
Guten Morgen auch von meiner Seite. Ich möchte mit uns beten: Vater, wir danken dir, dass du deinen Sohn offenbarst und dein Wort, Herr, und dass wir uns neu freuen dürfen über ihn. Ich bete, Herr, dass du diese Zeit segnest und uns tröstest durch die wunderbaren Dinge, die wir in deinem Wort sehen. Amen.
Auseinandersetzungen sind nicht angenehm. Oft versuchen wir, ihnen ganz aus dem Weg zu gehen. In der Kirchengeschichte ist es jedoch häufig zu beobachten, dass manche Glaubensgrundlehren anfangs einfach vorausgesetzt wurden, aber nicht wirklich klar und deutlich ausformuliert waren. Es handelte sich um große Themen, zum Beispiel die Gottheit Jesu oder die Erbsünde.
Was oft zu klaren Ausformulierungen geführt hat, waren Auseinandersetzungen mit Menschen, die den angenommenen, aber nicht ausformulierten Grundlehren widersprochen haben. Plötzlich wurde man gefordert, genau zu artikulieren und zu definieren, was man glaubte und warum man es glaubte.
Auseinandersetzungen schärfen Gedanken und bringen Dinge auf den Punkt. Sie führen auch dazu, dass diejenigen, die bewährt sind, offenbar werden.
Heute kommen wir zu einer der ersten wesentlichen Auseinandersetzungen in der Kirchengeschichte. Es ging um eine sehr wichtige und brennende Frage. In den Versen 1 bis 5 lesen wir über diese „brennende Frage“.
In den letzten Wochen haben wir gehört, wie Paulus und Barnabas große Annahme für das Evangelium unter den Heiden gefunden hatten. Mit so vielen Heiden, die nun Christen werden, stellte sich bei manchen die Frage: Wie ordnen wir das in Bezug auf das Judentum ein? Müssen Menschen nicht Juden werden, bevor sie Christen werden? Jesus ist ja der Retter der Juden, oder?
So ergreifen einige Menschen aus Judäa, die vormals Pharisäer waren, die Initiative. Sie fahren, wie es im Text heißt, „herauf nach Jerusalem“. In Israel wird Jerusalem immer als auf einem Berg gelegen gesehen, daher spricht man vom „heraufkommen“ oder „heraufgehen“ nach Jerusalem.
Auf jeden Fall kommen einige Menschen aus Judäa, aus Jerusalem, und sie gehen „herab“ nach Antiochia, also Richtung Norden. Dort informieren sie die Heidenchristen, dass sie sich noch beschneiden lassen und das Gesetz Mose befolgen müssen, um richtig gerettet zu werden.
Später in Kapitel 15 lesen wir, dass sie aus eigener Initiative handelten; sie wurden nicht ausgesandt. Außerdem erfahren wir, dass diese Position gar nicht so stark vertreten war. Die meisten Menschen freuten sich riesig, dass Heiden Christen wurden, also dass Nichtjuden Christen wurden.
Wir sehen also, dass es eigentlich eine kleine Minderheit war, die diese Forderungen stellte. Doch diese Minderheit konnte ziemlich laut und einflussreich sein. Minderheiten können auch für große Aufregung sorgen – und das sehen wir in Antiochia.
Vielleicht sah die Szene so aus: Bei einem Gottesdienst oder einer Bibelstunde fangen sie an zu erzählen. Da sie aus Jerusalem kommen, gibt man ihnen die Möglichkeit, zu sprechen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt sagen sie dann: „Schön, dass ihr Jesus als Messias anerkannt habt, wunderbar. Aber ihr müsst auch noch diesen Vorschriften gehorchen, die Mose uns gegeben hat.“
Man kann sich vorstellen, wie Paulus und Barnabas vielleicht in der dritten Reihe sitzen, aufmerksam zuhören, dann die Stirn runzeln und die Augen zusammenkneifen. Sie stellen eine Gegenfrage, dann noch eine andere. Es dauert nicht lange, bis daraus eine hitzige Auseinandersetzung wird.
Nun fliegen die Fetzen, es ist richtig Feuer unterm Dach. Paulus und Barnabas vertreten eine ganz andere Position: Sie sagen, dass die Heidenchristen auf keinen Fall das Gesetz halten müssen, um gerettet zu werden.
Wir können uns die Frage stellen, warum Paulus und Barnabas so aufgeregt reagieren. Ist das nicht eine Angelegenheit, bei der man einfach unterschiedliche Meinungen haben kann?
Paulus und Barnabas erkennen die Gefahr dieser Lehre. Wenn wir nur oberflächlich zuhören, denken wir vielleicht: Die Gesetze Gottes sind gut, und es ist gut, sie zu halten. Doch es gibt eine tiefere Gefahr. Paulus und Barnabas sehen, dass dieser Lehrer im Grunde sagt: Jesus allein reicht nicht aus. Jesus ist wichtig, aber man braucht zusätzlich das Gesetz.
Später, in Kapitel 15, lesen wir, dass diese Lehre die Heiden stark verunsichert hat. Plötzlich beginnen sie zu zweifeln, ob sie wirklich gerettet sind. Ihre Heilsgewissheit wird erschüttert. Auf einmal erscheint Jesus ihnen als ein kleinerer Retter, als sie es zuvor gedacht hatten. Ihr Heil ist nicht mehr vollkommen; sie müssen noch etwas dazu tun.
Ich möchte hier kurz zwei Punkte aufgreifen. Erstens...
Der Kampf um zentrale Wahrheiten des Evangeliums ist absolut unumgänglich.
Bei Meinungsunterschieden, was Glaubenslehren betrifft, besteht die Versuchung oft darin, nichts zu sagen oder Unterschiede zu ignorieren, weil man Harmonie wünscht und keine Diskussion oder Auseinandersetzung führen möchte.
Bei vielen Fragen – ich würde sagen bei den meisten – ist es tatsächlich der richtige Weg, solche Unterschiede nicht zum Streitpunkt zu machen. Wir können gute Gemeinschaft mit anderen Gemeinden haben, auch wenn sie unterschiedliche Positionen vertreten. Zum Beispiel bei der Taufe. Ebenso können wir Gemeinschaft pflegen, obwohl es unterschiedliche Ansichten zu Fragen der Endzeit gibt. Auch bei verschiedenen Auffassungen zu den Geistesgaben ist Gemeinschaft möglich.
Aber es gibt Fragen, die unumgänglich sind, weil sie den Kern des Glaubens betreffen. Dazu gehören zum Beispiel die Bibel, die Frage, wer Jesus ist, oder die Frage nach der Rettung – wie in diesem Fall.
Für die rechte Lehre in solchen Kernfragen müssen wir kämpfen. Dabei dürfen wir uns nicht scheuen, denn es geht um viel: Es spielt eine große Rolle für die Seelen der Menschen. Es geht wirklich um Leben oder Tod.
Paulus und Barnabas haben dies ebenfalls vorgelebt. Sie waren bereit, bei vielen Fragen unterschiedliche Meinungen zuzulassen und nicht darüber zu streiten. Wenn wir ihre Briefe lesen – vor allem 1. Timotheus und 2. Timotheus – sehen wir, dass sie Streitigkeiten über unwichtige Dinge vermeiden wollten.
Doch bei Kernthemen waren sie kampfbereit. Die Frage ist: Sind wir es auch?
Und dann zweitens: Was wir in diesem ersten Punkt sehen – und das ist meiner Meinung nach der wichtigere Punkt – ist die Frage: Haben wir ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums?
Haben wir ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums? Das bedeutet: Haben wir die richtige Abstammung, um gerettet zu sein? Das war bei vielen Judenchristen damals der Fall. Oder glauben wir, dass wir Jesus und gute Werke brauchen, um gerettet zu sein? Oder Jesus und die Sakramente? Oder Jesus und eine bestimmte Menge an Bibelwissen? Oder Jesus und geistliche Erfahrungen? Das sind viele Dinge, die wir nach dem „und“ hinzufügen könnten. Und das wäre ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums.
Das ist der eine Aspekt: Dinge, die tatsächlich einen Christen nicht ausmachen, die wir aber hochhalten, als wären sie Kennzeichen eines Christen.
Es gibt aber einen anderen Aspekt, wie sich dieses Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums erkennen lässt. Es gibt viele unterschiedliche Dinge und Verhaltensmuster, die für Christen nachstrebenswert sind. Aber wir nehmen solche Sachen und erheben sie sozusagen zu Kennzeichen eines Christen. Wenn Menschen diese Dinge nicht haben, dann gelten sie nicht als gläubig.
Man kann sich das so vorstellen: Jemand kommt zu dir und sagt, er möchte Christ werden. Was muss er dafür tun? Würden wir zum Beispiel fordern, dass er nicht nur an Jesus glauben soll, sondern auch aufhören muss zu rauchen und zu trinken, um Christ zu werden? Würden wir sagen, dass es nicht geht, bis er aufgehört hat zu fluchen? Würden wir als Vorbedingung verlangen, dass er sich von seiner Freundin trennt oder sein Sexualleben in Ordnung bringt, bevor er Christ werden kann?
Nun, das heißt nicht, dass es egal ist, wie wir als Christen leben. Wie ich vorhin gesagt habe: Gottes Gebote sind gut und gewinnbringend für Menschen, wenn wir danach leben. Wir lernen hier auch ganz klar die Wichtigkeit, die Heiligung nachzuschreiben.
Aber es ist wichtig, dass wir diese Dinge auch gedanklich erst einmal trennen. Heiliges Leben ist ein Folgen. Heiliges Verhalten ist Folge von rettendem Glauben. Es gehört nicht zum Wesen des rettenden Glaubens. Es ist eine Folge, ein Resultat, ein Ergebnis.
Ja, mit Gottes Geist in uns werden wir mehr und mehr dem Guten nachstreben, weil wir den Herrn lieben und weil er unser Herr ist. Aber es ist kein Bestandteil unserer Errettung, sondern die Auswirkung unserer Errettung.
Und wenn wir diese Dinge von Menschen fordern, bevor sie gerettet werden, machen wir sie zum Bestandteil der Errettung – einer Jesus-plus-Errettung. Dabei spannen wir den Karren vor das Pferd: Wir fordern Heiligung vor der Rechtfertigung. Wir fordern von Nichtchristen zuerst ein christliches Leben, bevor sie Christen sind.
Oder auch bei Gläubigen kann es sein, dass wir das Befolgen von Geboten zum Bestandteil der Errettung gemacht haben. Wenn jemand wirklich ein klares Bekenntnis hat, Gottes Wort liebt und Gottes Willen tun will, aber in einem oder mehreren Punkten noch nicht so weit ist und noch Wachstum braucht, zweifeln wir daran, ob er gerettet ist.
Das sind alles Jesus-plus-Verständnisse des Evangeliums.
Nun lasst uns persönlich werden: Haben wir eine Jesus-plus-Variante? Wir können uns da sehr einfach prüfen.
Wenn du Christ bist und dir deiner Errettung sicher bist, frag dich selbst: Warum weiß ich, dass ich errettet bin? Wenn die Antwort mehr wesentliche Komponenten enthält als Jesus, könntest du ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums haben.
Oder wenn du Christ bist, aber noch keine Heilsgewissheit hast, könntest du dich selbst fragen: Warum bin ich nicht sicher, dass ich errettet bin? Auch hier gilt: Wenn die Antwort mehr wesentliche Komponenten enthält als Jesus, könntest du ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums haben.
Ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums unterminiert den Wert Christi, denn er ist auf einmal nicht genug. Es unterminiert seine Macht, denn er ist nicht fähig, uns völlig zu retten. Es nimmt uns die Freude im Herrn, denn ich muss selber etwas leisten. Es verunsichert uns, denn wir können nie wissen, ob wir jemals genug getan haben.
Das wahre Evangelium, ihr Lieben, ist das Jesus-allein-Evangelium. Es ist das Bekenntnis, dass wir durch Vertrauen in Jesus Christus allein Vergebung der Sünden haben, dass wir durch Vertrauen in Jesus Christus allein mit Gott versöhnt sind und dass wir durch Vertrauen in Jesus Christus allein gerettet sind.
Und wenn du heute hier bist oder zuhause zuhörst und noch nicht sicher bist, ob du gerettet bist oder nicht – ich rede zu solchen, die noch auf der Suche sind, und solchen, die sich auch schon als Christen bezeichnen würden – dann schau nicht jenseits von Jesus Christus. Er allein ist der Grund unserer Rettung. Setze deine Zuversicht auf nichts anderes.
Das ist das Evangelium, für das Paulus und Barnabas kämpfen. Deswegen regen sie sich auf, weil diese anderen ein Jesus-plus-Verständnis des Evangeliums bringen.
Da diese Frage in Antiochia so brennend ist, nehmen sie sie mit nach Jerusalem. Hier kommen wir zum zweiten Teil, einer großen Diskussion, die sich von Vers 6 bis 21 erstreckt.
In Jerusalem angekommen, versammeln sich die Apostel, die Ältesten und die Gemeinde. Nun beginnt die Diskussion. Einige bestehen darauf, dass die Heidenchristen das Gesetz einhalten müssen.
Wir hören drei wichtige Wortmeldungen. Sicherlich gab es noch andere Beiträge, aber in der Apostelgeschichte werden diese als die entscheidenden Meinungen dargestellt. Die Redner sind Petrus, Jakobus sowie Barnabas und Paulus.
Petrus ist der Repräsentant der Zwölf und der erste Prediger, der auch zu den Heiden gegangen ist. Er war der Erste, der die Heiden erreichte. Jakobus ist nicht der Apostel Jakobus, sondern der Bruder Jesu. Er ist ebenfalls ein Leiter in der Jerusalemer Gemeinde. Im Galaterbrief werden Petrus und Jakobus als Säulen der Gemeinde bezeichnet, was ihre Bedeutung unterstreicht.
Barnabas und Paulus sprechen ebenfalls. Ihre Wortmeldung wird kurz erwähnt. Sie sind die Missionare, die von der Gemeinde in Antiochia zu den Heiden ausgesandt wurden.
Zuerst betrachtet Petrus in den Versen 7 bis 11 das Wesen seiner Handlung. Er erklärt, dass es Gottes Entscheidung war, durch ihn zum ersten Mal die Heiden zu erreichen. „Gott hat mich dazu beauftragt.“ Die Geschichte dazu finden wir in Apostelgeschichte 10.
Das war keine wunderbare Idee von Petrus. Eigentlich wollte er nicht, aber er wurde beauftragt. Es war Gottes Plan, betont er.
Gott bestätigte ihre Errettung
Dann sagt er in Vers 8, dass Gott ihre Errettung durch die Ausgießung des Heiligen Geistes bestätigte. Als Petrus zu Cornelius und dessen Familie ging – sie waren alle Heiden – predigte er. Plötzlich kam der Heilige Geist auf sie. Petrus sah das und erkannte: „Ah, gut, dann gehören sie auch zu Gottes Volk.“ Er sagt im Grunde genommen, dass Gott sie mit aufgenommen hat.
Petrus bringt es auf den Punkt: Gott reinigte ihre Herzen durch den Glauben. Sie mussten nicht zuerst beschnitten werden, bevor sie den Heiligen Geist empfingen. Sie mussten nicht Juden werden, um ein klares Zeichen dafür zu erhalten, dass sie Christen sind.
Dann wendet sich Petrus den pharisäischen Christen zu und macht zwei Anmerkungen, die alle zum Schweigen bringen. Das lesen wir in den Versen 10 und 11.
In Vers 10 sagt er: „Ihr wollt sie unter ein Joch stellen, das nicht einmal wir Juden tragen können.“ Er erkennt an, dass sie selbst die Gesetze nicht vollkommen halten können. Und jetzt fordert ihr das von ihnen.
In Vers 11 fügt er hinzu: „Und nur falls ihr es bisher missverstanden habt: Wisst ihr nicht, dass auch wir Juden durch die Gnade Jesu auf dieselbe Weise gerettet worden sind wie sie?“
Mit anderen Worten sagt Petrus: „Wisst ihr nicht, dass ihr weder durch Beschneidung noch durch das Halten des Gesetzes gerettet seid? Und doch wollt ihr das von ihnen fordern?“
Das bringt die Versammlung zum Nachdenken.
Und dann, in Vers 12, treten Paulus und Barnabas auf. Es wird nicht näher ausgeführt, was sie sagen. Ich gehe davon aus, dass es eine Zusammenfassung ihrer Reisen in Asien, in Kleinasien, ist. Wahrscheinlich berichten sie der Versammlung in den Kapiteln 13 und 14 darüber.
Wir lesen, dass sie von den vielen Zeichen und Wundern erzählen, die Gott unter den Heiden vollbracht hat. Dabei wird, so glaube ich, ein wichtiger Punkt deutlich: Gott ist sichtbar am Werk unter den Heiden. Das zeigen die Zeichen und Wunder.
Er ist gerade dabei, Heiden zu sich zu bringen, ohne dass diese zuerst Juden werden müssen. Auch hier schweigt die Versammlung. Die pharisäischen Christen scheinen darauf keine Antwort zu haben.
Aber dann tritt Jakobus mit dem Totschlagargument in Vers 14 bis 18 auf. Er sagt quasi, die Bibel bestätigt all das, was wir gerade sehen. Er zitiert aus Amos 9, Vers 11 und sagt damit, dass uns das alles nicht überraschen soll, denn die Propheten haben genau darüber gesprochen. Es ist unwiderlegbar.
Erstens bestätigt Petrus die sichtbare Gegenwart des Heiligen Geistes bei Cornelius und seinem Haus. Zweitens zeigt Paulus mit Barnabas Gottes sichtbare Hand, die unter den Heiden wirkt. Und über all dem steht das Zeugnis und die Bestätigung der Schrift, dass es genau so geschehen soll. Damit ist die Diskussion beendet, es gibt scheinbar keine Einwände mehr.
Daraufhin macht Jakobus einen Vorschlag, der auf den ersten Blick wie ein Kompromiss wirkt. Plötzlich unterminiert er die Position von Paulus und Petrus, denn er sagt, es gibt doch einige Vorschriften aus dem Gesetz Mose, die sie einhalten sollen: Enthaltung von Götzenopferfleisch, von Blut, von Ersticktem und von Unzucht. Drei von diesen vier sind Zeremonialgesetze. An verschiedenen Stellen der Bibel lesen wir, dass diese Zeremonialgesetze in Jesus Christus erfüllt sind. Warum fordert er dann diese Dinge?
Jakobus sagt das jedoch nicht, um den pharisäischen Christen Recht zu geben oder um einen Kompromiss einzugehen. Er macht es nicht, um zu sagen, diese Gesetze müssten eingehalten werden, um gerettet zu werden. Seine Motivation ist eine ganz andere. In Vers 21 sagt er: "Denn Mose hat von alten Zeiten her in allen Städten solche, die ihn predigen, und wird alle Sabbattage in den Synagogen gelesen."
Was meint er damit? Jakobus sagt, dass es überall Juden gibt, die das Gesetz Mose kennen und befolgen. Wollen die Heidenchristen diese erreichen und ihnen keinen Anstoß geben? Oder wollen sie mit den Judenchristen Gemeinschaft haben, die noch als Juden leben? Dann sollen sie darauf achten, nichts zu tun, was eine Mauer zwischen ihnen errichtet.
Jakobus sagt quasi zu den Heidenchristen: Wollt ihr Gemeinschaft mit Juden haben, dann esst koscher. Es geht nicht darum, diese Dinge zu tun, um gerettet zu werden, sondern diese Vorschriften einzuhalten, damit Gemeinschaft möglich ist. Die Motivation ist Liebe.
Dieses Prinzip sehen wir auch in den neutestamentlichen Briefen, vor allem in 1. Korinther 8-10. Dort ermutigt Paulus Christen, manchmal auf ihre Freiheit zu verzichten, um möglichst viele Menschen zu gewinnen und die Gemeinschaft unter Gläubigen nicht zu gefährden.
Es geht also nicht darum, diese Vorschriften zum Heil einzuhalten, sondern um das Einhalten der Vorschriften zugunsten der Gemeinschaft zwischen Judenchristen und Heidenchristen. Das ist jedoch eher ein Nebenaspekt dieser Diskussion.
Der zentrale Punkt ist, dass die Säulen der Gemeinde bestätigen, was Paulus und Barnabas lehren. Sie sind sich einig, was die Kernbotschaft des Evangeliums ist. Es gibt keine unterschiedlichen und gleichwertigen Auffassungen. Das gibt es nicht. Es gibt nur ein Evangelium, keine Doppeldeutigkeit.
Die Apostel, die Ältesten und die Gemeinde waren darin einstimmig, wie wir in Vers 25 lesen. Und in ihrer Einstimmigkeit wussten sie sich vom Geist Gottes geleitet, das steht in Vers 28. Das war nicht einfach eine schöne Idee, die sie umsetzten. Sie waren überzeugt, einig und vom Geist Gottes geführt.
Das ist ein wichtiger Punkt, denn heute unterscheiden viele Theologen zwischen den Theologien von Paulus, Petrus, Jakobus und anderen. Sie meinen, dass sie die Errettung unterschiedlich verstanden hätten. Das Apostelkonzil zeigt uns das Gegenteil.
Es zeigt, wie einig sie waren. Sie verkündeten dasselbe Evangelium: Errettung allein durch den Glauben an Gottes Gnade in Jesus Christus. Die große Diskussion in Jerusalem war eher eine große Zustimmung. Es gibt keine Grauzone, es ist ganz klar und eindeutig.
Das ist das Kennzeichen des apostolischen Glaubens, der Glaube, den wir empfangen haben. Daran lässt sich erkennen, ob ein Einzelner oder eine Gemeinde das wahre Evangelium hat oder nicht – wenn sie diesem Beschluss zustimmen.
Daraufhin lesen wir in den Versen 22 bis 35 die tröstende Antwort, die die Gemeinde in Antiochia hier erhält – eine wirklich tröstende Antwort.
Infolgedessen, nach dem, was gerade besprochen wurde, entschließen sich die Apostel, die Ältesten und die Gemeinden in Jerusalem, durch Paulus und Barnabas einen Brief zu schicken. Dieser Brief soll zunächst an Antiochia gehen, aber auch an alle Heidenchristen gerichtet sein.
Der Inhalt dieses Briefes entspricht im Wesentlichen dem, was Petrus und Jakobus vor der Versammlung vorgetragen haben. Neben Paulus und Barnabas sollen auch noch zwei weitere Personen nach Antiochia mitgehen, nämlich Judas und Silas. Wir lesen, dass diese Leiter in Jerusalem sind.
In diesem Brief verfolgen die Jerusalemer, so wie ich es beim Lesen verstehe, verschiedene Ziele:
Erstens wollen sie die Autorität der falschen Lehren zurückweisen. In Vers 24 heißt es, sie sagen: „Wir haben sie nicht geschickt.“ Damit wird klargestellt, dass diese falschen Lehrer keine Autorität besitzen.
Zweitens beschreiben sie die Einstimmigkeit der Apostel, Ältesten und der Gemeinde. In Vers 25 wird betont, dass sie einig und einstimmig waren.
Drittens drücken sie ihre Wertschätzung für Paulus und Barnabas aus, wobei ihre Autorität bestätigt wird. In den Versen 25 und 26 heißt es: „Diese sind tolle Männer, ihr könnt ihnen vertrauen.“
Viertens wird die Botschaft von Paulus und Barnabas durch Abgesandte aus Jerusalem bekräftigt. Es soll niemand behaupten können, Paulus und Barnabas hätten nicht wirklich berichtet, was in Jerusalem beschlossen wurde. Nein, es sind Leiter aus Jerusalem mitgegangen.
Fünftens schließlich erfolgt die Vergewisserung des göttlichen Beistands in Vers 28: „Ja, wir waren vom Heiligen Geist geleitet.“
Kurz gesagt sagt dieser Brief aus: Paulus und Barnabas haben euch nicht ihre eigenen Ideen verkündigt. Der Glaube, den sie verkünden, ist auch unser Glaube – der wahre christliche Glaube. Hört auf sie!
Dieser Entschluss war autoritativ und allgemein gültig; er galt allen Gemeinden und allen Gläubigen. Es ist wichtig zu betonen, dass dieses Apostelkonzil eine Autorität besaß, die kein christliches Organ heute besitzt.
Zum Beispiel: Wenn der FAG-Bundestag Ende September irgendwelche Entschlüsse fasst, gelten diese nur für die FAG-Gemeinden. Sie können nicht für alle Gläubigen weltweit verbindlich sein. Auch sind diese heutigen Beschlüsse nicht allgemein gültig. Was uns die heutigen Organe sagen, kann auch fehlerhaft sein. Das müssen wir immer im Hinterkopf behalten. Wir haben heute keinen Anspruch auf Allgemeingültigkeit.
Es gibt zwar manche Menschen und Kirchen, die das von sich behaupten würden, aber für uns heute ist die letzte Autorität immer die Bibel. Es kann keinen allgemeingültigen Entschluss geben, der dem Wort Gottes widerspricht oder über es hinausgeht.
Das Apostelkonzil werten wir jedoch anders aus, und zwar aus folgenden Gründen: Zum einen war zu jener Zeit die Bibel noch nicht vollständig. Die Ratschlüsse, die Gott offenbaren wollte, waren noch nicht alle offenbart. Zum anderen waren die Apostel Christi persönlich anwesend. Ihnen wurde von Christus direkt die Autorität verliehen, allgemein gültige Lehren weiterzugeben, die die Grundlage der Gemeinde Christi sein sollen.
Deswegen betrachten wir das Apostelkonzil anders. Es war nicht einfach eine Mitgliederversammlung.
Auf alle Fälle wurde dieser Brief von der Gemeinde in Antiochia gelesen. Und als die Gemeinde den Brief las, sehen wir das Ergebnis. Das lesen wir in Vers 31: Sie wurden über den Zuspruch froh oder, wie die Elberfelder Übersetzung sagt, sie freuten sich über den Trost.
Nicht nur die Gemeinde in Antiochia wurde getröstet. Schauen wir kurz in Kapitel 6, Verse 4 und 5: Paulus und Silas nehmen diese Beschlüsse mit in andere Städte. Wir lesen, dass der Glaube aller Heidenchristen gefestigt wurde.
Es ist interessant, einen Vergleich zu ziehen: Als die falschen Lehrer kamen und ihre Version des Evangeliums verkündeten, wurde die Gemeinde verunsichert. Das ist an sich widersprüchlich, denn Evangelium heißt frohe Botschaft, es sollte uns erfreuen.
Doch das Evangelium dieser falschen Lehrer verunsicherte die Gemeinde. Das wahre Evangelium dagegen tröstet und festigt. Das „Jesus plus“ Evangelium verunsichert und nimmt Menschen gefangen.
Martin Luther kannte diese Erfahrung. Es gab eine Zeit, in der er empfand, dass das Evangelium seinen Schmerzen noch Schmerzen hinzufügte, weil er ein „Jesus plus Erfüllung von Gottes perfekter Gerechtigkeit“-Verständnis des Evangeliums hatte.
Aber dann fiel bei ihm der Groschen: „Durch das Evangelium“, sagt er, „wird offenbart die Gerechtigkeit Gottes, nämlich die passive, durch die uns Gott, der Barmherzige, durch den Glauben rechtfertigt.“
Das war der große Luther. Mit ihm können wir uns nicht immer identifizieren.
Lasst mich euch von einem achtzehnjährigen Mann erzählen, der vor zehn Jahren eine Glaubenskrise durchmachte. Obwohl er an Jesu Opfer glaubte, hatte er keine Freude im Herrn und keine Freude am Leben. Er empfand, dass Gott ihn letztlich nicht annimmt, solange er nicht eine perfekte Gerechtigkeit vorweisen kann.
Er betrachtete sein eigenes Leben und wusste, dass er diese perfekte Gerechtigkeit nicht vorweisen konnte. Die eigene Gerechtigkeit, auf der er seine Zuversicht bis dahin zumindest teilweise baute, zerfiel unter seinen Füßen.
Dieser junge Mann hatte ebenfalls ein „Jesus bloß Erfüllung von Gottes perfekter Gerechtigkeit“-Verständnis des Evangeliums. Er fühlte sich, als würde er zwischen Himmel und Hölle hängen, ohne etwas unter seinen Füßen, das ihn auffangen könnte, falls Gott den Faden fallen lassen sollte.
Aber in Gottes Gnade fiel auch bei ihm der Groschen. Er verstand: Jesus ist der Boden unter meinen Füßen. Jesus ist der Boden meiner Zuversicht. Sollte ich fallen, fiele ich auf Christus.
Das ist das Evangelium, liebe Freunde: Christus ist der Boden unseres Vertrauens, das Fundament, die einzige Sicherheit.
Ab diesem Punkt empfand dieser junge Mann eine Freude im Herrn, die er zuvor nicht kannte und die seitdem nicht mehr gegangen ist.
Ich glaube, ihr wisst, wer dieser junge Mann war. Ich war es.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Ich glaube, vielen geht es ähnlich wie Luther und mir damals, bevor der Groschen gefallen ist. Möge der Herr es jedem von uns schenken, die Freude und den Trost des wahren Evangeliums zu erfahren, so wie die Gemeinden nach dem Apostelkonzil.
Lass uns beten!
Vater, wir danken dir so sehr für dein Evangelium und für Jesus Christus, durch den wir allein gerettet sind. Herr, bitte hilf uns und zeige uns, wo wir noch ein „Jesus plus“ Verständnis des Evangeliums haben. Bitte nimm das von uns weg, damit Christus noch wertvoller wird, so wie er wirklich ist.
Herr, vielen Dank, dass es nicht von uns abhängt, sondern dass das Werk Jesu Christi vollkommen ist. Lass uns in dieser Wahrheit wachsen, sie annehmen und den Trost sowie die Freude des Evangeliums immer wieder neu spüren.
In Jesu Namen, Amen.