Einführung und Überblick über die heilsgeschichtliche Einordnung
Wir wollen heute Abend mit Teil vier unseres heilsgeschichtlichen Seminars fortfahren. Es geht um das Gesetz, zweiter Teil.
Ich beginne heute mit einem kleinen Literaturhinweis. Für diese Ausarbeitungen habe ich im Wesentlichen zwei Materialien verwendet. Zum einen die Handreichungen von Ernst Meyer, insbesondere Heft Nummer vier. Dieses Heft ist ganz hervorragend und behandelt das Thema „Die Gültigkeit des Gesetzes“. Wer sich dafür brennend interessiert, könnte noch ein weiteres Heft von uns bekommen. Irgendwo werden wir da noch eines herauffinden.
Die andere Quelle ist Dr. Arnold Fruchtenbaum mit seiner Doktorarbeit über das Volk Israel. Darin hat er einen erheblichen Teil über das Gesetz geschrieben. Außerdem gibt es ein Büchlein von einem Holländer namens Feinfandraad mit dem Titel „Das Gesetz – die Lebensregel des Christen“. Dieses liegt auf unserem Büchertisch aus und ist ebenfalls sehr wertvoll. Nicht zuletzt sei auch das Buch von Erich Sauer genannt: „Das Morgenrot der Welterlösung“. Dazu kommen noch verschiedene Unterlagen, die ich im Laufe der Zeit gesammelt habe, die ich hier nicht alle einzeln nennen kann.
Wir hatten an den ersten beiden Abenden gesehen, dass die Bibel eine Heilsgeschichte enthält. In dieser Welt gibt es eine Weltgeschichte, aber die Bibel erzählt eine Heilsgeschichte. Diese ist natürlich mit der Weltgeschichte verflochten.
Wir haben gesehen, dass die Bibel mindestens sieben sogenannte Zeitalter oder Haushaltungen nennt. Dazu gehören:
- das Paradies,
- die Zeit des Gewissens, die auf den Sündenfall folgt,
- die Zeit der Obrigkeit oder Verwaltung, wie es hier auf der Folie genannt wird,
- die Zeit der Erzväter oder der Verheißung,
- die Zeit des Gesetzes, um die es heute Abend besonders geht,
- die Zeit der Gnade, in der wir heute leben,
- und schließlich das Zeitalter des tausendjährigen Reiches, das noch bevorsteht.
Diese Haushaltungen nennt die Bibel und unterscheidet sie ganz klar. Augustin hat bereits im vierten Jahrhundert gesagt: „Unterscheide diese Zeitalter!“ Die Schriften der Bibel stimmen hier überein.
Noch einmal dieser Satz: Unterscheide diese Zeitalter! Die einzelnen Teile der Bibel stimmen darin überein. Es ist ganz wichtig, dass wir diese Zeitalter, Haushaltungen und Heilszeiten unterscheiden.
Unterschied zwischen mosaischem Gesetz und Gesetz Christi
Dann haben wir heute vor einer Woche den Unterschied zwischen dem Gesetz des Mose und dem Gesetz Christi herausgearbeitet. Wir sehen hier zwei ganz verschiedene Bereiche: Der grün schraffierte Bereich steht für das mosaische Gesetz, das Gesetz des Mose mit seinen 613 einzelnen Geboten.
Im Neuen Testament finden wir dagegen das Gesetz Christi, zum Beispiel in Galater 6,2: „Einer trage des anderen Last, so werdet ihr das Gesetz Christi erfüllen.“ Das Gesetz Christi ist also nicht das mosaische Gesetz und auch nicht die 613 Gebote.
Es gibt jedoch einen Teilbereich, in dem sich beide Gesetze überschneiden – eine Schnittmenge. Dazu gehören unter anderem neun der zehn Gebote, die wir auch im Gesetz Christi wiederfinden.
Darum soll es heute Abend in besonderer Weise gehen: Wie wir diese Unterschiede noch besser verstehen und begründen können. Warum müssen wir als Christen nicht die 613 Gebote und auch nicht alle zehn Gebote aus dem mosaischen Gesetz halten? Warum stehen wir unter der Gnade und unter dem Gesetz Christi? Was genau ist der Unterschied?
Ich möchte nicht verschweigen, dass es heute Abend an verschiedenen Stellen etwas schwierig werden kann, besonders bei den aktuellen Temperaturen. Trotzdem wollen wir versuchen, so viel wie möglich aufzunehmen. Das eine oder andere Thema kann man später noch vertiefen, zum Beispiel anhand der Kassette oder der Materialien, die es danach geben wird.
Aufbau und Inhalt des mosaischen Gesetzes
Nun wollen wir uns anschauen, wie das mosaische Gesetz aufgebaut ist. Das möchte ich hier noch einmal wiederholen. Wir haben das letzte Mal schon kurz darüber gesprochen, aber jetzt betrachten wir es etwas gründlicher.
Im mosaischen Gesetz, das in den fünf Büchern Mose enthalten ist, finden wir 613 Einzelgebote. Diese Gebote offenbaren die Heiligkeit Gottes. Man kann sie zusammenfassen als das Moralgesetz. Ein Beispiel dafür ist 3. Mose 19,2: „Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig, spricht der Herr, euer Gott.“ Hier wird die Heiligkeit Gottes deutlich offenbart.
Übrigens ist das Symbol der Heiligkeit Gottes in der Bibel immer das Feuer. Überall dort, wo in der Bibel Feuer von Gott her auftaucht, offenbart er seine Heiligkeit. Zum Beispiel bei Mose am brennenden Dornbusch. Dort offenbart sich der heilige Gott. Moses Reaktion darauf ist: „Tritt nicht herzu zu Mose, tritt nicht herzu, denn der Boden, auf dem du stehst, ist heiliges Land.“ Im Bild gesprochen muss man also die Schuhe ausziehen, wenn sich der heilige Gott offenbart.
Zweitens finden wir das Sozialgesetz. Es enthält die Regeln für die Volksgemeinschaft im Staat Israel. An dieser Stelle regelt Mose das Verhalten untereinander. Das entspricht dem, was wir heute im Zivilgesetzbuch, also in unserem Bürgerlichen Gesetzbuch, finden. All das ist in den 613 Geboten enthalten.
Außerdem gibt es das Kriminalgesetz. Verbrechen werden genannt und unter Strafe gestellt.
Dann haben wir das Ritualgesetz innerhalb der fünf Bücher Mose. Dort werden Bestimmungen für den israelitischen Gottesdienst genannt. So werden zum Beispiel in 3. Mose 1 bis 7 die verschiedenen Opfer aufgezählt. In 3. Mose 16 wird die Liturgie für den großen Versöhnungstag beschrieben, über den neulich hier Bruder Passage sonntags gesprochen hat.
Schließlich gibt es noch das Sanitärgesetz. Es regelt den Umgang mit Krankheiten und Hygiene. In 3. Mose 13 bis 15 finden wir lange Kapitel über den Umgang mit Aussatz und unreinen Ausflüssen und all diesen Dingen.
Der Ventilator hält mich hier ganz schön auf Trab. Das ist also noch einmal eine kurze Wiederholung. Kannst du den Ventilator vielleicht ein bisschen drehen? Der weht mir hier alles unter.
Das ewige Moralgesetz Gottes im Unterschied zum mosaischen Gesetz
Nun wollen wir uns einen Bereich der fünf Bücher Mose genauer anschauen: das Moralgesetz Gottes. Dieses Moralgesetz ist die absolute Norm dafür, was vor Gott Recht und Unrecht ist. Es drückt die heilige Wesensart Gottes aus. Gott hat sich schon immer offenbart und festgelegt, was Recht und was Unrecht ist.
Es gibt Grundnormen, die direkt aus dem Wesen Gottes abgeleitet sind und sich niemals verändern. Diese Normen gelten seit Ewigkeit. Gerade heute sind diese Maßstäbe unverrückbar: Was vor Gott Recht ist, bleibt Recht, und was Unrecht ist, bleibt Unrecht. Gott nennt nicht heute das Gute und morgen das Böse. Er ist heilig, und sein Wesen verändert sich nicht. Ebenso ändern sich seine Maßstäbe für Recht und Unrecht nicht.
Das Moralgesetz Gottes ist also unveränderlich, ebenso wie Gottes Wesensart unveränderlich ist. Gott ist derselbe und ändert sich nicht. Seine Handlungsweise kann sich verändern, aber sein Wesen bleibt immer gleich.
Wir müssen nun sorgfältig unterscheiden zwischen dem ewigen Moralgesetz Gottes und dem zeitlich begrenzten mosaischen Gesetz. Das ist nicht einfach. Das ewige Moralgesetz hängt mit Gottes Wesen zusammen und verändert sich nie. Das mosaische Gesetz hingegen gilt nur zeitlich begrenzt – von der Gesetzgebung am Berg Sinai bis zum Tod Jesu am Kreuz. In dieser Zeit hatte es seine Gültigkeit.
Das Moralgesetz Gottes ist ewig. Was Gott als Recht und Unrecht bezeichnet, bleibt unverändert. Die Durchsetzung dieser Moralgrundsätze hat sich jedoch in den verschiedenen Haushaltungen der Heilsgeschichte verändert. Dies wollen wir uns nun ansehen.
Das Moralgesetz Gottes bestand schon lange, bevor das mosaische Gesetz gegeben wurde. Es gab schon vor der Gesetzgebung am Sinai Menschen, die ein gerechtes, gottwohlgefälliges Leben führten. Wenn wir Zeit hätten, könnten wir überlegen, wer das gewesen sein könnte. Einige würden sicherlich darauf kommen, aber ich nenne sie jetzt gleich.
Zum Beispiel Abel. Von ihm wird bezeugt, dass er gerecht war vor Gott. Man könnte sagen, er sei durch den Glauben gerecht geworden, wie es im Hebräerbrief 11,4 heißt: Er wurde durch den Glauben an Gott gerecht. Aber bei anderen wird ausdrücklich bezeugt, dass sie durch ihr Leben gerecht waren vor Gott.
Henoch lebte lange vor der Gesetzgebung am Sinai. Es heißt, weil er mit Gott wandelte, nahm Gott ihn hinweg. Er war gerecht – das bedeutet Lebensgerechtigkeit, weil er nach Gottes Maßstäben lebte.
Noah wird ebenfalls als gerecht bezeichnet. Sicherlich spielte auch bei ihm der Glaube eine Rolle, aber es wird ausdrücklich gesagt, dass er in einem gerechten Wandel lebte. Das hebräische Wort dafür ist Tzaddik, was „gerecht“ bedeutet. Noah war gerecht (Tzaddik) und tamim, das heißt, er war ganz in seiner Hingabe an Gott.
Auch Hiob lebte vor der Gesetzgebung und von ihm wird das Gleiche gesagt.
Diese Menschen waren also gerecht vor Gott, obwohl es noch kein Gesetz gab. Nach welchen Maßstäben waren sie gerecht? Die Antwort lautet: Nach dem ewigen Moralgesetz Gottes, das sie kannten, das in ihnen war und das Gott ihnen gegeben hatte – auch in ihrem Gewissen.
Dieses ewige Moralgesetz spiegelt sich vor allem in unserem Gewissen wider. Es umfasst nicht nur die zehn Gebote, sondern alles, was Gott immer als Recht und Unrecht bezeichnet hat und bezeichnen wird. Jeder Mensch trägt es in seinem Gewissen, nicht nur die Zehn Gebote.
Interessant ist, dass Gott Noah und Hiob, die vor der Gesetzgebung lebten, zusammen mit Daniel nennt, der unter dem mosaischen Gesetz lebte. In Hesekiel 14,14 nennt Gott diese drei Personen in einem Atemzug: Noah, Hiob und Daniel. Noah und Hiob lebten vor der Gesetzgebung, Daniel lebte unter dem mosaischen Gesetz. Gott nennt sie dennoch alle gerecht.
Daniel konnte nach dem mosaischen Gesetz gerecht sein, Hiob und Noah nicht, denn sie lebten vor dem Gesetz. Sie waren gerecht nach dem ewigen Moralgesetz Gottes. Sie lebten so, wie es Gott Recht war, nicht wie es Unrecht war. Sie erkannten das und lebten im Glauben nach diesem ewigen Moralgesetz.
Vor der Gesetzgebung am Sinai verwaltete Gott die gesamte Menschheit unter seinem ewigen Moralgesetz – ohne das mosaische Gesetz, das es damals noch nicht gab, und auch ohne die zehn Gebote.
Noah, Henoch und die anderen hatten die zehn Gebote nicht in schriftlicher oder offenbarter Form. Wenn überhaupt, dann nur in ihrem Gewissen. Aber nicht nur die Zehn Gebote, sondern das ganze ewige Moralgesetz Gottes war in ihrem Gewissen. Nach diesem Gesetz verwaltete Gott die Menschen vor der Gesetzgebung am Sinai.
Seit der Gesetzgebung am Sinai verwaltete Gott das Volk Israel durch das mosaische Gesetz. In diesem Gesetz ist das ewige Moralgesetz enthalten. Es ist darin aufgegangen, darin aufgelöst oder darin vermengt. Ich habe versucht, das auf der Folie grafisch darzustellen.
Wenn wir das mosaische Gesetz mit seinen 613 einzelnen Geboten betrachten – die sich in Sozialgesetz, Ritualgesetz, Kriminalgesetz, Sanitärgesetz und andere Bereiche unterteilen lassen –, dann enthält ein Teil dieser 613 Gebote das ewige Moralgesetz Gottes. Dieses ist in die 613 Gebote eingeflossen und darin enthalten.
Es ist schwer, genau herauszufiltern, welche der 613 Gebote zum ewigen Moralgesetz gehören und welche nicht. Ich kann aber jetzt schon sagen, dass neun von den zehn Geboten zum ewigen Moralgesetz gehören. Sicherlich auch einige andere Gebote, aber wir können sie jetzt nicht alle herausfiltern.
Wichtig ist, dass wir erkennen: In der Zeit des mosaischen Gesetzes war das ewige Moralgesetz Gottes, das es schon zuvor gab, in die 613 Gebote eingeflossen. Nach der Zeit des Gesetzes, nach Jesu Tod, fällt dieser äußere Rahmen wieder weg.
Gott verwaltet die Menschen seitdem nur noch unter dem ewigen Moralgesetz Gottes und unter der Gnade für die Menschen, die Jesus Christus als ihren Erlöser angenommen haben.
Aufhebung des mosaischen Gesetzes durch Tod Jesu und Beginn der Gnadenzeit
Ich habe das jetzt schon zweimal einfach so in den Raum gestellt, aber ich möchte es hier noch einmal ganz deutlich betonen: Das mosaische Gesetz hat mit dem Tod Jesu und dem Kommen des Heiligen Geistes an Pfingsten seine Gültigkeit verloren.
Wir haben das an allen Abenden im Grunde gestreift, besonders aber auch am letzten, wo ich ausführlich begründet habe, warum das mosaische Gesetz wirklich in seiner Wirksamkeit und Geltung seit Golgatha aufgehoben ist. Spätestens mit dem Kommen des Heiligen Geistes an Pfingsten begann die neue Heilszeit der Gemeinde, die etwas ganz anderes ist als die Zeit des Gesetzes.
Hier habe ich vorsichtig formuliert: Die Evangelien gehören heilsgeschichtlich noch zur Zeit des Gesetzes, weil sie bis zu Jesu Tod, Auferstehung und Himmelfahrt reichen. Mit Beginn der Apostelgeschichte beginnt dann die neue Zeit der Gemeinde. Das dürfen wir nicht vermengen. In den Evangelien sind teilweise noch Aussagen enthalten, die ganz auf der Ebene des alttestamentlichen Gesetzes liegen. Wir werden uns nachher eine davon genau anschauen.
Das ewige Moralgesetz Gottes hingegen besteht weiterhin. Das mosaische Gesetz hat aufgehört. Wir haben mit dem mosaischen Gesetz nichts mehr zu tun, denn es galt dem Volk Israel. Das ewige Moralgesetz Gottes aber besteht fort. Das, was Gott als Recht und Unrecht bestimmt, bleibt bestehen. Es hängt mit seinem Wesen zusammen und ist auch heute noch unverändert.
Das Moralgesetz ist für jede Haushaltung der gesamten Heilsgeschichte gültig, auch für die Haushaltung der Gemeinde. Aber nicht, weil es Teil des mosaischen Gesetzes ist, sondern weil es Teil des gerechten Willens Gottes ist, der sich niemals verändert. Auch durch die verschiedenen Haushaltungen hindurch bleibt es immer gleich.
Es ist jetzt ein bisschen deutlicher geworden: Der Unterschied ist, dass das mosaische Gesetz zeitlich begrenzt war – etwa 1500 Jahre, von etwa 1500 vor Christus bis zu Christi Tod am Kreuz. Das ewige Moralgesetz Gottes erstreckt sich dagegen über die ganze Zeit und Ewigkeit, weil es mit dem Wesen Gottes zusammenhängt. Es war schon vor dem Gesetz da, es war nach dem Gesetz da, es ist heute da und wird im tausendjährigen Reich sowie in der Ewigkeit da sein.
Weil es mit Gottes Wesen zusammenhängt, wollten wir hier genau unterscheiden zwischen dem ewigen Moralgesetz Gottes und dem zeitlich begrenzten mosaischen Gesetz. Das klingt zwar ähnlich – Moralgesetz und mosaisches Gesetz – ist aber ganz verschieden.
Drei Lebensalternativen für Christen heute
Für einen Christen gibt es heute theoretisch drei Alternativen.
Wolfgang hat vorhin gebetet, dass auch heute ein Tag der Entscheidung ist. So kann sich jeder von uns heute Abend entscheiden, unter welcher Kategorie er leben möchte.
Erstens kann man unter den Moralgeboten des mosaischen Gesetzes leben. Wer das möchte, muss Jude werden und versuchen, die 613 Gebote des Alten Testaments einzuhalten. Dazu gehört beispielsweise, keine zwei verschiedenen Fäden auf dem Körper zu tragen, also keinen Stoff, in dem zwei Fäden verarbeitet sind, sowie all die vielen detaillierten Vorschriften des Alten Testaments. Wer unter dem moralisch gebotenen mosaischen Gesetz leben will, kann das tun.
Zweitens kann man auch gesetzlos sein und sagen: Das geht mich alles überhaupt nichts an, was in der Bibel steht. Ich will mein eigenes Gesetz sein und völlig autonom leben. Viele Menschen heute versuchen, nach diesem Prinzip zu leben.
Drittens können wir unter der Gnade leben, also unter dem Gesetz Christi. Das ist das Gleiche wie unter der Gnade zu sein.
Ich denke, viele von uns, wenn nicht alle, möchten unter der Gnade leben. Dann aber bitte ganz unter der Gnade und nicht vermischt mit dem mosaischen Gesetz. Auch nicht einzelne Gebote herausgreifen und sagen: „Ja, aber die will ich wenigstens noch halten.“
Ursachen der Verwirrung über das mosaische Gesetz
Sechstens: Die Verwirrung über die Anwendung des mosaischen Gesetzes hat ihre Ursache in der mangelnden Unterscheidung zwischen dem ewigen Moralgesetz Gottes und dem zeitlichen mosaischen Gesetz, insbesondere den Zehn Geboten.
Wir haben eben gesehen, dass das zwei verschiedene Paar Stiefel sind. Leider werden sie oft miteinander vermischt, wenn zum Beispiel Schriftausleger sagen, dass die Zehn Gebote nie ungültig würden. Viele Prediger behaupten das, und es steht in vielen Büchern: Die Zehn Gebote würden nie ungültig.
Mit dieser Aussage meinen sie eigentlich, dass das ewige Moralgesetz Gottes nie ungültig wird. Versteht man das richtig, dann ist gemeint, dass das ewige Moralgesetz Gottes nie aufhört zu gelten, weil es mit seinem Wesen verknüpft ist. Das ist richtig.
Aber bei den Zehn Geboten müssen wir ein Fragezeichen setzen. Kein Christ und keine Gemeinde kann ehrlich behaupten, dass wir unter den Zehn Geboten leben. Denn unter dem Gesetzsein bedeutet auch, unter der Strafe für die Übertretung des Gesetzes zu stehen. Wer unter dem Gesetz leben will, muss auch akzeptieren, dass er unter der Strafandrohung des Gesetzes lebt.
Wir leben alle unter der Straßenverkehrsordnung in Deutschland, ob wir das nun wollen oder nicht. Wir leben unter ihr und auch unter ihrer Strafandrohung. Wer bei Rot über die Kreuzung geht, muss Glück haben, wenn keine Blitzanlage installiert ist. Sonst wird es teuer.
Wenn die Zehn Gebote heute noch in Kraft wären, dann müsste auch die Strafe für die Übertretung der Zehn Gebote noch in Kraft sein. Vorsicht: Auf alle Zehn Gebote stand im Alten Testament die Todesstrafe – auf alle Zehn. Das werden wir gleich noch genau anschauen. Dann müsste auch die Strafe noch in Kraft sein.
Götzendienst, Sabbatschändung, Auflehnung gegen die Eltern oder Ehebruch wurden nach dem mosaischen Gesetz mit dem Tod bestraft. Dies ist heute jedoch nicht der Fall. Wer behauptet, unter dem mosaischen Gesetz zu stehen, der müsste auch die Todesstrafe für die Übertretung des Gesetzes einführen.
Eine Veränderung der Strafe bedeutet aber die Abschaffung des Gesetzes. Wenn ich die Strafe verändere oder sogar wegfallen lasse, kann ich das Gesetz in den Mülleimer werfen.
Wenn wir eine Straßenverkehrsordnung hätten, die keine Strafandrohung vorsieht, könnten wir sie gleich in den Schredder geben. Sie würde überhaupt nichts nützen, weil sich niemand daran halten würde. Ein Gesetz, dessen Strafandrohung abgeschafft wurde, ist kein Gesetz mehr im eigentlichen Sinn, sondern nur noch guter Rat.
Das mosaische Gesetz war jedoch kein guter Rat, sondern ein Dienst oder Amt, das den Tod bringt. So nennt Paulus in 2. Korinther 3,7 das alttestamentliche Gesetz. Es war ein System, das den Tod brachte.
Im Neuen Testament sehen wir, dass von diesen Geboten des Alten Testaments keine einzige Strafandrohung mehr zitiert wird, keine einzige. Somit erkennen wir: Es ist guter Rat, aber es ist nicht mehr Gesetz im vollen Sinn mit Strafandrohung, wie es im Alten Testament war.
Wir schauen uns das gleich ganz genau an.
Die Sonderstellung der Zehn Gebote und ihre Inkonsistenz in der Praxis
Zuvor noch diese Folie: Die Zehn Gebote scheinen im Herzen der Christen eine besondere Stellung einzunehmen. Die Christen sind hierbei jedoch sehr inkonsequent. Sie verteidigen die Gültigkeit der Zehn Gebote, halten aber – mit Ausnahme der Siebenten-Tags-Adventisten – das Sabbatgebot für ungültig. Das ist inkonsequent.
Wenn die Zehn Gebote wirklich gültig und vollständig verbindlich wären, müssten wir den siebten Tag als Sabbat halten und heiligen – so wie es im Alten Testament vorgeschrieben ist. Das würde bedeuten, dass wir an diesem Tag keine Arbeit verrichten, nicht einmal einen Lichtschalter betätigen dürfen.
Wir haben bereits anhand der Schrift bewiesen, dass das mosaische Gesetz als Einheit betrachtet werden muss. Es ist nicht möglich, willkürlich auszuwählen, welche Teile des Gesetzes wir praktizieren und welche wir abschaffen wollen. Eine solche selektive Entscheidung ist nicht zulässig.
Obwohl die Zehn Gebote als Bestandteil des mosaischen Gesetzes mit dem gesamten mosaischen Gesetz abgeschafft wurden, behalten die darin enthaltenen moralischen Grundsätze und Prinzipien weiterhin ihre Gültigkeit. Diese Moralgrundsätze stehen in Verbindung mit Gottes Wesen und gelten daher fort.
Die Zehn Gebote als formaler Teil des Gesetzes sind ebenso abgeschafft wie die Gebote über die Opfervorschriften und alle anderen Vorschriften, die wir im Alten Testament finden.
Das ewige Moralgesetz im Neuen Testament – strengere Maßstäbe
Schaut, dieses ewige Moralgesetz Gottes ist im Neuen Testament sogar enger gefasst als im mosaischen Gesetz. Im Neuen Testament gelten strengere Maßstäbe im Vergleich zum Alten Testament.
Ein Beispiel: Jesus Christus verurteilt nicht nur Mord. Im Alten Testament wird Mord verurteilt, doch Jesus verurteilt nicht nur den Mord selbst, sondern bereits den Hass im Herzen, der dem Mord vorausgeht. Dieser Hass, der oft noch unsichtbar ist und sich im Inneren abspielt, wird verurteilt. Wir kennen das, wo Jesus sagt: Wer zu seinem Bruder „Du Nichtsnutz“ oder „Du Narr“ sagt, der ist des höllischen Feuers schuldig.
Auch in 1. Johannes 3,15 steht, dass wer seinen Bruder hasst, ein Totschläger ist. Hier wird also schon der Hass verurteilt, gemäß dem ewigen Moralprinzip Gottes, das im Neuen Testament schärfer gefasst ist.
Das Neue Testament verurteilt nicht nur offene Sünde, sondern sogar passive Unterlassung. Das gibt es im Alten Testament nicht. Dort kommt es überhaupt nicht vor, dass passive Unterlassung verurteilt wird.
Im Neuen Testament jedoch heißt es in Jakobus 4,17: Wer weiß, Gutes zu tun, und es nicht tut, dem ist es Sünde. Gutes Unterlassen ist im Neuen Testament also Sünde – viel schärfer als im Alten Testament.
Seht ihr, das ewige Moralgesetz Gottes ist im Neuen Testament enger, strenger und schärfer gefasst als im mosaischen Gesetz. Das ist auch logisch, weil Jesus gekommen ist, die Erlösung gebracht hat und in unseren Herzen wohnt. Er befähigt uns dazu, Sünde im Herzen schon zu vermeiden und abzulegen – etwas, das im Alten Testament so vielleicht gar nicht möglich war.
Alle Menschen unter dem ewigen Moralgesetz Gottes
- In Römer 3,23 heißt es: „Denn es ist hier kein Unterschied: Sie sind alle ohne Ausnahme Sünder und haben nicht die Herrlichkeit, die sie vor Gott haben sollten.“
Luther übersetzte es mit „und mangeln des Ruhmes“, was einigen vielleicht geläufiger ist. Wörtlich bedeutet es jedoch, dass alle Menschen nicht die Herrlichkeit besitzen, die sie vor Gott haben sollten. Diese Aussage setzt voraus, dass alle Menschen unter dem ewigen Moralgesetz Gottes stehen.
Wenn allen die Herrlichkeit fehlt und niemand nach Gottes Maßstab gerecht ist, dann müssen alle unter dem ewigen Moralgesetz Gottes stehen. Dies gilt, obwohl nicht alle das mosaische Gesetz kannten oder die Bibel besaßen. Denn jeder Mensch hat im Gewissen ein Zeugnis von diesem ewigen Moralgesetz Gottes.
Jeder weiß, was Gott als Recht und Unrecht ansieht. Dieses Wissen trägt jeder Mensch seit dem Sündenfall in sich. Nach diesem Maßstab beurteilt Gott die Menschen.
Im Römerbrief Kapitel 2, Verse 14 und 15 wird dies deutlich: Gott beurteilt die Menschen auch nach ihrem Gewissen.
Die Zehn Gebote im Neuen Testament – eine genaue Betrachtung
Wir wollen nun durchgehen, wie es sich mit den Zehn Geboten verhält. Ich habe bereits angedeutet, dass die Zehn Gebote formal nicht mehr gelten, sondern nur die in ihnen enthaltenen ewigen Moralgrundsätze Gottes. Jetzt wollen wir sie genau betrachten. Ich gebe dazu einige Gedanken weiter.
Die Frage lautet: Sind die Zehn Gebote im Neuen Testament wiederholt und deshalb für heute gültig? Letztes Mal habe ich es so formuliert, weil ich damals noch nicht so fein unterscheiden konnte, wie wir es jetzt können. Wir haben inzwischen den Unterschied herausgearbeitet zwischen dem Moralgesetz Gottes und dem mosaischen Gesetz.
Auf der linken Seite seht ihr die Gebote. Oben links das erste Gebot, das wir kennen: „Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben.“ Ich zitiere hier nur in Kurzform. In der Mitte findet ihr die angedrohte Strafe für die Übertretung dieses Gebotes im Alten Testament. An vielen Stellen wird die Todesstrafe genannt, zum Beispiel in 2. Mose 22 oder 5. Mose 6.
Rechts sehen wir, dass das Prinzip, der Grundsatz, der diesem Gebot zugrunde liegt, im Neuen Testament ebenfalls vorkommt – als ewiges Moralgesetz Gottes, aber nicht exakt in der Form des ersten Gebots. Im Neuen Testament wird das erste Gebot nicht ausführlich zitiert. Stattdessen finden wir das Prinzip in der Apostelgeschichte, wo Paulus und Barnabas auf ihrer Missionsreise angebetet werden. Diese Leute wollen sie wie Götter verehren, doch Paulus und Barnabas verwehren das sofort und sagen: „Nein, Gott soll angebetet werden!“
Auch in 1. Timotheus 2,5 heißt es: „Ein Gott und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen.“ Es wird also nur dieser eine Gott angebetet. Jakobus 2,19 sagt: „Die Dämonen glauben auch an Gott und zittern.“ Wir sehen also, das Prinzip findet sich im Neuen Testament wieder. Das erste Gebot wird nicht explizit mit Strafandrohung wiederholt, aber das Prinzip ist vorhanden.
Wie sieht es beim zweiten Gebot aus? Es lautet: „Du sollst dir kein Bildnis machen, noch irgendein Gleichnis von dem, was oben im Himmel, unten auf der Erde oder im Wasser unter der Erde ist. Bete sie nicht an und diene ihnen nicht.“ (2. Mose 20). Unter dem Gesetzesbund war die Strafe die Todesstrafe.
Im Neuen Testament wird dieses Gebot nicht ausdrücklich wiederholt, aber das Prinzip dahinter finden wir in der Apostelgeschichte, im 1. Korintherbrief 8, im 2. Korintherbrief 6 und im 1. Johannesbrief. Diese Stellen behandeln Götzendienst. Im Griechischen steht dort „Aeidolol“, was „Götzendienst“ bedeutet. „Aeidol“ ist das Wort für „Idol“, also Götzen, wie viele Menschen heute Idole haben, die eigentlich Götzen sind.
Das dritte Gebot lautet: „Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen, denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht.“ (3. Mose 24). Die Strafe war ebenfalls die Todesstrafe. Im Neuen Testament wird dieses Gebot nicht wiederholt, aber es wird darauf hingewiesen, dass keine falschen Eide geschworen werden sollen. Dort finden wir das Prinzip des Namensmissbrauchs wieder, allerdings ohne Strafandrohung.
Das vierte Gebot ist besonders heikel, weil es das einzige Gebot ist, das wir im Neuen Testament in diesem Sinn völlig abgeschafft finden. Es lautet: „Gedenke des Sabbattages, ihn zu heiligen. Sechs Tage sollst du arbeiten und all dein Werk tun, aber am siebten Tag ist der Sabbat des Herrn, deines Gottes. Da sollst du kein Werk tun, noch deinen Knecht usw.“ (2. Mose 20). Unter dem Gesetzesbund war die Strafe für die Übertretung die Todesstrafe.
Das Sabbatgebot kommt unter den 613 Geboten über hundertmal vor und nimmt den größten Stellenwert im mosaischen Gesetz ein. Über hundert der 613 Gebote beziehen sich auf den Sabbat.
Im Neuen Testament wird das Sabbatgebot nicht wiederholt. Im Gegenteil, es wird darauf hingewiesen, dass das Halten bestimmter Feiertage oder Sabbate eine persönliche Entscheidung ist. In Römer 14,5 sagt Paulus: „Der eine hält diesen Tag, der andere hält ihn nicht.“ Dort wird betont, dass jeder in seinem Sinn völlig überzeugt sein soll. Es ist also dem Einzelnen überlassen, ob er einen Tag herausgreift oder nicht.
Schon damals gab es Christen, die alle Tage gleich hielten und somit frei waren von dem jüdischen Sabbatgebot, das im Alten Testament so betont war. Die erste Gemeinde kam am Tag des Herrn zusammen – am ersten Tag der Woche, dem Auferstehungstag –, um Brot zu brechen und Gemeinschaft zu haben. Sie hielt also diesen Tag gewissermaßen so, wie die alttestamentliche Gemeinde den Sabbat hielt.
Schauen wir noch eine wichtige Stelle an: Kolosser 2,14-16. Dort heißt es: „Er hat den Schuldschein gegen uns gelöscht, der in Satzung bestand und gegen uns war, und ihn aus unserer Mitte fortgeschafft, indem er ihn ans Kreuz nagelte. Er hat die Gewalten und Mächte entwaffnet und öffentlich zur Schau gestellt. So richtet euch nun niemand wegen Speise oder Trank oder betreffs eines Festes oder Neumondes oder Sabbats, die ein Schatten der künftigen Dinge sind; der Körper aber ist des Christus.“
Ich habe letztes Mal schon gesagt: Ich werde mich nicht mit dem Schatten begnügen, wenn die Person da ist, rede ich mit der Person und nicht mit dem Schatten. Im Alten Testament hatten wir den Schatten, und auch der Sabbat war ein Schatten. Im Neuen Testament haben wir die Person Christus, und in ihm sind diese alttestamentlichen Dinge aufgelöst, abgeschafft und erfüllt, wie wir gleich noch sehen werden.
Es geht weiter in Vers 18: „Um den Kampfpreis soll euch niemand bringen, der seinen eigenen Willen tut, in scheinbarer Demut und Anbetung der Engel, der auf das eingeht, was er in Visionen gesehen hat, grundlos aufgeblasen von der Gesinnung seines Fleisches und nicht festhält das Haupt, von dem aus der ganze Leib durch Gelenke und Bänder unterstützt und zusammengefügt wird und wächst.“
Darum geht es: Nicht an den Schatten halten, sondern am Körper, nicht nur am Körper, sondern am Haupt, an Christus. Das ist eine ganz wichtige Stelle, weil hier ausdrücklich vom Sabbat die Rede ist und dass wir uns deswegen nicht irritieren oder richten lassen sollen.
Das fünfte Gebot lautet: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ Unter dem Gesetzesbund stand auch auf dieses Gebot die Todesstrafe. Im Neuen Testament wird es nicht mit Strafandrohung wiederholt. Interessant ist, dass Jesus dieses Gebot im Matthäusevangelium den Juden gegenüber noch mit Strafandrohung zitiert (Matthäus 15,3-4). Er war in der Zeit des Gesetzes, und die Juden gehörten zur Haushaltung des Gesetzes.
Paulus zitiert das Gebot im Epheserbrief für die Gemeinde jedoch ohne Todesstrafe und mit abgeänderter Verheißung: „Auf dass du lange lebst auf Erden.“ Das zeigt, wie sich etwas verändert hat: Vom Zeitalter des Gesetzes zum Zeitalter der Gnade. Es gibt keine Strafandrohung mehr, sondern das Gesetz wird als guter Rat verstanden.
Das sechste Gebot lautet: „Du sollst nicht töten.“ Wörtlich steht im Hebräischen: „Du sollst nicht morden.“ Nicht „morden“, denn dann wäre die Todesstrafe nicht möglich, und Gott selbst hat die Todesstrafe eingesetzt. Wie soll das gehen, wenn der Betreffende nicht töten darf, wie soll er dann einen anderen töten?
Morden ist unrechtmäßiges Töten. Töten kann rechtmäßig sein, zum Beispiel wenn der Staat oder die Polizei tötet. Das ist vollkommen rechtmäßig. Das, was an der Mauer mit Schießbefehl geschah, war unrechtmäßiges Töten. Es gibt also rechtmäßiges Töten nach dem ewigen Moralgesetz Gottes.
Unter dem Gesetzesbund war die Strafe für Mord die Todesstrafe. Diese wurde sogar schon vor der Gesetzgebung am Sinai eingeführt (1. Mose 9,6): „Wer Menschenblut vergießt, dessen Blut soll auch durch Menschen vergossen werden.“ Das Neue Testament wiederholt das Gebot nicht mit Androhung der Todesstrafe, lehrt aber, dass schon Hass Sünde ist, wie wir vorhin gehört haben.
Das siebte Gebot lautet: „Du sollst nicht Ehe brechen.“ Im Alten Testament war die Strafe Steinigung für beide Beteiligten. Dieses Gebot wurde schon lange vor der Gesetzgebung von Gott angewandt. Die Städte Sodom und Gomorra hat Gott vernichtet – warum? Wegen massenhafter Übertretung dieses Moralprinzips und wegen der Praxis der Homosexualität.
Es gab damals noch kein siebtes Gebot, und trotzdem hat Gott die Städte vernichtet, weil sie gegen das ewige Moralgesetz Gottes verstießen. Das Neue Testament wiederholt das Gebot nicht mit Todesstrafe, lehrt aber Absonderung von aller Unreinheit, auch in Gedanken. Hier sehen wir, dass das Neue Testament das Gebot weiterfasst als das alttestamentliche Gesetz.
Das achte Gebot lautet: „Du sollst nicht stehlen.“ Unter dem Gesetzesbund gab es eine Besonderheit: Die vier- bis fünffache Wiedergutmachung des Diebesguts. Die Strafe für Menschenraub war jedoch die Todesstrafe.
In den Evangelien finden wir das Beispiel des Zachäus, der das gestohlene Gut vierfach zurückgab, wie es das alttestamentliche Gesetz vorschrieb. Im Neuen Testament, besonders in den Briefen, wird das Gebot nicht wiederholt, aber das Moralprinzip gelehrt: Wer gestohlen hat, soll nicht mehr stehlen, sondern mit seinen Händen arbeiten, um auch Bedürftige unterstützen zu können.
Das ist Gottes Prinzip. Es wird also positiv erweitert: Arbeiten, Geld verdienen, Lebensunterhalt sichern und damit Bedürftige unterstützen. Natürlich dürfen wir unseren Lebensunterhalt bestreiten, aber mit dem Überfluss sollen wir nicht große Paläste bauen oder unnötig ansammeln.
Das neunte Gebot lautet: „Du sollst kein falsches Zeugnis ablegen gegen deinen Nächsten.“ Unter dem Gesetzesbund war die Übertretung in bestimmten Zusammenhängen mit der Todesstrafe belegt. In 5. Mose 19 heißt es: „So sollt ihr mit dem tun, der falsches Zeugnis abgelegt hat, wie er gedacht hat, seinen Bruder zu tun: Leben für Leben, Tod für Tod, Auge für Auge, Zahn für Zahn, Hand für Hand, Fuß für Fuß.“
Das neunte Gebot wird im Neuen Testament nicht explizit wiederholt, aber das Moralprinzip, dass wir der Wahrheit verpflichtet sind, findet sich auf jeder Seite im Neuen Testament. Es ist ein ewiges Moralgesetz Gottes.
Das zehnte Gebot lautet: „Du sollst nicht begehren.“ Luther sagte: „Lass dich nicht gelüsten.“ Du sollst nicht begehren deines Nächsten Haus, Frau, Knecht, Markt, Rind, Esel oder alles, was dein Nächster hat. Unter dem Gesetzesbund war für das Begehren in Gedanken keine Strafe angedroht, denn Gedanken waren im Alten Testament noch in gewisser Weise frei.
Für Gedankensünden stand keine Strafe, aber wenn der Gedanke zur Tat wurde, galt eines der anderen Gebote, und darauf stand, wie wir gesehen haben, immer die Todesstrafe. Obwohl das zehnte Gebot im Neuen Testament nicht wiederholt wird und schon gar nicht mit Todesstrafe, wird das Moralprinzip des Nicht-Begehrens oft gelehrt. Paulus sagt, Habsucht sei die Wurzel allen Übels. Wir sollen nicht begehren, denn das ist eine große Gefahr.
Haben wir verstanden, was dieser Aufbau zeigen soll? Wir sehen die Gebote des Alten Testaments. Alle zehn Gebote hatten – mit zwei Ausnahmen – die Todesstrafe als Strafe. Das war ein Amt des Todes, ein Dienst des Todes, ein System des Todes.
Im Neuen Testament finden wir keines dieser zehn Gebote ausführlich im Wortlaut mit Androhung der Todesstrafe wiederholt. Es wird zwar manches mal zitiert, zum Beispiel „Du sollst nicht Ehe brechen“ oder „Du sollst nicht töten“, aber nie mit Androhung der Todesstrafe.
Wir sehen also, dass das Gesetz im vollen Sinn seine Wirkung verloren hat. Es ist nur dann Gesetz, wenn es auch Strafandrohung hat und diese verwirklicht wird. Sonst ist es guter Rat – und genau das ist es im Neuen Testament.
Zusammenfassung zur Gültigkeit des mosaischen Gesetzes und der Moralgrundsätze
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Strafe des mosaischen Gesetzes für die Übertretung der Zehn Gebote fast immer der Tod war. Die Herrschaft des mosaischen Gesetzes war somit eine Herrschaft des Todes.
Für die Haushaltung der Gemeinde wurde das mosaische Gesetz jedoch nicht eingesetzt. Alle moralischen Grundsätze der Zehn Gebote finden wir im Neuen Testament auch für die Haushaltung der Gemeinde wieder.
Dies liegt daran, dass diese Grundsätze zum ewigen Moralgesetz Gottes gehören, das zu allen Zeiten gültig war und gültig sein wird.
Einwände gesetzlicher Christen und die Auslegung von Matthäus 5,17-19
Dritter, letzter, kurzer Teil: Einwände von gesetzlichen Christen
Einwände
Wenn ich das heute Abend so entfalten würde, dann wären garantiert nicht alle einverstanden. Vielleicht sind auch unter uns nicht alle derselben Meinung, aber schon gar nicht alle Menschen der heutigen Christenheit würden zustimmen. Warum? Was ist der Haupteinwand? Und diesen müssen wir unbedingt behandeln.
Der Haupteinwand ist: Jesus hat doch in Matthäus 5,17-19 gelehrt, dass kein Jota des Gesetzes vergehen werde. Das müssen wir uns genau anschauen. Matthäus 5 ist eine ganz, ganz wichtige Stelle. Ich darf das hier auch sagen, ohne dass sich jemand verletzt fühlt. Diese Stelle ist auch die wichtigste für die Siebenten-Tags-Adventisten. Es handelt sich um Matthäus 5,17-19. Wollen wir es lesen?
Jesus sagt in der Bergpredigt:
„Meint nicht, dass ich gekommen sei, das Gesetz oder die Propheten aufzulösen. Ich bin nicht gekommen, aufzulösen, sondern zu erfüllen. Denn wahrlich, ich sage euch: Bis Himmel und Erde vergehen, wird nicht ein Jota, nicht ein Strichlein vom Gesetz vergehen, bis alles geschehen ist. Wer nun eines dieser geringsten Gebote auflöst und die Menschen so lehrt, wird der Geringste heißen im Reich der Himmel. Wer sie aber tut und lehrt, wird groß heißen im Reich der Himmel.“
Wenn wir das hier lesen, fragen wir uns: Wie kann ich heute Abend so kühn behaupten, dass das mosaische Gesetz seine Wirkung verloren hat – sogar die Zehn Gebote und vieles mehr?
Ganz wichtig ist, was wir hier lesen: Jesus Christus lehrt in Matthäus 5 nicht, dass keine Bestimmung des mosaischen Gesetzes ihre Gültigkeit verlieren wird. Viele der Ritual- und Opferbestimmungen haben offensichtlich ihre Gültigkeit für die Haushaltung der Gemeinde verloren. Oder habt ihr heute Morgen schon euer Brandopfer gebracht? Habt ihr heute schon die anderen alttestamentlichen Gebote eingehalten? Wohl kaum. Ja, diese haben ihre Gültigkeit verloren.
Jesus wollte hier nicht sagen, dass keine Bestimmung des mosaischen Gesetzes ihre Gültigkeit verlieren wird. Aber was wollte Jesus sagen?
Zweitens: Jesus Christus verteidigt hier die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes und des gesamten Alten Testaments während der Haushaltung des Gesetzes. Er hatte Juden vor sich – Pharisäer und andere Juden. In der Haushaltung des Gesetzes galt jeder Buchstabe des Alten Testaments, erst recht des mosaischen Gesetzes, der Zehn Gebote und aller 613 Gebote. Da durfte kein Jota, keines dieser Gebote, aufgelöst werden.
Jesus hat keines dieser Gebote aufgelöst. Im Gegenteil: Er hat alle 613 erfüllt. Glaubt nicht, dass Jesus ein Gewand getragen hat, in dem zwei unterschiedliche Fäden miteinander verwoben waren. Das hat er nicht getan, weil es im Alten Testament verboten war.
Und all diese in unserer Sicht pingeligen Gebote – Jesus hat sie alle gehalten. Kein Teil des Gesetzes ist seiner Erfüllung entgangen. Er hat sie alle erfüllt. Darf ich das noch einmal betonen? Jesus verteidigt die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes während der Haushaltung des Gesetzes.
Das war damals noch die Haushaltung des Gesetzes. Erst mit seinem Tod, seiner Auferstehung und Pfingsten begann die neue Haushaltung der Gnade. Im Neuen Testament werden diese Gebote des Alten Testaments so nicht mehr verteidigt. Paulus hat sie nicht verteidigt, auf keinen Fall. Das ist der große Unterschied.
Dabei wird oft ein Fehler in der Auslegung gemacht – nicht böswillig, nicht mutwillig, sondern man unterscheidet nicht die Schrift und sieht nicht, dass es sich um ganz verschiedene Haushaltungen handelt.
Wir haben über den Sabbat von Philippas gesagt, dass er eine Forderung gestellt hat, die er selbst nicht gehalten hat. Wollt ihr das auch sagen, Wolfer? Ja, gehen wir erst einmal darauf ein.
Jesus hat sehr wohl unterschieden zwischen dem alttestamentlichen Sabbatgebot und dem, was die Juden in ihrer Mischnah, das heißt in ihren schriftlichen und mündlichen Ausführungsbestimmungen, um das Sabbatgebot herum gerungen haben. Diese menschlichen Zusätze und Kommentare hat Jesus ignoriert.
Das Sabbatgebot im eigentlichen Sinn hat Jesus sehr wohl gehalten. Nur am Sabbat zu heilen – das war kein Verstoß gegen das Sabbatgebot im Sinn Gottes, als er Kranke heilte. Das war kein Verstoß. Man warf ihm vor, dass er damit das Sabbatgebot verletze. Doch im Sinn Gottes war das kein Verstoß, weil es Liebe war, weil es Barmherzigkeit war. Das Gesetz besteht in Barmherzigkeit.
Gesetzlosigkeit und Gesetzlichkeit in der Gemeindezeit
Da wollte noch jemand etwas sagen, oder Herr Neudeck?
Herr Paulus erwähnt, um die Zeitgeschichte zu analysieren, indem er fragt, wann der Gesetzlose offenbar wird. Natürlich ist auch das Gesetz irgendwie vorhanden. Wenn nicht ganz das Gesetzesproblem, dann sicherlich dient es dazu, wenn die Gemeinde mehr entdeckt wird. Einige der Gemeinden, die eingeschränkt betreten wurden, sollten zurückfallen, weil die Zeit des Gesetzes, die Verordnung, näher an der Zeit der Götzen lag. Der Rückfall benennt eine stärkere Bautzorg, die Parallelität.
Sie zitieren 2. Thessalonicher 2 und sagen, der Gesetzlose wird offenbar werden, die Zeit der Gesetzlosigkeit, der Anomia. Aber diese Gesetzlosigkeit ist nicht eine Zeit, in der man das mosaische Gesetz nicht mehr hält, sondern eine Zeit, in der man das ewige Moralgesetz Gottes mit Füßen tritt – das, was Gott Recht und Unrecht nennt.
Man kann nicht ohne das Gesetz auskommen, die Begründlichkeit in den Gesetzen ist wichtig. Wenn ich zum Beispiel in unserem Land ein Umgeber der Erklötzung wäre, würde ich sagen, es ist Verkürzung, oder ich würde sagen, das ist eben ein Rassismusmenschen der Verachtung. Daher liegt die Verwaltung wohl. Vor allem, ich komme also um die praktischen Dinge des Gesetzes überhaupt nicht herum. Ich kann es nicht auslernen. Man hat den Eindruck, dass man es im Praktischen richtig ausklappen kann. Da gibt es kein Gegenteil.
Ja, ich verstehe auch hier mehr Erfahrungen, die Sie sehr unterstützt haben, die da intendieren würden, dass bei der Logik in der Jugendtausend – also da lieber ein Stück Wegig heilsam ans Gesetz, sondern schweissend, weil die Logiker sehr tief in der Sünde schlagen, die mehr über die Leitung des Gesetzes zu Recht haben, als dass man sie zulieferat führt für das Verständnis zu haben.
Ich weiß, was Sie sagen wollen. Ja, das wäre jetzt noch einmal ein extra Abend wert, ja? Das ist etwas anderes, das ist davon nicht berührt.
Ja, Bruder Neudeck, ich muss heute Abend mal diese Sache ganz deutlich betonen. Ich muss es mal ganz einseitig so betonen, damit es deutlich wird: dieser Unterschied zwischen der Zeit des Gesetzes und der Zeit der Gnade.
Sie waren vor einer Woche nicht da, als wir über das Gesetz Christi gesprochen haben. Ich will jetzt nicht sagen, dass wir als neutestamentliche Christen gesetzlos sind, sondern wir sind ja unter dem Gesetz Christi. Und da gibt es viele, viele Regeln, wenn ich das so sagen darf, in denen wir leben, aber unter einer ganz anderen Sichtweise als im Alten Testament. Denn damals musste der Mensch das aus eigener Kraft bringen, diese Gesetze halten. Wir aber haben den Herrn Jesus in uns.
Über diese Dinge haben wir vor einer Woche gesprochen. Ich bitte jetzt um Verständnis, dass wir erst einmal fortfahren, weil auch die Beiträge wahrscheinlich nicht vollständig auf die Kassette kommen, von der Technik her. Nachher drücke ich da drauf, und dann können wir noch über Dinge sprechen.
Jesus Christus hat das mosaische Gesetz vollkommen erfüllt
Ich möchte zunächst zeigen, dass Jesus das Gesetz vollkommen erfüllt hat. Das wissen wir natürlich, aber es hat mir sehr gut getan, das hier noch einmal so zu sehen: Jesus Christus hat das mosaische Gesetz vollkommen erfüllt.
Er wurde unter dem Gesetz geboren und unter das Gesetz getan, wie es in Galater 4 heißt. Er hat das Gesetz richtig erklärt und Missverständnisse korrigiert – genau gegen die Pharisäer, die das Gesetz natürlich nach allen Seiten verbogen haben. Er hat es richtig ausgelegt, Missverständnisse aufgedeckt und auch Missbrauch entlarvt.
Jesus hat die Bestimmungen des Gesetzes vollständig erfüllt. Er hat die Verheißungen und Typologien erfüllt, die auf ihn als kommenden Erlöser hinweisen. Alle Bilder im Gesetz, zum Beispiel die Ehrenschlange, die erhöht wird, Christus am Kreuz und viele andere Stellen im Alten Testament, hat er erfüllt. Auch in jedem Tieropfer hat er sich am Kreuz erfüllt.
Er erfüllte das Gesetz, indem er den Fluch und die Strafe des Gesetzes auf sich nahm. Dabei erwarb er für Juden und Nichtjuden Erlösung. Außerdem erfüllte er das Gesetz, indem er durch sein Blut den neuen Bund einsetzte. Dadurch wurde der alte Bund, der durch Mose vermittelt wurde – der Gesetzesbund – abgelöst.
Das steht wörtlich in den Stellen Jeremia 31 und wird in Hebräer 8 aufgegriffen. Der alte Bund, der am Sinai mit Israel geschlossen wurde, ist abgelöst; ein neuer Bund ist durch Jesus am Kreuz geschlossen worden.
Jesus hat das Gesetz also vollkommen erfüllt. Somit kann es hier in Matthäus 5 nicht darum gehen, dass Jesus sagen wollte, es ginge noch um die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes. Vielmehr sehen wir, dass in der Zeit des Gesetzes, in der Haushaltung des Gesetzes, selbstverständlich nichts am Gesetz weggestrichen werden konnte – kein Jota und kein Tüpfelchen.
Aber das gilt nicht für die Zeit der Gnade. In dieser gelten ganz andere Prinzipien. Diesen Einwand möchte ich jetzt einfach um der Zeit willen gerne wegfallen lassen.
Paulus und das Gesetz im Neuen Testament
Paulus lehrt in Römer 3,31, dass das Gesetz nicht aufgehoben, sondern aufgerichtet wird. Er sagt im Gegenteil: Wir richten das Gesetz auf. Hier kann ich nur ganz kurz sagen, dass er damit nicht meint, dass für die Zeit des Neuen Testaments, also für die Zeit der Gemeinde, das gesamte alttestamentliche Gesetz gilt, wie viele Christen heute noch – auch hier in Mannheim – ganz gewiss glauben. Nein, das will er nicht sagen.
Das Gesetz wird aufgerichtet, weil der Hauptsinn des Gesetzes, nämlich als Zuchtmeister auf Christus hinzuweisen, weiterhin bestehen bleibt. Auch heute wirkt das Gesetz so, dass Menschen durch die Gebote Gottes wie durch einen Röntgenschirm gesehen werden. Ihr Herz wird durchleuchtet, sie erkennen sich als Sünder und werden zu Christus hingetrieben. Darüber haben wir vor einer Woche gesprochen.
In diesem Sinn bleibt das Gesetz in seiner Wirksamkeit bestehen: Es ist wie ein Röntgenschirm und treibt somit zu Christus hin. Paulus lehrt in Römer 13 und Galater 5 die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes, indem er sagt, dass... Ja, das muss ich genau zitieren, zumindest eine Stelle von den beiden.
In Römer 13, Vers 8 heißt es: „Seid niemandem irgendetwas schuldig, außer dass ihr einander liebt; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. Denn: Du sollst nicht ehebrechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren. Wenn es ein anderes Gebot gibt, ist in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.“
Paulus lehrt hier nicht die Gültigkeit des mosaischen Gesetzes, sondern zeigt, dass das Moralgesetz Gottes durch die Praxis der Liebe erfüllt wird. Schon im Alten Testament war es so, dass das Gesetz – auch das alttestamentliche Gesetz – nur durch die Liebe erfüllt werden konnte. In 3. Mose 19,18 steht ja auch: „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.“ Die Praxis der vollkommenen Liebe ist das Herzstück des Moralgesetzes Gottes.
Aber gerade Paulus, der wie kein anderer gegen die Gesetzlichkeit der Galater und anderer Christen gekämpft hat, wird mitnichten im Neuen Testament lehren, dass das mosaische Gesetz gesetzlich gültig sei. Ganz gewiss nicht Paulus und auch keiner der anderen Apostel.
Nur noch zwei Apostel, nämlich Johannes, kommen hier in Betracht. Johannes lehrt, dass wir die Gebote halten sollen. Im ersten und im zweiten Johannesbrief wird das mehrfach erwähnt: „Ich habe euch geschrieben, haltet die Gebote“ usw. Die Gebote, von denen Johannes in seinen Briefen spricht, sind jedoch nicht die Gebote des mosaischen Gesetzes, sondern die Gebote und Prinzipien Christi.
In Johannes 13,34 sagt Jesus: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, wie ich euch geliebt habe.“ Diese Gebote, von denen Johannes schon im Evangelium geschrieben hat, erinnert er auch in seinen Briefen an die Christen. Sie gehören zum Gesetz Christi, nicht zum mosaischen Gesetz. Das müssen wir immer unterscheiden. Das wird im Neuen Testament nicht gelehrt.
Zum Schluss kommt auch Jakobus noch zu Wort. Jakobus schreibt in seinem Brief mehrmals vom Gesetz. Er spricht zum Beispiel vom vollkommenen Gesetz der Freiheit, vom königlichen Gesetz usw. Er verwendet den Ausdruck „Gesetz“. Jakobus setzt sich dafür ein, dass die Christen aus den Nationen nicht unter das mosaische Gesetz gestellt werden. Das hat er auch schon beim Apostelkonzil in Jerusalem getan.
Dort stand er auf und sagte: „Lasst die Heiden in Ruhe mit dem mosaischen Gesetz; wir legen ihnen nur vier notwendige Vorschriften auf.“ Das war ein Kompromiss, den sie damals gemacht haben. Vier notwendige Vorschriften, die – so sehe ich es jedenfalls – den Heiden auferlegt wurden. Sonst wären die Juden ausgeflippt. Das hätten sie nicht ertragen, wenn ein Heide in ihrer Gegenwart zum Beispiel Blut gegessen hätte. Die Juden wären in Ohnmacht gefallen oder explodiert.
Um der Juden willen mussten sie den Heiden entgegenkommen. Doch diese vier notwendigen Vorschriften standen extra da. Ich sehe sie in den Briefen des Paulus später dann völlig aufgehoben, weil Paulus ja auch schreibt, dass nichts verwerflich ist, was mit Danksagung empfangen wird – auch im Blick auf die Ernährung, die jetzt nicht mehr verboten wäre.
Das königliche Gesetz ist das Gesetz der Liebe, nicht das mosaische Gesetz. Wer ein Gebot des mosaischen Gesetzes übertreten hatte, war in den meisten Fällen des Todes schuldig. Das Gesetz der Liebe ist hingegen auch ein Gesetz der Freiheit. Denn wer liebt, kann tun, was er will, ohne Böses zu tun.
Augustinus hat einmal gesagt: „Liebe – und dann tue, was du willst.“ Hat er Recht? Ja, denn wer liebt, erfüllt das Gesetz und tut dem Nächsten nichts Böses. Wenn es echte Liebe ist – nicht irgendeine oberflächliche oder verbogene Liebe, sondern echte Liebe im Sinne Gottes –, dann kann man tun, was man will.
Schlussgedanken und Gebet
Jetzt würde ich mich freuen, wenn wir noch eine Minute Konzentration für den Schluss hätten – einen guten Schluss, wie es heißt.
Heute Abend haben wir lange über das Gesetz gesprochen, über die Gebote. Wir haben auch die Einwände dazu betrachtet. Lasst mich mit diesen Gedanken schließen: Nicht das Gesetz, sondern Christus ist unsere Regel, unsere Motivation und unsere Kraft.
Wir wollen nicht auf das Gesetz schauen und keine Menschen sein, die sagen: „Da steht das und da steht das, und deswegen machen wir das so.“ Stattdessen wollen wir auf Christus schauen, auf ihn. Weil wir in der Beziehung zu ihm leben, erfüllen wir das Gesetz Christi. Das ist keine Gesetzlosigkeit.
Wenn wir in Gemeinschaft mit ihm leben und auf ihn schauen, werden wir ganz gewiss im Willen Gottes leben und auch mit dem ewigen Moralgesetz Gottes nicht in Konflikt kommen. Das Gesetz Christi zu erfüllen heißt, in Lebensgemeinschaft mit ihm zu leben, in enger Verbindung mit ihm.
Dann brauchen wir keine Gesetzeswerke zu tun – weder zur Erlösung noch zur Heiligung. Im 2. Korintherbrief steht, was unsere Heiligung ist: Christus anschauen mit aufgedecktem Angesicht. So werden wir verwandelt von einer Herrlichkeit zur anderen, indem wir Christus anschauen, uns mit ihm beschäftigen und auf ihn ausgerichtet sind.
Das ist der Weg für neutestamentliche Christen, und das ist auch unsere Kraft. Hans Bruns übersetzt 2. Korinther 5,14 meisterhaft: „Die Liebe des Christus soll meine einzige Triebkraft sein.“ Luther übersetzt: „Die Liebe Christi drängt uns.“ Das klingt ganz anders. Bruns hat es meisterhaft erfasst, wenn er sagt: „Die Liebe des Christus soll unsere einzige Triebkraft sein.“
Ich schließe tatsächlich mit der Bibelstelle, die Wolfgang vorhin zu Beginn zitiert hat: 1. Johannes 3. Das möchte ich gerne zum Abschluss noch einmal lesen – drei Verse:
„Seht, welch eine Liebe uns der Vater gegeben hat, dass wir Kinder Gottes heißen sollen – und wir sind es. Deswegen erkennt uns die Welt nicht, weil sie ihn nicht erkannt hat. Geliebte, jetzt sind wir Kinder Gottes, und es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden. Wir wissen, dass wir, wenn es offenbar werden wird, ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist. Und jetzt kommt es: Und jeder, der diese Hoffnung auf ihn hat, reinigt sich selbst, wie er rein ist.“
Das ist das Geheimnis. Christen werden nicht von hinten mit dem Gesetz getrieben, sondern von vorne durch das Bild des Bräutigams gezogen. Das ist ein riesiger Unterschied. Nicht von hinten mit der Rute des Gesetzes gegängelt, sondern sie schauen Christus an, den Bräutigam. Sie warten auf ihn und haben Hoffnung zu ihm.
Weil sie das haben, reinigen sie sich, so wie er rein ist. Wer so in der Beziehung mit Christus lebt, will nicht die Gebote übertreten. Stattdessen lebt er im Gesetz Christi, in Lebensgemeinschaft mit ihm, und erkennt, was der Wille Gottes ist und was nicht.
Das geschieht, ohne dass er sich buchstaben- und paragraphenmäßig an irgendetwas klammern müsste. Er lebt in der Gemeinschaft mit Christus und erfüllt so das Gesetz Christi, wie wir es im Neuen Testament finden – weil Christus in ihm lebt und weil er die Hoffnung zu ihm hat.
Ich hoffe, dass das jetzt in dieser kurzen Zusammenfassung zum Schluss doch noch ein wenig deutlicher geworden ist.
Nun möchte ich gerne mit einem kurzen Gebet abschließen. Danach können, falls vorhanden, noch Fragen gestellt werden.
Herr Jesus, wir wollen dir ganz herzlich danken, dass wir uns jetzt mit diesem Thema beschäftigen durften: das Gesetz, das mosaische Gesetz, das ewige Moralgesetz Gottes, das Gesetz Christi – ganz verschiedene Begriffe.
Du siehst, es ist nicht leicht, das zu unterscheiden und auseinanderzuhalten. Aber wir bitten dich, dass wir diese Grundlinien erkennen und unterscheiden können.
Wir danken dir am allermeisten, dass du selbst das Gesetz wirklich vollkommen erfüllt hast. Was hat es dich gekostet! Was hast du auf dich genommen – auf deine Seele, körperlich, dein Blut vergossen und deine entsetzlichen Qualen ertragen –, um uns von dem Fluch des Gesetzes zu erlösen.
Nun lebst du in uns, und wir leben in dieser Beziehung zu dir. Lass auch diese Lebensgemeinschaft, das Gesetz des Geistes in Christus, wie es der Römerbrief sagt, in uns zur Ausprägung kommen.
Dass wir wirklich in der vollkommenen Freiheit des Gesetzes leben, diesem königlichen Gesetz.
Herr, bitte hilf uns, dass diese Bibelstunde eine Wurzelstunde sein kann, in der wir eingewurzelt werden in diese Zusammenhänge. Lass uns die Dinge verstehen und darin leben können. Lass uns vorwärtskommen im Leben mit dir.
Lass unseren Blick auf dich gerichtet sein. Sei du unsere einzige Triebkraft. Amen.