderen. Dass wir heute Morgen herkommen und uns überlegen: Wie kann ich einen anderen ehren? Ist das Ehren denn so wichtig? Uns spielt das eine große Rolle für unsere Person. Das soll es dir nicht gleichgültig sein.
Hast du einen, der im Leben zu kurz gekommen ist? Siehst du einen? Dann ehre ihn heute Morgen. Sag ihm ein ermutigendes Wort. Richte ihn auf. Schön, dass wir dazu da sind, einander eine Ermutigung zuzusprechen. Einander Ehre zu erweisen.
In der Gemeinde soll Platz sein für den Einsamsten und den Verlassenen, und dass er spürt: Hier interessiert man sich für mich. Unsere Kinder sollen das wissen: Wie klein sie sind, hier guckt man nicht auf mich herunter, hier nimmt man mich voll und ganz an.
Eure Liebe sei herzlich. Auch da, wo man sich Schwestern und Brüder nennt, soll das kein bloßes Wort sein, sondern erfüllt mit inniger Anteilnahme. Es ist ein Zeichen für die Kälte in unseren Gemeinden, dass wir oft so leicht dieses Wort im Munde führen: „Herzlich, lieb und herzlich.“ Liebe Frau, darf ich Ihnen herzlich in Ihren lieben Mantel helfen? Dass wir solche Worte gebrauchen, die nichts bedeuten, mit einer Überfülle, ob das wirklich drinsteht.
Herzlich ist, wie wir einander grüßen, wie wir aufeinander zugehen. Einer komme dem anderen mit Ehrbietung zuvor. Dass wir die Alten ehren, sollte selbstverständlich sein. Dass einer dem anderen den Rang ablaufen will, um ihn zu ehren, ihn zur Geltung zu bringen, ihm zur Entfaltung seiner Gaben zu helfen.
Lasst euch vom Geist entzünden! Das ist ein Zeichen, dass der Geist Gottes unsere trägen Leiber lebendig machen kann, damit das brennt und wirklich von innen her kommt. Die in dem Herrn macht das zu einem Dienst, dass euer ganzes Leben so dargebracht wird. Seid brennend im Geist!
Was meinen denn das? Dass wir einen Eifer haben, nicht diesen I-V-W in die Welt, hat den Fanatismus, sondern eine Hingabe unseres Lebens, so dass etwas für Gott herauskommt und Frucht für ihn entsteht.
Was ist denn manchmal falsche Liebe? Ihre Liebe sei ohne Falsch. Liebe hat diese Art an sich, dass sie etwas an sich zieht. Sie kennen das ja: Sei versucht, da will ich etwas für mich gewinnen. Warum habe ich meine Frau geheiratet? Weil ich einen Schatz haben will für mich. Doch klar, habe ich nicht aus diakonischen Motiven meine Frau geheiratet? Ich will noch was für mich haben.
Liebe sucht doch etwas für sich zu gewinnen, und erst dort bei Jesus kommt die Umkehrung der Liebe. Das Liebesopfer bedeutet: Für den anderen, Jesus, der nichts für sich selbst sucht und alles dem anderen schenkt.
Wir lieben, die sich verströmen kann. Ihre Liebe sei ohne Falsch, eindeutig eine Schenken der Liebe, nicht mehr das Suchen, was mich zurechtbringt und wo ich profitiere und wo ich meine Gefühle befriedige, sondern eine Liebe, wo ich schenken kann und weitergeben kann.
Und das Letzte noch: Taten mit weiteren Taten. Es ging an dem ganzen Abschnitt, den ich überschrieben habe, um den Glauben, der in der Liebe tätig ist. Unser Tun in der Gemeinde, da wo ich mit anderen Christen lebe.
Das, was wir tun, sieht so klein aus, so alltäglich. Doch sind es Taten, die schon auf die Ewigkeit hinweisen. Mir fehlt in diesen Tagen am meisten eigentlich der Verlust an Ewigkeit. Kaum ein Mensch ist sich bewusst, dass er in wenigen Jahren wahrscheinlich vor dem Thron Gottes in der Ewigkeit steht.
Manche unter uns werden noch dieses Jahr sterben. Sind wir uns dessen bewusst? Wir sollten doch unsere Taten, die ganz alltäglichen Dinge, viel konkreter im Licht der Ewigkeit leben, auf dieses Ziel hin.
Darum steht so viel hier auch noch da, wie diese Taten des Glaubens eigentlich nicht kurze Taten sind, nicht vergängliche Taten, sondern Bedeutung haben, weil sie von Gott gefühlt sind bis zum ewigen Leben.
Darum ist das Glas Wasser, das wir reichen, und das Wort, das wir sprechen, das ermutigende Wort, etwas, was noch bis in die Ewigkeit hinein gilt und Bedeutung hat.
Darum ist es Paulus so wichtig, dass wir in der Gastfreundschaft stehen. Warum eigentlich? Weil das gefährlich ist, dass wir nur noch die mögen, die wir kennen. Das ist ja oft der Tod in unseren christlichen Kreisen, dass man sagt: Beim Kaffee, Mittag, belegt den Platz Frau Soundso, das ist meine Freundin. Und wenn ein Fremder reinkommt, dann ist er abgestoßen, weil ja gar kein Platz für ihn mehr frei ist. Vielleicht am neuen Tisch, vor lauter persönlichen Bekanntschaften.
Darum sollte offen sein für die Fremden, für die Neuen. Da erweist sich Liebe. Ob man im Gottesdienst einmal umschaut: Da ist ein Gesicht, das kenne ich nicht. Gerade darum will ich mich daneben hinsetzen.
Natürlich sagen Sie: Ich bin so scheu. Aber Ihre Scheu ist falsch, ist ungeistlich. Sie müssen auf Menschen zugehen. Ich geniere mich doch auch so wie Sie. Aber da warten Menschen heute auf uns.
Wir waren ja schon öfter betroffen, wenn Menschen sich aus unserem Gottesdienst heraus das Leben genommen haben. Einen Tag später, zweitausend, wussten wir alle gar nicht warum. Wissen wir es nicht? Sind sie alle so kalt? Oder haben wir diesen Blick für die Ewigkeit?
Darum meint dieses Gastfrei-Sein nicht, dass man die Hotelkosten sparen soll, sondern dass unsere Häuser offen sind, dass wir sagen: So wie es ist, komm rein, auch wenn in der Küche nicht gespült ist, das Wohnzimmer nicht aufgeräumt ist. Herzlich willkommen! Setz dich hin, du gehörst hier herein. Das, was mein ist, ist dein.
Nehmt euch der notleidenden Brüder an und Schwestern, die haben es auch nötig. So, jetzt steht’s: Gastfreundlich. Und dann: Segnet die, die euch verfolgen. Segnet und flucht nicht. Lass das andere spüren, wie ihr Feindschaften überwinden könnt und das Böse ihnen nicht nachtragt.
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seid fröhlich in Hoffnung, geduldig in Bedrängnis, beharrlich im Gebet.
Eine Gemeinde steht mittendrin in den Nöten und ist viel zusammen mit dem, was Menschen heute empfinden, aber hat eine weitere Hoffnung. Sie kann davon reden, dass Christen nie traurig sein müssen, weil sie von den großen Möglichkeiten Gottes wissen und von dem Ziel, auf das die Weltgeschichte zuläuft.
Darum die Geduld in der Bedrängnis, darum das Ausharren, dass wir anderen weitersagen und dass wir uns sammeln im Gebet.
Was ist das? Wo Sie sich einer Gebetsgruppe anschließen können? Sie können ohne andere nicht existieren. Sie müssen kein Einzelgänger sein. Ich kann es nicht. Ich kann in meinem Glauben nicht existieren ohne Schwestern und Brüder, mit denen wir laut beten, wenn Sie es leise können.
Ich weiß nicht, wie man da Gemeinschaft praktiziert. Bei uns gehört die Rede dazu, die uns Gott geschenkt hat zum Kommunizieren miteinander. Das braucht man. Beharrlich sein im Gebet, dieses Einstehen füreinander – das ist wunderschön und wunderbar, dass uns daher diese Gemeinschaft untereinander gibt, zueinander stellt im Dienst aneinander. Amen.
Die Realität der Urgemeinde und unsere Aufgabe heute
Wie war das denn bei den Urchristen? War das wirklich damals so eine ideale Gemeinde? Sie können das selbst in der Apostelgeschichte nachprüfen. Dort wird deutlich, dass es manche Konflikte gab und auch dunkle Schatten in dieser ersten Christengemeinde.
Das ist gut, denn so wissen wir: Das waren Menschen wie wir – bedroht, versucht und mit allen Schwächen, so wie wir hier leben. Aber es ist ein Wunder, das Gott tun will. Er möchte in seiner Gemeinde ein Miteinander schenken, ein neues Verstehen untereinander.
Wir Christen haben also eine riesige Aufgabe vor uns. Es geht nicht nur darum, der Welt mit Sprüchen zu erzählen, wie alles sein sollte, sondern darum, es wirklich zu leben. Wir sind ja eigentlich die Anwälte der Ewigkeit, das Volk Gottes – jene Menschen, die einmal vor dem Thron Gottes stehen.
Und wir sollten in ganz besonderer Weise hier auf Erden zeigen, wie die neue Gemeinschaft aussieht, wenn Gott die Herzen der Menschen verwandelt. Man kann es auch anders sagen: In dieser irdischen Gemeinde, in der wir hier zusammen sind – in der ganz normalen menschlichen Gemeinde – will Jesus seine Herrlichkeit offenbaren.
Wir sind Menschen mit all unseren Begrenzungen und Schwächen. Doch Jesus will uns alle so zueinander führen, dass wir uns mit unseren Gaben ergänzen, stärken und ermutigen.
Die Herausforderung der Gemeinschaft und die Gabe der prophetischen Rede
Jetzt ist das aber ein Problem. Ich weiß nicht, ob heute Morgen manche gekommen sind, die sagen: Ich wollte heute Morgen ein Stück Bibelauslegung bekommen. Mehr will ich gar nicht. Ich will nichts von der Gemeinschaft der neben mir Sitzenden. Die interessiert mich nicht. Ich kann Ihnen zwar einen guten Morgen wünschen, aber im Übrigen möchte ich ja nur die Wortauslegung mitnehmen.
Ich muss Sie jetzt an dieser Stelle fragen, ob Sie an dem großen Geschenk Gottes vorübergehen wollen: Gemeinschaft zu finden, aus Ihrer Einsamkeit und aus Ihren Verwundungen heraus. Zu erleben, wie Sie in eine Gemeinschaft der Liebe hineingestellt sind.
Vielleicht haben Sie hier eine andere Gemeinschaft. Wir denken an unsere landeskirchlichen Gemeinschaften, den Aidlinger Kreis, die Süddeutsche Gemeinschaft oder die Hahnsche Gemeinschaft im Haus Bibelkreis. Dort, wo sie das Leben teilen – das sind Schwestern und Brüder, die mehr bedeuten als meine Blutsverwandten.
Wenn Sie darauf verzichten, dann sind Sie selbst schuld. Das ist die größte Gabe, die uns Jesus zum Spüren und zum Fühlen gibt.
Unsere jungen Leute praktizieren diese herzliche Weise in ihren Jugendgruppen. Aus dem offenen Abend entsteht ein Hauskreis, der weiß, was Gemeinschaft bedeutet.
Ich möchte die anderen bitten: Sie müssen an einer Stelle die Gemeinschaft mit Christen leben.
Die praktische Umsetzung der Gaben in der Gemeinde
Im Zusammenhang mit dem Römerbrief geht es nun darum, ob das neue Leben, das uns Jesus schenkt, auch wirklich im Alltag gelebt wird. Das betrifft die irdischen Bezüge, also dort, wo wir uns treffen und grüßen. Unser Glaube soll tätig sein, und dazu erhalten wir hier einige ganz konkrete praktische Ratschläge.
Es sind so viele Weisungen, dass wir fast in Gefahr geraten, sie schlampig und oberflächlich zu behandeln. Man sollte deshalb Sonntag für Sonntag jeweils einen Punkt herausgreifen und dann ganz gründlich darüber sprechen.
Ich habe versucht, diese Befehle verschiedenen Gruppen zuzuordnen und möchte zuerst darauf eingehen, dass wir im Kleinen treu sein müssen. Es ist eine Sorge unserer Zeit, dass man ständig große Pläne macht und über seine Verhältnisse lebt. Man hat große Vorhaben und will viel verwirklichen. Am Ende ist man dann enttäuscht, weil man so wenig schafft und so wenig fertigbringt.
Die Gabe der prophetischen Rede und des Dienens
Darum spricht Paulus von den verschiedenen Gaben, die Menschen haben und in die Gemeinde einbringen. Das Erste, was er nennt, ist die Gabe des prophetischen Redens.
Was ist das denn? Ist das vielleicht jemand, der uns heute geheimnisvoll sagen kann, wann die Welt untergeht und ob ein dritter Weltkrieg kommt? Auch wenn das sehr verlockend klingt, muss ich warnen: In der Bibel steht genau, dass über die Worte der Bibel nichts hinaus gesagt werden darf. Wenn etwas hinzugefügt wird, wird derjenige aus dem Volk Gottes ausgestoßen.
Gott hat in seinem Wort alles niedergelegt, was wir brauchen. Die Gabe des prophetischen Redens ist das, was wir praktizieren. Was ich heute Morgen tun möchte, ist, Ihnen dieses Wort konkret auf Ihr Leben zu sagen. In anderen Bibelübersetzungen wird diese Gabe auch als Weissagung bezeichnet.
Hier ist nicht gemeint, dass wir irgendwelche Geheimnisse entschlüsseln, die wir Menschen ja doch nicht entschlüsseln dürfen und die uns Jesus bewusst nicht offenbart hat. Vielmehr bedeutet es, einem Menschen ganz konkret zu sagen: Du brauchst dies und jenes. Das ist im Wort Gottes für dich gesagt, und das hat für dich eine ganz besondere Konsequenz.
Diese Gabe ist nicht nur für uns Pfarrer gedacht. Sie geschieht auch in der Seelsorge und dort, wo wir im Hauskreis miteinander reden und das Wort Gottes konkret auf eine Situation zuspitzen. Wenn du die Gabe hast, das Wort Gottes konkret auszulegen, nimm diesen Dienst an und bringe ihn in die Gemeinschaft der Christen ein.
Wir sind hier kein Ein-Mann-Betrieb, in dem nur eine Person redet. Wir brauchen die Gaben, damit Menschen aus der Schrift erkennen, was heute notwendig ist und was heute konkret getan werden muss.
Doch sofort setzt Paulus hinzu: Als die nächste Gabe, die uns Jesus schenkt, nennt er eine Gabe, mit der unser doch so notvolles Leben plötzlich geschenkt wird. Das ist die Gabe, dienen zu können.
Diese Gabe steht heute nicht mehr hoch im Kurs, aus ihr haben wir den Dienst der Diakonie abgeleitet. Es ist die Gabe, einem anderen ganz praktisch zu helfen.
Dabei steht das eine nicht über dem anderen. Es gehört ja auch zusammen und wird immer wieder miteinander wahrgenommen. Es wäre schlimm, wenn unsere Krankenschwestern unseren Kranken nicht auch ein Wort des Zuspruchs und der Ermutigung sagen könnten.
Aber das ist ein voller Dienst, in dem unser Leben ganz praktisch zur Entfaltung kommt.
Die Vielfalt der Gaben und ihre Grenzen
Was wären unsere Gemeinden ohne die vielen, die praktisch mithelfen – beim Kochen, beim Packen, beim Austragen, beim Vorbereiten dieses Raumes für den Gottesdienst, beim Mithelfen und Mitsingen im Chor?
Alle diese Gaben haben ihre Grenze dort, wo Gott mir die Gaben gegeben hat. So sei es dem Glauben gemäß, wie Gott sie dir anvertraut hat. Benutze sie! Wenn sie in einem Amt stehen, ist das Großartige, dass Gott ihnen auch die Gaben gibt.
Wir haben das oft erlebt in unseren Jugendgruppen: Man überlegt, ob man einen jungen Menschen schon in die Verantwortung stellen kann. Und plötzlich sagt man ein halbes Jahr später: Merkwürdig, der ist richtig gewachsen. Gott gibt die Gaben mit dem Amt. Wenn im Glauben einer die Hände ausstreckt, sonst könnten wir nie etwas ergreifen und nie ein solches Amt auf uns nehmen.
Dann gibt es verschiedene Gaben des Zuspruchs, und ihr müsst jetzt überlegen: Wo liegt euer Dienst? Sollte heute jeder weggehen und sagen: Jetzt weiß ich, wozu Gott mich braucht und wo er mich einsetzen will?
Da gibt es die Ermahnung: Ist jemand zum Ermahnen berufen, dann soll er auch ermahnen. Für uns klingt das unangenehm, wir kennen sonst viel lieber das Trösten. Aber das ist wichtig: Einem Menschen zu sagen, lebt doch das, was du jetzt in der Predigt hörst, auf dem Nachhauseweg. Du brauchst doch nicht den Kopf hängen zu lassen. Du darfst doch damit rechnen, dass Jesus Stärke und Kraft gibt!
Ermahnen heißt also, dass man im Glauben und im Leben das Gehörte wirklich verwirklicht und in die Konsequenz stellt. Wer das Wasser gehört hat, der soll ermahnt werden.
Dann gibt es noch das Lehren. Das Lehren ist eine besondere Gabe. Die Bibel unterscheidet immer wieder zwischen dem Evangelisieren – das heißt, andere Menschen, die noch nicht glauben, zum Herrn zu führen – und dem ruhigen, sachlichen Erklären der großen Grundlinien des Glaubens, so dass man es verstehen kann.
Nicht, dass ihr denkt, ihr müsstet andere Gaben haben. Sondern gerade in einem Hauskreis, in der Gemeinschaft, kommen die verschiedenen Fähigkeiten zusammen: Der eine ist der ruhigere Denker, der andere der feurige Missionar. Alle Gaben gehören zusammen.
Bis hin zum Geben: Wenn man etwas gibt, wird an unsere Opfergaben gedacht, die wir einbringen, an sonstige Dienste, die wir tun. Dann mit Lauterkeit, nicht als Mann mit Traurigkeit und mit Mutlosigkeit, der etwas tut, weil ihm etwas abverlangt wird, sondern vor Gott diesen Dienst.
Das Leiten in der Gemeinde – im alten Luthertext steht da vom Regieren – braucht auch Menschen, die in der Gemeinde die Linie angeben. Aber es wird deutlich gewarnt, dass sie ihren Willen nicht der Gemeinde aufdrücken, sondern dass einer sich vorsichtig und sorgfältig von Gott leiten lässt in diesem Dienst. Denn er kann auch irre führen und das Gewissen zusammendrücken.
Von der Barmherzigkeit steht noch da, dass sie geübt werden soll als die praktische Auswirkung unseres Christseins: barmherzig zu sein, mitzufühlen mit anderen, aber in einer Fröhlichkeit, die andere mitreißt.
Es gibt ja diese wehleidige und klagende Barmherzigkeit, bei der man nur sein eigenes Opfer bestaunt. Es ist ein Vorrecht, dass wir barmherzig sein dürfen. Unsere Gemeinden sollten Städte sein, wo man mitfühlen kann mit Menschen, die in Not sind.
Die Bedeutung der Treue im Kleinen und der Liebe in der Gemeinde
Jetzt rede ich so theoretisch darüber und hätte viel lieber ganz praktisch gesprochen: Können wir das jetzt in den Gruppen und Gemeinschaften, in denen wir sind, verwirklichen? Wenn sie vor dem Gottesdienst zusammensitzen und mit ihrem Leben ein wenig reden, ist das ein Dienst, eine Gabe, die sie zur Anwendung bringen. Allein das Zuhören, was den anderen drückt, was ihn belastet und beschwert, ist wichtig.
Sei im Kleinen treu. Heute wird viel darüber geredet, wie man die Gemeinde erneuern kann und wie unser kirchliches Leben wieder in Schwung kommt. Meinen Sie, das geht anders als mit der Treue im Kleinen? Das wird in die Dunkelheit der Welt hinaus leuchten. Unsere Nachbarn werden sehen, wenn wir hier einander lieben, einander annehmen, einander ermahnen und füreinander da sind.
Sei im Kleinen treu. Damit setzt Paulus die große Botschaft des Römerbriefes um.
Nun kommt das Zweite: nichts ohne Liebe. Dass die Liebe für Christen eine große Rolle spielt, ist klar. Aber wir leiden heute besonders unter dem Missbrauch der großen Worte. Die Liebe ist in vieler Munde. Auch heute wird viel über Liebe gesprochen. Doch ist es die Liebe, die Jesus meint? Wir müssen aufpassen und die Worte ganz genau ansehen. Auch wenn heute von Gerechtigkeit, von Frieden und von Liebe gesprochen wird – was meint eigentlich Gottes Wort, wenn von Liebe die Rede ist?
Darum setzt Paulus hinzu – weil das damals nicht anders war –, dass die Liebe kein schmutziges Gefühl ist, nichts Klebriges, sondern etwas ganz Klares und Eindeutiges. Die Liebe erweist sich am Konkreten: Nein zum Bösen! Hasst das Böse! Liebe hasst das Böse! Nicht die Bösen, sondern das Böse.
Wenn Liebe in uns ist, dann bekommen wir einen Abscheu vor dem Gemeinen, vor dem Unreinen, vor dem, was Leben zerstört. Und das darf man leidenschaftlich sagen, denn darin zeigt sich Liebe in einer Gemeinde: Liebe zum Menschen und doch so eindeutig in der Sache.
Liebe kann ja manchmal eine Maske sein. Immer wieder wird das auch in den Christengemeinden so vorgeholt: Wir sollten einander lieb haben, und darum dürfen wir keine klaren Dinge aussprechen. Gerade darum müssen wir klare Dinge sagen – eindeutig. Das Wort „Hass“ sagt deutlich, um was es geht.
Wir sollten einen Abscheu bekommen vor dem, was Menschenleben zerstört. Das Böse beim Namen nennen. Wir wollen keine Maske tragen, nicht dieses Lächeln im Gesicht, aber eine Liebe haben, die am Guten festhält, die Werte und Leitziele kennt, für die wir uns einsetzen.
Die praktische Umsetzung der Liebe in der Gemeinde
Liebe, eben bei all den Worten klingt es fast so, als wären das bloß Sprüche – wenn wir nicht die Spur Jesu hätten, die uns Jesus hineinführt. Wenn das Opfer unseres Lebens gebracht wird, dann bedeutet das, in den Fußspuren Jesu zu leben und diese Liebe zu verwirklichen.
Diese Liebe zeigt sich in einer Gemeinde darin, dass wir einen Guinness-Rekord aufstellen und uns darin übertrumpfen, den anderen zu ehren. Dass wir heute Morgen hierherkommen und uns überlegen: Wie kann ich einen anderen ehren? Ist das Ehren denn so wichtig? Ja, denn es spielt eine große Rolle für unsere Person.
Das soll dir nicht gleichgültig sein! Hast du jemanden, der im Leben zu kurz gekommen ist? Siehst du einen? Dann ehre ihn heute Morgen! Sag ihm ein ermutigendes Wort, richte ihn auf. Schön, dass wir dazu da sind, einander Ermutigung zuzusprechen und einander Ehre zu erweisen.
In der Gemeinde soll Platz sein für den Einsamsten und den Verlassenen, damit er spürt: Hier interessiert man sich für mich. Unsere Kinder sollen wissen, dass sie, so klein sie auch sind, hier nicht herabgesehen werden. Hier nimmt man sie voll an, hier sind sie angenommen von den anderen.
Eure Liebe sei herzlich! Auch da, wo wir einander Schwestern und Brüder nennen, soll das kein bloßes Wort sein, sondern mit inniger Anteilnahme erfüllt. Es ist ein Zeichen für die Kälte in unseren Gemeinden, dass wir oft so leicht dieses Wort im Munde führen – herzlich, lieb und herzlich liebe Frau. Darf ich Ihnen herzlich in Ihren lieben Mantel helfen?
Wir gebrauchen solche Worte oft ohne wirkliche Bedeutung, in einer Überfülle, ob das wirklich drinsteht. Herzlich ist, wie wir einander grüßen, wie wir aufeinander zugehen. Einer komme dem anderen mit Achtung zuvor! Dass wir die Alten ehren, sollte selbstverständlich sein. Dass einer dem anderen nicht den Rang ablaufen will, sondern ihn ehrt, ihn zur Geltung bringt und ihm hilft, seine Gaben zu entfalten.
Lasst euch vom Geist entzünden! Das ist ein Zeichen, dass der Geist Gottes unsere trägen Leiber lebendig machen kann, damit das brennt und wirklich von innen herkommt – die in dem Herrn. Macht das zu einem Dienst, dass euer ganzes Leben so dargebracht wird: Seid brennend im Geist!
Die Haltung der Liebe und ihre Herausforderungen
Was bedeutet es, einen Eifer zu haben, der nicht aus Fanatismus besteht, sondern aus einer Hingabe unseres Lebens, sodass etwas für Gott entsteht und Frucht für ihn getragen wird?
Manchmal gibt es falsche Liebe. Diese falsche Liebe zieht etwas an sich selbst. Sie versucht, etwas für sich zu gewinnen. Sie kennen das: Man ist versucht, etwas für sich selbst zu erreichen. Warum habe ich meine Frau geheiratet? Weil ich einen Schatz für mich haben wollte. Natürlich habe ich meine Frau nicht aus diakonischen Motiven geheiratet. Ich wollte etwas für mich gewinnen.
Liebe sucht oft etwas für sich selbst zu gewinnen. Erst bei Jesus kommt die Umkehrung der Liebe. Liebe bedeutet Opfer für den anderen. Jesus sucht nichts für sich selbst, sondern schenkt alles dem anderen.
Wir lieben, wenn unsere Liebe sich verströmen kann. Unsere Liebe sei ohne falsche Absichten. Es ist eindeutig ein Schenken der Liebe, nicht mehr das Suchen dessen, was mich zurechtbringt, wo ich profitiere und meine Gefühle befriedige. Es ist eine Liebe, bei der ich schenken und weitergeben kann.
Die Bedeutung der Taten im Glauben und der Gastfreundschaft
Und das letzte noch: Taten, die weitergehen. Es ging in dem ganzen Abschnitt, den ich überschrieben habe, glaube ich, um die Liebe, die tätig ist.
Unser Tun in der Gemeinde, dort wo ich mit anderen Christen zusammenlebe – das, was wir tun, sieht so klein aus, so alltäglich. Doch es sind Taten, die schon auf die Ewigkeit hinweisen.
Mir fehlt in diesen Tagen am meisten eigentlich das Bewusstsein für die Ewigkeit. Kaum ein Mensch ist sich bewusst, dass er in wenigen Jahren wahrscheinlich vor dem Thron Gottes in der Ewigkeit stehen wird. Manche unter uns werden noch dieses Jahr sterben. Sind wir uns dessen bewusst?
Wir sollten doch unsere Taten, die ganz alltäglichen Dinge, viel konkreter im Licht der Ewigkeit leben – auf dieses Ziel hin. Darum steht hier auch so viel darüber, dass diese Taten des Glaubens eigentlich keine kurzen Taten sind. Sie sind nicht vergängliche Taten, sondern haben Bedeutung, weil sie von Gott gefühlt sind bis zum ewigen Leben.
Darum ist das Glas Wasser, das wir reichen, und das Wort, das wir sprechen, das ermutigende Wort, etwas, das noch bis in die Ewigkeit hinein gilt und Bedeutung hat.
Deshalb ist es Paulus so wichtig, dass wir in der Gastfreundschaft stehen. Warum eigentlich? Weil es gefährlich ist, dass wir nur noch die mögen, die wir kennen. Das ist ja oft der Tod in unseren christlichen Kreisen: Man sagt beim Kaffee oder Mittag, der Platz ist für Frau Soundso reserviert, das ist meine Freundin. Wenn ein Fremder reinkommt, wird er abgestoßen, weil ja gar kein Platz für ihn mehr frei ist – vielleicht am neuen Tisch, vor lauter persönlichen Bekanntschaften.
Darum sollten wir offen sein für die Fremden, für die Neuen. Da erweist sich Liebe.
Ob man im Gottesdienst einmal umschaut: Da ist ein Gesicht, das kenne ich nicht. Gerade darum will ich mich daneben hinsetzen. Natürlich sagen viele: „Ich bin so scheu.“ Aber diese Scheu ist falsch, sie ist ungeistlich. Man muss auf Menschen zugehen. „Ich geniere mich doch auch so wie Sie.“ Aber da warten Menschen heute auf uns.
Wir waren ja schon öfter betroffen, wenn Menschen sich aus unserem Gottesdienst heraus das Leben genommen haben – einen Tag später, zwei Tage später. Wir wussten alle gar nicht warum. Wissen wir es nicht? Sind sie alle so kalt? Oder haben wir diesen Blick für die Ewigkeit?
Darum meint dieses gastfreie Sein nicht, dass man Hotelkosten sparen soll, sondern dass unsere Häuser offen sind. Dass wir sagen: So wie es ist, komm rein, auch wenn in der Küche nicht gespült ist und das Wohnzimmer nicht aufgeräumt ist. Herzlich willkommen, setz dich hin, du gehörst hier herein. Das, was mein ist, ist dein.
Nehmt euch der notleidenden Brüder und Schwestern an, sie haben es auch nötig.
So, jetzt steht es: gastfreundlich.
Segnen, Freude und Geduld als Ausdruck christlichen Lebens
Und dann segnet die, die euch verfolgen. Segnet und verflucht nicht. Lasst andere spüren, wie ihr Feindschaften überwinden könnt und das Böse ihnen nicht nachtragt.
Freut euch mit den Fröhlichen und weint mit den Weinenden. Seid fröhlich in der Hoffnung, geduldig in der Bedrängnis und beharrlich im Gebet.
Eine Gemeinde steht mittendrin in den Nöten und teilt viel von dem, was Menschen heute empfinden. Sie hat aber eine weitere Hoffnung. Sie kann davon reden, dass Christen nie traurig sein müssen, weil sie von den großen Möglichkeiten Gottes wissen und vom Ziel, auf das die Weltgeschichte zuläuft.
Darum die Geduld in der Bedrängnis, darum das Ausharren, damit wir anderen weitersagen und uns im Gebet sammeln.
Was ist das, wenn sie sich einer Gebetsgruppe anschließen? Können sie ohne andere Christen existieren? Müssen sie ein Einzelkämpfer sein? Ich kann es nicht. Ich kann in meinem Glauben nicht existieren ohne Schwestern und Brüder, mit denen wir laut beten, wenn sie es leise können.
Ich weiß nicht, wie man da Gemeinschaft praktiziert. Bei uns gehört die Rede dazu, die uns Gott geschenkt hat, um miteinander zu kommunizieren.
Man braucht Beharrlichkeit im Gebet, dieses Einstehen füreinander. Das ist wunderschön und wunderbar, dass uns daher diese Gemeinschaft untereinander gibt, zueinander und im Dienst aneinander.
Armin