Gott wird Mensch – Leben und Lehre des Mannes, der Retter und Richter ist, sowie Weg, Wahrheit und Leben.
Episode 225: Das Vaterunser, Teil sieben – Weisheit und Schutz.
Einführung in das Thema Führung und Bewahrung im Vaterunser
Wir sind am Ende des Vaterunsers angekommen. Nach der Anbetung, den Bitten und dem Thema Sünde geht es heute um Führung und Bewahrung. Der Text lautet Matthäus 6,13: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen.“
In der kürzeren Version bei Lukas heißt es Lukas 11,4: „Und führe uns nicht in Versuchung.“
Dieser Schluss des Vaterunsers ist alles andere als leicht zu verstehen. Die erste Frage, die sich stellt, ist: Warum muss ich das überhaupt beten? Besteht die Gefahr, dass Gott mich in Versuchung führt?
Die Antwort auf diese Frage ist einfach: Nein, diese Gefahr besteht nicht. Wenn es um Versuchung zur Sünde geht, können wir ganz klar sagen, dass Gott damit nichts zu tun hat.
Jakobus 1,13 sagt: „Niemand sage, wenn er versucht wird, ich werde von Gott versucht. Denn Gott kann nicht versucht werden vom Bösen, er selbst aber versucht niemand.“
Das ist die Realität: Gott kann nicht vom Bösen versucht werden, und er versucht auch niemanden. Es ist wichtig, dass wir das verstehen. Wenn wir in uns einen Impuls zur Sünde verspüren, dann kommt dieser niemals von Gott.
Die Quelle der Versuchung liegt ganz woanders. Jakobus 1,14 erklärt: „Ein jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird.“
So, das wäre jetzt geklärt.
Die Bedeutung von „Versuchung“ im Gebet neu verstehen
Aber warum sollen wir dann beten: „Und führe uns nicht in Versuchung“?
Nun könnte jemand einwenden, dass der Begriff „Versuchung“ auch so viel wie „Test“ bedeuten kann. Gott versucht uns nicht zur Sünde, aber er testet natürlich unseren Glauben. Das haben wir bei Jesus gesehen, der vom Heiligen Geist in die Wüste geführt wurde und dort vom Teufel versucht wurde.
Doch selbst wenn das stimmt, stellt sich die Frage: Warum sollte ich darum bitten, dass Gott meinen Glauben nicht prüft? Er tut das doch zu meinem Besten. Die Lösung muss also an einer anderen Stelle zu finden sein.
Tatsächlich kann „Versuchung“ noch etwas anderes bedeuten. Deshalb wollen wir uns kurz mit der Rettung von Lot aus Sodom und Gomorra beschäftigen. In 2. Petrus 2,7-9 heißt es:
„Und wenn er, Gott, den gerechten Lot rettete, der von dem ausschweifenden Wandel der Übeltäter gequält wurde – denn der unter ihnen wohnende Gerechte quälte durch das, was er sah und hörte, Tag für Tag seine gerechte Seele mit ihren gesetzlosen Werken – so wird deutlich: Der Herr weiß, die Gottesfürchtigen aus der Versuchung zu retten, die Ungerechten aber aufzubewahren für den Tag des Gerichts, wenn sie bestraft werden.“
Gott weiß also, die Gottesfürchtigen aus der Versuchung zu retten. Hier steht der Begriff „Versuchung“ für die Lebensumstände, denen Lot in Sodom ausgesetzt war – das, was er Tag für Tag sehen, hören und erleben musste.
Der Begriff „Versuchung“ kann demnach für ein negatives, meinen Glauben unnötig belastendes und herausforderndes Umfeld stehen. Versuchung bezeichnet hier Lebensumstände, die es mir als Christ besonders schwer machen.
Sprachliche Bilder und ihre Bedeutung im Gebet
Wenn wir das verstanden haben, müssen wir noch etwas anderes verstehen – dazu ein Bekenntnis: Ich bin nicht so der Fan von kleinen Kindern. Wenn also meine drei Enkel im Alter von zwei, vier und sechs Jahren zu Besuch kommen, dann ist meine Bitte an meine Frau: Lass mich bloß nicht mit ihnen allein.
Besteht die Gefahr, dass meine Frau einfach weggehen könnte? Nein, natürlich nicht. Sie liebt mich und unsere Enkel. Der Satz „Lass mich bloß nicht mit ihnen allein“ will also nicht beschreiben, was passieren könnte, sondern auf dramatische Weise zum Ausdruck bringen: Bleib bloß hier, ich brauche dich.
Nun übertragen wir diesen Umgang mit Sprache auf biblische Texte. Wenn es heißt, zum Beispiel in Psalm 71,9: „Verwirf mich nicht zur Zeit des Alters“, was möchte der Psalmist damit sagen? Dass Gott einer ist, der ihn im Alter, wenn seine Kraft schwindet, einfach im Stich lassen könnte? Nein, natürlich nicht. Hier haben wir es mit einer bildhaften Sprache zu tun.
Der Psalmist schreibt „Verwirf mich nicht zur Zeit des Alters“, will damit aber eigentlich ausdrücken: „Halte mich im Alter besonders nah bei dir.“ Dasselbe passiert in Matthäus 6 und in Lukas 11, wo es heißt: „Und führe uns nicht in Versuchung.“ Wir wissen, dass Gott uns nicht absichtlich in Versuchung führt.
Die Formulierung „Und führe uns nicht in Versuchung“ will also nicht ausdrücken, dass Gott uns normalerweise in Versuchung führt, aber er aufgrund unseres Gebets hoffentlich davon absieht. Vielmehr bedeutet die Formulierung so viel wie: „Führe uns bitte den richtigen Weg, nämlich den Weg, der uns nicht wie Lot nach Sodom führt – nicht einen Weg dorthin, wo es für uns schwierig wird, unseren Glauben zu leben.“
„Bewahre uns vor dummen Lebensentscheidungen“ – das bedeutet die Formulierung „Und führe uns nicht in Versuchung“.
Bitte um Rettung vor dem Bösen und praktische Anwendung
Und noch etwas dürfen wir bitten, Matthäus 6,13: „Und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen.“
Wir wollen nicht dorthin gehen, wo das Böse ein Zuhause gefunden hat. Und wir können Gott nur darum bitten, dass es auch nicht auf andere Weise Eingang in unser Leben findet beziehungsweise dass es eben wieder verschwindet.
Beim Bösen geht es hier übrigens nicht um den Teufel, denn im Hebräischen und im Aramäischen wird der Teufel nicht als „der Böse“ bezeichnet. Es geht hier um das Böse.
Am Anfang habe ich gesagt, dass es bei der Formulierung „und führe uns nicht in Versuchung, sondern rette uns von dem Bösen“ um Führung und Bewahrung geht. Jetzt versteht ihr, warum.
Damit sind wir am Ende unserer Gebetszeit angekommen. Nachdem ich meine Sünden bekannt und um Vergebung gebeten habe, bitte ich Gott ganz konkret um Weisheit für all die Entscheidungen, die heute und in naher Zukunft anstehen, wenn sich die Bitten um den heutigen Tag drehen.
Dann ist die Bitte um Führung der Blick nach vorne. Als Christen sind uns Schwierigkeiten verheißen. Ablehnung um Jesu Willen gehört dazu, wenn wir einer unwilligen Welt das Evangelium predigen.
Aber trotzdem dürfen wir dafür beten, dass unsere eigene Dummheit unser Leben nicht unnötig kompliziert macht. Für Lot und seine Familie war es vielleicht sicher, in Sodom zu wohnen, aber es war nicht klug. Und so kann es auch in unserem Leben sein: Wir können Entscheidungen treffen, die erst einmal gut erscheinen, sich im Nachhinein aber als ausgesprochen problematisch erweisen.
Deshalb brauchen wir im Gebet die Bitte um Führung, damit Gott uns Weisheit gibt, die Auswirkungen unserer Entscheidungen auf unseren Glauben oder den Glauben unserer Kinder zu überblicken.
Und wo das Böse auf der Lauer liegt, um uns durch falsche Versprechen zu ködern, da brauchen wir Gottes Bewahrung und eine Extraportion Rettung.
Lasst uns deshalb am Ende unserer Gebetszeit immer fleißig dafür beten, dass unser Leben wirklich gelingt.
Was könntest du jetzt tun? Du könntest darüber nachdenken, wo du unnötigerweise deine Seele mit dem, was du siehst und hörst, quälst. Wo ist Sodom in deinem Leben?
Das war’s für heute. Danke Gott dafür, dass er als Schöpfer des Universums ein Interesse daran hat, dass wir Nullnummern mit ihm reden.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
