
Praktische Tipps zum Lesen von (christlichen) Büchern
Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Thomas Powileit. Mir gegenüber sitzt Joachim.
Hallo Joachim, schön, dass du dir die Zeit genommen hast, diesen Podcast mit uns aufzunehmen.
Hallo, vielen Dank für die Einladung.
Die Bedeutung des Lesens in der heutigen Zeit
In einer Zeit von Instagram, YouTube und schnellen Informationen aus Wikipedia gerät das Lesen zunehmend aus der Mode. Die ersten Bundesländer beginnen daher bewusst, das Leseverständnis zu fördern. Sie stellen fest, dass Kinder zwar lesen, aber oft nicht verstehen, was sie lesen.
Wir als Christen sollten Menschen sein, die sich immer wieder die Zeit zum Lesen nehmen – zunächst natürlich die Bibel, aber auch christliche Bücher. Dabei ist es wichtig, dass wir gerade die christlichen Bücher verstehen und aus ihnen lernen.
Doch wie kann man christliche Bücher effektiv lesen? Wie kann man sie verstehen und daraus lernen? Über diese Fragen wollen wir miteinander sprechen. Es geht also um praktische Tipps zum Lesen christlicher Bücher, wobei diese Hinweise auch für andere Bücher relevant sind.
Persönliche Motivation und Leseerfahrungen eines Physikers
Joachim, wir kennen dich schon aus einem vorherigen Podcast. Du bist Physiker. Was bringt einen Physiker dazu, sich Gedanken über das Lesen christlicher Bücher zu machen?
Ja, ich habe mich sowohl in meinem Glaubensleben als auch beruflich schon mit vielen verschiedenen Themen beschäftigt. Ich bin jemand, der gerne liest und dabei auch unterschiedliche Autoren bevorzugt. In meinem eigenen Glaubensleben habe ich sehr viel von christlichen Büchern profitiert, das möchte ich gleich vorneweg sagen.
Wer mich kennt, weiß, dass ich eine gewisse wissenschaftliche Neugier verspüre. Deshalb habe ich auch Bücher von Autoren gelesen, die aus anderen Gemeinderichtungen stammen als die, aus der ich selbst komme. Auf diese Weise habe ich im Laufe der Zeit viele unterschiedliche christliche Bücher gelesen.
Dabei habe ich festgestellt, dass es große Unterschiede gibt. Man kann nicht alles, was man in irgendwelchen Büchern liest, für bare Münze nehmen. Auf der anderen Seite kann man durchaus auch Dinge aus Büchern für das eigene Glaubensleben mitnehmen. Es ist wichtig, hier sehr genau zu differenzieren.
Das hat mich dazu gebracht, mir Gedanken darüber zu machen, welche Kriterien ich anwende, um zu entscheiden, was ich annehmen kann und was ich für mich nicht akzeptiere.
Aktuelle Lektüre und Erkenntnisse
Spontane Frage: Was waren denn so Bücher der letzten Monate, die du gelesen hast, bei denen du sagst, ja, das war gut?
In den letzten Monaten habe ich weniger christliche Bücher gelesen. Stattdessen habe ich mich mit einem Autor beschäftigt, der Kahnemann heißt. Es geht dabei um das Thema Umgang mit Rauschen, also wie wir damit umgehen, dass Entscheidungsprozesse, denen wir in Firmen oder auch im Privatleben unterliegen, Rauschen ausgesetzt sind.
Herr Kahnemann hat auch schon ein anderes Buch geschrieben, das ich ebenfalls gelesen habe. Es heißt „Schnelles Denken, langsames Denken“. Darin lernen wir sehr viel darüber, wie wir uns in unserem Denken täuschen oder manipulieren lassen.
Beide Bücher sind allerdings keine leichte Kost. Sie umfassen viele hundert Seiten und erfordern durchaus hohe Konzentration.
Wichtig ist, dass ich heute Morgen gerade den Namen Kahnemann gehört habe. Jemand hat ihn im Rahmen der Partnerwahl zitiert und gesagt, dass wir oft sehr einfache Fragen oder sehr komplexe Fragen durch einfache Fragen ersetzen und dann einfach in eine gewisse Richtung entscheiden. Das ist eine seiner Thesen, genau.
Zeitmanagement und Lesegewohnheiten
Gut, du sagst, du bist Vielleser. Nun, bist du auch jemand, der viel beschäftigt ist. Wo nimmst du dir die Zeit zum Lesen?
Das ist natürlich sehr unterschiedlich. Ich versuche schon, am Feierabend, soweit es möglich ist, zu lesen oder nehme mir auch am Wochenende viel Zeit dafür. Gleichwohl ist es nicht immer möglich. Manchmal ist die Konzentration einfach weg nach einem langen Arbeitstag. Oder manchmal hat man am Wochenende gar keine Lust, sich noch mit schwierigeren Themen zu beschäftigen.
Vor allem an Wochenenden und im Urlaub versuche ich mir bewusst die Zeit zu nehmen, um Bücher zu lesen. Für mich persönlich war das mal ganz wichtig. Ein bekannter Pastor, John Piper, sagte, dass die umkämpfteste Zeit diejenige ist, in der man liest – also die Zeit, in der man sich weiterbildet.
Deshalb habe ich versucht, das routiniert in meinen Alltag einzubauen. So versuche ich jeden Tag etwa 30 Minuten zu lesen. Ich merke, dass mir das an anderen Punkten wieder zugutekommt. Es ist also Zeit, die man sich bewusst nehmen muss.
Grundlegende Orientierung beim Lesen christlicher Bücher
Wir sprechen hier über christliche Bücher und das Lesen von christlichen Büchern. Lassen sich dazu überhaupt allgemeine Aussagen treffen?
Ich glaube, der wichtigste Punkt ist immer, sich zu überlegen: Was ist mein Kompass? Woran richte ich alles aus? Was gibt mir wirklich die Richtung vor? Das kann kein christliches Buch der Welt sein, sondern nur die Bibel. Es ist egal, von welcher Art von Buch man spricht – die einzige Quelle, die wirklich zuverlässig ist, ist die Bibel.
Man muss auch sagen: Vor einigen Jahren hatte ich selbst eine Phase, die sich recht lange hinzog, in der ich gar keine christlichen Bücher mehr gelesen habe. Ich hatte in vielen christlichen Büchern Dinge gelesen, die überhaupt nicht zur Bibel passten. Oder ich merkte, dass Autoren sehr stark von ihrer eigenen Theologie geprägt waren. Deshalb habe ich einige Jahre lang tatsächlich christliche Bücher komplett zur Seite gelegt und nur noch in der Bibel gelesen. Das war auch eine sehr kostbare Zeit, die ich nicht missen möchte.
Heute sehe ich das wieder etwas differenzierter, aber das ist, glaube ich, das Wichtigste. Es klingt unter Christen vielleicht wie die Standardantwort, aber es ist trotzdem wichtig, sich das immer wieder bewusst zu machen: Die Bibel zu lesen und christliche Bücher nicht das Bibellesen verdrängen zu lassen. Das wäre kompromittierend.
Zum einen ist es wichtig, dass die Bibel immer der Maßstab ist, an dem ich die Inhalte dieser Bücher messe. Es ist ganz besonders wichtig, gerade wenn man christliche Bücher liest, in denen theologische Aussagen gemacht oder Bibelstellen zitiert werden, die Bibel griffbereit zu haben. Lieber einmal mehr als einmal zu wenig sollte man in der Bibel nachlesen, was dort wirklich steht.
Herausforderungen beim Lesen christlicher Literatur
Es kommt natürlich darauf an, welche weltlichen Bücher ich lese. Es gibt viele weltliche Bücher, die einen sündigen Lebensstil bewerben, zum Beispiel bestimmte Romane, in denen ich dann gar nicht um Bettszenen oder andere Dinge herumkomme. Solche Inhalte sollte es in christlichen Büchern ja nicht geben.
Du sagst, das Problem bei christlichen Büchern ist oft die theologische Ausrichtung, die ich manchmal gar nicht so greifen kann. Siehst du noch weitere Probleme bei christlichen Büchern, oder ist das der wesentliche Punkt, bei dem man aufpassen muss?
Ich denke, das ist schon der wesentliche Punkt. Allerdings können theologische Aussagen natürlich in unterschiedlicher Form auftauchen. Manche Bücher sind sehr direkt geschrieben. Wenn ich zum Beispiel ein Andachtsbuch lese, gibt es eine klare Textauslegung, bei der deutlich wird, dass der Autor einen theologischen Anspruch hat.
Aber natürlich sendet jedes Buch immer eine Botschaft. Wenn ich etwa einen christlichen Roman lese, vermittelt auch dieser eine Botschaft. Das erfordert manchmal ein gewisses Nachdenken: Was will der Autor eigentlich ausdrücken? Wohin will er mich bewegen?
Es gibt zum Beispiel auch, und das ist schon viele Jahre her, in meiner Studienzelle bestimmte christliche Comics. Diese nahmen das christliche Leben ein wenig aufs Korn, wurden aber von Christen selbst gemacht. Ich nenne jetzt keinen Namen. Eine Zeit lang fand ich sie ganz witzig, bis mir irgendwann klar wurde, dass dort unausgesprochen auch bestimmte Botschaften vermittelt wurden.
Diese Comics vermittelten eine bestimmte Sicht auf Gemeinde und einen bestimmten Frömmigkeitsstil, mit dem ich nicht übereinstimmen konnte. Seitdem habe ich diese Comics nicht mehr gelesen.
Das zeigt, dass es manchmal auch erforderlich ist, ein wenig „um die Ecke“ zu denken, um die tiefere Absicht des Autors zu erkennen. Dabei sollte man sich nicht unkritisch Einflüssen aussetzen, wenn die Literatur in eine falsche oder ungute Richtung führt.
Die Bedeutung der kritischen Reflexion beim Lesen
Bücher lesen prägt auch, und ich muss mir darüber Rechenschaft geben: In welche Richtung prägt mich das? Definitiv, genau definitiv. Und das ist völlig unabhängig davon, welche Literaturgattung die Bücher haben.
Ein anderer Punkt ist natürlich auch, wenn ich fast ausschließlich oder zu einem hohen Anteil nur christliche Romane lese, dann kann das natürlich auch dazu führen, dass ich in eine gewisse Einseitigkeit gerate. Selbst wenn dort keine theologisch falschen Dinge enthalten sind, komme ich dann vielleicht immer nur über oberflächliche Themen ins Nachdenken.
In so einem Fall wäre es dann vielleicht tatsächlich ratsam, die Romane einmal beiseitezulegen, um mehr in der Bibel zu lesen. Oder vielleicht auch einmal ein Buch in die Hand zu nehmen, das sich mit tiefgründigeren Themen beschäftigt.
Umgang mit biblischen Mahnungen beim Lesen
Es gibt ja diese Mahnung von Paulus aus dem ersten Thessalonicher 5,21: „Prüft alles, das Gute behaltet.“ Bedeutet das nicht, dass ich von allen Autoren etwas lernen kann, also – ich sage es mal überspitzt – natürlich auch von jedem Romanautor irgendwie?
Ja, das ist spannend, denn diesen Vers habe ich auch schon häufig von Christen vorgehalten bekommen. Aber das Interessante ist natürlich: Wenn man diesen Vers weiterliest, heißt es dort auch: „Das Böse meidet in jeder Gestalt.“
Es ist außerdem ein Prinzip, das wir in der Bibel, besonders im Neuen Testament, sehr stark finden: Wir sollen uns vor Dingen hüten, die gegen Gott stehen oder schädlich sind. Deshalb kann ich natürlich nicht aus allen Dingen immer etwas Positives ziehen, als wäre es ein Buffet.
Vor allem bringt das noch einen weiteren Aspekt mit hinein, denn häufig sind Irrlehren nicht auf den ersten Blick als solche zu erkennen. Ich hatte zum Beispiel in einer christlichen Organisation, in der ich früher mitgearbeitet habe, mit Irrlehren zu tun. Dort haben nicht alle Glaubensgeschwister sofort erkannt, dass es sich um Irrlehre handelt. Sie sind einfach davon ausgegangen: „Ja, hier geht es um Prediger, es wird schon stimmen, was diese Personen sagen.“ Damals ging es konkret um Predigten, die verteilt wurden.
Wenn man aber genau hinsah, stellte man fest, dass es eigentlich ein komplett anderes Evangelium war. Um es beim Namen zu nennen: Ein Wohlstands-Evangelium, ein Gesundheits-Evangelium. Dort wurde behauptet, wenn du Christ bist, wirst du reich und immer gesund sein – was einfach eine glatte Lüge ist und so in der Bibel nicht steht.
Manche haben sich davon blenden lassen, weil sie gesagt haben: „Ja, prüft alles, das Gute behaltet. An diesem Ort, bei diesen Predigern muss doch auch etwas Positives sein.“ In diesem Fall war das einfach nicht wahr. Es war wirklich ein Fall, in dem man sagen muss: Das war glatte Irrlehre.
In solchen Fällen ist es besser, sich komplett davon fernzuhalten. Es braucht eigentlich eine gewisse Übung, um zu erkennen, was die eigentliche Botschaft dahinter ist.
Genau, und das erfordert auch Übung und sehr genaues Hinsehen.
Die Rolle des Autors beim Lesen
Ja, das ist jetzt der Inhalt. Wenn man das nochmal zusammenfasst: Nur weil Dinge aufgeschrieben sind, müssen sie nicht wahr sein. Man sollte nicht denken, dass etwas wahr ist, nur weil es in einem Buch steht. Ich kann jede Menge Lügen in einem Buch schreiben, und Leute nehmen das trotzdem irgendwie für wahr – besonders bei Geschichten. Viele Lehren werden ja auch über besondere Geschichten, die das Herz berühren, transportiert oder so.
Das ist auch ein sehr gutes Beispiel. Du hast aber auch vom Autor gesprochen. Du hast gesagt, der Autor versucht, gerade diese Lehre durch sein Buch weiterzugeben. Welche Rolle spielt denn der Autor eines Buches? Ist es wichtig, zu wissen, wer das Buch geschrieben hat, wenn man es liest?
Es spielt definitiv eine Rolle. Eine Extreme, die ich gerade schon geschildert habe, sind Leute, die Glattirrtümer vertreten. Das Neue Testament macht da sehr deutlich, dass man bestimmten Leuten einfach aus dem Weg gehen soll. Es lohnt sich, die Stellen selbst mal nachzulesen. Da ist die Sache klar.
Es gibt aber auch viele Autoren, bei denen das nicht so eindeutig ist. Wer sich ein bisschen in der christlichen Welt auskennt, weiß, dass Christen nicht in allen Fragen immer einer Meinung sind. Es gibt verschiedene Denkrichtungen, um es mal so zu nennen.
Auch da kann es helfen zu verstehen, wenn zum Beispiel ein Autor als Calvinist bekannt ist und ich die Hintergründe kenne. Dann kann ich besser einordnen, warum er bestimmte Themen besonders betont und andere vielleicht außen vor lässt.
Genauso ist es, wenn ich ein Buch von einem Autor lese, der entweder einen katholischen Hintergrund oder einen stark lutherisch geprägten Hintergrund hat. Dann weiß ich, dass eine bestimmte Sichtweise und Theologie dahintersteckt. Wenn ich das weiß, kann ich manche Aussagen relativieren oder weiß, dass ich bei bestimmten Aussagen vorsichtig sein muss, weil dort eine Prägung mit hineinkommt.
Das ist aber keine Irrlehre, sondern eine Prägung. Ich weiß dann, warum der Autor bestimmte Schwerpunkte setzt.
Genau, es gibt beides: Prägungen, die unter Christen unterschiedlich sein können, und klare Irrlehren. Die Grenze zwischen beiden zu erkennen, ist nicht immer einfach. Das ist ein eigenes Themengebiet, das hier zu weit führen würde.
Aber es ist wichtig zu wissen: Wenn ein Autor eine gewisse Prägung hat, bedeutet das nicht zwingend, dass er ein Irrlehrer ist. Das ist an dieser Stelle ganz wichtig.
Biografien als Quelle der Inspiration und Vorsicht
Es gibt verschiedene Arten von Büchern, zum Beispiel Biografien. Diese sind natürlich keine Romane, sondern Lebensbeschreibungen. Davon hast du sicher auch schon einige gelesen. Wie kann man Biografien gewinnbringend lesen?
Biografien können definitiv eine Ermutigung sein, denn Christen aus vergangenen Zeiten können uns als Vorbilder dienen. Dabei muss man jedoch immer zwei Dinge bedenken. Zum einen sollte man berücksichtigen, dass jede Person in einer bestimmten Zeit gelebt hat. Besonders bei Biografien bedeutet das meist, dass die betreffenden Personen bereits verstorben sind. Sie lebten oft in einem ganz anderen Kontext und waren mit anderen Herausforderungen konfrontiert.
Ein bekanntes Beispiel ist Dietrich Bonhoeffer, der sich mit dem Nationalsozialismus auseinandersetzen musste. Es hilft sehr, den damaligen historischen Kontext zu verstehen, um das Handeln und Denken besser einordnen zu können. Außerdem ist es wichtig zu wissen, aus welchem kirchlichen Hintergrund er kam. Solche Informationen helfen zu verstehen, warum er bestimmte Dinge so getan hat, wie er sie getan hat. In jedem Fall können solche Personen ein Vorbild sein, das steht außer Frage.
Außerdem sollte man sich überlegen, von welchen Eigenschaften dieser Person man lernen kann und welche Verhaltensmuster auch im eigenen Leben hilfreich sein könnten. Gleichzeitig gibt es Punkte, die nur im damaligen Kontext zu verstehen sind und nicht eins zu eins auf die heutige Lebenswelt übertragen werden können. Das ist wichtig zu beachten. Man kann nicht alles einfach übernehmen.
Selbstverständlich muss man sich auch bewusst machen, dass diese Personen Menschen waren und Fehler gemacht haben. Nicht alles, was sie getan haben, war automatisch richtig. Dennoch können ihre Lebensgeschichten zum Nachdenken anregen: Wie haben diese Menschen gelebt? Was haben sie getan und gesagt? Diese Reflexion ist schon ein großer Gewinn.
Es gibt auch andere Arten von Biografien oder Autobiografien, bei denen man kritisch sein sollte. Manche sind voller phantastischer Wundergeschichten, die mit Vorsicht zu genießen sind. Ich bestreite nicht, dass Gott Wunder tut und auch heute noch übernatürlich handeln kann. Aber wenn Autobiografien nur so von Wundern wimmeln und diese noch sehr überspitzt oder blumig dargestellt werden, darf man durchaus Fragen stellen.
Leider gibt es auch Biografien oder Autobiografien, bei denen sich später herausstellt, dass vieles erfunden oder übertrieben war. Deshalb gilt: Nicht alles, was man liest, muss der Wahrheit entsprechen. Es gibt gute Biografien, aber auch weniger verlässliche.
Für mich ist wichtig, dass selbst bei wahrheitsgemäßen Biografien klar ist: Es handelt sich um Menschen mit einem normalen Leben. In Biografien wird oft vieles verdichtet. Das normale Alltagsleben mit vielen Routinen, die nicht besonders spannend sind, wird meist nicht ausführlich dargestellt. So wie auch wir in unserem Leben richtungsweisende Erlebnisse haben, die wir in einem kleinen Buch toll darstellen könnten.
Ich stimme dir zu: Biografien können wirklich hilfreich sein, weil man darin sieht, wie Gott im Leben von Menschen wirkt – besonders in christlichen Biografien.
Umgang mit christlichen Sachbüchern
Aber es gibt ja auch Sachbücher, also christliche Sachbücher. Was ist dir dabei wichtig, wenn du Sachbücher liest?
Auch hier gibt es natürlich sehr große Unterschiede, weil es darauf ankommt, um welches Thema es geht. Ich habe zum Beispiel schon christliche Sachbücher gelesen, in denen es um Themen wie Kommunikation ging. Dabei ist mir aufgefallen, dass die Aussagen in diesen Büchern teilweise eins zu eins dieselben waren, die ich auch in weltlichen Büchern gelesen oder bei betrieblichen Weiterbildungen gehört hatte.
Das bedeutet natürlich nicht, dass diese Aussagen falsch sind. Auch Nichtchristen können manchmal Dinge sehr gut beobachten und sinnvolle Tipps geben, gerade zu Kommunikation oder ähnlichen Themen.
Wo ich allerdings etwas vorsichtiger werde, ist, wenn in einem christlichen Buch solche eher weltlichen Aussagen mit Bibelstellen untermauert werden. Da bin ich persönlich zurückhaltender, weil ich mich frage: Sagen die Bibelstellen das wirklich? Warum kann ich diesen Sachverhalt nicht einfach als Beobachtung oder weltlichen Tipp stehen lassen? Muss ich das unbedingt mit Bibelstellen anreichern?
Manchmal tue ich mich damit schwer, weil ich den Eindruck oder die Befürchtung habe, dass man der Bibel Dinge hineinliest, die vielleicht gar nicht da stehen. Das ist aber vielleicht auch eine persönliche Geschmacksfrage.
Auf der anderen Seite gibt es neben solchen eher praktischen Büchern natürlich auch populärwissenschaftliche Bücher, die sich mit Apologetik beschäftigen. Hier würde ich empfehlen, Bücher zum gleichen Thema von verschiedenen Autoren zu lesen.
Wenn man sich tiefer mit einem Thema beschäftigen möchte, kann es sinnvoll sein, bewusst auch ein Buch von der Gegenseite zur Hand zu nehmen. Ein konkretes Beispiel: Vor vielen Jahren habe ich John Lennox gelesen, einen bekannten christlichen Apologeten, der viele öffentliche Auseinandersetzungen mit Richard Dawkins hatte.
Irgendwann habe ich dann auch nachgelesen, was Richard Dawkins zu sagen hat – nicht, weil ich Lennox misstraut hätte, sondern um die Gegenseite zu verstehen.
So ist es auch bei populärwissenschaftlichen Büchern: Wenn man ein interessantes Buch zu einem Thema gelesen hat, heißt das nicht, dass man alles darüber weiß. Man sollte auch rechts und links schauen und weitere Quellen lesen.
Ich weiß aus einem anderen Podcast, dass du gesagt hast, man müsse bei christlichen Sachbüchern vorsichtig sein, wenn komplexe Zusammenhänge stark verkürzt dargestellt werden. Da stimme ich dir ganz zu.
Kompetenz und Expertise beim Lesen komplexer Themen
Eine Frage, die ich mir gestellt habe und die ich dir jetzt einfach mal stellen möchte, ist folgende: Du betonst immer wieder, dass du kein ausgewiesener Experte auf dem Gebiet der Sachbücher bist. Nun spreche ich mit dir als Physiker auch über das Lesen von Büchern.
Das heißt, es gibt ja Menschen, die sehr differenziert denken können und sich gut in Themen hineindenken. Sie können dann ein Exzerpt daraus anfertigen. Wie wichtig ist dir die Aussage, die ich dir gerade in den Mund gelegt habe – dass du kein ausgewiesener Experte bist? Denn ich habe das von dir privat immer wieder gehört. Wo muss ich denn ein ausgewiesener Experte sein? Und wo kann ich auch mit meiner Fähigkeit, Dinge zusammenzufassen, von anderen lernen und das dann darstellen?
Das ist natürlich eine sehr gute Frage, die gar nicht so einfach zu beantworten ist. Gerade bei komplexen Sachverhalten ist es eine Herausforderung, diese wirklich herunterzubrechen. Viele, die auf ihrem eigenen Fachgebiet sehr gut sind, haben nicht unbedingt die Fähigkeit, das Wissen auch verständlich zu vermitteln. Das ist definitiv ein Problem, da stimme ich voll zu.
Natürlich gibt es auch im christlichen Bereich Autoren, die sehr belesen sind und versuchen, ihre Erkenntnisse zu transportieren. Das möchte ich keinesfalls schlechtreden. Ich denke, das kann seine Berechtigung haben und hat auch seinen Platz. Es kann helfen, Dinge kompakt zusammenzufassen.
Aber auch hier würde ich vielleicht noch einmal den Ratschlag geben, den ich vorhin in einem anderen Zusammenhang schon erwähnt habe: Man sollte vielleicht zusätzlich eine andere Meinung einholen. Wenn ich zum Beispiel einen Artikel oder ein Buch von jemandem gelesen habe, der die Gabe hat, Dinge zusammenzufassen, und ich sage mir, dieses Abstraktionsniveau war genau richtig für mich, dann kann es sinnvoll sein, einen anderen Autor zu suchen – idealerweise einen christlichen – der dasselbe oder ein ähnliches Thema von einer anderen Seite beleuchtet und ebenfalls die Gabe hat, verständlich zu schreiben.
Es ist natürlich richtig, dass man nicht immer nur wissenschaftliche Originalliteratur lesen kann. Das geht auch nicht – ich selbst kann das schon aus Zeitgründen nicht. Außerdem fehlt mir bei vielen Themengebieten auch die nötige Kompetenz, um das vollständig zu verstehen, um ehrlich zu sein.
So ist es bei vielen christlichen Sachthemen auch. Ich habe zum Beispiel ein paar Mal christliche Spezialliteratur zur Archäologie Israels gelesen. Da steigt man als Laie nicht mehr durch, weil einfach das Hintergrundwissen fehlt, oder auch das Verständnis der archäologischen Methoden. Hier bin ich darauf angewiesen, dass Menschen versuchen, das Ganze auf eine verständliche Weise zu vermitteln.
Das ist durchaus etwas Positives. Aber wie gesagt, auch hier versuche ich, vielleicht noch eine Zweitmeinung einzuholen – um es so zu formulieren.
Das ist also ein guter Tipp: Wenn jemand kein ausgewiesener Experte ist, aber komplex denken kann, sollte man schauen, wie jemand das Thema beschreibt, der aus der Materie kommt – wenn man so jemanden findet.
Für unsere Hörer ein Beispiel aus dem Nähkästchen: Es gab schon Bücher, bei denen ich gemerkt habe, dass ich einfach nicht weiterkomme. Dann habe ich Joachim gebeten, mir das Buch zusammenzufassen, weil mir der Inhalt zu schwierig war.
Das heißt, vielleicht gibt es ja auch in eurer Gemeinde solche Leute, die euch helfen können.
Ich glaube, eine ganz entscheidende Sache ist einfach, dass man differenziert denken kann. Das kann nicht jeder. Es ist ein Stück weit auch eine Gabe, und man sollte auf solche Leute zurückgreifen.
Man merkt ja, mit welchem Brustton der Überzeugung manche Dinge vertreten werden, oder ob auch andere Meinungen abgewogen werden und man trotzdem sagen kann: Doch, an diesem Punkt denke ich eben so.
Kritische Haltung gegenüber christlichen Büchern im Vergleich zu weltlichen Büchern
Ja, vielleicht zum Schluss: Wir reden ja über christliche Bücher. Wie ist das denn – sollte ich beim Lesen christlicher Bücher noch kritischer sein als bei weltlichen Büchern?
Das ist natürlich eine sehr schwierige Frage, weil vieles, was ich gesagt habe, sowohl für christliche als auch für weltliche Bücher gilt. Bei christlichen Büchern hat es für mich dennoch eine andere Dimension. Sie treten häufig mit einem anderen Anspruch auf, nämlich dem Anspruch, zumindest implizit christliche Lehre zu vermitteln.
Wenn ich zum Beispiel ein komplett weltliches Buch lese, wie die Bücher von Kahnemann, die ich eingangs erwähnt habe, ist klar: Der Autor ist kein Christ und beansprucht das auch nicht. Er schreibt über bestimmte Themen, die ich spannend finde und über die ich mehr erfahren möchte. Dann gehe ich an solche Bücher nicht mit der Erwartung heran, unmittelbar etwas für mein Glaubensleben mitzunehmen.
Wenn ich dagegen ein christliches Buch vor mir habe, das den Anspruch hat, christliche Lehre zu vermitteln, dann lege ich aus meiner persönlichen Sicht einen etwas höheren Maßstab an. Ich schaue genauer hin, ob das Buch der Lehre der Bibel entspricht oder nicht.
Das ist sehr richtig, denn ein christliches Buch wird mich viel mehr prägen.
Das kann ich gut nachvollziehen. Trotzdem sollte man dann christliche Bücher lesen, oder?
Ja, auf jeden Fall. Ich habe selbst in vielen christlichen Büchern wichtige Impulse mitgenommen. Auch wenn ich heute manches, was ich dort gelesen habe, etwas kritischer sehe oder manche christlichen Autoren im Rückblick kritischer bewerte, habe ich dennoch viel von diesen Büchern und Autoren gelernt. Sie haben mich zum Nachdenken angeregt und mir geholfen, mir eine eigene Meinung zu bilden. Deshalb kann ich das Lesen christlicher Bücher auf jeden Fall empfehlen.
Man nimmt das Geschriebene ja auch bewusster wahr, als wenn man nur Filme schaut oder anderes konsumiert. Was ich lese, kann ich stärker reflektieren, logisch.
Definitiv, ja.
Abschluss und Ausblick
Vielen Dank, Joachim, dass wir dir als Vielleser über die Schulter schauen durften.
Wenn Bücher richtig kompliziert sind, habe ich ja schon gesagt, gebe ich sie gern an Joachim weiter und bitte ihn, sie zusammenzufassen.
Das war der Podcast der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet etwas für euch mitnehmen und dass dieser Podcast euch motiviert hat, wieder mehr zu lesen.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und viel Freude beim Lesen.