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Jesus Christus unsere Zuversicht und Stärke

31.10.2013Psalm 46

Vier Jahre vor dem Thesenanschlag begann Martin Luther in Wittenberg mit einer Vorlesung über die Psalmen. Dabei sprach er auch über Psalm 46.

Interessant ist, dass er bei vielen Psalmen ausdrücklich betonte, dass es sich um Christuspsalmen handelt. So auch bei Psalm 46: „Gott ist unsere Zuversicht und Stärke, eine Hilfe in den großen Nöten, die uns betroffen haben.“ Deshalb fürchten wir uns nicht.

Im Originalton sagte Martin Luther: „Gott, das heißt Jesus Christus, unser Gott.“ Aus diesem Grund haben wir den Textwortlaut so übernommen: „Jesus Christus, unsere Zuversicht und Stärke.“

Die Lebensfreude und Herausforderungen der Reformationszeit

Zunächst war es damals, als die Reformation begann, eine ungeheuer lustige und fröhliche Zeit. Lebensfreude bewegte und umtrieb alle. Bekannt ist der Spruch des vom Kaiser als Dichter geadelten Ulrich von Hutten, der damals ausrief: „O Jahrhundert, o Wissenschaft, es ist eine Lust zu leben!“

Wir hier in Stuttgart haben nur noch in Erinnerung an diese Zeit den herrlich gestalteten Renaissancehof im alten Schloss. Damals blühten die Kunst, die Malerei und die schönen Künste. Bedeutende Schriftsteller waren ebenfalls präsent.

Es war die Zeit, als Machiavelli darüber sprach, dass man die Macht einsetzen müsse – auch in der Politik und im Umgang mit den Menschen. Die Menschen selbst begriffen ihr Leben und sagten: Es kreist eigentlich alles um uns. Wir sind der Mittelpunkt und wollen das Leben nutzen und auskosten.

Feste wurden überschäumend gefeiert, und viele entfalteten ihr Leben prachtvoll. Der Mensch stand im Mittelpunkt von allem. Selbst die Pest, der schwarze Tod, das tausendfache Sterben, brachte damals eigentlich niemanden zum Nachdenken. Umso mehr lebten die Menschen in der Diesseitigkeit.

Man hat das oft beschrieben und liest darüber, wie die Menschen umso mehr in Saus und Braus lebten. Die Reichen sollen das noch zügelloser und erbärmlicher als je zuvor getrieben haben. Ein Chronist schreibt, vom Müßiggang zerrüttet, hätten sie sich der Völlerei, den Gelagen in Wirtshäusern und dem Glücksspiel ergeben.

Ein anderer Chronist berichtet, dass sie bedenkenlos in die Arme der Lust fielen. Die Kirche aber, ihrer Bestimmung nach Säule und Grundfeste der Wahrheit, stand mit beiden Füßen in dieser Welt. Sie war das Salz in der Suppe und machte das alles erst richtig schmackhaft.

Das fehlende Bewusstsein für Gottes Gericht und die geistliche Krise

Und was fehlte eigentlich? Es war das Gericht Gottes, wie es schon im Alten Testament anklingt. Hofni und Piniers an der Stiftshütte von Silo – das Priestertum entartete. Das heißt in der Bibel nur so knapp: Das Wort Gottes war schwach, und es gab kaum noch Offenbarung Gottes.

Und was passierte dann? Es waren namenlose Leute – Johannes Prenz, der hier begraben ist, und wie sie alle heißen: Johann Hus, die Waldenser, die Hugenotten, Calvin. Aber Martin Luther – niemand hatte ihn gekannt, den einsamen Mönch in Wittenberg.

Was war denn das für eine Wirkung? Sie hatten in der Bibel auf einmal eine Begegnung mit dem lebendigen, auferstandenen Jesus Christus, über dem Bibelwort. Und das war so unbeschreiblich.

Wir machen sicher einen Fehler, indem wir immer so viel von den Menschen reden, die uns diese Offenbarung mitgeteilt haben. Die Menschen sind ja gar nicht wichtig, die Überbringer. Der Inhalt war viel wichtiger – was sie uns gesagt haben.

Und da sprachen sie von der Sonne, ja, heller als tausend Sonnen, von der Freude, vom Leben, das sie entdeckt haben – ganz anders als die Umgebung damals. Man muss ja nur immer wieder in die Lieder hineinschauen, wie es dann anklingt: die Begegnung mit Jesus Christus, die Sonne, die mir lacht, ist mein Herr Jesus Christ.

„Ich sehe dich mit Freuden an und kann mich nicht sattsehen.“ Das hat sie begeistert – das Evangelium von Jesus in der Bibel entdeckt. So viele hatten sie auch gelesen, aber nie so entdeckt, in seiner wunderbaren, herrlichen Bedeutung.

Martin Luther sagte in seinen unvergesslichen Worten: Das ewige Licht geht da herein, gibt der Welt einen neuen Schein, es leuchtet wohl mitten in der Nacht und uns des Lichtes Kindermacht!

Die zentrale Botschaft der Reformation: Jesus Christus als Zuversicht und Stärke

Sie entdeckten, dass Jesus Christus unsere Zuversicht und Stärke ist. Dieses Wissen verbreitete sich in ganz Europa. Jesus Christus ist der einzige Trost, den Menschen im Leben und im Sterben haben.

So heißt es auch in der ersten These der Barmer Erklärung: Jesus Christus ist das eine Wort Gottes, das wir zu hören haben, dem wir im Leben und im Sterben vertrauen und gehorchen sollen.

In der Reformationszeit erkannten die Menschen damals an drei großen Nöten, den allergrößten Nöten der Menschheit, was das bedeutet. Es handelt sich um drei große Probleme, die kein Mensch aus eigener Kraft jemals lösen konnte – an keinem Ort der Welt.

Das erste Problem, unter dem sie wahnsinnig gelitten haben, lautet: Wie werde ich mit meiner Schuld vor Gott fertig?

Die erste große Not: Die Schuld vor Gott

Ach, da hat man ja immer wieder gesagt: Sie haben es oft gehört – Schuld, das bewegt doch heute die Menschen nicht mehr. Stimmt ja, die Menschen um uns herum. Aber das war ja damals in der Reformation auch nicht anders.

Meinen Sie, die Raubritter hätten sich mit der Schuld beschäftigt? Oder die Bauern, die litten unter der Ungerechtigkeit, waren furchtbar unterdrückt? Und die Fürsten und die Bischöfe? Und die im Bankhaus Fugger in Augsburg haben sich doch nicht um Schuld gekümmert. Wenn dann irgendwo ein Zartbesaiteter dabei war, dann wusste er: Die Kirche hat Regularien, da kann man Ablass kaufen, da macht man eine Wallfahrt, dann wird das alles reguliert.

Aber es war völlig anders, wenn Gott redet. Wenn Gott redet, wacht Schuld auf. Wissen Sie, dass jetzt unter uns nicht einer ist, der nicht ganz schwer unter der Schuld seines Lebens leidet? Man sagt das so nach außen: Ach, leg deine Schuldgefühle ab, als ob das Gefühle wären. Was wir versäumt haben in der Ehe, an den Eltern, was wir geredet haben, was Unrecht war, was Schmutz in unserem Kopf ist – und was das alles ist.

Es ist interessant, wenn Sie das Neue Testament lesen: Die erste Begegnung der Menschen mit dem lebendigen Jesus Christus war immer, wenn er geredet hat, Entsetzen. Sie entsetzten sich am Schluss der Bergpredigt. Bei all den Jesusreden, wo er geredet hat, Entsetzen! Vielleicht haben wir heute gar nicht mehr den Mut, den Stand zu halten.

Und es ist immer so, wenn Gott redet. Da war es bei David und bei Noah und bei Abraham, bei all den Großen, bei Jesaja – ein Entsetzen. Wer bin ich denn? Das Erschrecken: Ich bin ein Wurm und kein Mensch, Versäumnis und Schuld, die mich begleiten.

Es war damals ganz furchtbar im Leben von Martin Luther. Er meinte, in einem unsagbaren Abgrund zu stehen, Schrecken um und um, Höllenangst. Wissen Sie, dass das heute viele Ihrer Zeitgenossen gar nicht anders empfinden? Wenn Gott redet, ist es wie ein Schwert, das durchdringt bis ins Innerste.

Vielleicht biegen wir das viel zu schnell in unseren Gottesdiensten ab: Das Erschüttertsein, das Erschrockensein über Schuld und Versäumnisse – und das ist immer in der Tiefe des Gewissens. Paulus sagt, wir beweisen uns mit der Predigt des Evangeliums an aller Menschen Gewissen vor Gott.

Das war in der Reformation so wunderbar. Ja, es war wunderbar, wie Menschen plötzlich wach geworden sind und sagen: Das ist die große Not meines Lebens. Und es gibt nie einen Menschen in all den Jahrtausenden, der seine Schuld je lösen und wiedergutmachen konnte. Er hat sie nicht büßen können und nicht wegdrücken können.

Und Sie wissen, wie das ist, wenn man am Leben verzweifelt, wenn man an sich verzweifelt und an dem Schlamassel, in das man sich hineingeritten hat – wenn wir es doch wieder erkennen, was Seelsorge heute bedeutet: das Gespräch.

Vielleicht sitzt jemand neben Ihnen, der darauf wartet, heute Abend Lasten in der totalen Verschwiegenheit der Beichte vor Gott abzulegen: Herr, nimm mir die schwere Schuld weg, die mich nachts nicht mehr schlafen lässt, denn vor Gott ist alles offenbar und bekannt.

Da ich wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Heulen. Da verdurstet die Seele, und da wird der Gedanke an Gott zum Albtraum.

Die befreiende Entdeckung des Evangeliums

Und erwacht ist die Entdeckung von Martin Luther in den Schrecken, dass die Sonne Jesus Christus, die Herrlichkeit des Evangeliums, erst vernommen werden kann. Aus der Tiefe rufe ich zu dir. Mitten in der Höllenangst treibt uns unsere Sünde. Wo sollen wir denn fliehen, wenn wir bleiben müssen? Zu dir, Herr Christ, alleine!

Und das war dann der Jubel und die Freude, die Quelle: Jesus ist für mich gestorben, für meine Sünde am Kreuz. Sein Blut macht allen Schaden gut. Ich bin gerechtfertigt, ich bin bei Gott in Gnaden. Ich kann dazu überhaupt nichts beitragen, nicht das Geringste. Ich kann es nur gratis als Geschenk zum Nulltarif annehmen, aus dem Wort Gottes hören. Und ich bin plötzlich befreit und darf heraustreten, erlöst! Die Giftmülldeponie ist entsorgt.

Und sie strahlen immer weiter aus, diese unheimliche Not meines Lebens, die immer weitergeht durch meine Gedanken. Ich darf einen dicken Strich darunter machen. Es war eine Erkenntnis der Reformation, die ganz wichtig ist. Sie steht sogar in den Bekenntnisschriften drin: Alle Lehre muss nicht durch den Kopf, sondern durch den Kampf des erschrockenen Gewissens hindurch, durch Gesetz und Evangelium.

Ich kann das Evangelium erst hören, wenn ich der Wirklichkeit meines Lebens gegenübertrete. Und Sie kennen all die herrlichen Worte: Dein Kampf ist unser Sieg, dein Tod ist unser Leben, in deinen Banden ist die Freiheit uns gegeben, dein Kreuz ist unser Trost, die Wunden unser Heil, dein Blut das Lösegeld der armen sündigen Heil.

Da war plötzlich das Kreuz nicht bloß ein Symbol, das man den bösen Geistern entgegenhält. Es war nicht ein Machtzeichen der Kirche, sondern plötzlich war es die Freude: Ich bin befreit, ich darf leben, die Gnade Gottes gilt mir, Gott hat mich lieb. Und es ist verbürgt, ich darf es felsenfest wissen. Es gibt eine Heilsgewissheit, die verbürgt ist im Blut von Jesus Christus.

Die wahre Erneuerung der Reformation: Rückkehr zum Wort Gottes

Reformation heißt eigentlich nicht einfach nur Erneuerung. Erneuerung ja, aber welche Erneuerung denn? Anpassung an die Zeit? Nein, das war es damals nicht. Anpassung an das, was die Leute hören wollen? Auch das war damals keine Reformation.

Welche Erneuerung? Zurück zur Bibel, dorthin, wo Gott durch sein Wort spricht. Es gibt einen lebendigen Gott. Er hat in der Bibel geredet. Und Gott meint, was er sagt, und hält seine Verheißungen.

Darum kannst du dich darauf verlassen – felsenfest – auf dieses Wort Gottes. Das ist der Frieden in den Schrecken deines Lebens, in der Angst deines Lebens. Gott ist bei dir, Jesus Christus ist unsere Zuversicht und Stärke.

Der Ruf der Thesen lautet: Kehrt um! Das war schon das Predigtthema von Jesus: Bekehrt euch! Diese eine Richtung führt zum Leben, nirgendwo sonst.

Es ist die schönste, fröhlichste Entscheidung, die man im Leben je treffen kann: Jesus, nimm meinen ganzen Schwutz weg, mach du mein Leben neu. Herrlich darf ich das hier verkünden.

All das, was du jetzt vor Jesus unter seinem Kreuz deponieren willst, nimmt er weg in seiner Vergebung. Und Jesus hat uns allen dieses Amt gegeben: dass wir Sünden vergeben dürfen in seinem Namen.

„Welchen ihr die Sünden vergebt, dem sind sie vergeben.“ Das Schlüsselamt des Petrus hat jeder evangelische Christ. Wenn dir jemand seine Not bekennt und sagt: „Ich darf dir im Namen von Jesus alle Schuld vergeben, wo du sie bereust, hast und loslassen willst“, dann geht der Himmel auf – Freude und Überfreude.

Die zweite große Not: Die Unfähigkeit des Menschen aus eigener Kraft

Zweite Not, die die Reformation erkannt hat – die erste war die Schuld, die zweite Not lautet: Wir können nicht so, wie wir wollen.

Es ist merkwürdig, dass gerade zur Zeit der Reformation eine zweite Bewegung entstand, die genau das Gegenteil behauptete. Diese Bewegung war der Humanismus. Der Humanismus, vertreten durch Erasmus von Rotterdam, sagte: Der Mensch ist gut. Wenn er etwas will, kann er es anpacken und sein Leben gut gestalten – auch vor Gott. Er muss nur ein bisschen edel sein, dann klappt das schon. Der Mensch ist hilfreich und gut.

Wie kamen eigentlich die Reformatoren dazu, das Gegenteil zu sagen? Ich weiß gar nicht, ob heute vielleicht sogar die Mehrzahl der Christen das noch akzeptiert. Jesus sagt: Das Böse kommt nicht von außen in mein Leben, nicht von der Welt, sondern aus deinem Herzen. Alles, was vom Menschen ausgeht, macht ihn unrein. Wir sind das große Problem.

Die Reformatoren sprachen das sehr hart an: Wir sind verlorene, verdammte Leute. Wie war das möglich? Es war das Wort Gottes gegen all unsere Überzeugungen. Man will das ja immer verdrängen, zur Seite schieben – so haben wir es alle gemacht. Aber das Wort Gottes ist lebendig. Paulus nennt es in Epheser 6 das Schwert des Heiligen Geistes. Das Wort Gottes hat die Stosskraft des Heiligen Geistes.

Was ist das Amt des Heiligen Geistes? Jesus nennt es in Johannes 14: Das erste Amt des Heiligen Geistes ist, dass er die Welt überführt von der Sünde und vom Gericht. Die Welt hat das noch nie hören wollen, aber der Geist Gottes tut es. Und das erste Werk des Heiligen Geistes ist dann das andere, was Jesus nennt: Er wird mich verherrlichen. Dann kommt dieses Wunderbare, dass er Jesus groß macht.

Aber vorher ist es wichtig, dass wir noch einmal sehen: Ich kann vor Gott gar nichts mit meinem Leben bringen, ich bin verloren – auch in dem besten Leben. Wo steht das? Ich bin im Sommer durch Heidelberg gelaufen, sah 450 Jahre Heidelberger Katechismus. Dann bin ich in eine Buchhandlung gegangen und habe gleich einen Katechismus gekauft. Dort steht es schwarz auf weiß in Frage 5: Wir sind von Natur aus geneigt, Gott und unseren Nächsten zu hassen. Und in Frage 8: Können wir denn überhaupt etwas Gutes tun? Die Antwort lautet: Nein, wir können gar nichts. Das heißt, wir können nichts, wenn wir nicht neu geboren sind durch den Geist Gottes.

Heidelberger Katechismus, Frage 5 und Frage 8 – Erkenntnis der Reformation. Das war die Befreiung, was Paulus schon sagt: Wollen habe ich wohl, aber vollbringen das Gute schaffe ich nicht.

Ach, was ist das bei uns ein Kampf, wenn wir an den Schadstellen unseres Lebens uns immer wieder bemühen und anstrengen – hat doch alles keinen Wert. Luther sagt einmal: Ich fürchte mich vor meinem eigenen Herzen mehr als vor dem Papst mit all seinen Kardinälen. Vor meinem eigenen Herzen mehr als vor dem Papst und all seinen Kardinälen.

Was ist dann die Lösung? Wie wird es neu? Nur wenn ich ganz fest in Jesus Christus verwurzelt bin, wenn er mein Herr ist. Ach, das schöne Wort von Luther: Wenn man einen Kuchen wird mit ihm. Wenn Jesus in meinem Leben wohnt, so lebe ich nun nicht mehr ich, sondern Christus lebt in mir. Was ich noch lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich ganz für mich dahingegeben hat.

Darum ist das eine ganz, ganz große Freude. Doch mein Leben kann anders werden. Es gibt einen neuen Anfang – aber nur mit Jesus, wenn er der Chef meines Lebens ist, wenn er mich regiert und bestimmt durch seinen Heiligen Geist. Eine Neugeburt wird möglich aus dem Samenkorn des Wortes Gottes, neugeboren durch das Wort Gottes.

Wo die Bibel „Wort Gottes“ sagt, ist immer der Geist Gottes gemeint, der im Wort wirkt. Der Geist Gottes wirkt im Wort Gottes. Je mehr man die Bibel liest, desto mehr kann der Geist Gottes im Leben wirken. Und was nicht im Bibelwort gedeckt ist, ist nicht vom Geist Gottes.

Dort liegt eine tiefe Erkenntnis der Reformation. Und dann noch die erste Frage aus dem Heidelberger Katechismus, den wir auch so lieben: Was ist dein einziger Trost im Leben und im Sterben? Die Antwort: Dass ich mit Leib und Seele im Leben und im Sterben nicht mir selbst, sondern meinem getreuen Heiland Jesus Christus gehöre.

„Eigen sein“ heißt ursprünglich, dass er mich aus aller Gewalt des Teufels erlöst und bewahrt, so dass ohne den Willen meines Vaters im Himmel kein Haar von meinem Haupt fallen kann.

Die dritte große Not: Die Todesverfallenheit des Menschen

Jetzt noch eine letzte Not: Drei Nöte, die kein Mensch aus eigener Kraft lösen kann, sondern die nur Jesus lösen kann. Die erste ist die Schuld, die zweite mein böses Herz, und die dritte meine Todverfallenheit.

Ich kann diese Nöte verdrängen, ich kann nicht daran denken, und trotzdem stehen sie für jeden von uns fest: Wie will ich meinen Tod bestehen? Es gibt viele schöne Träume und Ideen, was man sich alles vorsagen kann. Doch wir spüren, dass das Illusionen oder Halluzinationen sind, die wir haben.

Martin Luther war am Anfang seines Lebens ein junger, lebenslustiger Student. Im Gewitter von Stotternheim lag sein Freund tot neben ihm. „Red doch was!“ – und er war tot. Kennen Sie das? So wie junge Leute heute, die bei einem Verkehrsunfall erleben, dass sie jemanden zu Tode gefahren haben.

Luther erschütterte die Frage: Was ist der Tod? „Mitten in dem Tod anficht uns der Höllenrachen, wo sollen wir denn fliehen? Hier und zu dir, Herr Christ, alleine?“ So hat Luther später gedichtet.

Die Herausforderung der Radikalen und die Verantwortung vor dem Tod

Als Luther auf der Wartburg war, ging es unten in Württemberg drunter und drüber mit den Radikalen, die damals die Bilderstürmerei begannen und alles umstürzen wollten. Luther war entsetzt. Wie konnte er sie zur Besinnung rufen?

Gerade begann die Fastenzeit, am Sonntag in Bukawid. Er stellte diese Predigthörer vor die Frage: Wie willst du deinen Tod bestehen können? Wie willst du vor Gott bestehen können?

Dann erinnerte er die Leute an ihre Verantwortung und an die Liebe. Er begann eine eindrückliche Predigt: Wir sind alle zum Tod gefordert, und keiner wird für den anderen sterben. Stattdessen wird jeder in eigener Person für sich selbst mit dem Tod kämpfen.

Wir können es in die Ohren schreien, aber jeder muss für sich selbst auf die Schanze treten und geschickt sein in der Zeit des Todes. Ich werde dann nicht bei dir sein, und du nicht bei mir. Was hilft dir in deinem Sterben?

Jesus Christus hat dem Tod die Macht genommen – nichts anderes – und das Leben ans Licht gebracht. Wer an Jesus Christus glaubt, wird nicht sterben, sondern leben. „Wer an mich glaubt, wird leben, auch wenn er stirbt“, sagt Jesus.

Unglaublich, unfassbar! Noch einmal: Das Wunder kann nur der Geist Gottes bewirken. Das hat noch nie ein Mensch mit seinem Verstand begreifen können. Aber der Geist Gottes erleuchtet uns beim Bibellesen, sodass wir das Ja sagen können, glauben können – auch inmitten des Schreckens.

Und Luther sagte es immer wieder gern auf Latein: „Vivid, er lebt, er lebt, Jesus lebt.“

Die Freude und die Herausforderungen des Glaubens in der Reformation

Rausgerechnet in dieser Zeit der totalen Lebenslust entdeckten Menschen eine viel wunderbare Freude, Lebenserfüllung, Glück und Todesüberwindung: Jesus, die Quelle des Lebens. Er muss die Mitte meines Lebens sein.

Aber das muss ich doch noch dazu sagen: Den Reformatoren war es immer wichtig, nicht bloß in der jubelnden Begeisterung stehen zu bleiben. Im Neuen Testament kommt das Halleluja nur einmal vor. Es erscheint sonst nie, erst dort, wenn die Hure Babylon gefallen ist – die verweltlichte Kirche – in der Offenbarung 19. Vorher gibt es kein Halleluja.

Und es gibt viele Anfechtungen, davon sprachen sie. Luther hat Anfechtungen erlitten, so wie auch andere Anfechtungen im Glauben erleben: Zweifel, Nöte, Bedrängnisse. Ganz, ganz große.

Im Alter von 43 Jahren war sein Steinleiden so schrecklich und seine körperliche Schwäche so groß, dass er sich mehrfach darauf vorbereiten ließ zu sterben. Er hat seine Freunde um sich gesammelt. Er, der mehrfach bewusstlos zusammengebrochen war, sagte: „Ich kann nicht mehr leben, meine Lebenskraft ist dahin.“

Auch das gehört für Menschen dazu, die an Jesus Christus ihre Zuversicht und Stärke haben – genau wie sie.

Luthers persönliches Leiden und die Entstehung eines Trostliedes

Und dann brach in Wittenberg die Pest aus. Der Fürst befahl, die ganze Universität solle nach Jena verlegt werden. Luther jedoch sagte, ein Hirte dürfe seine Herde nicht verlassen. Er entschied sich zu bleiben. Doch schließlich brach die Pest sogar in seinem Haus aus.

Das erste Familienmitglied erkrankte an der Pest. Luther erhielt die Nachricht, dass sein bester Freund Leonhard Kaiser, der seinen sterbenden Vater in Passau besuchte, dort festgenommen und auf dem Scheiterhaufen verbrannt wurde. Er war tief erschüttert und fragte sich, warum der Teufel noch so wüten dürfe.

Dann las er Psalm 46, der von Jesus Christus als unserer Zuversicht und Stärke spricht. Er schrieb nieder: Äußerlich kämpfen wir, innerlich empfinden wir sehr bittere Ängste. Ein Trost bleibt uns: Wir können dem wütenden Satan das Wort Gottes entgegenstellen. Wir sollen beten, dass wir die Hand des Herrn tapfer ertragen und die Macht des Satans überwinden, sei es durch Leben oder Tod.

In diesen dunklen Tagen entstand dieses Lied: "Ein feste Burg ist unser Gott". Es heißt darin: Mit unserer Macht ist nichts getan, wir sind bald verloren. Für uns streitet der rechte Mann, denn Gott selbst hat es so bestimmt. Und fragst du, wer das ist? Er heißt Jesus Christ. Der Herr, unser Gott, ist ein anderer Gott nicht; das Feld muss er behalten.

Der bleibende Trost in Jesus Christus

Es ist wunderbar, dass Jesus Christus auch deine Zuversicht und deine Stärke sein will – im Leben und im Sterben. Amen.