Einführung in die ethische Lebensberatung
Okay, habt ihr noch Kraft? Sieht doch alles ziemlich gesund aus, oder? Im ersten Blatt, das ihr habt, ist einfach der Plan vom Ganzen. Den können wir in der kurzen Zeit leider nicht komplett durchsehen.
Auf diesem ersten Blatt seht ihr den fünften Teil mit einer klaren Unterteilung der Ethik. Dort sind immer wieder interessante Bibelstellen und Überlegungen für jeden dieser Lebensstände, wenn wir gläubig sind und mit Jesus leben.
Die Unterteilung umfasst den ledigen Stand, die Auswahl der Partner, die Zeit der Verlobung, die Ehe, Kinder, Familie, Krankheit und Gesundheit, den Witwer- und Witwenstand sowie Tod.
Ich weiß jetzt nicht genau, wo ich anfangen soll. Das ist das Lustige. Es sind noch fünfundfünfzig Blätter.
Vielleicht kann ich sagen: Falls jemand das Ganze auf seinem Laptop aufnehmen möchte, habe ich die Unterlagen auf meinem USB-Stick. Wer will, kann die Dateien auf den Laptop laden und an andere weitergeben.
Für all diese Situationen, die dort aufgezeichnet sind, gibt es immer Bibelstellen zum Nachdenken. Diese beziehen sich auf verschiedene Lebensphasen und helfen, die Überlegungen weiterzuführen.
Denn meistens, besonders in meinen Ethik-Unterrichten, arbeiten wir in Kleingruppen an ganz spezifischen Situationen. So lernt man, wie man damit umgeht.
Vorgehensweise bei ethischen Problemen in der Gemeinde
Was ich vielleicht in diesem letzten Teil weitergeben möchte, falls ich es finde – ich sage euch gleich, ob ich es gefunden habe – ist, dass irgendwo darin beschrieben sein muss, wie man mit bestimmten Situationen umgeht.
Ich möchte euch in diesem Fall eine Reihenfolge weitergeben, die hilfreich sein kann, wenn ihr euch in einer Situation befindet, zum Beispiel in der Gemeinde, in der man überlegen muss, wie man mit einem ethischen Problem umgeht. Vielleicht könnt ihr euch diese Reihenfolge notieren, um sie bei der Überlegung zu nutzen.
Wir wissen ja, was unser Ziel ist: Wir wollen den Menschen helfen, die in schwierigen Situationen sind, den Willen Gottes zu erkennen, die Macht der Vergebung zu entdecken und sie darin zu unterweisen, ihr Leben wieder aufzubauen. Das heißt, wir wollen ihnen helfen, ohne dass sie von uns abhängig werden.
Also wollen wir diesen Menschen helfen, in ihrer Situation den Willen Gottes zu erkennen. Dabei unterstützen wir sie, indem wir ihnen Bibelstellen geben, die sie durchlesen sollen. Ich arbeite immer mit den Leuten mit Aufgaben. Ich gebe ihnen die Aufgabe, Bibelstellen durchzuarbeiten und zu überlegen, wie sie diese Bibelstellen auf ihre Situation anwenden können.
Es ist sehr interessant zu beobachten, wie Menschen mit einem Text umgehen und versuchen, etwas daraus zu verstehen.
Schritt 1: Die Bedeutung einer gründlichen Diagnose
Was ist das Erste, was wir in verschiedenen Situationen tun müssen? Zunächst sollten wir versuchen, eine gute Diagnose zu stellen. Das bedeutet, niemals zu schnell eine Lösung zu suchen, bevor man sicher ist, die gesamte Situation verstanden zu haben. Das erscheint mir sehr wichtig. Oft wählt man einen zu kurzen Weg.
Wie oft habe ich das in Gemeinden erlebt: Man lädt mich zu schwierigen Seelsorgefällen ein. Auch in den folgenden Tagen habe ich solche Termine. Oft besteht die Schwierigkeit darin, dass man beispielsweise bei Ehen, in denen nur einer der Partner gläubig ist, die Situation nur aus der Sicht der gläubigen Person kennt. Man hat vielleicht nie mit dem nicht gläubigen Partner gesprochen, ist nicht mit ihm spazieren gegangen, um zu hören, wie er das Leben sieht, was er von der Ehe hält und wie er die ganze Lage einschätzt.
Denn auch ein Ungläubiger kann etwas wahrnehmen und sollte die Situation aus seiner Perspektive erklären können, basierend auf dem, was er erlebt. Also ist zuerst eine gute Diagnose wichtig. Wir dürfen uns auch nicht von den Überzeugungen der Person beeinflussen lassen, die mit uns spricht.
Ihr wisst aus eurem persönlichen Leben ganz genau, dass man eine Situation anders sieht, wenn man mittendrin steckt, als wenn man sie Jahre später erzählt. Wenn man in einer schwierigen Lage ist, ist man fast nie objektiv. Man steht unter Druck und nimmt nur bestimmte Seiten wahr.
Deshalb muss man die Aussagen der Menschen ernst nehmen, aber zugleich wissen, dass es vielleicht nicht ganz objektiv ist, was sie sagen. Darum dürfen wir uns nicht zu schnell beeinflussen lassen, um eine Antwort zu geben, sondern müssen gut zuhören.
Von all meinen Gesprächen – das muss man nicht so machen, aber ich tue es – mache ich immer Notizen. Diese Notizen lege ich in einen Ordner, der vernichtet wird, wenn ich gehe. Das weiß auch Ursula. Niemand sieht in diesen Ordner hinein. Ich notiere nicht während des Gesprächs, sondern erst danach. So kann ich festhalten, was ich verstanden habe, und welche Fragen ich in der Situation habe.
In einem ersten oder zweiten Gespräch stelle ich den Leuten oft keine Fragen, sondern höre einfach zu und lasse sie reden, bis sie alles gesagt haben. Viele ethische Situationen sind so komplex, dass die Menschen, wenn sie ihre Lage schildern, oft selbst nicht mehr die richtige Reihenfolge finden. Sie wissen nicht mehr genau, ob etwas vorher oder nachher war oder ob es dazwischen passiert ist. Sie erinnern sich nicht genau, wer was gesagt hat oder wie der andere reagiert hat.
Aber die Menschen müssen alles aussprechen können, auch wenn sie unsicher sind und nicht wissen, ob sie objektiv sind oder nicht.
Schritt 2: Gebet und Reflexion über die Situation
Notizen machen – warum?
Ich brauche Notizen, um festzuhalten, was ich verstanden habe, und um meine Fragen zu notieren. So kann ich immer wieder über meine Notizen beten, besonders bevor ich das zweite Gespräch führe.
Das Interessante, was ich ziemlich oft erlebe – und das kannst du auch erleben –, ist folgendes: Wenn du Fragen hast, zum Beispiel bei einer komplexen ethischen Situation, in der dir jemand von seiner Lage erzählt, hast du oft Fragen zu dem, was du gehört hast. Diese Fragen kannst du aber nicht direkt stellen, weil du die Person damit vielleicht verletzt. Wenn du sie jetzt direkt verletzt, öffnet sie vielleicht nicht mehr ihr Herz. Das ist eine normale Reaktion, ein Schutzmechanismus, wie bei jedem Menschen.
In solchen Fällen bete ich für die Fragen, die ich habe. Ich sage zum Herrn: „Für das und das habe ich Fragen. Das ist für mich nicht klar. Ich brauche mehr Informationen, um diesem Menschen helfen zu können. Bitte gib mir diese Informationen.“
Dann merke ich oft, wie es richtig gut ist, dass im zweiten oder dritten Gespräch die Person ganz von selbst die Antworten gibt – ohne dass ich die Fragen stelle. Sie erzählt mir genau das, was meine Fragen waren.
So entsteht eine Zusammenarbeit mit Gott. Diese Zusammenarbeit führst du, weil du anderen Menschen helfen willst. Deine Zielsetzung ist nicht, Recht zu haben oder etwas Großes zu leisten. Sondern: „Herr, das ist ein Mensch, der in seiner komplexen Situation leidet.“
Wenn ich nicht genügend Informationen habe, habe ich Angst, einen falschen Ratschlag zu geben. Das ist das Erste: Geduld haben mit der Diagnose.
Schritt 3: Biblische Orientierung suchen
Das Zweite, was Sie schon gesagt haben, ist: Nehmen Sie sich Zeit zum Beten. Beten Sie auch mit Ihren Notizen. Überdenken Sie Ihre Notizen und schauen Sie dabei sofort, welche Hilfe darin steckt. Welche biblischen Prinzipien finden Sie? Welche Bibeltexte können Licht auf die Situation werfen und eine Antwort geben?
Der dritte Schritt ist die Suche nach biblischen Gedanken, die das notwendige Licht für die Lösung der Situation bieten. Ich nenne es den biblischen Gedanken, weil es oft keinen direkten Bibelvers gibt, der genau auf die Situation passt. Das habe ich bereits erwähnt. Häufig finden wir keinen Vers, der unmittelbar eine Lösung liefert.
Auf jeden Fall suche ich dann nach dem, was die Bibel bezüglich der Tatsachen sagt. Ebenso frage ich, was die Bibel zur Haltung der betroffenen Personen sagt. Was können wir über die Haltung der Person sagen?
Schritt 4: Austausch im vertraulichen Rahmen
Viertens, wenn keine vollständige Sicherheit besteht oder die Sicherheit fehlt, um eine genaue Antwort zu geben, weil man nicht alles verstanden hat, dann müssen wir auch die Möglichkeit haben, uns unter Brüdern oder Schwestern – wenn es Schwestern sind – vertraulich auszutauschen. Dieser Austausch sollte im Rahmen des Seelsorgegeheimnisses stattfinden, also in aller Vertraulichkeit mit jemandem, der Erfahrung hat. Man kann sagen: „Du, wir haben das und das, ich habe das und das verstanden, was meinst du? Wie kann man da helfen?“
Es ist wichtig, nicht zu denken, man müsse allein eine Lösung finden. Dabei ist es ganz entscheidend, dass das seelsorgliche Geheimnis gewahrt bleibt. Das dürfen wir nie vergessen. Wenn wir Dinge weitergeben, die uns persönlich im Vertrauen gesagt wurden, ist alles kaputt. Dann verlieren wir unsere Glaubwürdigkeit. Das muss man lernen.
Das gilt auch im persönlichen Bereich: Wenn du verheiratet bist, musst du das ganz klar mit deiner Frau absprechen. Das heißt, sie muss wissen, dass es Besuche gibt. Zum Beispiel, wenn ich nach Hause komme von seelsorgerlichen Gesprächen, fragt Ursula nur: „Wie war es?“ Nie mehr. Sie weiß genau, wenn ich nicht präzise antworte, wenn ich sage „gut“ oder „nicht so gut“, dann stellt sie keine weiteren Fragen. Wir haben das gegenseitig so ausgemacht. Auch wenn sie von der Seelsorge zurückkommt, stellen wir keine weiteren Fragen, weil wir dem anderen keinen Druck machen wollen, zu viel zu sagen. Sonst wird es schwer, das zu bewahren, und es könnte dann doch herauskommen.
Bei uns ist das so: Ursula kümmert sich um die Frauen, ich um die Männer. Das ist eigentlich ganz einfach und nicht kompliziert. Manchmal gab es aber Schwierigkeiten mit Mitarbeitern, weil einige meinten, ich sei zu gesetzlich. Das ist möglich. Manche sagten, das sei nur ein Ratschlag von alten Männern, der wenig taugt.
Leider hatte ich zwei Brüder im Dienst, die durch Seelsorge in Ehebruch geraten sind. Dabei meine ich nicht leibliche Brüder, sondern Brüder im Dienst, die im Dienst standen und ihn deshalb verlassen haben. Es waren nicht die Frauen schuld, sondern sie selbst. Sie haben wichtige Prinzipien missachtet, als wären sie stärker als andere.
Viertens, wenn Sicherheit fehlt, ist der Ratschlag von anderen sehr wertvoll. Oft kann der andere im Gespräch sagen: „Hast du an das und das gedacht?“ oder „Weißt du das und das?“ Vielleicht ist diese Frage wichtig, um die Situation besser zu verstehen oder klarer zu sehen. Das gibt dir die Möglichkeit, weiterzudenken.
Schritt 5: Entwicklung und Vermittlung der Lösung
Und dann fünftens: Wenn sich eine Lösung herauskristallisiert, ist das sehr wichtig. Es ist entscheidend, dass die Lösung klar wird. Sobald das der Fall ist, muss darüber nachgedacht werden, wie diese Antwort für die Person, die in dieser Situation ist, verständlich gemacht werden kann.
Man kann eine gute Antwort haben, aber es gibt Antworten und Lösungen für Situationen, bei denen die Lösung und die Antwort in verschiedenen Stufen weitergegeben werden müssen. So kann der Mensch das auch wirklich leben.
Man merkt das zum Beispiel in einer Situation mit einer Ehe, in der Schwierigkeiten bestehen. Man könnte vielleicht den guten Rat geben: „Jetzt machst du dies und das, und dann klappt es wieder.“ Doch man merkt genau, im Moment sind die Gefühle zueinander auch gestorben. Da kannst du lange überlegen und mit Wissen alles wieder zusammensetzen. Aber zuerst musst du überlegen: Wie kann er oder sie jetzt wieder positive Gefühle für den anderen aufbauen?
Da merkt man, dass verschiedene Etappen und Stufen dazwischen aufgebaut werden müssen, damit wieder Liebe oder ganzes Vertrauen entstehen kann. Denn die Lösung könnte sein: „Man muss vertrauen.“ Aber wie baut man dieses Vertrauen danach auf? Dafür braucht es vielleicht verschiedene Stufen und auch Zeit.
Also, wenn du auch weißt, welche die Lösung ist – die biblische Lösung – kannst du diese für dich aufschreiben. Dann aber wieder beten und überlegen: „Herr, zeig mir, in welcher Geschwindigkeit, so wie die Zeit vergeht, diese biblische Lösung angewendet werden kann, ohne dass die Menschen von dem Schritt, der getan werden muss, zerdrückt werden.“
Wir hatten oft Seelsorgesituationen mit ethischen Problemen, bei denen wir die Leute zuerst eine Woche lang eingeladen haben, mit uns zu leben. Denn wir wissen, dass Leiden nicht herauskommen, wenn die Menschen nicht zuerst mit uns Spaß haben und mit uns leben. Wenn der Mann nicht mehrmals mit Fußball spielt oder eine Runde mit dem Fahrrad fährt, bevor er wirklich weiterkommen kann mit dem, was er aussprechen will, dann wird es schwierig.
Schritt 6: Kontrolle und praktische Umsetzung
Die Anwendung der Schritte erfolgt folgendermaßen: Nachdem die Schritte zur Lösung eines Problems angewandt wurden, sollte im Gespräch mit der betroffenen Person kontrolliert werden, ob sie diese Schritte gut verstanden hat. So weiß man, wie es weitergeht, und kann der Person auch helfen, selbst zu formulieren, wie sie vorgehen möchte.
Es ist immer hilfreich, wenn die Person, die das Problem hat, selbst aussprechen kann, wie sie die Lösung in der Praxis umsetzen will. Nur so kann man sicher sein, dass sie es wirklich verstanden hat.
Das Letzte, was ich meistens mache, wenn die Probleme gelöst sind, ist die sogenannte Unwetterfreude. Nach Monaten oder sogar Jahren, wenn die Probleme überwunden sind, laden wir die Betroffenen zu einem Festessen ein. Das ist ein französischer Begriff. Dabei muss niemand unbedingt mit Essen verbunden sein, aber ein guter Wein gehört natürlich dazu.
Am Ende ist es für mich auch wichtig, die Menschen zu fragen: „Okay, jetzt ist alles durch, was habt ihr daraus gelernt?“ Dabei merkt man, wie die Leute zurückblicken auf die Not, die sie erlebt haben. Man erkennt, wo sie ihre Prioritäten setzen, wenn sie davon erzählen. So wird deutlich, was für sie eine Hilfe war und wie sie sich auf den Herrn gestützt haben, um Lösungen zu finden.
Anschließend kann man noch eine schöne Gebetszeit mit ihnen verbringen, um den Herrn zu loben und zu preisen für die Hilfe, die sie erfahren haben. Weil sie selbst aussprechen, wie sie herausgekommen sind, haben sie viel gelernt. Das hilft ihnen auch, wenn wieder ein Problem auftaucht, denn sie erinnern sich daran, wie sie zuvor Lösungen gefunden haben.
Es ist manchmal auch interessant, wenn sie am Ende sagen: „Das, was du mir am Anfang gesagt hast, hat mir gar nichts geholfen.“ Das ist gut, denn so hört man auch mal eine ehrliche Rückmeldung. Dann sieht man, wie es weiterging. Manche haben meinen Rat am Anfang überhaupt nicht angenommen. Aber gerade durch das Nachdenken darüber fanden sie einen besseren Weg. Sie hatten mehr Mut, weil es ihre eigene Lösung war.
Was man selbst entdeckt, macht man immer lieber als das, was einem jemand anderes zeigt. Dadurch gehen sie noch mehr in Richtung Lösung.
Ihr könnt das dann auch schriftlich haben. Das findet ihr auf Seite 48, wenn jemand den ganzen Kurs lädt und ein Blatt haben möchte, auf dem das Ziel steht: Was wollen wir erreichen, wenn Situationen schwieriger sind? Dort sind auch die verschiedenen Etappen beschrieben, um herauszukommen.
Vielleicht sage ich das gleich, damit ich es nicht vergesse: Der Schlüssel ist einfach. Es ist viel Text, aber es ist Ethik D, also Deutsch D, wahrscheinlich steht eins und zwei auf dem Dokument.
Wenn jemand viel Freude am Deutsch hat – das bin ich nicht unbedingt – aber wenn jemand viel Zeit zu Hause hat, dann gibt es zwei große Möglichkeiten: Er kann meinen Kurs nehmen und das ganze Deutsch durcharbeiten und korrigieren. Wir senden das dann per E-Mail.
Herzlichen Dank! Ich würde mich sehr freuen. Also nicht alle zusammen, sondern einfach herzlichen Dank.
Umgang mit schwierigen biografischen Hintergründen
Okay, habt ihr noch Fragen, vielleicht zu dem, was ich am Ende gesagt habe, zu den verschiedenen Schritten? Vielleicht habt ihr etwas dazu zu überlegen? Ja, okay.
So eine Antwort, wenn ständig Zwänge vorgeschoben werden müssen, die aus ganz gravierenden Ereignissen in der Jugend oder Kindheit stammen. Wir haben zum Beispiel ein Buch darüber, warum jemand zum Messi wird, der seine Wohnung nicht mehr verlassen kann, aber auch der Säugling, der keine Hilfe annimmt.
Man hat immer Situationen, in denen Menschen sich auf die Vergangenheit stützen, um eine Entschuldigung zu haben. Zum Glück gibt es nicht viele solcher Fälle, aber sie kommen immer wieder vor. Menschen haben in der Kindheit verschiedene schwierige Erlebnisse gehabt, oder anders gesagt: Ich glaube, von all dem kann man mit Hilfe des Herrn innerlich gelöst werden und auch denen vergeben, die uns Böses getan haben.
Wir sind natürlich sehr geprägt in unseren Ländern von der Psychologie. Das dürfen wir nicht vergessen, und die hilft uns nicht immer. Wenn zum Beispiel ein Menschenfresser zum Glauben kommt, sagt man ihm meistens nicht: „Jetzt isst du nur noch die Hände und die Füße, nicht mehr den ganzen Menschen.“ Progressiv wirst du dann frei werden, progressiv. Ich glaube, da sind wir uns einig, dass er am besten sofort und radikal aufhört.
Es gibt vieles im Leben, wo wir durch psychologische Annahmen oft dem Menschen die Möglichkeit geben, etwas in seinem Wesen viel länger zu behalten und darunter zu leiden, als es eigentlich der Realität entspricht.
Wir wissen ja, dass wenn wir vergeben, wir nicht unbedingt vergessen können. Aber vergessen ist nicht etwas Passives. Vergessen ist aktiv. Das heißt, wenn etwas wieder in Erinnerung kommt, muss man sich dagegen positionieren.
Ich meine, das ist oft das Problem, dass in der Psychologie, zumindest in der humanistischen Psychologie, die an unseren Schulen gelehrt wird, die Verletzungen, die wir in der Kindheit erlitten haben, nie total geheilt werden. Sie sind immer wieder da, auch wenn sie abflauen. Sie bleiben Quellen unserer falschen Haltungen von heute.
Aber wenn du auf das Biblische zurückgehst, musst du sagen: Nein! Du hast Verschiedenes erlebt, aber das ist nicht das Ende.
Wenn ein Psychologe das Leben von Jesus mit den französischen Psychologieschulen durchgeht, ist Jesus ein ganz abnormaler Typ, ganz abnormal. Denn er hatte nicht einen Vater – also hat er schon ein Vaterproblem. Danach ist er in einer schwierigen Situation geboren, in einem Stall. Das ist soziologisch kein großes Problem.
Später wurde er von den Magiern, die kamen, als ganz Groß angesehen, und es wurde eine ganze Geschichte um ihn gemacht. So geht es weiter. Er war nicht ganz normal, denn als Zwölfjähriger haben die Pharisäer sich von seinem Wissen überrumpeln lassen. Da war also schon etwas bei ihm, das nicht passte.
Dann blieb er ledig, was nicht normal war. Sexuell war er kein normaler Mensch, und so weiter. Wenn du dir dieses Bild anschaust, merkst du, dass es psychologische Standpunkte gibt, die unsere Gedanken ganz verschieben.
Klar, wenn jemand vergewaltigt wird oder solche Not erlebt hat – ich habe verschiedene Seelsorgefälle, in denen Kinder mehrfach vergewaltigt wurden oder für Pornografiefilme missbraucht wurden.
Aber ich habe gesehen, wie ein Mädchen total geheilt wurde – durch die Gnade Gottes. Sie hat akzeptiert, was unmenschlich ist, und allen vergeben, die ihren Körper missbraucht haben, die sie kannten und nicht kannten und die sie in Filmen angeschaut haben. Sie ist zu tiefer Ruhe gekommen und führt ein normales Leben.
Das ist das Werk Gottes in einem Menschen. Gottes Werk geht so weit, dass es die ganze Trilogie trifft: Seele, Geist und Körper. Es setzt eine tiefe Ruhe im Ganzen hinein.
Von menschlicher Seite gesehen ist so ein Mensch praktisch kaputt für sein Leben. Nur von göttlicher Seite gibt es eine Möglichkeit. Das ist manchmal in der Seelsorge schwierig.
Beispiel aus der Seelsorgepraxis
Ich könnte dir von einem Mann erzählen, der zu mir kam. Ich habe ihn gefragt, ob ich seine Geschichte erzählen darf, und er hat zugestimmt.
Dieser Mann war zehn Jahre lang Leiter bei einem Psychologen. Der Psychologe selbst war Christ, aber man sollte nicht einfach sagen, dass er Leiter Christ ist. Der Mann wurde zehn Jahre lang wegen eines Problems behandelt, das mit seinem Großvater zu tun hatte. Sein Großvater war jähzornig.
Eines Tages kam er zu mir und geriet in einen heftigen Zorn. Er konnte nichts dafür, denn sein Großvater war eben so. Er wollte mich neben dem Haus zusammenschlagen. Dabei ist er auf einen Knorren gefallen, und ich habe ihn zu Boden gebracht. Als er am Boden lag, sagte ich zu ihm: "Mann, das ist absolut kein Problem deines Großvaters. Das ist deine Sünde." Ich erklärte ihm, dass, wenn er diese Sünde nicht bekennt, er irgendwann jemanden töten könnte oder auf jemanden wie mich trifft, der nicht bekehrt ist und ihn dann tötet.
Der Mann war so schockiert, dass er noch am selben Abend Buße tat und zu Gott kam. Er wurde total befreit – das hat Gott bewirkt.
Später bekam ich einen Anruf vom Psychologen. Er wollte mich sogar vor Gericht bringen, weil ich eingegriffen und den Mann zu Boden gebracht hatte. Er meinte, das sei nicht mein Beruf, und ich hätte ihm einen Kunden weggenommen.
Ich muss sagen, ich habe nicht viel Geld verlangt, um ihn zu Boden zu bringen. Es war keine billige Aktion, aber wir müssen aufpassen, dass wir nicht in den humanistischen Trend hineingeraten, bei dem wir biblische Seelsorge mit Psychologie vermischen.
Wir dürfen nicht vergessen: Menschen sind – und das gilt besonders für uns Männer – viel solider, als wir oft glauben. In der Seelsorge behandelt man Menschen häufig mit Handschuhen, als dürfe man sie nicht wirklich anfassen. Man meint, man dürfe nicht einmal den Namen nennen, sonst gäbe es Probleme.
Ich glaube nicht, dass man jeden zu Boden schlagen muss. Das ist nicht die richtige Methode. Aber in diesem Fall war es der alte Adam in ihm, den ich gespürt habe, wie der Deckel vom Sack aufging.
Den richtigen Weg zu finden, ist nicht leicht, aber es gibt solche Situationen.
Wir müssen die Überzeugung behalten, dass Vergebung etwas Gewaltiges ist, das ein Leben völlig verändert. Ich hätte das selbst nicht geglaubt. Als junger Mann, der aus der theologischen Schule kam, wusste ich zwar, dass Vergebung wichtig ist. Aber erst im Dienst habe ich gesehen, was Vergebung wirklich bewirkt. Menschen, die vergeben, können eine totale Veränderung erleben. Das ist wunderbar.
Ein Problem in der Seelsorge ist, dass wir manchmal nicht hart genug sind und zu viel Mitleid zeigen. Dann finden Menschen eine Waffe in ihrer Situation, mit der sie andere verletzen können. So findet kein Seelsorger eine Lösung.
Es gibt Gläubige, die von Seelsorger zu Seelsorger reisen und dankbar sind, dass keiner eine Lösung findet. Denn sie haben diese Waffe gefunden, um in ihrer schwierigen Situation zu überleben.
Dazu kann man nicht viel sagen. Aber klar ist, dass wir nicht alle solche Erfahrungen machen müssen.
Seelsorge ist nicht einfach. Wenn ich eine Seelsorge-Begegnung habe, bin ich oft in Spannung. Ich muss mit dem Herrn reden und sagen: "Herr, jetzt kommt ein Mensch. Dieses Geschöpf Gottes gehört dir. Hilf mir, diesen Menschen zu verstehen."
Das ist viel größer, als wir fassen können. Jeder Mensch ist anders.
Manchmal brauche ich mehrere Gespräche, um zu verstehen, wie der andere denkt. Die Gedankengänge sind bei jedem Menschen verschieden. Manche sind schwer nachzuvollziehen. Da dreht man sich im Kreis, kommt zurück und geht wieder vor. Manche sind schön linear, da verstehe ich besser, weil ich auch linear denke. Andere sind sehr kreisförmig und man entdeckt nicht alles.
Aber es ist eine spannende Arbeit.
Umgang mit psychischen Erkrankungen und Zusammenarbeit mit Ärzten
Hat noch jemand eine Frage? Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen, liebe Freunde,
es gibt Gedanken, die immer wieder wie ein Kreis kommen und sich verankern. Sie wirken wie eine Schiene, auf der sich der Gedanke immer wiederholt. Wenn ein Mensch in die Nähe dieses Gedankengangs kommt, ist es, als würde er mit einem Auto in einen Graben fahren. Sobald er in die Nähe dieses Gedankens gelangt, klack – ist er wieder drin, und der Gedanke macht eine weitere Runde.
Oft muss man Menschen langfristig mit einer klaren Zielsetzung helfen. Wenn keine organische Krankheit vorliegt, also keine, die wissenschaftlich messbar ist, dann weiß man, dass man diesem Menschen helfen muss, eine ganz andere Orientierung in seinem Denken zu finden.
Wir hatten solche Fälle bei uns. Meistens muss man diese Menschen zu sich nehmen, denn das ist eine praktische Arbeit, die Tag und Nacht geleistet werden muss. Einige waren überzeugt, dass sie Dämonen hätten. Sie waren vorher in einem Umfeld, in dem überall Dämonen gesehen wurden, und waren deshalb fest davon überzeugt, selbst von Dämonen besessen zu sein. Durch diese Überzeugung hat natürlich der Teufel profitiert, um sich zu verankern.
Ein Beispiel: Ein Mann bei uns hat sich die Haare ausgerissen. Er ging stundenlang immer im Kreis ums Haus herum. Er hat genau physisch das gemacht, was er in seinen Gedanken durchlebte. In solchen Fällen braucht man eine neue Orientierung, eine klare Zielsetzung und verschiedene Aufgaben. Plötzlich, ohne dass der Mensch es bewusst bemerkte, begann er anders zu denken. Natürlich wurde auch jeden Tag mit ihm gebetet.
Dieser Mensch, ein Ungläubiger, kam zum Glauben. Doch das war noch nicht das Ende. Nach seinem Glaubensbeginn begann eine ganz neue Umorientierung mit einer Zielsetzung nach außen, nicht mehr nach innen.
Es gibt aber auch organische Krankheiten, bei denen wir Psychiater brauchen – nicht nur Psychologen, sondern Ärzte. Auch wenn der Mensch zum Glauben gekommen ist, muss der Psychiater oft noch eingreifen. Es entstehen immer wieder Schwierigkeiten. Wie in jedem anderen Bereich des physischen Körpers kann es auch im Bereich der Neuronen Störungen geben. Hier braucht man manchmal chemische Hilfe durch Medikamente, um ein Gleichgewicht zu erhalten. Diese Krankheiten sind organisch messbar.
Das ist eine Schwierigkeit, die wir in der Seelsorge oft erleben: die Zusammenarbeit mit Psychiatern ist nicht immer einfach, weil sie eine andere Schule haben. Die Zusammenarbeit, die Ursula, die Krankenschwester ist, und ich mit Ärzten bei schwierigen Fällen hatten, war meistens am besten mit ganz normalen Hausärzten, also Generalisten. Diese waren bereit, sich um den Körper zu kümmern. Obwohl sie selbst keine Gläubigen waren, sagten sie uns: „Ich vertraue Ihnen, was die Seele betrifft, das verstehe ich sowieso nicht.“ Das war eine wirklich schöne Zusammenarbeit.
Wir hatten auch Fälle von Christen, die zu uns kamen, die wirklich krank waren. Sie waren jedoch überzeugt, niemals einen Arzt oder Medikamente zu brauchen, weil Gott sie heilen würde. Sie hatten Offenbarungen und glaubten, als Propheten gebraucht zu werden. Diese Menschen wurden von ihren Gemeinden ausgestoßen, weil sie nicht geheilt wurden und krank blieben. Für diese Gemeinden hatten sie keinen Glauben.
Solche Menschen haben wir oft auf der Straße aufgesammelt. Zwei von ihnen waren wirklich krank. Wir mussten mit dem Arzt sprechen, der ihnen Medikamente verschrieb, die wir heimlich ins Essen mischten. Diese Menschen waren überzeugt, dass der Herr sie heilt, und tatsächlich ging es ihnen besser. Erst Monate später, als sie geheilt waren, konnten wir ihnen sagen: „Wenn du jetzt dein Zeugnis gibst, musst du sagen, dass du Medikamente genommen hast. Ich kann dir die Namen nennen.“ Im Moment hätten sie das nicht akzeptieren können, wegen ihrer Überzeugung.
In solchen Fällen muss man einen Weg finden, bei dem man mit Ärzten zusammenarbeitet, die den Patienten nicht persönlich sehen. Das ist nicht einfach – weder für den Arzt noch für uns. Man muss dem Arzt erklären, dass es sich um eine sektiererische Tendenz handelt und dass wir dem Menschen helfen wollen, aus dieser herauszukommen und ein Gleichgewicht zu finden. Das ist manchmal recht komplex.
Es gibt auch geistliche Überzeugungen, die nichts mehr mit der Bibel zu tun haben. Die Betroffenen sind oft nicht schuld daran. Sie haben anderen Führern geglaubt und sind überzeugt, dass das der richtige Weg war. Jetzt sind sie darin gefangen, und man muss an ihrer Heilung arbeiten. Erst danach kann man ihnen zeigen, was das Evangelium eigentlich sagt.
Zum Glück begegnet man solchen Fällen nicht jeden Tag. Es gibt auch einfachere Situationen.
Ich bin am Ende. Nicht physisch, das geht noch, es ist noch nicht Beerdigung.
Herzlichen Dank für das Mitmachen und Zuhören. Ich hoffe, dass es etwas geholfen hat. Ich bin ein wenig unzufrieden mit mir, aber das ist mein Problem. Wenn der Kurs nur so überschlagen wird, ist es eher eine Reise ins Blaue. Dennoch hoffe ich, dass verschiedene Prinzipien deutlich wurden – auch die Prinzipien des Überlegens mit einem Ziel, die Liebe, die in der Ethik triumphiert. Ich glaube, das ist sehr wichtig. Ebenso die Grundlage und Unterlage der Zehn Gebote, die wir brauchen. Wir brauchen Leitplanken, keine Gleitplanken, wie man mir sagte, damit wir wissen, wo unsere Grenzen sind.
Herzlichen Dank! Das ist ein gutes Buch, vielleicht kennen Sie es: „Biblische Ethik“. Kennen Sie das? Meine Tochter hat es auch schon studiert.
