Jesus Christus

Platzkonzert für Jesus
Konrad Eißler

Jesus Christus gestern, heute und derselbe auch in alle Ewigkeit. Wenn wir uns darauf abstimmen, stimmen wir überein und können einstimmen in das Platzkonzert für Jesus. Es geht um den freiwillig degradierten, den schändlich dekorierten, dann aber den göttlich inthronisierten Herrn. - Predigt beim CVJM-Bundesposaunenfest in der Westfalenhalle Dortmund


Soviel ist selbst einem Schwaben klargeworden. Hier wird kein Ge­burtstagsständchen zur Wiederkehr eines Posaunenfestes ge­blasen, wo es den alten Westbundkameraden vor lauter Rührung das Wasser in die Augen treibt. Hier wird auch keine Hitparade von Oldies und News veranstaltet, auf der Johann Sebastian Bach genau zu Ehren kommt wie Wilhelm Schmidt. Und hier wird erst recht keine Regimentsmusik für den neuen Präses gespielt, weil der erst in 14 Tagen die “Götter-Dämmerung” auf der Bundeshöhe heraufführen wird. Nein, hier geht es um kein Geburtstagsständchen, um keine Hitparade, um keine Regimentsmusik, sondern um eine Festmusik für den Herrn. Bundesposaunenfest ist Platzkonzert für Jesus. Und Platzkonzerte gehen in die Ohren. Wenn damals in meinem früheren Kirchspiel, das ganz am Rande von Württemberg liegt, hinten, wo gar nichts mehr kommt außer Bayern, wenn damals der Musikverein Eintracht mit seinen 20 Asthmatikern auf dem Dorfplatz aufspielte, dann war doch das “Humba Humba Tätärätätä” bis in den letzten Krähwinkel zu hören. Und wenn heute 1000 [?] gestandene CVJMer in die Hörner stoßen, dann muss doch Jesu Name bis an die Wasserkante hinauf und bis an den Main hinunter nicht mehr verklingen. Platz­konzerte gehen in die Ohren und in die Füße. Wenn damals ein paar Huster den Friedericus Rex anstimmten, dann legten Männer ihre Hämmer beiseite, Mütter packten ihre Babies in den Wagen, Kinder vergaßen ihr Fußballspiel und alle machten sich auf die Füße Richtung Dorfmitte. Und wenn heute ein Massenchor den Herrn lobpreist, dann muss doch unter jungen und alten Marschierern eine Bewegung in Richtung Jesus losgehen. Platzkonzerte gehen in die Füße und ans Herz. Wenn damals diese Blasmusik unter die Haut ging, dann muss doch heute diese Festmusik ans Herz gehen. Bundesposaunenfest ist ein einladendes, eindrückliches und eindringliches Platzkonzert für Jesus.

Nur für welchen Jesus? Das ist die Frage. Sein Name ist zum Modeartikel geworden, der reißenden Absatz findet. Jesus beschäftigt seriöse Leitartikler der Tageszeitungen. Jesus füllt die Gazetten der Regenbogenpresse. Jesus wird als Titel­held in Monsterfilmen abgedreht. Jesus wird verkauft, so wie man Zigaretten und Kaugummi verkauft. Einmal ist es der Revolutionär mit den Gesichtszügen eines Che Guevara, dann der Rechtsanwalt mit dem Plädoyer für die Unterdrückten, dann der Wunderdoktor mit dem Heilmittel für die Drogenszene und dann der Superstar mit den jubelnden Fans. Jesusse am laufenden Meter. Und alle sind sich darin einig: Jesus der Aufsteiger, der Senkrechtstarter, der Spitzenmann, der Supermensch. Nur die Bibel ist anderer Meinung. Sie meint Jesus, der sich nicht nach oben, sondern nach unten orientierte. Als Absteiger, nicht als Aufsteiger kam er auf die Welt. Als Eselsreiter, nicht als Spitzenreiter zog er in Jerusalem ein. Als Geächteter, nicht als Geachteter tat er seine Arbeit. Bald rangierte er ganz hinten. Er diente dem letzten Bettler. Zuletzt war er völlig übrig. Ein Balken wurde gespitzt und tief in die Erde gerammt. Dann nagelten sie ihn fest. Ein Schwamm wurde besorgt und mit Essig getränkt. Auf der Spitze des Rohres erreichte er seinen Mund. Ganz zum Schluss riss eine Lanzenspitze seinen Leib auf. So wurde er gestern zum Spitzenmann. So ist er heute im Spitzengremium. So wird er auch morgen Spitze sein. Jesus Christus gestern, heute und derselbe auch in alle Ewigkeit. Erst wenn wir uns darauf abstimmen, stimmen wir überein und können einstimmen in das Platzkonzert für Jesus. Es geht also um den freiwillig degradierten, den schändlich dekorierten, dann aber den göttlich inthronisierten Herrn.

1. Der freiwillig degradierte Jesus kam zu uns.

Er wurde nicht ein­fach abkommandiert. Man warf ihn nicht kurzerhand aus dem Himmel. Aus freien Stücken verließ er seine Heimat. Der Schweizer Kurt Marti hat es in einem Gedicht bewegend gestaltet. “Ich wurde nicht gefragt bei meiner Geburt, und die mich gebar wurde auch nicht gefragt bei ihrer Geburt, niemand wurde gefragt.” Das ist mensch­liche Urerfahrung, in einem Satz geballt und verdichtet. Ich wurde nicht gefragt, ob ich überhaupt leben wollte. Ich wurde nicht gefragt, ob ich weiße oder schwarze Hautfarbe bevorzuge. Ich wurde nicht gefragt, ob ich in Europa oder Amerika oder Asien leben will. Ich wurde nicht gefragt, ob ich mit fröhlichem oder depressivem Sinn meine Tage zubringen will. Ich wurde nicht gefragt. Niemand wurde gefragt. Doch dann fährt Marti fort: “Außer dem einen.” Nicht irgendeiner, sondern ein Gewisser. Jesus wurde gefragt. Der Vater nahm ihn beiseite, seinen einzig geliebten Sohn und öffnete ihm die Augen: “Siehst du den Menschen, wie er mir aus den Händen läuft und alles tut, was ihm in den Kram passt? Siehst du den Menschen, wie er andere über’s Ohr haut und nur auf seinen Vorteil aus ist? Siehst du den Menschen, wie er über andere herfällt und sie kaltblütig ermordet? Siehst du diesen kalten, gemeinen, egoistischen Menschen? Magst du zu ihm gehen? Willst du bei ihm sein? Kannst du mit ihm leben? Du bist gefragt!” Himmel und Erde halten den Atem an. Und in diese atemlose Stille hinein fällt das alles verwandelnde, alles lösende und alles erneuernde Wort: Ja. Jesus krallt sich nicht an seinem Besitz fest, so wie wir unseren Besitzstand wahren. Jesus klebt nicht an seinem Stuhl, so wie wir an unseren Stühlen kleben. Jesus fühlt sich nicht unter Wert verkauft, so wie wir auf unseren Wert bedacht sind. Er setzt die Herrscherkrone ab. Er legt den Königsmantel beiseite. Er gibt das Zepter aus der Hand. Freiwillig degradiert er von Gott zum Mensch, vom Wort zum Fleisch, vom Sohn zum Knecht. So war er gestern und so ist das heute noch.

Nun gibt es keinen Hunger mehr, den er nicht kennt. Dein Hunger nach Leben und Anerkennung ist ihm bekannt. Nun gibt es keinen Durst mehr, den er nicht erlitten hätte. Dein Durst nach Liebe und Verständnis ist ihm nicht fremd. Nun gibt es keinen Schmerz mehr, der ihm nicht auch wehgetan hätte. Dein Schmerz des Abschieds und der Trauer geht ihm an die Nieren. Nun gibt es keine hoffnungslose Einsamkeit mehr. Der freiwillig degradierte Jesus kam zu uns.

Aber der Apostel weiß noch mehr:

2. Der schändlich dekorierte Jesus starb für uns.

Er wurde nicht einfach exekutiert. Er war gehorsam bis zum Tod. Das Ja zum Kreuz kam von ihm. Kurt Martis Gedicht lässt sich weiterführen: “Ich werde nicht gefragt bei meinem Sterben, und die vor mir starben wurden auch nicht gefragt bei ihrem Sterben, niemand wurde gefragt.” Das ist menschliche Existenzerfahrung. Ich werde nicht gefragt, ob ich schnell sterben will. Ich werde nicht gefragt, ob ich mit Herz­infarkt oder Gehirnschlag abscheiden will. Ich werde nicht gefragt, ob ein entsetzlicher Krebs mir die letzten Lebensjahre zur Hölle macht oder ein langes Siechtum mich aufs Leidenslager wirft. Ich werde nicht gefragt. Du wirst nicht gefragt. Niemand wird gefragt. Außer dem einen. In Gethsemane spricht der Vater mit seinem Sohn: “Siehst du den Mann dort an der Säule angepflockt? Grinsende Henkersknechte dekorieren ihn mit einer Dornenkrone. Siehst du den Mann dort aufs Kreuz gelegt? Spottende Soldaten verwürfeln seinen Rock. Siehst du den Mann dort an den Querbalken geheftet? Muskeln springen hervor und Atembeklemmungen treten ein. Willst du das übernehmen? Kannst du das tragen? Du bist gefragt!” Totenstille in Gethsemane. Die Jünger schlafen. Dann fällt das Wort: “Vater, nicht ich wie ich will, sondern wie du willst.” Er erduldet die schändliche Krone. Er schultert den Balken. Er erleidet die grausamste Hinrichtungsmethode. Gehorsam geht er in den Tod.

Luther hat einmal dies erschütternde Wort formuliert: “Du bist der größte Mörder, Dieb, Ehebrecher, Gotteslästerer, Heiligtumschänder, Schurke, und einen größeren wird es nie geben.” Das sagte Luther nicht von einem ausschweifenden Herrscher oder König, nicht ein­mal von sich selbst, sondern er sagte das von dem Gekreuzigten. Aber dann hat er sich nicht abgewandt, sondern er hat sich diesem Mann zugewandt und kniete vor ihm. Warum? Weil es Luthers Schuld war, weil es seine und meine und unser aller Schuld, weil es die Schuld der ganzen Menschheit ist, die da diesen Gehängten de­koriert. Zur Sünde gemacht. Einer an unserer Stelle. Jesus für uns. So war das gestern und so ist das heute noch.

Nun gibt es keine Verfehlung mehr, die man dir anhängen könnte, wenn du dich an ihn hängst. Nun gibt es keine Übertretung mehr, die man dir an­lasten könnte, wenn du an seine Last denkst. Nun gibt es keine, aber auch gar keine Schuld mehr, die er nicht tilgen will. Der schändlich dekorierte Jesus starb für uns.

Damit ist nicht alles gesagt. Es gibt noch eine letzte Strophe. Die Aussage wechselt vor Moll nach Dur. Eine österliche Melodie schließt alles ab:

3. Der göttlich inthronisierte Jesus bleibt über uns.

Er wurde nicht einfach begraben. Seine Lebenslinie verlor sich nicht im Nichts. In einer dramatischen Wende hat Gott eingegriffen und Jesus aus dem Felsengrab herausgerissen. Er hat ihn erhöht und hat ihn in alle Macht inthronisiert. Die Welt gehört heute schon keinem andern Herrn als dem, der für sie gestorben ist. Alle Gegenmächte sind als Scheinmächte entlarvt. Philosophien und Theologien, Religionen und Weltanschauungen haben keine Bedeutung mehr. Gott hat Jesus ausgezeichnet und ihm einen Namen gegeben, der über alle Namen ist. Alle andern Namen kannst du vergessen. Alexander und Caesar, Dschingis Khan und Napoleon, Hitler und Stalin, auch Klaus-Jürgen und Herbert fällt der Vergangenheit anheim. Gott hat Jesus zum alleinigen Spitzenmann gemacht. Es ist nur noch eine Frage der Zeit, dass sich vor ihm alle Knie beugen werden. Engel und Menschen, Fürsten und Gewaltige, Lebende und Tote. So war das und so ist es und so wird das in alle Ewigkeit sein.

Nun gibt es kein Dunkel mehr, durch das nicht ein Weg führt. Wem du angefochten bist von der ausweglosen Lage, in der du steckst, dann kannst du wissen: “Der Wolken, Luft und Winden gibt Wege Lauf und Bahn, der wird auch Wege finden, da dein Fuß gehen kann.” Nun gibt es kein Regiment mehr, das dir bange machen könnte. Wenn du angefochten bist von dunklen Krankheitsmächten, die nach dir greifen, dann kannst du nachbuchstabieren: “Jesus Christus herrscht als König, alles wird ihm untertänig, alle legt ihm Gott zu Fuß.” Nun gibt es angesichts dieses freiwillig degradierten, schändlich dekorierten und göttlich inthronisierten Herrn nur noch diese eine Melodie, die unser Platzkonzert für Jesus endgültig zu einer Festmusik für den lebendigen Herrn macht: “In des jüngsten Tages Licht, wenn alle Welt zusammenbricht, wird zu Jesu Füßen jeder bekennen müssen: Jesus Christus, König und Herr, sein ist das Reich, die Kraft, die Ehr. Gilt kein anderer Namen, heut und ewig, Amen.”