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Das Erbe des geistlichen Liedes - erprobt und bewährt in Jahrhunderten

01.07.2008

Bedeutung des geistlichen Liedes im Leben

Weil Sie auf einer Singelfreizeit sind, freut es mich ganz besonders, dass wir heute Abend noch ein paar Gedanken darauf verwenden können, einmal darüber nachzudenken, was das geistliche Lied in unserem Leben bedeutet.

Wenn Sie sich zurückerinnern, bin ich manchmal traurig, dass wir gewisse Lieder, die unser Leben so bereichert haben, nicht mehr singen. Weil ich Jesus Schäflein bin, freue ich mich immerhin über diesen guten Hirten, der mich wohl weiß zu bewirten, der mich liebt, der mich kennt und bei meinem Namen nennt. Und sollte ich da nicht fröhlich sein? All die schönen Verse, die wir einst gesungen haben!

Ich bin neulich an das Sterbebett eines Mannes getreten, der ein leidenschaftlicher SS-Mann war und nie eine Kirche aufgesucht hat. Auch in seiner Verbitterung darüber, dass ihm nach dem Krieg die Studienmöglichkeiten verwehrt wurden. Trotzdem habe ich ihn aufgesucht. Er gehörte nicht zu meinem Gemeindebezirk, und ich war auch nicht für ihn zuständig, aber es hat mir keine Ruhe gelassen.

Ich wusste, wie krank er war, als er sagte: „Die Frau, unchristliche Leute, sie schicken den Himmel, mein Mann stirbt gerade.“ Wir waren dort bei einem völlig unkirchlichen Mann. Ich weiß gar nicht, wie ich darauf kam, aber ich sprach diese Lieder an. Eins nach dem anderen konnte er mitsprechen. „Sag mal, woher haben Sie denn die Lieder?“ – „Die hat meine Oma mit uns gesungen.“

Es ist so unverantwortlich, dass wir mit diesem großen Schatz, der in unserem Volk noch lebt und bei ganz vielen Menschen präsent ist, so schlecht umgehen. Wir sollten diesen Schatz lebendig halten.

Herausforderungen und Chancen des geistlichen Liedes

Ich habe es einmal bei einem großen Missionsfest im Siegerland erlebt. Dort waren Menschen aus ganz verschiedenen Erdteilen: Indonesier, Afrikaner aus Tansania und viele andere. Wir suchten kurz ein Lied, das alle ohne Liederbuch singen können – und dann auch noch in ihren jeweiligen Sprachen. Doch wir fanden keines.

Denn das Lied „Lobe den Herren“ ist gar nicht so weltbekannt, wie man oft denkt. Überhaupt sind die deutschen Choralgesänge leider nicht sehr weit verbreitet. Ein Lied, das jedoch weit bekannt ist, ist das Morgenlied „Morgen glänzt der Ewigkeit“. Ausgerechnet dieses Lied hat einen ziemlich schwierigen Text, der von Knopf von Rosenroth stammt.

Ein weiteres bekanntes Lied ist „Mir ist Erwärmung widerfahren“ von Philipp Friedrich Hiller. Es hat eine schöne Melodie, die in Gemeinschaften oft gesungen wird. Dieses Lied umschließt unser ganzes Leben. Übrigens ist es auch das schönste Lied, das man am Grab singen kann, denn es handelt von Erbarmen Jesu mit uns.

Wir sind darauf gekommen, dass es nur ein Lied gibt, das wirklich alle kennen: „Gott ist die Liebe, er liebt auch mich“. Die Zeilen lauten: „Ich lag in Banden der schnöden Sünde, ich lag in Banden und konnte nicht los, er sandte Jesus, den treuen Heiland.“

Wenn wir einmal darüber nachdenken, ist es interessant, wie der Herr selbst durch ein Lied in unserem Leben gesprochen hat. Gerade beim Singen dieses Liedes „Schöner Herr Jesu, wir sind hier“ – wir wissen gar nicht, wer es geschrieben hat. Den Dichter kennen wir nicht, den Komponisten auch nicht. Heute würde man sagen, es war ein Liedermacher.

Wahrscheinlich waren es katholische Freunde aus Münster, einer sehr katholischen Gegend. Sie haben den hellen Schein des Evangeliums von Jesus entdeckt. Darum liebe ich dieses Lied so sehr: Es nimmt ganz schlicht auf, was wir an Schönheiten der Welt sehen. Und dann heißt es im Lied: „Soll man werden lieber auf Erden als du, der liebste Jesus mein.“

Die Bedeutung des Singens in schwierigen Lebenslagen

Das Singen hat eine ganz große Bedeutung, und sie sollen singen, solange sie singen können. Ich habe eine gläubige Frau begleitet, die im Sterben lag. Sie war beide in der Wirtschaft bei Christen tätig und eine einflussreiche Frau gewesen. Doch sie hatte so schreckliche Atembeschwerden, dass immer eine Sauerstoffflasche bereitstand. Trotzdem war es ihr so wichtig, dass gesungen wird.

Ich bin überzeugt, dass es gar nicht auf die Qualität des Singens ankommt. Die Ästhetik spielt eine untergeordnete Rolle. Das hat mich auch bei Bruder Gerhard so gefreut: Er stellt keine Konzertansprüche. Das war mir auch sehr wichtig, als meine Frau die Chöre in der Gemeinde leitete. Jeden Sonntag sollte ein Chor am Gottesdienst mitwirken.

Konzertchöre gibt es viele. Wir haben sie auf CDs, Schallplatten und können sie im Radio hören. Aber was wir wirklich wollen, ist die Beteiligung der Sänger, dass sie von Herzen singen können. Mir macht es Sorgen, wie leichtfertig das heute oft aufgegeben wird.

Ich habe mit einem Mann gesprochen, der zu den führenden Vertretern einer neuen Bewegung gehört, die ganz neue Gemeinden schaffen will. Eine neu entstandene Gemeinde mit 300 jungen Leuten in einer Universitätsstadt sagte zu uns: Erst wenn das ganze geistliche Erbe zerstört ist, kann das Neue kommen.

Wie tief erschrocken war ich! Tief erschrocken! Ich sagte: „Neuer Wein in neue Schläuche – welche neue Bewegung soll denn kommen?“ Ich war entsetzt.

Ich habe gemerkt, dass viele Menschen die geistlichen Lieder nicht verstehen. Doch das liegt oft nicht an der Sprache, sondern an der Verschlossenheit gegenüber dem Evangelium.

Albert Knapp und die Bewahrung geistlicher Lieder

Bevor ich hergefahren bin, habe ich mir den großen Liederschatz von Albert Knapp angesehen. Albert Knapp war ein Pfarrer in Stuttgart und ein großer Kenner geistlicher Lieder. Er hat die erste große Sammlung geistlicher Lieder zusammengestellt, und zwar etwa um 1860.

Albert Knapp gehört zum schwäbischen Pietismus. Er hat uns herrliche Lieder und auch geschenkte Missionslieder in unserem geistlichen Liederschatz hinterlassen. Man stößt immer wieder darauf. Er war ein Freund von Nikolaus Lenau, dem ungarischen Dichter, und hat eine Zeitschrift für die Dichtkunst herausgegeben. Albert Knapp war ein sehr erfahrener Mann. Damals betonte er, dass das Entscheidende am Lied der Inhalt sei.

Er hat sich gegen die Aufklärung gewehrt, die seiner Meinung nach schreckliche Seichenlieder hervorgebracht hat. Diese Lieder hatten keinen Inhalt und waren kaum noch zu ertragen. In der Aufklärung entstanden vor allem Nützlichkeitslieder, die allgemeine Lebenswahrheiten plattgetreten haben. Albert Knapp sagte, dass wir das Bibelwort in unseren Liedern brauchen.

So machte sich Albert Knapp an die Arbeit und sammelte etwa 3000 Lieder in seinem großen Liederschatz. Dieses Werk ist heute schwer zu bekommen und kostet in Antiquariaten etwa 120 Euro. Man braucht es nicht unbedingt, aber darin findet man viele alte Lieder, die in den heutigen Gesangbüchern nicht mehr zu finden sind.

Gleichzeitig unternahm Albert Knapp einen Vorstoß: Er meinte, viele alte Lieder könne man heute nicht mehr singen, weil sich die Bilder gewandelt haben. Als Beispiel nannte er das schöne Lied „Wie schön leuchtet der Morgenstern“ von Philipp Nicolai. Er sagte, das sei 1860 nicht mehr zeitgemäß, etwa die Zeile „zwingt die Saiten in Kütara“.

Albert Knapp machte sich daran, das Lied umzudichten. Im württembergischen Gesangbuch steht das Lied deshalb zweimal: einmal in der alten Fassung und einmal in der Fassung von Albert Knapp. Es tut mir immer weh, wenn dieses Lied am Erscheinungsfest nach der Uraltfassung gesungen wird. Unsere Konfirmanden und jungen Leute können die alten Verse mit den „Äuglein von Jesus, die uns so liebreich anblicken“ einfach nicht mehr singen.

Albert Knapp hat uns eine bessere Version gegeben. Wenn man die Verse vergleicht, sieht man das deutlich. Auch das Lied „Wach auf, mein Herz, und singe“ hat er umgedichtet. Wir haben es alle in der Schule nach der Fassung von Albert Knapp gelernt.

Ich würde Ihnen empfehlen, sich die Fassungen von Albert Knapp noch einmal anzusehen. Sie sind in den Gesangbüchern von 1912 enthalten. Er war ein Poet und hat es geschafft, diese Lieder umzuschreiben und damit zeitgemäß zu machen.

Die Herausforderung, Glaubensinhalte verständlich zu vermitteln

Ich habe Manfred Hausmann einmal gebeten, den lutherischen Glaubensartikel als großer Literat in eine neue Sprache zu übertragen, damit man ihn leichter lernen kann. Manfred Hausmann sagte damals, das sei nicht möglich, denn es ist sehr schwierig. Was Martin Luther uns im großen Katechismus geschenkt hat, ist einmalig.

Mich hat es immer wieder beeindruckt, dass Albert Knapp uns geholfen hat, auch für unsere Zeit einen passenden Stil zu finden. Wissen Sie, mir hat es immer Probleme bereitet, wenn man die Haken unten dran setzen muss. Wenn dann statt „Gemeinde“ „Kmain“ heißt und so weiter, ist das auch ein bisschen schwierig zu verstehen. Es wird holprig im reformatorischen Lied.

Dennoch freuen wir uns, dass wir in unseren Gesangbüchern so viele Lieder haben, die man gut verstehen kann. Entscheidend ist der biblische Inhalt des Liedes. Was transportieren sie an Inhalt? Heute betont man sehr stark den Lobpreis, und das ist ganz gewiss wichtig. Es gibt ja auch einen großen Schatz des Lobpreises, aber das ist nicht alles, was wir im Lied haben.

Im Kolosserbrief sagt Paulus, dass wir Lieder singen, um uns zu erbauen. Das ist auch ein wichtiger Aspekt.

Die Rolle des Singens beim Glaubensweg junger Menschen

Ich habe entdeckt, dass viele Menschen durch das Singen zum Glauben gekommen sind.

Im Jugendbibelkreis haben wir vor Beginn immer einfach die großen Evangeliumslieder gesungen, auch die Erweckungslieder, begleitet von der Gitarre. Die jungen Leute haben diese Lieder sehr gern gesungen. Das war die Zeit, als das Liederbuch „Jesu Namen nie verklemmt“ verwendet wurde.

Ich weiß, dass viele junge Leute aus dem Herzen das Lied „Ich bin schwach, doch du bist stark, deine Kraft hält mir vor“ gelernt haben. Es war ein alter „Negerspirit“, aber für die jungen Leute war besonders wichtig: „Ich bin schwach, doch du bist stark.“ Das war die Melodie, die sie verstanden haben. Dabei wurde etwas Biblisches vermittelt, das für mich ganz wichtig war.

Ich habe mich immer gefreut, dass ein Mann wie Albert Schweitzer, der vom Evangelium inhaltlich nicht viel übernehmen konnte, das verstanden hat. Albert Schweitzer war ein liberaler Christ. Er sah Christus nur als Vorbild, als einen Mann, der gescheitert ist und nichts erreicht hat. Er selbst sagte, man müsse sich in die Speichen des Rades der Weltgeschichte stemmen, auch wenn man dabei zerfetzt wird. Den bösen Lauf der Weltgeschichte könne man nicht aufhalten.

Doch in seinen Briefen aus Lambarene schreibt er: Wenn man einmal erlebt hat, wie der afrikanische Mensch leidet, wie er unter dämonischen Mächten in der Finsternis der Angst lebt, von Naturgeistern geplagt wird, von der Gewalt der Ahnengeister und der Fetische verfolgt wird, vom Aberglauben, der große Macht über ihn hat, dann kann man nur sagen: Paul Gerhardt hat das Evangelium richtig wiedergegeben.

Er sagt das in dem Adventslied: „Ich lag in schweren Banden, du kommst und machst mich los, ich stand in Spott und Schanden, du kommst und machst mich los.“ Ausgerechnet er hat das begriffen.

Ich würde auch heute sagen, dass in unseren Gemeinden etwas ganz Starkes fehlt. Transportieren Sie das einfach weiter, sagen Sie es Ihren Predigern: Die ganze Weltliteratur heute schreit nach Erlösung. Lesen Sie moderne Romane. Wie kommen Menschen heraus aus der großen Not des Lebens?

Heute titelt die Bild-Zeitung, dass eine gesunde Frau den Wunsch geäußert hat zu sterben, weil sie Angst hat, dieses Leben zu ertragen – mit der Sterbehilfe. Das ist ein Symptom: Unsere Leute kommen mit dem Leben nicht mehr klar und wissen nicht, wie sie dem entfliehen können.

Und wir verschweigen in unseren Liedern die wichtigste Tatsache unseres Lebens: Jesus kam, um uns zu erlösen. Preis den Herrn, er hat meine Schuld von mir weggenommen, die Sünden sind vergeben. Das ist ein Wort zum Leben für den gequälten Geist.

Und was Sie singen wollen, sind herrliche Glaubenslieder von der Mitte des Evangeliums, von der Erlösungskraft Jesu. Ich glaube, das ist so wichtig.

Begegnung mit einem zweifelnden Arzt

Ich traf vor acht Tagen in einem Gottesdienst einen unbekannten Mann. Ich hörte, dass er Arzt ist, und bemerkte sofort, dass er große Probleme mit seinem Glauben hat. Er sagte: „Wissen Sie, ich bin oft in die Bibelstunde gegangen, auch zu Konrad Eisler und so weiter, aber heute bin ich ein Skeptiker.“

Ich fragte ihn, warum er dann heute in die Kirche gegangen sei, und er antwortete: „Mir ist es langweilig.“ Er konnte nicht glauben, dass ein Arzt so etwas sagt.

Dann unterhielt ich mich mit ihm. Er erzählte, dass seine Frau vor acht Jahren gestorben ist. Er trägt auch nach acht Jahren noch eine schwarze Krawatte. „Sie wissen gar nicht, was das bedeutet“, sagte er.

Ich schickte ihm ein Büchlein, das ich vor Jahren geschrieben hatte. Es handelt von Leben, Trost und Hoffnung und enthält Zeugnisse von Sterbenden. Er schrieb zurück, aber ich hatte keine Telefonnummer von ihm. Er wohnt nur wenige Häuser von meinem Haus entfernt.

Also klingelte ich bei ihm. Er kam auf, trug kurze Hosen und sagte: „Danke, dass Sie aufgemacht haben.“

Er fragte: „Was ist das bei euch, dass ihr nicht von der großen Not, der Todesverfallenheit sprecht? Haben Sie das schon einmal erzählt?“

Ich antwortete: „Nein.“

Er fuhr fort: „Von der Todesverfallenheit, nein. Dass die ganze Welt der Vergänglichkeit übergeben ist. Das spüren heute viele Menschen in unserer Welt. Es gibt keine Hoffnung und keine Zukunft. Das Einzige, was wir haben, ist das Evangelium von Jesus.“

Er sagte: „Ich kann es mit meinem Verstand nicht verstehen, aber es ist so herrlich in der Osterbotschaft von Jesus. In der ganzen Weltreligion, in der Philosophie gibt es nichts Vergleichbares. Keine Ideologie der Welt kann diesen Trost geben. Jesus lebt. Mit ihm auch ich. Tot, wo sind nun meine Schrecken? Er lebt und wird auch mich von den Toten auferwecken – meine Zuversicht.“

Er fügte hinzu: „Sie können all die Lieder hernehmen, in denen Ihr Herz schlägt. Man soll sich das immer wieder vergegenwärtigen.“

Er erzählte weiter: „Meine Frau hatte so eine tolle Art. Sie führte ein Buch und schrieb darin alles auf, ähnlich wie die Frau von Paul Gerhard. Als sie sterben musste, ließ sie es mir aus ihrem Buch vorlesen. Dort waren all die herrlichen Verse von Paul Gerhard enthalten. Das ist das, was sie einmal erreicht hat – ein Inhalt unserer Lieder.“

Die Kraft der Lieder als Predigt

Und ich sage es noch einmal: Die besten Predigten sind unsere Lieder. Oft sitzt man ja schon im Gottesdienst und denkt: „Oh, die Predigt könnten wir uns jetzt sparen, aber die Lieder sind so super.“ Die Lieder haben gesprochen, und darin war eine Botschaft, darin war das Evangelium enthalten.

Manchmal blättert man auch durch das Gesangbuch und denkt: „Da gibt es noch andere Lieder.“ Paul Gerhardt hat es ja in einem Lied ausgedrückt, das leider auch heute in Vergessenheit geraten ist: „Warum willst du draußen stehen, du Gesegneter des Herrn?“ Vielleicht ist dieses Bild heute ein bisschen schwierig zu verstehen, wenn es dann heißt: „In der Welt ist alles nichtig, nichts ist, das nicht kraftlos wär. Hab ich Hoheit, die ist flüchtig? Hab ich Reichtum, was ist mehr als ein Stücklein armer Erd? Hab ich Lust, was ist sie wert? Was ist, was mich heut erfreut, das mich morgen nicht bereuet? Aller Trost und alle Freude ruht in dir, Herr Jesus Christ.“

Kann man es besser sagen? In unserer Zeit, in der alles, was ich habe, so vergänglich ist – und wenn Sie so viele Milliarden haben wie Bill Gates, hilft Ihnen das über das Ende Ihres Lebens nicht hinweg.

Wissen Sie, das ist so ein Trost aus den Liedern. Wir sollten uns das wieder vergegenwärtigen und uns klar machen.

Rudolf Alexander Schröder und die Bedeutung der Lieder

Der große Dichter Rudolf Alexander Schröder war ein Ästhet, ein Künstler, der das Schöne empfand. Ich hingegen bin ein Rüpel. Er war ein Künstler wie er, so feinfühlig wie meine Frau, die ebenfalls von Musik etwas versteht.

Rudolf Alexander Schröder hat viele Dinge gemacht. Er übersetzte die alten griechischen Dichter, die großen Dichtungen, die heute noch zu den besten Literaturwerken gehören. Außerdem war er Innenarchitekt und entwarf für das Luxusschiff Bremen die großen Suiten. All das Schöne hat er geschaffen.

Doch als er eine Nacht am Sarg seines toten Freundes saß und wartete, da wurden ihm die Lieder von Pater Gerhard und die Bibel, das Wort Gottes, groß.

Ich will gar nicht gelten lassen, wenn Leute sagen: „Was wollen die jungen Leute?“ Die jungen Leute laufen in Hunderttausenden zusammen, ob es nun um ein Tor für die Türken oder für die Deutschen geht. Es gibt ja noch mehr als Fußball, das können wir alle anschauen.

Aber es gibt noch mehr, den Werte-Maßstab. Den müssen wir den jungen Leuten wieder sagen: Wo hast du deine ewige Hoffnung? Wo wirst du dein Leben einmal verbringen? Und was ist der Inhalt deines Lebens?

Da müssen wir sagen: All die Lieder, die sie singen, können das nicht befriedigen.

Die Macht des Liedes in der Gesellschaft

Jetzt muss ich jemanden zu Wort kommen lassen, der auf der Laje nie sprechen darf. Wissen Sie, wer das ist? Das ist die Madonna. Wissen Sie, wer Madonna ist? Eine ganz verruchte Sängerin, ein schreckliches Idol.

Aber die Madonna habe ich neulich in einem Interview in der Zeit gelesen. Wissen Sie, was sie gesagt hat? Die Menschen ahnen gar nicht, welche Macht ein Lied über die Herzen der Menschen haben kann. Das hat sie mit ihren sechs Liedern begriffen. Und diese Lieder singen sie in die Herzen unserer jungen Leute hinein.

Ich kann nur jeder Mutter danken, die ihren Kindern schon von früher Jugend an diese herrlichen Jesuslieder nahelegt. Das haben sie von dort schon geerbt. Und da waren die Großmütter nicht bloß die Babuschkas in Russland, sondern auch bei uns ist das so. Aber die Väter dürfen es ruhig auch machen.

Wir waren neulich in Lachen zu einer Bibelwoche, und dort gab es abends ein Konzert mit Siegfried Viez. Ich kannte Siegfried Viez eigentlich immer als einen ausgeflippten Sänger, der eine Sturm-und-Drang-Periode hatte. Aber an dem Abend muss ich sagen: Mensch, der Siegfried Viez hat eine Botschaft.

Er hat eine solche geistliche Botschaft, weil er die Jochen-Klepper-Lieder entdeckt hat – ausgerechnet Jochen Klepper. Und dann sagt er genau dasselbe auf eine feinfühlige Art. Das ist wirklich geistlich verantwortungsvoll. Da können Sie wirklich die CD senden. Es geht jetzt nicht um Reklame, sondern er weiß einfach, dass ich mich freue, wenn ein Liedersänger nicht bloß Klamauk macht und sagt: „Wir machen da Schrummel, Schrummel und so“, damit die Leute auf ihren Sitzen mitwippen. Sondern er will eine Botschaft transportieren.

Dann sagt er: „Komm doch zur Gebetsgemeinschaft vorher.“ Das war ihm so wichtig. Und er hat genau dasselbe gesagt, was die Madonna sagt: Über das Lied kann man Dinge in Menschen erreichen, die man mit dem Wort gar nicht erreicht. Und so kommt das Wort in die Tiefen von Menschen hinein.

Deshalb hat der Teufel natürlich die Methode, dass er andere Lieder hat, mit denen er den Menschen das sogar auf ganz andere Weise transportieren will. Wir wissen, wie es die Diktaturen mit der Musik gemacht haben, um junge Menschen zu begeistern. Und wir wissen auch, welche unheimlichen Dinge heute im Black Metal und ähnlichen Musikrichtungen in den Herzen unserer jungen Leute wirken.

Manchmal sagen sie nur: „Also bitte nicht anmachen!“ – obwohl sie es doch anhören. Das ist eine ganz, ganz gefährliche Sache. Wir wollen nur wissen, dass das geistliche Lied für uns eine ganz, ganz große Bedeutung hat.

Die Bedeutung der alten Lieder in schweren Zeiten

Ich möchte Ihnen noch ein paar Zeilen von Rudolf Alexander Schröder vorlesen. Er sagte einmal, dass es Paul Gerhards Lieder waren, an denen er mit leiser Hand zurückgeführt wurde, noch ehe ihm das Wort der Schrift selbst wieder lebendig geworden war.

Damals, angesichts des Dritten Reiches und der Naziherrschaft, bemerkte er, wie viele junge Leute begeistert waren von diesem neuen Geist. Schröder sagte, er könne es nicht mehr hören, wenn Leute behaupteten, man dürfe diese alten Lieder jungen Menschen nicht mehr zumuten. Er betonte, diese alten Lieder seien viel zukunftsweisender und neuer als alle modischen Zeiterscheinungen.

Diese Aussage bezog er auf die gesamte Ideologie des Dritten Reiches. Die alten Lieder wirken deshalb so zeitnah und lebendig, weil sie mit ihrer eigenen Kraft das Wort Gottes verkünden. Darum sind die alten Choralgesänge viel aktueller als jene, die von der modernen Zeit faszinierten Menschen bevorzugt werden.

In meiner Bibliothek, wenn Sie in mein Arbeitszimmer kommen, finden Sie viele alte Bücher. Ich habe festgestellt, dass wir in einer geistlichen Tradition stehen. Wir haben eine Wolke von Zeugen, und unser Herr will uns nichts Neues oder anderes geben, als dass er uns auf der Linie von Johann Albrecht Bengel, Gottfried Daniel Krummacher, Ludwig Hofacker und all den anderen Zeugen der Erweckung des geistlichen Lebens weiterführt.

Wir wollen in diese Schule gehen und das, was wir dort lernen, in unserer heutigen Sprache weitersagen. Diese Sprache ist heute zwar etwas anders, aber wir wollen entdecken, dass das, was wir lernen, für uns eine ganz wichtige Bedeutung hat.

Die Wiederentdeckung Paul Gerhardts und seine Bedeutung

Es war ein bekannter Mann, der Paul Gerhardt sehr gelobt hat. Es hat mich völlig überrascht, wie Paul Gerhardt im letzten Jahr wiederentdeckt wurde. Über 400 Jahre lang hätte ich das nie zugetraut, denn es gab eine Zeit, in der er kaum noch erwähnt wurde. Doch plötzlich sind ganz viele Menschen wieder aufgewacht.

Wir hatten ein Klassentreffen zum 50-jährigen Abitur – jetzt wissen Sie, wie alt ich bin. Dort war ein katholischer Freund, der als Banker in Frankfurt arbeitet. Er sagte: „Weißt du, was ich gerade mache? Ich höre an der Universität Frankfurt eine Vorlesung über Paul Gerhardt. Das fasziniert mich als Katholik.“

Es freut mich sehr, wenn Menschen von heute, die mitten im Leben stehen, plötzlich entdecken, welche Kraft in seinen Liedern steckt. Dietrich Bonhoeffer hat vor seiner Hinrichtung immer wieder zu den Liedern Paul Gerhardts gegriffen. Er hat sie gelesen und auswendig gelernt. Bonhoeffer sagte, die Befreiung liege im Leiden darin, dass man seine Sache ganz aus den eigenen Händen gebe und in die Hände Gottes legen dürfe.

Das ist seelsorgerlich gesprochen: Man lässt Gott wirken und walten. Er ist ein weiser Fürst und wird sich so verhalten, dass man sich wundert. Sie können all die Verse nehmen, auch die weniger bekannten Lieder von Paul Gerhardt. Sein schönstes Lied ist zweifellos „Gib dich zufrieden und sei still in dem Gotte deines Lebens“.

Lesen Sie dieses Lied und lernen Sie es auswendig. „Gib dich zufrieden und sei still“ hat eine schwierige Melodie, deshalb wird es selten gesungen. Aber es ist ein ganz herrliches Lied. Es ist für uns sehr wichtig, denn darin können wir Trost finden. Dieses Lied ist für uns eine große Ermutigung.

Bedeutung von Friedrich Hensler und das Lied „Jesu Name nie verklinget“

Als Friedrich Hensler seinen achtzigsten Geburtstag feierte, wurden alle gebeten, ihm ein kurzes Wort zu schreiben. Zu diesem Anlass wurde ein kleines Büchlein herausgegeben. Ich habe nur gesagt, dass Friedrich Hensler uns einen großen Dienst erwiesen hat, indem er das Liederbuch „Jesu Name nie verklinget“ herausgegeben hat.

„Jesu Name leuchtet helle, und sein Glanz vergeht nicht. Mag auch einst die Welt versinken, mag vergehen die Sonne, Jesu Name wird weiter klingen.“ Wissen Sie, wo dieses Lied zum ersten Mal gesungen wurde? Im Katzenkrieg haben neun junge Norweger dieses Lied in der Nacht gesungen, bevor sie von deutschen KZ-Wächtern erschossen wurden.

So ein Lied kann man nicht einfach wegwerfen und sagen, das singen wir heute nicht mehr. Schon aus Achtung vor den Menschen, die damals der Naziherrschaft widerstanden haben, gebietet es sich, es zu bewahren. Lesen Sie dazu bei Professor Ole Hallesby. Er beschreibt das in seiner Biografie. Für mich ist das ein Vermächtnis, das mich bewegt und aufwühlt.

Das Lied hat damals so viele Menschen angesprochen. Die ganze Singebewegung war wunderbar, wie unsere jungen Leute wieder gesungen haben. Wo kennen wir das sonst aus der Geschichte, dass ein Lied so viele Menschen tief bewegt hat? Wir kennen es aus der Geschichte der Hugenotten. Die einzige Kraft der Hugenotten war das Lied. Auf dem Scheiterhaufen haben sie gesungen, bis ihnen die Scharfrichter die Zunge herausgerissen haben, damit sie nicht mehr singen konnten.

Das ging durch Mark und Bein. Es wird erzählt, wie es in der Bastille war, und König Heinrich II sagte: „Ich kann diese Lieder nicht mehr hören.“ Was haben sie denn gesungen? Psalmen haben sie gesungen. Die Calvinisten, die Reformierten, haben immer Psalmen gesungen. Das ist so wunderbar.

„Ich danke meinem Gott von ganzem Herzen.“ Lob und Dank gab es noch in der Hinrichtung. Man erzählt, dass einer dieser Scharfrichter von dem Gesang so bewegt war, dass er sich auf den Scheiterhaufen binden ließ und mit den Hugenotten gestorben ist, weil ihn das Singen so tief berührt hat.

Das soll uns alle zum Nachdenken bringen, wenn wir verfolgen, wie das alles gegangen ist. Gerade die Psalmen sind auch ein Hinweis. Bei uns wird heute schon viel Diktatur ausgeübt. Da wollen wir nur loben und sagen: Warum eigentlich? Ich darf doch auch klagen. Schauen Sie sich die Psalmen an, das gehört alles mit dazu. Ich darf mein Herz abladen.

Das Lied als Trost in schweren Zeiten

Ich hätte heute Abend gern mit Ihnen das Lied gesungen, aus dem wir den Titel für dieses Buch genommen haben. Doch es steht auch im anderen blauen Liederbuch nicht drin.

Es heißt: „Es jammre, wer nicht glaubt, es ist ein Hitlerlied. Ich will mich stillen, mir fällt kein Haar vom Haupt ohn Gottes Willen. In Jesus habe ich hier das beste Leben, und sterbe ich, würde mir ein besseres geben.“

Im letzten Vers heißt es: „So weine ich, wenn ich weine, doch noch mit Loben. Das Loben schickt sich fein zu solchen Proben. Man kann den Kummer sich vom Herzen singen, nur Jesus freut mich, dort wird es klingen in der Herrlichkeit.“

Dies ist ein Vorgeschmack auf die Lieder, die man im Himmel singen wird. Das Lied Moses werden wir singen, das Lied, das Moses mit der Mirjam nach dem Durchzug durch das Rote Meer sang.

Wie der Busch kurz vor seinem Tod sagte, sei er gespannt, welche zwei Lieder Moses es gibt und welches man im Himmel singt – wahrscheinlich beide.

Dieses Siegeslied ist schön, weil es zeigt, wie der Herr uns durch die Nöte dieser Welt geführt hat und wie wunderbar seine Führung war.

Darum ist es auch eine große Sache, wenn wir einen Inhalt haben. Es ist kein Zufall, dass Manfred Mössinger und ich auf denselben Psalm kamen: den Psalm 34.

„Ich will den Herrn loben alle Zeit.“ Als dieser Elende rief, hörte der Herr und half ihm aus allen seinen Nöten. So hat David am Tiefpunkt seines Lebens gesungen.

Ach, ist das herrlich, wenn wir das singen! Aber auch das Lied Psalm 118 ist wunderbar. Man singt mit Freuden vom Sieg in den Hütten der Gerechten – ein Lieblingspsalm von Martin Luther.

Also ist er herrlich.

Die Kraft des gesungenen Bibelwortes

Jetzt möchte ich noch ein Wort sagen. Das erste war also: Die Kraft des geistlichen Liedes liegt im gesungenen Bibelwort. Wenn man sich das genau ansieht, erkennt man, dass dies die beste Glaubenslehre ist, die man haben kann.

Es gibt viel Verwirrung, zum Beispiel um die Frage: Was ist der Heilige Geist? Paul Gerhard singt in seinem Lied „Soll ich meinem Gott nicht singen“: „Seinen Geist, den edlen Führer, gibt er mir in seinem Wort.“ Alle Verirrungen entstehen daraus, dass die Menschen den Geist Gottes vom Wort Gottes trennen. Diese Erfahrung zeigt sich durch die Jahrhunderte hindurch.

Immer wenn man den Geist vom Wort gelöst hat, kam es zu Verirrungen. In der Reformationszeit führte das beispielsweise zu Schwärmerei. Nur der Geist Gottes wirkt durch das Bibelwort, führt zum Bibelwort hin und baut auf dem Bibelwort auf. So hat Jesus es schon gesagt: Er wird es von den Meinen nehmen und mich verklären. Das ist eine ganz einfache theologische Erkenntnis, die man dem Lied entnehmen kann.

Diese Haltung findet man bei Paul Gerhard überall in seinen Liedern. Er hat uns die großen Glaubenswahrheiten ins Herz gesungen. Das war das Erste: das gesungene Bibelwort.

Aber das geistliche Lied ist auch ein machtvolles Zeugnis vor der Welt – gerade in schweren Zeiten, wenn die Gemeinden in Deutschland geistlich tot waren. Das war schon in der Aufklärung so, und auch in der Orthodoxie, als kein geistliches Leben vorhanden war. Dann waren es die Lieder, die das Zeugnis trugen.

Man denke an Zinzendorf, der es ebenso getan hat. Übrigens war bei Zinzendorf Christian Gregor ein guter Helfer. Christian Gregor hat alle seine Lieder singbar gemacht. Albert Knapp sagte, man dürfe Lieder ruhig ein wenig verändern, wenn sie sprachlich schwierig sind, aber sie müssen singbar bleiben.

Das schöne Lied „Jesu, geh voran auf der Lebensbahn“ hat Christian Gregor so wunderbar gestaltet, dass man es nie vergessen kann.

Geistliche Lieder als Zeugnis der Erweckung

Lieder sind so wichtig. Wultersdorf, der in Schlesien die große Erweckung erlebt hat, hat uns das Lied gegeben: „Ich weiß sonst nichts zu sagen, als dass ein Bürge kam, der meine Schuld getragen, die Rechnung auf sich nahm und sie so völlig hingezählt hat, dass von der ganzen Menge auch nicht ein Heller fehlt.“ Herrlich, wenn man solche Lieder hat! Da sieht man die ganze schlesische Erweckung.

Wir waren gerade auf einer Kreuzfahrt auf der Oder bis Breslau. Ich war so bewegt, wenn man da in Köpen vorbeifährt. Dort steht noch die Kirche. In Köpen hat Johann Hermann 1560 ein herrliches Osterlied geschenkt, das früh morgens gesungen wird, wenn die Sonne aufgeht.

Ich erinnere mich noch, wie meine Großmutter im Sterben lag, mit ganz schrecklichem Leiden, Gesichtskrebs. Da kam ein Onkel und sagte das so schön, ich werde es nie vergessen:

„Wie tief Kreuztrübsal oder Pein,
mein Heiland greift allmächtig drein,
reißt mich heraus mit seiner Hand.
Wer mich willhalten wird zu Schand,
lebt Christus, was bin ich betrübt,
ich weiß, dass er mich herzlich liebt,
wenn mir gleich alle Welt stirbt ab,
genug, dass ich Christus bei mir habe, Halleluja!“

Johann Hermann, der so ein schreckliches Gichtleiden hatte, konnte nicht mehr am Bett liegen. Er hat mal eine Ecke gestellt von seinen rasenden Schmerzen. Damals, im Januar, während des Dreißigjährigen Krieges, als der Ort im Untergehen war, hat er im Jungen gefischt und so ein schreckliches Gichtleiden erlitten.

Das ist so herrlich, dass diese Lieder Glauben, Lehren und ein machtvolles Zeugnis vor der Welt sind. Sie dürfen jetzt einfach suchen und sich Ihren eigenen Liederschatz zusammenstellen.

Es ist immer wieder schön, wenn man sagt: „Ich habe meine Lieder.“ Ich erlebe oft, wie Leute ihre Lieder in die alten Bücher hineingeschrieben haben.

Fanny Crosby und die Kraft des Glaubensliedes

Eine Frau ist mir ganz besonders wichtig: Tiffany Crosby. Sie hat wahrscheinlich die meisten Lieder von allen Gedichten – über neun Lieder.

Als Baby wurde sie in einem Bauernhaus in den USA geboren. Ein Heilpraktiker rieb ihr etwas ins Auge, wodurch sie erblindete. Es war ein Pfuscher. Sie war ihr ganzes Leben lang blind und wurde über neunzig Jahre alt.

Und sie sagt: „Ich habe in meinem ganzen Leben nie einmal Bitterkeit empfunden gegenüber dem, der das in meinem Leben getan hat.“

Jetzt schauen Sie mal, wie viele Lieder, die Sie alle kennen, Fanny Crosby-Lieder sind. Sie hat die amerikanische Erweckung geprägt, bis zu uns. Wir werden nachher das Lied singen: „Gott wird dich tragen, drum sei nicht verzagt.“

Fanny Crosby stammt aus einem großen Erleben heraus. Da muss man einfach sehen, dass das so geht und dass das so wichtig ist.

Heinrich Schütz und die Musik als Trost in Trauer

Ich denke an Heinrich Schütz, einen der größten Männer des geistlichen Liedes im 17. Jahrhundert. Er schuf herrliche Motetten und geistliche Lieder. Schütz hatte eine Frau, die sechzehn Jahre jünger war als er. Sie starb im Alter von vierundzwanzig Jahren und hinterließ zwei kleine Kinder.

Heinrich Schütz hat nie wieder geheiratet. Das war um 1640 oder wann genau, mit den zwei kleinen Kindern. Er hing sehr an seiner Frau. Bei ihrer Hochzeit hatte er die Psalmen Davids vertont. Nach ihrem Tod widmete er sich nur noch den restlichen Psalmen Davids. Das war das Einzige, was seine Trauer lindern konnte. Es gab nichts anderes mehr, auch in der Musik nicht, außer diesem Bibelwort, das ihn tröstete.

Und das ist so wunderbar: „Sei die einzige Trösterin unserer Traurigkeit“, sagt Heinrich Schütz.

Man kann das auch bei Jochen Klepper nachvollziehen, den wir hier an der Oder noch einmal in Erinnerung rufen. Wenn man sein Tagebuch liest, hält man es kaum aus, wie er jahrelang gekämpft hat – gegen Eichmann und alles andere –, damit wenigstens die Ausreißer aus Deutschland fliehen konnten. Immer wieder wurde ihm frech gesagt: „Sie können ja ausreisen, aber Ihre Frau bleibt hier“, weil sie Jüdin war. Das bedeutete für ihn, dass er seine Ehe nicht aufgeben konnte. Er brauchte diese Frau.

Jochen Klepper hat uns ebenfalls herrliche Lieder hinterlassen. Am Ende seines Lebens schrieb er: „Ich kann keinen Widerstand leisten, der Widersacher hat mir alles zerstört.“ Auch die Not, die er immer wieder vor Jesus brachte, wurde ihm nicht genommen. Es gibt große Not.

Niemand sollte über Jochen Klepper richten, wie schwer sein Weg war. Er konnte nur eines nicht tun: seine Frau ausliefern. Und er durfte ja gar nicht mit ins Konzentrationslager. Das ist einfach schwer zu verstehen, wenn man das alles sieht.

Das Lied als Begleiter in tiefster Not

Ich möchte noch an jemand anderen erinnern. Das Lied hätten wir auch singen können: ein Mann, der viele Selbstmordversuche unternommen hat und ganz nah an einer schweren Depression in Koper war. Er hat uns dann das Lied geschenkt: „Es ist ein Born, draus heiles Blut, für arme Sünder gewillt.“

Wer sagt heute, die heutige Jugend brauche das alles nicht? Wer behauptet, sie lebt nur in der Disco und im Überfluss? Ich glaube das nicht mehr. Es wird viele geben, die auf dieses Lied wieder warten und denen sagen: Es gab schon viele, die an ihrem Leben verzweifelten.

Bei unserem fünfzigjährigen Abitreffen war ich mit einem Kameraden zusammen, der katholische Theologie studiert hat, dann ausgestiegen ist und in München einen Pflegeservice für Sterbende aufgebaut hat. Ich fand das sehr interessant.

Er erzählte: „Die Besonderheit bei uns war, dass wir sagten, wir bleiben auch über Nacht. Bei Tag gehen wir gar nicht mehr weg.“ Ich fragte: „Wie habt ihr das gemacht? Das können die Leute doch nicht bezahlen.“ Er antwortete: „Komischerweise waren die Leute so dankbar, dass sie uns so viel Geld gegeben haben, dass wir alles finanzieren konnten.“

Ich wollte mehr wissen: „Erzähl mir, wie war das bei den Sterbenden?“ Er sagte: „Eins will ich dir sagen: Es hat mir immer einen Schauder gegeben, wie ungläubige Leute gestorben sind. Viele haben sich im Sterben verflucht, dass sie überhaupt gelebt haben.“

Wenn wir das heute hören – das sind doch unsere Zeitgenossen –, dann sollten wir die Augen öffnen. Die Leute verzweifeln am Leben. Nicht die Glücksritter, nicht die jungen Leute mit ihren Frauengeschichten oder Urlaubserlebnissen, sondern die, die wirklich merken: Ich habe gar nichts, was mich trägt.

Und dann können wir sagen: Doch, es gibt nur das eine, das Jesus, nichts weiter. Woldersdorff hat schon gesagt: Was sind das für Lieder, wenn nicht Jesus in der Mitte steht? Wenn nicht er, der Gekreuzigte, auf den alles zuläuft, dann haben sie doch gar keinen Wert.

Das war die Erweckungsbewegung in Schlesien, die uns das gebracht hat und die uns daran erinnert.

Abschluss und Gebet

Ich möchte hier einfach abbrechen. Sie können selbst in Ihren Liedern suchen und forschen. Es gibt noch sehr viel, und das ist wunderbar. Wenn wir weitermachen würden, würden die Tage und Wochen nicht ausreichen, um uns gegenseitig zu erzählen, welch einen herrlichen Schatz wir in den Liedern haben.

Nun möchte ich mit einem Gebet schließen.

Lieber Herr Jesus, wir wollen dir danken für all diese Zeugen, die uns dein Wort so lieb gemacht haben. Sie haben uns das auch durch ihr Leben groß gemacht. Wir danken dir auch für alle, die uns Freude am Singen, am Posaunenblasen und am Musizieren geschenkt haben.

Wir möchten, dass heute der ganze Reichtum deines Liedes nicht einfach verloren geht, sondern weiterklingt. Vielen Dank auch für diese Musikfreizeit, diese Singfreizeit, dass man das mit Herzen, Mund und Händen tun kann.

Lieber Herr, nicht nur mit der Stimme wollen wir dich loben, sondern auch mit unserem Leben, mit allem, was wir sind und haben. Wenn ich noch Stunden auf Erden zähle, so will ich Lob singen meinem Gott.

Wir wollen dir singen und danken, wie herrlich du uns Licht, Freude, Erlösung und Leben geschenkt hast. Amen.