Wir feiern diesen Gottesdienst im Namen Gottes, des Vaters, des Sohnes und des Heiligen Geistes.
Armin, ganz herzlich willkommen heute Morgen im Gottesdienst! Schön, dass Sie sich auf den Weg gemacht haben und nun da sind, um mit uns gemeinsam zu feiern. Vielleicht haben Sie sich beim Vorspiel gewundert, ob wir bei einer Eurovisionsübertragung sind. Aber dieses Stück heißt „Te Deum – Dir, Gott, soll’s gelten“.
Für Gott und für Sie sind wir heute auch da in diesem Gottesdienst, und ich freue mich, dass wir gemeinsam feiern können.
Ich möchte mich kurz vorstellen: Mein Name ist Volker Gäckle. Ich bin Studienassistent im Albrecht-Bengel-Haus in Tübingen. Ich bin verheiratet und habe zwei kleine Jungs. Einer von ihnen hat heute Geburtstag, deshalb werde ich nachher ganz schnell wieder weg sein.
Ich freue mich sehr, heute zum ersten Mal mit Ihnen diesen Gottesdienst zu feiern.
Gemeinsamer Beginn und Begrüßung
Gelobt sei deine Treue! Wir singen dieses Morgenlied mit der Nummer 665. Es hat eine ganz einfache Melodie. Hören Sie sich schnell ein, Sie werden es bald lernen.
Gelobt sei deine Treue, Nummer 665, Verse 1 bis 4. Musik.
Lassen Sie uns gemeinsam im Wechsel einen Psalm beten: Psalm 19. Sie finden ihn unter der Nummer 708 im lila Teil Ihres Gesangbuchs. Wir erheben uns dazu.
Psalm 19, Nummer 708. Im Wechsel beten Sie die eingerückten Zeilen, ich die ausgerückten:
Die Himmel erzählen die Ehre Gottes,
ein Tag sagt dem anderen ohne Sprache und ohne Worte.
Ihr Schall geht aus in alle Lande,
er hat der Sonne ein Zelt am Himmel gemacht.
Sie geht heraus wie ein Bräutigam aus seiner Kammer,
sie geht auf an einem Ende des Himmels
und läuft um bis wieder an sein Ende.
Das Gesetz des Herrn ist vollkommen,
das Zeugnis des Herrn ist gewiss.
Die Befehle des Herrn sind richtig,
die Gebote des Herrn sind lauter und erleuchten die Augen.
Lobpreis und Psalmgebet
Armin, wir beten.
Lieber Vater im Himmel, danke, dass du uns kennst und weißt, was uns heute Morgen bewegt. Du siehst die Sorgen und Ängste, die uns nicht loslassen wollen. An diesem Morgen siehst du die Spannungen und auch die Versuchungen, in denen wir stehen. Du weißt, wo wir in der vergangenen Woche versagt haben, wo wir Schuld auf uns geladen haben. All das kennst du.
Deshalb bringen wir nun alles vor dich. Wir sagen es dir und bitten dich, dass du uns von alldem frei machst. Dass du das große Wunder deiner Vergebung geschehen lässt an diesem Morgen in diesem Gottesdienst. Dass du mit deinem Wort zu uns redest und mit deinem Geist ein offenes Ohr und ein offenes Herz für dieses Wort gibst.
Alles andere sagen wir dir nun in der Stille.
Zeig uns dein königliches Walten. Bring Angst und Zweifel selbst zur Ruhe. Du wirst allein ganz recht behalten. Herr, mach du ihn still und rede du.
Armin, bitte nehmen Sie wieder Platz.
Wir hören auf die Schriftlesung aus dem Matthäusevangelium, Kapitel 27, die Verse 33 bis 44. Es ist der Bericht von der Kreuzigung unseres Herrn, der Kreuzigung Jesu.
Als sie an den Ort kamen, der Golgatha heißt, das heißt Schädelstätte, gaben sie ihm Wein zu trinken, vermischt mit Galle. Als er das schmeckte, wollte er nicht trinken.
Als sie ihn aber gekreuzigt hatten, verteilten sie seine Kleider und warfen das Los darum. Sie saßen da und bewachten ihn. Über seinem Haupt setzten sie eine Aufschrift mit der Ursache seines Todes: „Dies ist Jesus, der Judenkönig.“
Zwei Räuber wurden mit ihm gekreuzigt, einer zu seiner Rechten und einer zu seiner Linken.
Die Vorübergehenden lästerten ihn, schüttelten die Köpfe und sagten: „Wer den Himmel abbricht und ihn in drei Tagen wieder aufbaut, hilf dir selbst, wenn du Gottes Sohn bist, und steig vom Kreuz herab!“
Ebenso spotteten auch die Hohenpriester, die Schriftgelehrten und die Ältesten und sagten: „Anderen hat er geholfen, aber sich selbst kann er nicht helfen. Ist er der König von Israel, dann steige er jetzt vom Kreuz herab, und wir wollen an ihn glauben.“
Er hat Gott vertraut; er soll ihn nun retten, wenn er Gefallen an ihm hat. Denn er hat gesagt: „Ich bin Gottes Sohn.“
Ebenso schmähten ihn auch die Räuber, die mit ihm gekreuzigt waren.
Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren.
Schriftlesung: Bericht von der Kreuzigung Jesu
Armin, wir singen vor der Predigt das Wochenlied 240, die Strophen 1, 3, 6 und 8.
Wach auf, der Geist der ersten Zeugnisgeber – oh aha, mhm, mhm, mhm, mhm.
Gottes Wort für diesen Sonntag steht im 1. Korinther 1,18-25. Es ist der Abschnitt über das große Wort vom Kreuz des Paulus. Hier, liebe Gemeinde in Chorin, rufen wir in Erinnerung den ersten Korintherbrief, Kapitel 1, Verse 18 bis 25.
Paulus schreibt: „Das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden, uns aber, die wir selig werden, ist es eine Gotteskraft.“ Denn es steht geschrieben: „Ich will zunichte machen die Weisheit der Weisen und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.“
Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Die Welt, umgeben von der Weisheit Gottes, hat Gott durch ihre Weisheit nicht erkannt. Gott aber will durch die Torheit der Predigt selig machen, die daran glauben.
Denn die Juden fordern Zeichen, und die Griechen fragen nach Weisheit. Wir aber predigen den gekreuzigten Christus, den Juden ein Ärgernis und den Griechen eine Torheit.
Denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn die Torheit Gottes ist weiser als die Menschen sind, und die Schwachheit Gottes ist stärker als die Menschen sind.
Der Heilige und Sünder, Wahrheit – dein Wort ist die Wahrheit.
Einführung in die Predigt: Das Wort vom Kreuz
Armin
Liebe Gemeinde, stellen Sie sich einmal vor, Sie würden eine neue Kirche bauen. Zugegeben, bei der derzeitigen Finanzsituation braucht man viel Phantasie für diesen Gedanken, aber probieren Sie es einmal.
Also, Sie bauen eine neue Kirche. Sie planen und bauen, und dann ist der Rohbau fertig. Jetzt engagieren Sie zur kunstvollen Ausgestaltung des Innenraums einen ganz berühmten Innenarchitekten. Sie geben ihm alle Freiheiten, die Künstler halt brauchen. Er geht an die Arbeit und schließt die Tür. Während seiner Arbeit darf niemand in die Kirche hineinschauen.
Er ist fertig, und dann kommt der Tag der Präsentation. Der Kirchengemeinderat und der Pfarrer dürfen als Erste reinschauen. Es werden feierlich die Türen geöffnet, und alle gehen hinein. Schon nach einigen Sekunden fallen die ersten um, müssen rausgetragen werden, es muss Luft zugefächert werden. Denn da, wo eigentlich das Kreuz stehen müsste, hat dieser Innenarchitekt einen elektrischen Stuhl aufgestellt.
Welch ein Skandal, welch eine Geschmacklosigkeit! Und als sich die meisten wieder berappelt haben, wieder Luft bekommen und wieder halbwegs klar sehen können, erklärt ihnen dieser Innenarchitekt: Dieser elektrische Stuhl, dieses Hinrichtungswerkzeug, das ist eine Geschmacklosigkeit. Das ist genauso geschmacklos wie dieses Kreuz.
Und damit hätte er recht. Das Kreuz war für den antiken Menschen eine ungeheure Geschmacklosigkeit. Damals, zur Zeit des Neuen Testaments, sondern auch noch einige Hundert Jahre später, wäre kein Mensch auf die Idee gekommen, ein Kreuz in einen Tempel oder in eine Synagoge zu stellen. Auch die frühen Christen haben drei Jahrhunderte gebraucht, bis zum ersten Mal ein Kreuz in einer Kirche stand. Das Kreuz war in der Antike das abscheulichste Symbol, das man sich hätte vorstellen können.
Verstehen Sie, wir haben uns heute schon so sehr an dieses Kreuz gewöhnt, dass es uns gar nicht mehr auffällt, welch ein Schauer für die antiken Menschen dieses Hinrichtungswerkzeug darstellte. Für uns ist das Kreuz Symbol für unseren Glauben geworden. Es gibt wunderschöne Kreuze in Kathedralen, sehr große Kreuze auf Berggipfeln und schmuckvolle Kreuze, die man sich an den Hals hängen kann. Wo man hinsieht, ist das Kreuz für uns eigentlich Schmuck und Zier geworden.
Zur Zeit des Neuen Testaments war das ganz anders. Damals verbreitete ein Kreuz Angst und Schrecken. Es war die grausamste Hinrichtungsart, die man sich damals im Römischen Reich vorstellen konnte. Und weil sie so grauenvoll war, durch die man eigentlich nur Sklaven und Schwerverbrecher kreuzigen durfte, wurde sie nur an den allerschlimmsten Vollstreckungen angewandt.
Wir können uns die Qualen eines Gekreuzigten eigentlich gar nicht vorstellen. Viele Menschen denken heute, am Kreuz sei man verblutet, so langsam. Nein, der Blutverlust war das Geringste. An einem Kreuz ist man erstickt – an Erstickungskrämpfen, elend erstickt, ganz langsam. Irgendwann blieb einem elend und qualvoll die Luft weg. Manchmal dauerte das Tage.
An einem Kreuz ist man eigentlich nicht gestorben, an einem Kreuz ist man elendig verreckt.
Entschuldigen Sie, wenn ich Ihren Sonntagmorgen mit so einer Predigt aufrühre, aber wir müssen dieses Kreuz ein wenig rausholen aus unserem Schleier von tausendfünfhundert Jahren christlicher Tradition. Ein einziger Mensch, der beim Kreuz nicht an Berge, Kathedralen oder Schmuck denkt, sondern an die hürden-schreienden, stöhnenden Menschen, die mit dem Tod gingen.
Und jetzt geht Paulus, dieser Apostel, mit einer einzigen Botschaft auf Welttournee, und er sagt: Ein gekreuzigter Zimmermann, ein so elendig gestorbener Mensch, ist das Heil der Welt.
Da ist kein Wunder, dass Paulus bei dieser Botschaft nicht mit Ovationen überschüttet wurde. Es ist kein Wunder, dass er nur Spott und sogar Verfolgung erntete. Wenn er hier schreibt: "Das Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren gehen", dann war das seine tagtägliche Erfahrung. Das hat er täglich zu spüren bekommen.
Torheit ist ja noch ein vornehmer Begriff. Eigentlich müsste man das heute härter übersetzen: Das Kreuz, die Botschaft vom Kreuz, ist Schwachsinn, die Botschaft vom Kreuz ist Blödsinn, müsste man übersetzen. Das war das, was Paulus jeden Tag erfahren hat auf seinen Missionsreisen.
Das Kreuz und das Wort vom Kreuz – das war eine anstößige Botschaft, eine ärgerliche Botschaft, die keinem gefallen hat. Paulus sagt: Genau das, genau das soll sie nach Gottes Willen auch sein. Ein Wort, an dem man sich stößt, ein Wort, über das man stolpert, ein Wort, an dem man sich ärgert.
Und das ist es bis heute geblieben: Dieses Wort vom Kreuz. Auch wenn sich der Grund des Ärgers verschoben hat. Wir ärgern uns heute nicht mehr über ein grauenvolles Symbol. Nein, wir ärgern uns darüber, dass uns das Wort vom Kreuz immer penetrant peinliche Fragen stellt.
Und diese penetrant peinliche und ärgerliche Frage heißt schlicht und ergreifend: Bist du so, wie du bist, in Ordnung? Bist du so, wie du bist, in Ordnung?
Das Kreuz ist so etwas wie ein Prüfstein, ein Prüfstein, ob unser Leben vor Gott in Ordnung ist. Sie kennen vielleicht noch aus dem Chemieunterricht das Lackmuspapier, mit dem man testen konnte, ob etwas echt ist oder nicht. Wenn es sich verfärbt hat, wusste man, dass die Mischung jetzt diese oder jene Eigenschaft hat.
So ist das Kreuz wie ein Lackmuspapier, das die Echtheit unseres Lebens vor Gott prüft.
Und jetzt schreibt Paulus diesen Brief an die Korinther, und das Wort vom Kreuz ist für ihn zu einem Prüfpapier geworden: Seid ihr so, wie ihr seid, wirklich in Ordnung? Fragt er diese Korinther.
Und das war ja für diese Gemeinde ein Problem. Die hatten welche Probleme. Er formuliert jetzt zwei sehr präzise Fragen in diesem Anfangsabschnitt:
Die erste ist: Euer Denken – ist euer Denken so, wie es ist, in Ordnung?
Die zweite: Ist euer Glaube so, wie er ist, in Ordnung?
Das sind die Fragen, die wir Menschen uns nicht gern gefallen lassen. Fragen Sie mal diese Fragen Ihren Nachbarn, und Sie werden merken, wie fröhlich der wird. Solche Fragen lassen wir uns selber nicht gern gefallen.
So von der Kanzel erträgt man sie noch, aber stellen Sie sich vor, ich würde Ihnen nachher beim Ausgang ganz persönlich, direkt diese Fragen stellen. Unverschämt! Darf man mir solche Fragen stellen? Gott hat das Recht dazu, und er stellt uns diese Fragen heute Morgen.
Die erste ist: Euer Denken in Ordnung? Ist euer Denken in Ordnung? Das ist das Erste, was Paulus hier infrage stellt. Hat nicht Gott die Weisheit dieser Welt als Schwachsinn erwiesen? Hat nicht Gott euer Denken als untauglich erwiesen?
Wie kommt Paulus darauf? Er sagt: Die Welt und ihre Menschen – wir alle – wir waren umgeben von der Weisheit Gottes. Und trotzdem haben wir Menschen Gott mithilfe unserer Weisheit nicht erkannt. Eine Weisheit, die nicht bemerkt, dass überall, wo man hinschaut, Gott seine Spuren hinterlassen hat.
Die hat den Namen Weisheit eigentlich nicht verdient.
Es geht hier im Grunde um die ganz schlichte Frage: Wo finde ich Gott? Wo finde ich Gott? Das ist die Grundfrage der Menschheit, die Grundfrage der Philosophie, die Grundfrage aller Religionen. Das ist die Grundfrage, die jeder Mensch in sich trägt, ob er sie weiß oder nicht: Wo finde ich Gott?
Und ich kann diese Frage ganz verschieden stellen. Ich kann diese Frage hochphilosophisch stellen: Wer ist es, der die Welt im Innersten zusammenhält? Ich kann sie als Naturwissenschaftler stellen: Wo finde ich den Anfang und das Ende allen Lebens dieser Welt? Oder ich kenne die Frage ganz existenziell, aus einer Not heraus schreien: Gibt es denn keinen, der mir hilft?
Es ist immer die Variation dieser einen Frage: Wo finde ich Gott?
Im Grunde wurzeln alle unsere kleinen und großen Lebensfragen in dieser einen Frage: Wer ist Gott, und wo finde ich ihn?
Und jetzt sagt Paulus: Gott sitzt eigentlich vor unserer Nasenspitze, und wir merken es nicht. Im Römerbrief schreibt er, dass die ganze Schöpfung eine einzige Predigt von der Herrlichkeit Gottes ist. Gott präsentiert sich sozusagen vor unserer Haustür.
Und wir – und das ist jetzt der entscheidende Punkt – verweigern ihm die Anerkennung. Er sitzt vor unserer Nase, und wir sagen: Nein, du sitzt nicht vor unserer Nase, ich sehe dich nicht.
Und weil wir ihm die Anerkennung verweigert haben, hat Gott uns den Verstand verriegelt. Weil wir Gott die Anerkennung verweigert haben, hat er uns den Verstand verriegelt. Gott hat unseren Verstand an dieser so ganz entscheidenden Stelle lahmgelegt.
Wir können mit unserem Verstand vieles tun. Wir können mit unserem Verstand heute ins Weltall fliegen. Wir können mit unserem Verstand den genetischen Code der menschlichen Erbanlagen knacken und erforschen. Aber im Blick auf diese grundsätzliche Frage nach Gott tappen wir völlig im Dunkeln.
Gott umgibt uns von allen Seiten, und wir können ihn nicht mehr wahrnehmen.
Und jetzt sagt Paulus: Das ist Gottes Gericht. Das ist Gottes Gericht. Wir können es nicht nur nicht, nein, wir dürfen es nicht einmal.
Und weil wir auf der Suche nach Gott nicht weiterkommen und auch gar nicht weiterkommen können, sind wir jetzt dazu verdammt, unsere eigenen Gottesbilder in unserem Hirn zu machen. Da bauen wir uns einen Gott zusammen, den wir gern hätten, den wir verstehen können, den wir mit unserem kleinen Hirn begreifen können.
Über vielen Opernhäusern und Museen ist ja dieser Spruch zu lesen: Dem Wahren, Schönen, Guten. So stellen wir uns Gott vor. So war schön und gut, so sollte Gott sein. Ein Ideal, dem wir nacheifern können, ein Vorbild, zu dem wir aufsehen können.
Wir Menschen suchen Gott immer im Dunstkreis von Glanz und Gloria.
Aber Gott offenbart sich genau da, wo ihn niemand vermutet hat, da, wo wohl niemand mehr an Gott denkt, da, wo nichts mehr vom Wahren, Schönen und Guten zu sehen ist.
Gott geht ans Kreuz. Gott geht ins Kreuz und sagt: Genau da, seht her, so bin ich, da so bin ich.
Das ist Gott. Er stellt unser ganzes Denken auf den Kopf. Hier offenbart er sich am scheußlichsten Ort dieser Welt. Offenbart sich im Anblick der hässlichsten Gestalt, die man sich vorstellen kann. Und er sagt jetzt: Wer sich nicht zu fein ist, das zu glauben, der ist bei ihm richtig.
Gott gefällt es durch eine menschlich gesehen verrückte Botschaft, ein menschlich gesehen absurdes Evangelium die zu retten, die sich nicht zu fein sind, es zu glauben.
Im Anblick des Kreuzes steht auf einmal unter uns eine ganz neue Chancengleichheit.
Denn bei Gott da haben nicht die Nase vorn, die mit Eins Komma Eins ihr Examen bestehen, nicht die, die täglich sich mit akademischer Gedankenakrobatik fit halten.
Da hat nicht die geistige Elite die Nase vorn.
Nein, bei Gott haben die Nase vorn, die sich dieses Kreuz gefallen lassen.
Die sich gefallen lassen, dass der gekreuzigte Christus den Müll ihres Lebens wegräumt.
Die es sich gefallen lassen, dass diese geschundene, elende Gestalt in das Haus ihres Lebens kommt und aufräumt mit dem Hass und mit der Lüge, mit dem Neid und mit der Unreinheit.
Die sich gefallen lassen, dass dieser arme, sterbende Mensch sie in seine Arme schließt, für sie leidet und stirbt.
Dazu brauche ich keinen hellen Kopf, sondern einen gebeugten Kopf.
Dazu brauche ich keine intellektuelle Flexibilität, sondern eine ganz kindliche Einfalt.
Dazu brauche ich keine mathematischen Formeln, sondern nur den einen Satz: Gott, sei mir Sünder gnädig.
Gott stellt unser Denken auf den Kopf, damit es wieder in Ordnung kommt.
Im Grunde muss man es anders sagen: Er stellt unser Denken wieder vom Kopf auf die Füße.
So bin ich, sagt Gott.
Und nun stellt Paulus noch eine zweite Frage. Er stellt die Frage: Ist auch euer Glaube in Ordnung? Ist auch euer Glaube in Ordnung?
In Korinth ist auch euer Glaube in Ordnung?
Warum fragt Paulus das ausgerechnet diese Korinther? Nun, in Korinth war man schon längst viel weiter. Da hatte man schon längst den gekreuzigten Christus hinter sich gelassen.
In Korinth schwärmte man von einem ganz anderen Christus, von einem erhöhten, einem verherrlichten Christus, einem, der was hermacht.
Man schwärmte von einem Christus, bei dem Kreuz und Elend der Vergangenheit angehören, schon längst aufgehört haben.
Wie kam es dazu? Wie kam es denn dazu?
Nun, in Korinth hat man etwas sehr Modernes gemacht, etwas sehr Kluges gemacht. In Korinth haben sie nicht ihr Denken Jesus angepasst, sondern in Korinth haben sie Jesus ihrem Denken angepasst.
Sie haben diese so moderne Frage gestellt: Wie können wir das Evangelium heute noch verständlich machen?
Mit dieser Frage fangen alle Lehren an, und genau so haben auch die Korinther gefragt, gerade mal zwanzig Jahre nach Ostern.
Und sie haben den Jesus ihren Wünschen angepasst, so wie sie ihn verstehen können und wollen.
Der Christus, an den die Korinther glaubten, offenbart sich nur noch in ganz großartigen Gnadengaben, in ekstatischen Geistwirkungen, in beeindruckender Rhetorik, in dynamischen Führerfiguren.
Der Christus, an den die Korinther glaubten, wirkte nicht mehr in einer verborgenen Kraft, sondern mit einer sichtbaren, einer spürbaren Kraft.
Der Christus, an den die Korinther glaubten, trug nicht mehr die Nägelmal des Kreuzes an Händen und Füßen, sondern war eine strahlende, eine attraktive Gestalt, eine Gestalt, die was hermachte, die sich sehen lassen konnte.
Und jetzt schreibt Paulus dieser Gemeinde: "Denkt dran, wir aber verkündigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Skandal und den Griechen ein Schwachsinn."
Es wäre missionarisch viel, viel leichter gewesen, mit dem Christus der Korinther Evangelisation zu machen.
Pro-Christ wäre das überhaupt kein Problem gewesen, wenn wir mit dem Christus der Korinther evangelisieren könnten, wenn wir das Kreuz vergessen könnten, dieses Ärgernis.
Und bis heute stehen wir alle, wir alle, immer wieder in der Versuchung, diesen unseren Menschen verständlich zu machen, in plausibel zu machen, ihn so zu predigen, dass alle nachher sagen: "Ach ja, das ist schön, das gefällt mir."
Tief in uns drin wohnt die Angst, dass die Sache mit dem Kreuz niemanden mehr interessiert heute.
Und deshalb versuchen wir, Jesus immer attraktiver zu machen.
Also ist er für die einen der gute und edle Mensch aus Nazareth, der Friedensstifter aus Galiläa.
Für die anderen ist er ein Revolutionär gegen Unrecht und Ungerechtigkeit, der Fürsprecher für Arme, Kranke und Frauen.
Alle machen aus ihm den einen strahlenden Menschen, den man den Zeitgenossen anbieten kann, mit dem man mithalten kann.
Es ist interessant, einmal die Jesusbücher der letzten zweihundert Jahre durchzusehen.
Ich habe das im letzten Semester mit meinen Studenten gemacht, mal geguckt.
Wir haben Menschen in den vergangenen zweihundert Jahren Jesus gesehen und ihn beschrieben.
Und diese Jesusbücher erzählen die Geschichte, wie kluge Menschen, wie sehr kluge Menschen versucht haben, aus Jesus etwas zu machen, das ankommt.
Wie kriege ich einen modisch ansprechenden Jesus für meine Zeitgenossen, einen, den man verkaufen kann, einen, für den man keinen Spott und keine Prügel mehr bezieht?
Wenn ich in die Gegenwart sehe, dann dreht sich die ganze Debatte um die Frage nach dem Kreuz und gar nichts anderes.
Wie kann man diesen brutalen Tod am Kreuz unseren Zeitgenossen heute noch verkaufen? Wie kann man das hinbiegen, damit die Sache wieder schmackhaft wird?
Es ist immer der gleiche Ansatz: Als moderne Menschen können wir den Kreuzestod Jesu doch heute nicht mehr verstehen.
Als ob die antiken Menschen, der mittelalterliche Mensch, das besser verstanden hätten.
Es bleibt für uns alle immer, zu allen Zeiten, ein Ärgernis, ein Anstoß.
Für Paulus war das Kreuz nicht nur irgendein Symbol, das man notfalls auch auswechseln kann.
Nicht nur irgendein Bild, das man aus missionarischen Gründen auch etwas aufpeppen könnte.
Nein, für Paulus ist da Kreuz Jesus. Nie ohne das Kreuz.
Ich kriege Jesus nie ohne das Kreuz.
An diesem Kreuz, da geht es um mich.
Der reicht mir, Gott, die Maske runter, meine Maske.
Da hält er mir den Spiegel vor: So schuldig bist du, dass ich dich gar nicht anders retten kann, als dadurch, dass sich das Liebste, was ich habe, meinen Sohn für dich hergebe.
Wenn der gekreuzigte Jesus eine scheußliche Gestalt ist, dann deshalb, weil meine Schuld eine scheußliche Sache ist.
Wenn der Gekreuzigte eine Geschmacklosigkeit ist, dann deshalb, weil meine Sünde vor Gott etwas Geschmackloses ist.
Wer das Kreuz nicht will, der will auch den Gekreuzigten nicht.
Wer aber den Gekreuzigten nicht will, der will im Grunde auch die Liebe Gottes nicht.
Denn das eine gibt es nie ohne das andere.
Am Kreuz hängt alles, am Kreuz entscheidet sich alles: Weisheit, Seligkeit und Ewigkeit.
An diesen beiden Balken hat Gott für uns die Tür aufgemacht.
Und nur unter diesen beiden Balken finde ich mein Heil.
Deshalb gilt auch hier: Knapp daneben ist immer ganz vorbei.
Nirgendwo wird das Wahre offenbar in diesem Kreuz.
Ein Jesus ohne Kreuz rettet nicht.
Es ist wie in der Schule: Wenn ich nur fünf im Zeugnis habe, dann habe ich nicht alles falsch gemacht.
Dann kann ich sogar sehr viel gelernt und sehr viel begriffen haben.
Aber es reicht nicht zur Versetzung.
Und mit Jesus ist das genauso.
Ich kann Jesus toll finden.
Ich kann sagen: Also die Sprüche und das Leben sind toll, beeindrucken mich.
Sein Verhalten gegenüber Kranken, Armen, Verachteten ist vorbildlich.
Aber wenn ich mir vom Gekreuzigten nicht meine Schuld abnehmen lasse, dann liege ich knapp daneben, aber in puncto Seligkeit ganz daneben.
Deshalb hängt hier alles am rechten Glauben.
Wenn der in Ordnung ist, dann ist alles in Ordnung.
Und wenn der danebenliegt, dann ist alles daneben.
Ist euer Denken in Ordnung? Ist euer Glaube in Ordnung?
Peinliche Fragen, peinlich, die Paulus hier stellt und die uns die Bibel bis heute stellt.
Und ich bitte Sie: Ärgern Sie sich nicht über diese Fragen, sondern lassen Sie sich diese Fragen gefallen, immer wieder.
Es ist der Gekreuzigte selber, der uns diese Fragen stellt nach unserem Denken und unserem Glauben.
Und er tut das, weil er das zurechtbringen möchte, weil er uns wieder richtig ausrichten möchte, unser Leben richtig orientieren möchte, damit wir nicht knapp am Ziel vorbeischießen.
Er will nicht, dass wir verloren gehen, sondern dass wir leben mit ihm in seiner Ewigkeit.
Die Herausforderung des Kreuzes für Denken und Glauben
Armen, lassen Sie uns gemeinsam singen vom Lied einundneunzig, die Strophen eins, vier und fünf.
Herr, stärke mich, einleiten zu bedenken, ein Passionslied, einundneunzig, eins, vier und fünf.
Wir wollen beten und uns dazu erheben: Jesus Christus, wir stehen staunend vor deinem Kreuz. Wir stehen staunend vor diesem Wunder und können es mit unserem Denken nicht fassen und begreifen. Aber wir wollen dir einfach von Herzen dafür danken, dass du das getan hast.
Wir bitten dich heute Morgen für deine Kirche: Erhalte sie bei diesem Wort vom Kreuz, erhalte sie bei deiner Wahrheit und bei deiner Weisheit. Damit sie im Gewitter vieler Stimmen nicht die Richtung verliert und immer wieder deine Stimme hört.
Wir bitten dich nur noch ganz besonders für die Lehrer deiner Kirche: Schenke ihnen auch den Mut zum Gehorsam in der Lehre. Schenke ihnen den Mut zum Widerspruch, wo dieses Wort vom Kreuz nicht mehr erschallt.
Und wir bitten dich für uns: Vergebung, wenn wir in unserem Leben nach einem Erlöser ausschauen, der anders ist als du. Wenn wir immer nach oben schauen und es nicht wagen, nach unten auf dein Kreuz zu schauen. Wir bitten dich, vergib uns, wo wir etwas anderes suchen als dich und alles, was wir sonst noch zu bieten haben.
Das schließen wir nun ein in deinem Gebet:
Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Gebet und Vaterunser
Nun gehören unsere Herzen ganz dem Mann von Golgatha. Wir singen die dreiundneunzig, alle vier Strophen. Aha, mhm.
Ich freue mich, dass heute eine der Winzlinge gekommen ist. Sie wird demnächst nach Asien ausreisen, irgendwohin. Sie wird uns kurz einige Worte zum Abschied sagen.
Ja, ich freue mich auch, dass ich noch einmal hier sein kann. Für alle, die ich kenne, habe ich einige bekannte Gesichter schon gesehen. Aber vielleicht sind noch einige da, die mich nicht kennen.
Es ist mittlerweile schon vier Jahre her, dass ich Stuttgart verlassen habe. Zuvor habe ich drei Jahre hier im Kindergarten gearbeitet, war dann auf der Bibelschule und habe mich auf den weltweiten Einsatz für Christus vorbereitet, um eben, wie gesagt, nach Asien zu gehen.
Ich habe mich sehr über die Predigt gefreut, über diese Botschaft vom Kreuz. Auch dort, wo ich hingehen werde, ist die Botschaft vom Kreuz und Ärgernis. Ich bin dankbar, dass ich dorthin gehen kann und trotz allem auch wirklich das weiter sagen kann, dass es Jesus ist.
Wenn alles gut geht, werde ich im August ausreisen und zunächst für ein Jahr an einer Schule arbeiten, für die Mitarbeiter dort in diesem Land. Es ist keine einfache Situation. Es gibt dort viel Not, viel Elend und auch viel Gewalt.
Ich bin froh, dass Gott einfach mitgeht, vorausgeht und auch den Weg schon bereitet hat.
Wenn jemand gern meinen Rundbrief haben möchte: Ich habe eine Liste mitgebracht, in die man sich gern eintragen kann. Ich bin dankbar für die Gemeinde hier, für alle Gebete, für alles Begleiten und Anteilnehmen.
Vielen Dank, vielen Dank Ihnen. Gottes Segen für diese Ausreise und für den Dienst dort in diesem asiatischen Land.
Ich nehme an, man kann den genauen Ort nicht sagen, weil das ein bisschen heikel ist. Das lassen wir auch so.
Abschiedsworte und Segen für den Missionsdienst
Ihr Opfer darf ich ja für die Arbeit des Albrecht-Bengel-Hauses entgegennehmen. Auch diese Arbeit hat viel mit dem Wort vom Kreuz zu tun. Dort versuchen wir, junge Theologen in Tübingen auf dieser Linie, dem Wort vom Kreuz, zu halten und ihnen Mut zu machen, dieses Wort trotz allem Ärgernis und Anstoß mutig zu sagen.
Das ist besonders wichtig in einer Zeit, in der dieses Wort oft angefochten wird. Wir betreuen dort etwa einhundertdreißig Theologiestudenten. Für diese Arbeit sind wir ganz auf Ihre Opfer und Gaben angewiesen.
Ich darf mich im Namen des Bengel-Hauses schon jetzt ganz herzlich für Ihre Opfer bedanken. Alles Weitere finden Sie auf dem grünen Notizenzettel, auf den ich Sie herzlich hinweisen möchte.
Nun gehen Sie in diesen Sonntag als Gesegnete des Gekreuzigten. Der Herr segne euch und behüte euch. Der Herr lasse sein Angesicht leuchten über euch und sei euch gnädig. Der Herr erhebe sein Angesicht auf euch und gebe euch seinen Frieden.