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Mahnung zur Geduld

12.12.1989Jakobus 5,7-12

Lieber Herr, wir möchten dein Wort hören – nicht jetzt kluge Menschenworte, sondern das, was jeder von uns von dir hören will und hören muss. Wir möchten still sein und brauchen deine Korrektur, deine Wegweisung, deinen Trost und deine Ermutigung.

Sei auch jetzt bei den Kranken und richte sie auf, besonders bei denen, die nicht unter uns sein können. Segne auch den Herrn Müller an seinem Festtag. Wir wissen, dass alle Jahre unseres Lebens ein großes Geschenk von dir sind. Amen.

 Jakobus 5 kommt am Ende des Jakobusbriefes. Es ist, als wäre die Zeit abgezählt, und gerade das nächste Mal werden wir dann fertig sein. Beim nächsten Mal steht noch das Gebet für die Kranken auf dem Programm – eine Sache, die mir sehr wichtig ist und auch bedeutsam für unseren Dienst an den Kranken.

Vor dieser Bibelstunde haben wir immer eine halbe Stunde Gebetsgemeinschaft. Das ist ganz bewusst so geplant, damit wir für die Kranken beten können, die auch unter uns sind. Heute war wieder jemand bei uns, der in der nächsten Woche zur Operation geht. Ich finde es schön, wenn man dann mit ihm beten kann.

Über das Gebet für die Kranken werden wir nächsten Dienstag noch ausführlicher sprechen.

Praktische Mahnung zur Geduld im Glaubensleben

Heute betrachten wir Jakobus 5,7-12, eine Mahnung zur Geduld. Beim letzten Mal haben wir über Reichtum gesprochen, insbesondere über unseren Umgang mit Geld und Besitz. Heute Abend wenden wir uns einem anderen Thema zu.

Der Jakobusbrief ist äußerst praktisch. Man spürt deutlich, dass Jakobus sich stark an den Worten Jesu orientiert. Immer wieder merkt man, wie er so spricht, wie er es vermutlich bei Jesus selbst erlebt hat. Es geht hier um praktisches Christenleben.

Lassen Sie sich den Jakobusbrief niemals von einem Theologen madig machen. Auch wenn Luther zitiert wird: Er hat sein Urteil über den Jakobusbrief später revidiert. Ein großer Mann darf sich auch einmal irren – es ist völliger Unsinn, heute zu behaupten, der Jakobusbrief sei eine störende Epistel.

Sie haben sicher bemerkt, wie ungemein praktisch der Brief ist und wie er uns immer wieder die Gnade Jesu groß macht. Luther befand sich in einer besonderen Situation. Damals berief sich die gottlose katholische Kirche auf Stellen im Jakobusbrief, um Luthers Anliegen infrage zu stellen. Dabei ging es vor allem um das, was Paulus im Römerbrief sagt.

Luther wehrte sich dagegen, aber er stellte sich nie grundsätzlich gegen den Jakobusbrief. Später sah er das ganz anders. Das ist auch für uns heute wichtig: Wenn Sie irgendwo hören, der Jakobusbrief sei problematisch, sollten Sie sich nicht sofort davon beeinflussen lassen.

Oft bleibt einem diese Kritik im Gedächtnis haften – Jakobusbrief und so weiter. Doch wir haben gesehen, wie unmittelbar uns dieser Brief korrigiert und uns zu einem richtigen, erfüllten Christenleben verhilft. So wird es auch heute wieder sein.

Geduld und Standhaftigkeit im Angesicht von Leiden

So seid nun geduldig, liebe Brüder, bis zum Kommen des Herrn. Siehe, der Bauer wartet auf die kostbare Frucht der Erde und ist dabei geduldig, bis sie den Frühregen und den Spätregen empfängt. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, denn das Kommen des Herrn ist nahe.

Seufzt nicht wieder einander, liebe Brüder, damit ihr nicht gerichtet werdet. Siehe, der Richter steht vor der Tür.

Nehmt, liebe Brüder, zum Vorbild das Leiden und die Geduld der Propheten, die im Namen des Herrn geredet haben. Siehe, wir preisen selig, die erduldet haben. Von der Geduld Hiobs habt ihr gehört, neulich bei dem schönen Abend, und habt gesehen, zu welchem Ende es der Herr geführt hat. Denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer.

Vor allen Dingen aber, meine Brüder, schwört nicht, weder beim Himmel noch bei der Erde noch bei einem anderen Eid. Es sei aber euer Ja ein Ja und euer Nein ein Nein, damit ihr nicht dem Gericht verfallt.

Umgang mit Reichtum und soziale Gerechtigkeit im biblischen Kontext

Gerade im letzten Abschnitt haben wir deutlich gesehen, wie stark die Spannungen zwischen den Reichen und den damals Notleidenden selbst innerhalb der Gemeinde waren. Jakobus hat klar gesagt, dass es ein Unrecht ist, wenn man einen kargen Lohn zahlt oder sein Geld in einem löchrigen Beutel zusammenhalten will, ohne zu bemerken, wie es dadurch an Wert verliert. Dabei hat er immer direkt zu den Menschen gesprochen, die davon betroffen waren. Er hat auch zu den Reichen selbst gesprochen.

Es ist interessant, dass wir in der Bibel immer dieses Grundmuster finden: Es wird hart gesprochen, aber immer zum Betroffenen. Ein Musterbeispiel dafür ist für mich der Prophet Nathan in 2. Samuel 12, als David gesündigt hatte und Uria umbringen ließ, nur um die Spuren seines Ehebruchs mit Bathseba zu verwischen. Nathan kam zu David und sprach mit ihm unter vier Augen.

Er hat die Geschichte nicht im Spiegel vorgehalten, damit andere sie enthüllen, und er hat sie auch nicht vor anderen Leuten erzählt, um eine Geschichte daraus zu machen. Stattdessen sprach er den Betroffenen direkt an und tat dies auf eine Weise, die David verstehen konnte. Nathan handelte dabei sehr klug. Er sagte David zunächst, dass Unrecht geschehen sei, und nannte ihn erst später „den Mann“, bis David begriff, was seine Tat wirklich war.

Wir sollten uns immer wieder daran erinnern, dass wir einander auch schlimme Dinge unter vier Augen sagen sollten. Die Bibel verbietet es uns, Dinge hinter dem Rücken anderer zu besprechen. Stattdessen sollen wir direkt ins Angesicht sprechen.

Christliche Verantwortung in sozialen und politischen Fragen

Interessant ist in der Frage des Reichtums, dass uns heute oft radikale, junge Sozialreformer in unserer Mitte vorwerfen, warum die Christen nicht mehr bewirkt haben, um soziale Gerechtigkeit in dieser Welt zu verwirklichen. Das ist eine Frage, die man hören muss.

Was hat das Christentum zur Abschaffung der Sklaverei getan? Nicht viel. In der Frage der Sklaverei hat Paulus sogar einen Brief geschrieben – den Philemonbrief. Darin ging es um einen Sklaven, der zu Paulus gekommen war. Paulus schickte den Sklaven zurück zu Philemon, seinem Herrn, gab ihm aber einen Brief mit. Darin bat er Philemon, den Sklaven anders zu behandeln, denn er habe einen Freund gewonnen.

Die Christen versuchten, durch die Veränderung der Betroffenen im System, das Unrecht zu überwinden. Dadurch sollte ein System aus den Angeln gehoben werden – und das hat auch funktioniert. Das Christentum hat viele Unrechtstatbestände überwunden, weil Menschen nicht mehr am Unrecht teilnehmen wollten. Beim Thema Reichtum ist das jedoch nicht gelungen. Zwar teilweise, aber es gibt immer noch sehr tiefe Unterschiede. Nur der Sozialismus hat noch viel mehr verspielt.

Morgen erscheint in der IDEa-Ausgabe eine Predigt von Theo Lehmann. Ich saß heute in der Presse-Ausgabe und hätte Ihnen am liebsten daraus vorgelesen, habe es aber liegen lassen. In dieser Predigt war ich fast erschrocken: Darf man so politisch reden? Es heißt dort: „Wir wurden betrogen, belogen.“ Das zieht sich über viele Seiten. Es war nichts als eine Diktatur. Das ganze Land ist pleite, es gibt nichts mehr. Der Sozialismus in der Welt ist zu Ende. Wenn uns noch einmal jemand mit Sozialismus kommt, hat er sich überall als bedeutungslos erwiesen.

Wenn man das liest, hätte keiner von uns je solche Worte über die Lippen gebracht wie die Betroffenen. Theo Lehmann, Jugendpastor von Karl-Marx-Stadt, ist ein gläubiger Mann. Der Sozialismus hat die Spannung zwischen Reich und Arm nie beseitigt. Jesus sagte einmal: „Arme habt ihr allezeit bei euch.“ Das soll nicht als Entschuldigung dienen, dass es immer Armut gibt, sondern als Ausdruck der großen Not, dass es in dieser Welt nicht gelingt, diese Unterschiede zu beseitigen.

Das soll mir auch jetzt keiner so schnell sagen, als hätte es etwas gegeben, das diese Unterschiede beseitigen konnte. Die Christen begannen in Jerusalem, sie brachten ihre Güter zusammen und hatten alles gemeinsam – anders als im Sozialismus. Sie selbst waren aktiv und spendeten. Doch später kam in Jerusalem die Not, weil sie verarmt waren.

Wir sehen auch in der Bibel, wie zur Haushalterschaft mit den Gütern angehalten wird. Wir sprachen zuletzt darüber. Heute ist mir nur wichtig, dass der Apostel Jakobus ganz deutlich sagt, dass man keine radikalen Maßnahmen ergreifen darf. Dieser Abschnitt richtet sich gegen jede revolutionäre Maßnahme der Christen.

Wenn man das heute so sagt, muss das jungen Leuten in den Ohren gellen. Jakobus spricht selbst in einem Friedenszustand, wie wir ihn heute erleben, und sagt: Man soll nichts tun. Jetzt denkt doch einmal an die Entrechteten, wenn sie die Fäuste ballen.

Die Christen auf den Philippinen waren sehr stolz darauf, dass sie den Aufstand gemacht haben und Frau Aquino an die Macht kam. Die Buchhandlung der evangelischen Kirchen, die auch von Hefe Brüter subventioniert wurde, hat ein ganzes Buch mit Fotos herausgegeben, auf denen die Menschen glücklich auf der Straße zu sehen sind. Wenn man heute fragt, was aus Frau Aquino geworden ist, sagen alle, es sei eigentlich genauso schlimm wie vorher.

Das ist das Furchtbare. Das Schlimme ist, dass alle Revolutionen, wenn man sie der Reihe nach durchgeht, so viel Blut und Tränen gebracht haben, dass man wirklich fragen muss, ob es nicht auch auf einem gewaltlosen Weg gegangen wäre.

Ich möchte ehrlich auch fragen: In Südafrika setze ich immer noch auf einen gewaltlosen Weg und meine, dass es so weitergegangen wäre, auch in Namibia. Ich bezweifle, ob das Blutvergießen nötig war.

In Äthiopien, das nie kolonial ausgebeutet wurde, ist es trotzdem ein armes Land. Die ganzen Märchen, man sei nur ausgebeutet worden, weil man arm sei, oder der Reichtum sei nur den Kolonien zu verdanken, sind Unsinn. Schweden und die Schweiz hatten nie Kolonien und sind trotzdem reiche Länder.

Das ist alles Nonsens, was da erzählt wird. Junge Leute brauchen oft nur ein paar Sprüche, die ihnen einleuchten. Mir ist nur wichtig, dass wir Christen nie von der Bibel her die Erlaubnis bekommen, gegen Reiche im Kampf zu Felde zu ziehen. Denn damit wird auch nichts gelöst.

Das Problem der Reichen ist, dass sie in ihrem Reichtum gefangen sind – davon sprachen wir zuletzt. Hier ist das erste Wort: „Seid nun geduldig.“ Wir dürfen nicht einmal die Gemeinde säubern. Wir setzen auf umgekehrte Herzen und wollen ernsthaft erwarten, dass wir ein Wort haben, das Menschen auch verändert.

Geduld und Vertrauen als christliche Tugenden in schwierigen Zeiten

Ich bin an dieser Stelle sehr vorsichtig und habe Ihnen bereits erzählt, dass dies in den ersten Jahren, als wir hier waren, im Jahr 1973 passiert ist. Nach einer Missionsmatinee brachte jemand sein gesamtes Geld und übergab es dann Bruno Herm – eine Summe von über dreißigtausend Mark.

Gott redet so viel mit Menschen, dass ich sehr vorsichtig bin, wenn es darum geht, irgendwelche Witze zu machen, auch beim Thema Opfer. Das ist gar nicht nötig. Menschen suchen von sich aus danach, ihr Leben mit Gott in Ordnung zu bringen. Wir haben ein viel besseres Schwert: das Schwert des Wortes Gottes.

Wir sollten offen über die Dinge und das neue Leben sprechen, das Christus schenkt. Dabei sollten wir nicht sagen: „Dort liegt das Böse, und dort gehen wir dagegen an, das sind die Unrechtsstrukturen.“ Ich möchte jetzt kein Wort zu den Auseinandersetzungen sagen, die heute noch in klassenkämpferischen Parolen in unserem Volk ausgetragen werden.

Das wird wahrscheinlich von der Presse noch aufgegriffen, wenn die letzten Geheimnisse bei der Koop- und neuen Heimatfinanzierung ans Tageslicht kommen. Es ist heute nicht leicht, einen Großbetrieb zu managen. Man muss nicht schadenfroh lächeln, sondern mit Geld umzugehen, setzt eine große Verantwortung voraus.

Ich glaube, es steht uns nicht zu, so schnell zu richten und zu sagen, das sind solche Leute, und das sind nur die Großkonzerne. Wenn ich solche Worte höre, denke ich, dass viel zu wenig Verständnis vorhanden ist. Ich habe Ihnen ja schon gesagt, dass mein Vater Volkswirt war und uns auf jedem Spaziergang in volkswirtschaftliche Grundkenntnisse einführte.

Ich meine oft, dass vielen unserer jungen Demonstranten dieses Verständnis fehlt. Sie wissen nicht, wie Wirtschaftsabläufe überhaupt funktionieren können. Es ist nicht getan, nur gegen den Profit zu wettern und damit meinen, eine Lösung geschaffen zu haben, oder gegen den Besitz. Aber davon wollen wir jetzt nicht reden.

Seid geduldig! Wir werden zur Geduld gemahnt, auch angesichts von Missständen. Damals war es sicher so, dass die Gemeinde gelitten hat, auch unter unrechten Praktiken, die ihr selbst sehr viel Schaden zugefügt haben. Beim letzten Mal fragte mich jemand, ob man Zinsen nehmen darf, weil das Thema immer wieder aufkommt. Es geht ja immer um die alte Zinspraxis.

Natürlich bin ich dankbar, dass wir heute in unserer Wirtschaft eine soziale Marktwirtschaft haben und keine Wuchermarktwirtschaft. Nur bei gewissen Kreditinstituten, da denke ich immer wieder, gehört das Handwerk oder die gesetzliche Regelung hin, damit solche Praktiken nicht möglich sind.

Wenn Leute, die nichts haben, Kredite mit sehr hohen Zinsen bekommen – zum Beispiel 30 Mal den Betrag zurückzahlen müssen – dann ist das eine Schufterei. Ich erinnere mich an Berichte, etwa im Adventskalender der Barmherzigkeit oder in der Zeitung, wo solchen Firmen der Laden gestürmt wurde.

Das regt mich immer wieder auf. Wenn man das alles umrechnet, sind das Zinssätze von 25 Prozent, die den Leuten abfallen, wenn man alle Gebühren mitrechnet. Aber es gibt auch Menschen, die auf alles hereinfallen. Das wird man wahrscheinlich nie ganz abschaffen können.

Abgesehen davon haben wir eine soziale Marktwirtschaft, die sehr sozial funktioniert. Hier wird uns zur Geduld gemahnt. Wir sollten nicht die Welt säubern wollen, sondern geduldig sein bis zum Kommen des Herrn.

Ja, das hat noch lange gedauert – vertröstet die Leute nicht! Doch es steht alles näher vor der Tür. Diese Weltläufe sind vorläufig, und ich fürchte, dass auch die Politik eines wiedervereinigten Deutschlands eine sehr notvolle Periode sein wird.

Wir erwarten nicht das Himmelreich durch äußere Veränderungen. All diese Systeme haben ihre vorläufige Art und sind auch in sich ungerecht. Das hat ja Churchill ausgezeichnet, als er sagte, alle Systeme seien schlecht gewesen, die man bisher ausprobiert hat. Aber die Demokratie sei die beste, die man jetzt habe.

Es war gut, dass er sagte, sie seien alle schlecht gewesen, auch die jetzige, und nur die relativ beste. Wir sind dankbar für die Freiheit, die wir haben. Aber wir wissen, dass das alles vorläufig und nicht endgültig ist. In Wirklichkeit ist das Kommen des Herrn nahe vor der Tür.

Das Kommen des Herrn als Hoffnung und Mahnung zur Bereitschaft

Ich glaube, dass das nahe ist, bloß immer wieder stellt sich die Frage, ob die Wiederkunft Jesu wirklich so schnell kommt. Für uns ist das aber nicht so wichtig, denn unsere eigene Todesstunde liegt doch sehr nahe.

Hennhöfer war ein katholischer Pfarrer, der im 20. Jahrhundert lebte. In dieser Zeit gab es eine interessante Reihe von Katholiken, die zu evangelischen Erweckungspredigern wurden. Alois Hennhöfer war einer von ihnen. Er sagte, die Wiederkunft Jesu sei wie mit der Postkutsche. Diese stehe auf dem Marktplatz, die Leute seien eingestiegen, die Zeit sei da, und der Glockenschlag um drei Uhr kündige die Abfahrt an. Doch der Kutscher steige noch einmal von seinem Bock herunter, laufe herum und prüfe das Saumzeug. Eigentlich sei alles in Ordnung. Er gehe noch einmal herum und kontrolliere die Räder. Erst wenn er wieder vorne an seinem Bock sei und aufsteigen würde, würde man verstehen, warum er das alles gemacht habe.

Er hätte alles nur getan, weil da jemand die Straße entlanggerannt sei, der auch noch mit der Postkutsche mitfahren wolle. Auf diesen wolle der Kutscher warten und habe deshalb so höflich gehandelt. So sei es auch mit dem Warten Jesu: Gott übe Geduld, um den Menschen Raum zur Umkehr zu lassen. Es ist ein schönes Bild, das die Situation deutlich macht.

Wir leben in einer Weltzeit, die zu Ende geht. Ich habe ein Paar, das das so erzählt hat: In der Hartenstein-Offenbarungsauslegung, die ich sehr schätze, steht in Offenbarung 18 etwas über das Weltende. Dort heißt es, es werde ein Zeichen des Weltendes sein, dass junge Leute nicht mehr heiraten wollen und das Leben verneinen. Das versteht man heute kaum. Zur Zeit Hardensteins, der vor oder im Zweiten Weltkrieg lebte, war das noch anders. Erst heute versteht man es, weil es dort heißt, dass die Stimme des Bräutigams nicht mehr gehört werde.

Es ist immer wieder interessant zu fragen, ob wir nicht doch in solchen Zeiten leben, in denen man sagen kann, dass dies ein besonderes Merkmal einer zu Ende gehenden Zeit ist. Ich will mich da aber nicht festlegen, denn ich bin kein Prophet. Vielmehr möchte ich jede Stunde meines Lebens bereit sein.

Ich will mich auch nicht über die Dinge erbittern. Auf dem Weg zum Bibeltraining habe ich mich zum Beispiel über die Polizei geärgert, weil sie am Sonntag wieder alle Autos aufschreibt, aber an Werktagen, wenn der Verkehr viel dichter ist, nicht. Doch dann habe ich gedacht: Das ist doch nicht wichtig. Im Himmel gibt es keine Strafzettel mehr und keine Parkscheine. Ich habe keine bekommen, und es tut mir leid, wenn diese Verärgerung entstanden ist. Man sollte solche Dinge immer aus der Distanz betrachten.

Es ist wichtig, dass man sich nicht mit Leidenschaft um die Weltdinge bemüht. Es ist schade, wenn die Predigt des Evangeliums durch politische Parolen von der Kanzel Schaden nimmt. Es ist entscheidend, dass wir Interesse an der Politik haben – das wissen Sie. Aber nicht von der Kanzel und nicht im Talach.

Das ist der Unterschied: Wir verwechseln das eine nicht mit dem anderen. Wir sind als Bürger sehr interessiert und unterhalten uns auch darüber. Das will ich wohl meinen. Wir tauschen uns darüber aus, wen wir wählen und wen nicht. Das ist gut, denn wir reden ja nicht nur über Kochrezepte. Aber nicht im Talach, das ist der Unterschied.

Seid geduldig bis zum Kommen des Herrn.

Die Bedeutung der Anbetung Jesu als Herr und Weltenherrscher

Für die Theologen unter uns ist es eine sehr interessante Frage, wie wichtig es war, Jesus als den Herrn, den Kyrios, also den Weltenherrscher, zu bezeichnen. Es ist keine nebensächliche Frage, ob Jesus nur Mensch war oder der Herr.

Ganz genauso sehen wir es bei Paulus in dem Gebet „Komm bald, Herr Jesus, Maranatha“, was aramäisch ist und „Herr Jesus, komm“ bedeutet. In der Urchristengemeinde war es selbstverständlich, dass Jesus als Herr angebetet wurde. Sogar das Gebet zu ihm war üblich. Bei Paulus wird nicht nur zum Vater gebetet, sondern auch zu Jesus – das ist sogar schwarz auf weiß belegt.

Wichtig ist auch hier, dass immer wieder vom Kommen des Herrn gesprochen wurde. In der Urchristenheit wurde Jesus als der Herr angebetet. Das ist für uns die Mitte des Glaubens.

Nun hat Jakobus ein sehr schönes Bild gebraucht: die Saat, die in die Erde geworfen wird. Er sagt, wie die Saat in die Erde geworfen wird und der Bauer jetzt wartet, bis sie aufgeht. Wir kennen das Bild vom Frühregen und Spätregen.

Wenn wir im Mai unsere Israelreise machen, dann kommen wir mitten ins Erntedankfest, das Schawuot. Das ist sehr schön. Auch diesmal werden wir wahrscheinlich wieder auf einem Kibbutz sein und mit der Kibbutzgemeinde das Schawuot feiern dürfen. Toll, wie sie das machen, wie sie die Tiere vorführen und Gott dafür danken.

Im Mai haben sie das Erntedankfest, weil die Regenzeit vorher war. Die Saat braucht den Regen. Wahrscheinlich säen sie im November oder Dezember aus, das habe ich noch nie erlebt. Dann brauchen sie die Regenzeit bis Februar, damit der Keimling aufgehen kann.

Das Bild ist schön, wenn Jakobus sagt: „Das ist bei euch wie mit der Saat, wartet doch, wartet doch, wartet doch, Gott ist doch auch noch am Handeln.“ Der Keimling braucht den Regen. Ich brauche auch von Gott so einen Regen, der mich ein bisschen bearbeitet, damit ich Geduld lerne und die Frucht reifen kann.

In dieser Zeit des Wartens sind wir nicht untätig. Gott will uns wachsen und reifen lassen. Wir merken, dass diese Zeiten nicht unnütz sind. Manche unter uns müssen auch Geduld lernen im Umgang mit Krankheit. Aber auch diejenigen, die unter ungerechten Zuständen leiden und fast verrückt werden, will Gott reifen lassen – unter widrigen Umständen.

So wie er den Keimling mit Frühregen und Spätregen wachsen lässt, so gibt Gott uns immer wieder Wartung, damit ein reifer Zustand zunehmen kann.

Gottes Wirken in der Geschichte und die Hoffnung auf Veränderung

Wir reden ungern über die Ereignisse der letzten Wochen in Deutschland, mitten in Deutschland. Wahrscheinlich ist es heute so, dass alles sofort gebrandmarkt wird. Sobald jemand sagt: „Ich bin Deutscher“, fragt man ihn: „Bist du Republikaner oder Nazi?“ Das scheint heute kaum noch akzeptiert zu sein. So stehe ich unter dem Eindruck, dass Gott etwas gewirkt hat, was niemand für möglich gehalten hätte – nicht einmal zur Jahresmitte.

Gott, der Bismarck, hat nach Sedan gesagt: „Welch eine Wendung durch Gottes Güte!“ Das sagt man natürlich oft erst im Nachhinein, wenn es einem gerade passt. Aber es gibt Augenblicke in der Geschichte, die wirklich überraschend sind. Wer sich für Geschichte interessiert, horcht immer wieder auf solche Momente. Noch vor kurzem hielt kaum jemand eine Wiedervereinigung für wahrscheinlich. Eine Umfrage des Politbarometers zeigte, dass nur wenige junge Leute überhaupt daran glaubten, dass dies in den nächsten 50 Jahren möglich sein könnte.

Etwas ist geschehen, und wir wissen nicht einmal genau, warum. Die Regierung hat kaum bemerkt, was da vor sich ging. Es waren eigentlich nur die Menschen, die aus dem Land geflohen sind, weil die Ungarn die Grenze geöffnet hatten. Wäre das nicht geschehen, wäre Honecker heute wahrscheinlich noch in Ehren – wie immer, völlig in Ehren. Und bei uns würde man im Sozialismus sagen: „Da gibt es auch viel Gutes, und wir können viel davon lernen“, so wie es immer war. Da bin ich vielleicht ein bisschen Antikommunist, aber mir geht es nur darum zu zeigen, dass Gott auch Zustände verändern kann.

Das bewegt mich besonders für die Menschen, die 40 Jahre lang gelitten haben. Ist das nicht eine Antwort auf das Gebet der Leute? Wahrscheinlich haben wir gar nicht mehr dafür gebetet. Aber diejenigen, die oft furchtbar gelitten haben, die waren doch da. Ich weiß von Kirchengemeinden, wie sie oft kaum noch arbeiten konnten. Mit Hilfe für Brüder haben wir das Allianzhaus in Bad Blankenburg gebaut. Die Menschen dort mussten jedes Schloss aus dem Westen mitnehmen, weil sie es einfach nicht bekamen.

Doch es geht nicht nur um materielle Dinge. Wir haben den Film „Frage sieben“, vielleicht sollten wir ihn noch einmal zeigen. Er zeigt, wie es in Pfarrersfamilien mit der Jugendweihe und dem ganzen Kampf gegen den Atheismus war, der drohte. Gott wirkt dennoch viel. Das Kommen des Herrn ist nahe – nicht nur an seinem jüngsten Tag, sondern Gott gibt auch viele Lösungen, wenn wir nicht mehr weiterwissen.

Das betrifft ihre Berufsnöte und die Schwierigkeiten mit schwierigen Menschen, bei denen man denkt: „Ich halte es nicht mehr aus.“ Wir können nicht davonlaufen, wir müssen diesen Reifeprozess durchhalten. Der Herr ist nahe. Seid auch ihr geduldig und stärkt eure Herzen, damit ihr wachsen könnt, denn das Kommen des Herrn ist nahe. Wir brauchen Stetigkeit, Vertrauen und Gelassenheit.

Christliches Zeugnis inmitten von Unrecht und Leid

Jetzt kommt der Nächste und sagt: Ja, aber dann waren es doch die Christen, die die Zustände hinnahmen. Nein, sie müssen einfach Biografien lesen. Ein leidenschaftlicher Kämpfer gegen die Sklaverei in England war ein junger Parlamentarier. Er wurde gewonnen durch einen früheren Kapitän auf einem Sklavenschiff, John Newton, der zum Glauben an Jesus kam und Hilfsprediger in London wurde.

John Newton fand einen jungen Parlamentarier, der mit 22 Jahren sagte: „Du bist Christ, du musst dein Leben in den Kampf gegen die Sklaverei setzen.“ Der junge Mann hatte Karriere und einen hohen Beruf vor sich. Doch John Newton ließ ihn nicht los, bis er Gott gehorchte und diesen Dienst antrat – den Kampf gegen die Schande und das Leid der Menschen.

John Newton hat uns dieses herrliche Lied geschenkt: „Amazing Grace“ – Wunderbare Gnade, oh Gnade Gottes wunderbar. Dieses schöne Lied sollten wir auch im Gottesdienst ab und zu singen. Es beschreibt seinen Weg: „Ich war völlig blind, bis mir Gott die Augen geöffnet hat.“ Ein Mensch, der ganz aus dem Unterdrückersystem kam und von Gott umgewandelt wurde.

Das ist durch Gebete bewirkt worden, und so ging es häufig, dass Gott viel wirken konnte. Das ist das Entscheidende. Dennoch glaube ich, dass die Haltung der russischen evangelischen Christen toll war: in der Stille zu leiden und nicht zu großen Dingen zu greifen. Sie haben auch nie das System gutgeheißen. Das ist das Allerschlimmste, wenn man politisiert und das System gutheißt.

Ein Beispiel dafür ist Romatka in Prag, der schon damals lächerlich geworden war nach dem ersten tschechischen Aufstand 1971 mit seiner Prager Friedenskonferenz. Danach sprach plötzlich niemand mehr davon.

Man kann immer wieder sagen: Wir wollen heute die Menschen erreichen. Aber das Schlimme ist, dass sie nach 20 Jahren schon wieder aus der Mode sind. Lieber sind sie immer außer der Mode, aber wenigstens sind sie für den Herrn brauchbar. Sie dürfen Geschichte gestalten, denn Gott macht Geschichte.

Es ist schwierig, Gott zu verfolgen, wo er Geschichte macht. Aber wir wissen, dass sich auch viel in aller Stille ändert. Revolutionen haben jedenfalls in unseren Tagen, ich weiß nicht wo, nichts bewirkt.

Aus meiner Sicht ist in El Salvador nicht die Regierung schuld, die übrigens demokratisch gewählt wurde, sondern die schreckliche Krankheit des Terrorismus und der Guerillas. Das ist das Allerfurchtbarste: in Bürgerkleidung mit dem Gewehr zu schießen.

Diese furchtbare Not werden wir wahrscheinlich gar nicht mehr so schnell aus der Welt bekommen, auch wenn unser Land im Moment nicht sehr schwer davon betroffen ist. Aber die anderen Länder leiden furchtbar.

Wir können keinen Entwicklungshelfer mehr nach Peru schicken, weil die Bundesregierung es nicht erlaubt. Die Menschen dort bräuchten Helfer. Der „Leuchtende Pfad“ ist eine Terrorismusbewegung, die jeden abschießt, den sie kriegt.

Diese gewalttätigen Bewegungen sind sehr schädlich, und das wird heute nicht beim Namen genannt. Uns geht es darum zu wissen, dass Gott die Verhältnisse ändert. Wir dürfen ihn darum bitten, und wir wollen nicht ins Unrecht einwilligen.

Wir wollen auch nie ungerechte Zustände verharmlosen. Das ist Unrecht. Darum war es mir immer wichtig, dass wir auch in Südafrika sagen: Es ist ein Unrecht, das mit den Schwarzen geschieht.

Aber wir können nicht die Lösung der anderen Gruppen befürworten, die für Gewalt sind. Dort gibt es sehr viele südafrikanische Schwarze, die das nicht wollen – übrigens auch in Namibia. Vor der SWAPO haben viele Angst, und das wusste man vorher.

Wir hatten den Innenminister der Turnhallenregierung bei uns. Wir haben immer wieder gehört, wie die Leute das sehen. Damals war das Unrecht noch nicht veröffentlicht. Das war ein Verbrechen, auch wenn man das immer sieht, weil es immer Gewalt gibt.

Sie wissen, wie diese Umstürze immer Unrecht schaffen. Auch eine große Frage im Dritten Reich, bei vielen, die nie mit dem Nazismus eingewilligt haben. Man kann die älteren Menschen fragen: Es gab Leute, die bis zur Schlaflosigkeit verfolgt wurden.

Aber wir können nicht in irgendwelche Maßnahmen einstimmen, bei denen wir selbst wieder Unrecht tun. Das ist leichter zu sagen: Man hätte müssen. Aber man kann sich kaum vorstellen, wie es gewesen wäre.

Noch einmal: Nehmen Sie zum Vorbild des Leidens und der Geduld die Propheten.

Die Propheten als Vorbilder im Umgang mit Leid und Ungerechtigkeit

Welche Propheten? Es wird ja nicht einmal erwähnt, aber sie kannten früher ihr altes Testament, daher war es nicht nötig, sie extra zu erwähnen.

Wenn wir an Propheten denken, die umgekommen sind, fällt uns vor allem Ahab ein. Ahab und Isebel haben den Nabot umgebracht – erinnern Sie sich? Nabot war ein Prophet, der mutig mit dem Wort sprach. Das war immer das Entscheidende: mit dem Wort zu sprechen.

Ich habe unten an unserer Missionstafel sogar das Bild von Erzbischof Janani Luwum hängen lassen, weil er für mich ein Vorbild war. Er schrieb Idi Amin einen Brief, besuchte ihn und wurde wahrscheinlich von Idi Amin selbst erschossen. Aber er ging zu ihm und sagte gerade dort, wo Unrecht war, mit seinem Mund die Wahrheit. Das ist biblisch richtig: Zeuge der Wahrheit zu sein.

Wenn wir das noch einmal durchgehen, schauen wir in Jeremia 26. Dort, in Vers 20, lesen wir: Zur Zeit Hiskias, des Königs von Juda, war ein Prophet Micha von Moreshet, der zum ganzen Volk Juda sprach: So spricht der Herr Zebaot. Er sprach von der Zerstörung Jerusalems. Dann kommt weiter hinten im Text ein anderer Prophet: Uriah, der Sohn Shemajas. Er wurde vom König Joachim mit dem Schwert getötet.

Dann denken wir an die Leiden Daniels. Das hat mich als Kind ungemein fasziniert und prägt einen bis heute. Alle anderen fielen nieder, doch Daniel blieb stehen. Das ist ja toll, ein mutiger Schritt.

Beim Amos habe ich jetzt nur einen Vers da stehen, den kann niemand lesen. Jeremia, danke. Jeremia war natürlich der Entscheidende. Er wurde in den Brunnen geworfen und hat um seines Wortes willen gelitten.

Wir nehmen gerade noch Jeremia 26, Vers 14. Es ist interessant, wie Jeremia dort spricht. Er sagt zu den Leuten: „Siehe, ich bin in euren Händen, ihr könnt mit mir machen, wie es euch recht und gut dünkt. Doch sollt ihr wissen: Wenn ihr mich tötet, so werdet ihr unschuldiges Blut auf euch laden, auf diese Stadt und ihre Einwohner. Denn wahrlich, der Herr hat mich gesandt.“

So sollen sie auftreten. Wir sollen den Mund aufmachen. Das ist eine Frage, die uns immer wieder beschäftigt.

Ich habe Ihnen ja erzählt, wie mich das beeindruckt hat, wie mein Bruder, der damals sechs Jahre alt war, erlebt hat, wie nach der Reichskristallnacht eine Frau in einen zerstörten Laden kam und laut rief: „Solch ein Unrecht!“ Das hat einen jungen Buben geprägt – eine Frau, die Mut gehabt hat. Es war nicht umsonst.

Ich glaube, dass wir immer wieder das tun sollten und auch Dinge beim Namen nennen sollten in unseren Tagen. Werden Sie deshalb nicht müde, auch wenn Ihre Enkel das nicht hören wollen. Sagen Sie doch, was Sie als falsch ansehen. Sagen Sie es in Liebe und Verständnis, aber sagen Sie es.

Wir schulden uns das gegenseitig. Gleichzeitig wollen wir geduldig sein und wissen, dass nicht alle Unrechtsdinge so weiterlaufen und wachsen. Gott wirkt auch. Dann kann Gott wieder eine Erweckung schenken und neues Leben geben.

So waren die Propheten: Sie haben geredet. Und ihr habt gesehen, zu welchem Ende das geführt hat. Am Ende war Jeremia nicht der Betrüger, und Daniel auch nicht. Ahab und Isebel lagen als Leichname vor der Stadt, und die Hunde leckten ihr Blut.

Ewigkeitsperspektive als Grundlage christlichen Handelns

Wir sollten nicht so kurzsichtig sein. Es besteht eine große Gefahr darin, dass wir unser kirchliches Wort oder unser Verkündigungswort immer nur danach ausrichten, wie wir heute in diese Zeit passen.

Wir müssen sehr darauf achten, dass wir auf die Zukunft des neuen Reiches Gottes hinarbeiten. Genau hier liegt der Hauptfehler: Wir sind alle zu sehr auf diesseitige Dinge fixiert. In der Stunde des Todes wird es uns leidtun, dass wir uns nicht viel mehr auf die Ewigkeit vorbereitet haben.

Nur weil die Marxisten behauptet haben, wir würden die Menschen aufs Jenseits vertrösten, haben wir Angst bekommen, die Menschen auf die Ewigkeit bewusst zu machen. Dabei müssen wir genau das tun: auf die Ewigkeit hin orientiert sein.

Deshalb ist hier genug zu unserer politischen Haltung gesagt: Wir dürfen uns nicht in die Hände der Welt verlieren.

Christen in der Politik – ein Aufruf zur verantwortlichen Mitwirkung

Das, was mich allerdings sehr beschäftigt und mir auch wichtig ist, ist, wie Christen in die Politik hineingehen. Dabei geht es nicht darum, Politik von der Kanzel aus zu machen. Es gibt jedoch viele befähigte Menschen, die Gaben besitzen und Ansehen genießen. Diese Menschen wirken in dieser Welt innerhalb der vorläufigen Ordnung als Auftrag für Gott.

Dafür möchte ich immer wieder Mut machen. Das ist ein Dienst. In der Bibel steht, dass man Gerechtigkeit wirken kann – zwar noch keine paradiesische Gerechtigkeit, aber doch als Dienst für Gott. So wie viele Ämter wahrgenommen werden können, ist es auch ein wichtiges Amt, im politischen Bereich tätig zu sein.

Es tut mir immer leid, dass wir nur wenige Menschen haben, die wir guten Gewissens empfehlen können. Menschen, die vor Gott stehen, die sich vom Wort Gottes leiten lassen und denen man vertrauen kann. Wenn ich weiß, dass es solche Menschen gibt, liegt mir das sehr am Herzen. Es ist wichtig zu wissen, wer überhaupt ein Mensch ist, der sich so bestimmen lässt.

Nicht, dass ich anderen das absprechen möchte, aber es ist ein wichtiger Beitrag, wenn Menschen, die Gott berufen hat, in der Politik wirken. Es gibt nicht die eine christliche Politik und nicht die eine sozialistische Politik. Sicher gibt es sie, aber ich meine das vom Christentum her. Entscheidend ist, welche Wertordnungen ich verfolge, auch heute in unserem politischen Leben, und woher ich meine Leitlinien und Gesetze nehme.

Wir als Gemeinde wollen uns nicht in dieser ganzen Verbissenheit an politischen Auseinandersetzungen beteiligen, auch wenn einmal wieder sehr wirre Verhältnisse kommen sollten.

Rückblick auf politische Spannungen und die Bedeutung von Geduld

In der Zeit, in der ich aufgewachsen bin, erinnere ich mich noch gut an die Währungsreform. Damals gab es große Gewerkschaftsdemonstrationen, bei denen die Militärpolizei in die Menge schoss. Ich kann mich auch noch daran erinnern, wie sie oft mit aufgepflanztem Maschinengewehr durch die Straßen von Stuttgart fuhr. Das war 1949, eine ganz kritische Zeit.

Das, was wir heute so selbstverständlich nehmen, war damals in unserem Volk lange umstritten: die Form der freien Marktwirtschaft. Ohne amerikanische Maschinengewehre weiß ich nicht, ob das in unserem Volk durchgegangen wäre. Die Leute wollten damals zu einem sehr beträchtlichen Teil eine sozialistische Planwirtschaft.

Über diese politischen Fragen brauchen wir heute nicht mehr zu reden. Wichtig ist nur, dass wir sehen: In solchen Dingen kann man sich ereifern, man kann sich verbittern, und es kann auch zu Spannungen führen.

Wir wollen auf das Lange blicken, was Gott wirkt. Es geht um den Bau seines Reiches und um den Bau seiner Gemeinde. Denn der Herr ist barmherzig und ein Erbarmer.

Geduld und Standhaftigkeit im Leid – das Beispiel Hiobs

Von der Geduld Hiobs haben wir gehört, wie Hiob vor Gott stand und auch sein Leid vor Gott getragen hat. Es ist nicht leicht, wenn ich heute an viele Länder denke, die in großer Unfreiheit leben.

Das belastet uns am meisten und erklärt vielleicht am besten die Arbeit von Hilfe für Brüder. Die meisten Länder haben Devisenprobleme. Sie können nichts mehr im Ausland kaufen und auch keine Geldtransfers mehr tätigen. Sie sind abgeschnitten, weil ihre Währung nichts mehr wert ist.

Unter diesen schrecklichen Missständen leben sie, ganz abgesehen von diktatorischen Regimen. Sie sind so verarmt, wie es auch in der DDR der Fall war. Was mich beeindruckt, ist, wie diese Leute frei sind von diesen äußeren Dingen und einen geistlichen Weg suchen. Das ist wichtig.

Darum glaube ich nicht, dass die Befreiungstheologie ein Weg sein kann. Diesen lehnen wir ab. Stattdessen geht es um einen biblischen Weg, den wir wählen wollen. Wir wollen im Geist Jesu so stehen wie Hiob. Das versuchen die Christen auch in den südamerikanischen Ländern auf vorbildliche Weise.

Die Bedeutung des Schwörens und der Glaubwürdigkeit im Wort

Zum Schwören brauche ich nicht viel zu sagen. Ich weiß nicht, wo Sie schwören mussten. Ich selbst habe nur einmal in meinem Leben schwören müssen. Das war in einem Gerichtsverfahren, bei dem ich als Zeuge ausgesagt habe. Es ging um die Klärung von Todesfällen nach einem Autounfall.

Ich habe nichts dagegen, dass der Richter genau wissen muss, ob er aufgrund meines Urteils einen jungen Menschen für einige Jahre ins Gefängnis schickt. Darum sind wir nicht diejenigen, die einem Gericht das Schwören verbieten. Im Judentum war es üblich, das Schwören als Floskel zu gebrauchen, ähnlich wie wir heute „Gott sei Dank“ sagen. Vielleicht sollten wir das bewusster tun.

Mir hat das auch geholfen, als mir Fritz Grünzweig einmal sagte: „Du hast gerade das Wort vom Absegnen gebraucht. Die Sache ist abgesegnet.“ Wir sollten das Wort „segnen“ nicht so leichtfertig missbrauchen. Seitdem vergesse ich das nie mehr, und ich hoffe, dass es nicht mehr so leicht über meine Lippen kommt.

Wir sollten unsere Worte bewusst wählen und klar Ja oder Nein sagen. Zum Schwören vor Gericht habe ich keine Einwände, weil ich weiß, dass es dort mit großer Tragweite benutzt wird. Aber im Übrigen brauchen wir das nicht. Unser Wort sollte glaubhaft sein durch unser Reden.

Damit wären wir am Ende dieses Themas. Beim nächsten Mal kommen wir zudem zum Gebet für die Kranken.