Zeitliche Einordnung und Bedeutung der 70 Wochen
Das heißt also, auch hier haben wir dieselbe Zeit. Übrigens heißt es dann in Vers 13: Glückselig der, der ausharrt und 1335 Tage erreicht. Das bedeutet, wer jetzt noch eineinhalb Monate, also 45 Tage länger, ausharrt, der hat es geschafft. Das war dann der Tod des Antiochus.
Etwa eineinhalb Monate später, also Mitte Februar oder vielleicht sogar Ende Februar des Jahres 164 vor Christus, ist Antiochus gestorben. Man weiß es nicht genau, wann genau er starb, aber etwa um diese Zeit war noch Winter, sagen die Geschichtsschreiber.
Für uns ist das jetzt alles nicht so wichtig, Sie müssen sich die Zahlen nicht merken. Es soll nur zeigen, dass sich die siebzigste Jahrwoche auf die Zeit von Antiochus bezieht und nicht auf eine Zeit, die heute noch in der Zukunft liegt. Manche Ausleger meinten, das liege heute noch in der Zukunft, aber das geht nicht, denn die 70 Wochen sind ja schon längst abgelaufen.
Dann heißt es: Auf Gräuelflügeln steht eine Verwüstung, also ein Götze. Was ist damit gemeint? Das darf ich Ihnen gleich zeigen.
Der Zeus-Gott, der Zeus oder bei den Römern Jupiter genannt wird, hatte einen Vogel als sein Symbol. Verstehen Sie mich richtig: Dieser Zeus-Gott hatte immer diesen Vogel bei sich. Auf vielen Bildern und Statuen wird Zeus so dargestellt, dass er auf dem Vogel steht, und zwar auf dessen Flügeln.
Für Juden sind das Gräuelflügel, weil es sich um einen Götzen handelt. Auf dem Flügel von Gräueln wird eine Verwüstung, ein Verwüsten durch den Götzen, aufgerichtet und hingestellt. Es wird also eine Verwüstung auf dem Flügel von Gräueln sein.
Genau das hat Antiochus getan. Der Zeus, den Antiochus anfertigen ließ, trug die Gesichtszüge des Antiochus selbst, denn er wollte sich ein wenig als Gott in diesem Zeus verehren lassen.
Symbolische Deutung der Zeitabschnitte und Prophetiesprache
Das heißt, wir kommen jetzt zur Berechnung der Wochen. Ich wiederhole: Die ersten sieben Wochen gehen also von 605 oder 597 oder 587 bis 538. Die zweiten 62 Wochen reichen von 538 bis 171 v. Chr., und die letzte Woche erstreckt sich etwa vom Herbst oder Sommer 171 bis Februar 164 v. Chr.
Die Wochen werden also nicht mathematisch gezählt, denn Prophetie ist keine Mathematik. Prophetie ist oft Poesie in der Bibel, bildreiche Sprache. Hier werden die Zahlen auch als Bildsymbole verwendet. Prophetie ist somit keine Berechnung, sondern ein Zahlenspiel mit symbolischer Bedeutung.
Siebzig Jahre anstatt von siebenundsechzig Jahren – das war die babylonische Gefangenschaft, die in Wirklichkeit nur siebenundsechzig Jahre dauerte, nicht siebzig. Siebzig mal sieben ist eine Zahl, die öfter vorkommt, zum Beispiel bei der Frage: Wie oft soll man vergeben? Siebzig mal sieben hat eine besondere Symbolkraft.
Auch in 3. Mose 26, Vers 21, Vers 24 und Vers 28 steht fast dreimal der gleiche Vers: „Wenn ihr euch nicht von mir zurechtweisen lasst und mir widersteht, werde auch ich euch siebenfach schlagen.“ Nun, die siebzig werden einfach versiebenfacht – siebzig mal sieben. Das hat hier eine ganz klare Symbolkraft.
So viel zu dieser Sache mit den Jahrwochen: Keiner der drei Abschnitte wird also mathematisch gezählt. Das bringt uns jetzt weiter im Text.
Die prophetische Perspektive auf das Volk Israel und das Gottesreich
Das heißt, was wir hier jetzt noch lernen können, ist, dass diese 70 Jahrwochen über das israelitische Volk gehen müssen. Diese 70 Wochen müssen verstreichen, ehe Jerusalem zu der wundersamen, herrlichen Befreiung gelangt.
Dann beginnt die herrliche Zeit, in der es ein ewiges Jerusalem sein wird. Dort wird Gott ewig wohnen, in einem ewigen Allerheiligsten, so wie es Jesaja, Jeremia und Hesekiel vorausgesagt haben.
Die Prophetie sieht also bis auf Antiochus zurück. Von Antiochus aus blickt sie in die Ferne, in die Zukunft.
Ich habe Ihnen schon vorgestern versprochen, dass ich Ihnen noch dieses Bild von den Schweizer Bergen zeige. Wenn man von Zürich aus in die Schweizer Berge schaut, denkt man, das sei ein Block. Man blickt ins Glarnerland und meint, diese Berge gehörten alle zusammen.
Fährt man jedoch dorthin, sieht man, dass dieser Block verschwunden ist. Ich habe das selbst gemacht: Ich bin dorthin gefahren und habe gesehen, dass es viele Berge hintereinander, also mehrere Bergzüge, sind.
Und genau das ist es, was die Prophetie hier uns zeigt. Von der Ferne blicken wir auf das Gottesreich. Die Zeit knapp vor dem Gottesreich wird nicht gesehen, das heißt, die Zeit von Antiochus bis zum Gottesreich wird nicht wahrgenommen.
Dazwischen wird nichts gesehen. Aber das nächste, was wir erkennen, ist das Gottesreich.
Verbindung zu anderen prophetischen Bildern und Ausblick auf das Neue Testament
So war es, wenn Sie sich erinnern: In Daniel Kapitel 2 war es genau gleich. Dort hatten wir vier Königreiche. Zuerst das Babylonische, dann das Medopersische, anschließend das Alexanderreich und schließlich das geteilte Griechische Reich zwischen dem König des Nordens und dem König des Südens. Diese vier Reiche wurden dann vom Stein, der von oben kam, zertrümmert.
Danach richtet der Gott des Himmels sein Reich auf. Wir wissen, dass die Geschichte weiterging. Nach Antiochus kamen noch die Römer, und erst danach kam der Herr Jesus.
Jesus kam zunächst als Kind, als Baby. Er wurde ein Lehrer in Israel und starb an einem Kreuz. Wo ist das Königreich? Er begann das Königreich, indem er sich auf den Thron Davids setzte – an dem Tag, an dem er in den Himmel auffuhr, nachdem er von den Toten auferweckt worden war. Er goss den Heiligen Geist aus und begann ein Reich. Doch das Königreich war zu Pfingsten noch nicht vollendet, sondern erst der Anfang. Die Vollendung sollte erst folgen.
Man kann das Kommen des Herrn Jesus hier mit dem Aufragen der Berge in der Schweiz vergleichen: Man sieht nur eine Sache. Wie aber der Ablauf in der Geschichte verläuft, erfährt man erst im Neuen Testament, nicht im Alten Testament. Daniel schickt uns also in die Zukunft. Wenn wir Genaueres wissen wollen, müssen wir ins Neue Testament gehen, denn das Alte Testament hat es nicht geoffenbart.
Genauso ist es in Kapitel 7 mit den vier Tieren. Diese vier Tiere werden zerstört, ihre Herrschaft wird ihnen weggenommen, und dann kommt das Gottesreich – genau wie in Kapitel 2.
Dasselbe gilt für Daniel Kapitel 9 mit den 70 Wochen. Die 70 Wochen laufen ab, der Höhepunkt ist Antiochus, und dann kommt das Gottesreich. Doch es wird uns keine nähere Geschichte mehr gegeben.
Wir haben also überall dasselbe Muster. So geht es dann auch in Kapitel 11 weiter, wie wir gleich sehen werden.
Übergang zu Kapitel 10
Wir wollen an dieser Stelle eine kurze Pause machen, ein Lied singen und uns dann dem Kapitel zehn zuwenden.
