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Abschiedsrede des Paulus an die Ältesten in Ephesus

15.11.2020Apostelgeschichte 20,17-38

Einführung: Ein besonderer Predigttext aus der Apostelgeschichte

Wir haben gerade den Predigttext gelesen und gehört. In unserer Serie „Durch die Apostelgeschichte“ kommen wir heute zu einer Predigt, die anders ist als alle anderen Predigten, die wir bisher von Paulus gehört haben.

Wo Paulus bisher gesprochen hat, wo wir Berichte von seinen Reden und Predigten gehört haben, da waren das immer Predigten, um Menschen zu überzeugen, dass Jesus der Christus ist. Sie hatten eine evangelistische Natur. Hier in diesem Abschnitt spricht Paulus jedoch nicht evangelistisch. Er spricht zu den Ältesten der Gemeinde aus Ephesus.

Gleich zu Beginn möchte ich ein paar Worte dazu sagen, wer diese Ältesten sind und was es damit auf sich hat. Ich weiß, dass manche unter uns aus Gemeindehintergründen kommen, in denen es so etwas nicht gibt. Und dann hört man in der Freien Gemeinde München Mitte, da gibt es Älteste, das sind irgendwie Gemeindeleiter, und die sind ganz jung – das ist alles sehr verwirrend. Deshalb möchte ich das kurz erklären.

Tatsächlich gibt es biblisch ein Amt, das die Gemeinde leiten soll. Dieses Amt wird unter anderem mit dem Wort „Älteste“ bezeichnet. Das ist ein möglicher Begriff dafür, der tatsächlich oft verwendet wird – auch hier in diesem Text. Paulus ruft die Ältesten aus der Gemeinde in Ephesus.

Wir haben aber bei der Predigttextlesung gerade gehört, dass er diese Ältesten dann auf einmal als Bischöfe anspricht. Es ist das gleiche Amt: Die Ältesten sind Bischöfe. Und den Bischöfen sagt er, dass sie die Arbeit eines Hirten tun sollen. Das lateinische Wort für Hirten ist „Pastor“. Es ist also alles das Gleiche: Älteste, Bischöfe, Pastoren – letztendlich ein Amt mit drei Begriffen.

Hier in der Gemeinde nehmen wir das genauso ernst und haben in unserer Satzung tatsächlich beschrieben, dass es eine Gemeindeleitung gibt, die aus mehreren Ältesten besteht – so wie das damals auch war, die Ältesten einer Gemeinde. Es gibt also nicht den einen Pastor, der das Sagen hat, sondern die Ältesten.

In unserer Gemeinde gibt es im Moment noch sieben Älteste. Am Samstag werden wir, so Gott will, zwei Älteste aus ihrem Dienst entlassen und einen neuen berufen. Die Ältestenschaft besteht bei uns zum einen aus hauptamtlichen Ältesten. Das sind Leute, die von der Gemeinde angestellt sind, um sich vollzeitlich dem Wort Gottes und dem Gebet widmen zu können. Das sind zum Beispiel ich, Jonathan und Matthias Mockler.

Zum anderen haben wir Älteste, die einem anderen Beruf nachgehen, die aber in gleicher Weise auch Älteste sind – ehrenamtlich. Zusammen bilden wir die Gemeindeleitung.

Das nur als Erklärung: Die Ältesten der Gemeinde in Ephesus waren wahrscheinlich alles Leute, die nebenbei einen anderen Beruf ausübten. Wenngleich wir auch in der Bibel lesen, dass es Älteste gibt, die für den Dienst am Wort freigesetzt werden und deshalb finanziell so unterstützt werden, dass sie keiner anderen Arbeit nachgehen müssen.

Der zentrale Auftrag an die Ältesten

In dieser Predigt und Rede wendet sich Paulus nun an die Ältesten und hat eine ganz einfache Botschaft für sie. Diese möchte ich uns heute nahebringen. Er sagt, und die Botschaft findet sich zusammengefasst im Vers 28: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde Gottes.“ Das ist der zentrale Auftrag, über den wir heute nachdenken wollen.

Dieser Auftrag hat eine ganz wichtige Bedeutung für alle unter uns. Vielleicht denkst du im ersten Moment: „Ich bin doch kein Ältester, was geht mich das an?“ Da kannst du dir selbst predigen, Matthias, habe ich auch in dieser Woche zur Genüge getan. Dazu später mehr.

Wenn du Mitglied dieser Gemeinde bist oder Mitglied einer Gemeinde, die Älteste beruft, dann ist dieser Abschnitt für dich wichtig. Du solltest wissen, nach welchen Kriterien du Älteste berufen solltest. Wir wollen am Samstag in unserer Mitgliederversammlung darüber reden, Ron Kupsch als Ältesten dieser Gemeinde zu berufen.

Natürlich kann man sagen: „Ich bin für Ron, weil er nett aussieht, weil er immer freundlich zu mir war oder weil er schon alt genug ist“ oder was auch immer. Aber wir brauchen klare biblische Kriterien, um zu wissen, ob wir ihn berufen sollten oder nicht. Ich bin überzeugt, dass wir ihn berufen sollten. Aber ich möchte, dass ihr euch selbst eine Meinung bildet. So könnt ihr anerkennen: Ist er von Gott berufen? Ist er eine gute Gabe für diese Gemeinde? Letztendlich erkennen wir unsere Berufung nur an, wenn wir anerkennen, dass er von Gott berufen ist. Das sollte eigentlich unsere Berufung sein: einfach nur eine Bestätigung, dass Gott ihn uns als Ältesten gegeben hat.

Weiterhin brauchen wir als Gemeinde noch mehr Älteste. Wir sind weiterhin auf der Suche. Vielleicht kannst du dir nach dieser Predigt einen Bruder hier aus der Gemeinde vor dem inneren Auge vorstellen, bei dem du sagst: „Den könnte ich mir vorstellen, der lebt das.“ Dann sprich bitte Jonathan, mich oder Winfried Pracht an und sag uns das. So können wir gemeinsam überlegen, ob dieser Bruder unseren Ältestenkreis weiter verstärken könnte.

Schließlich sollte diese Predigt für dich auch aus einem ganz anderen Grund sehr relevant sein. Wenn du Christ bist, solltest du anerkennen, dass der Großteil der Dinge, die Paulus hier schreibt, auch für dich gelten. Älteste sind ja keine ganz besondere Spezies von Christen. Älteste sind eigentlich nur besonders reife Christen. Daher auch das Wort „Älteste“: Es heißt nicht, dass sie im Alter alt sein müssen, sondern dass sie im Glauben reif sein sollen.

Das sollte auch dein Anliegen sein, wenn du hier bist und ein Kind Gottes bist: dass du im Glauben reif wirst. Lass dich durch diese Worte herausfordern. Ich möchte für uns beten, dass der Herr uns bereit macht dazu.

Himmlischer Vater, wir wollen nun dein Wort betrachten und dich bitten, dass du durch dein heiliges Wort zu uns sprichst. Hilf mir, nur das zu sagen, was du sagen willst. Hilf, dass wir unsere Herzen öffnen, damit dein Wort tief in uns eindringen und das gute Werk vollbringen kann, zu dem du es gesandt hast. So bitten wir dich, dass du nun sprichst. Wir wollen hören. Amen.

Hintergrund und Kontext der Begegnung mit den Ältesten in Ephesus

Christian hat bereits in der Textlesung erwähnt, dass Paulus zuletzt in Troas tätig war. Er machte sich auf den Weg und fuhr dabei quasi an Ephesus vorbei. Der Hintergrund dazu ist folgender: Paulus wollte seine dritte Missionsreise eigentlich schon längst beenden. Er hatte sich vorgenommen, zurück nach Hause zu segeln, nach Syrien.

Dann gab es jedoch ein Mordkomplott gegen ihn. Deshalb musste er einen großen Umweg gehen. Statt direkt mit dem Boot von Korinth aus Richtung Syrien zu fahren, ging er noch einmal ganz zurück durch Mazedonien. Dort ermutigte er Gemeinden. Dadurch kam er noch einmal in die Nähe von Ephesus.

Paulus hatte es eilig, weil er zu Pfingsten wieder in Jerusalem sein wollte, zu diesem großen Feiertag. Deshalb ging er jetzt nicht noch einmal nach Ephesus. Dennoch hatte er eine ganz besondere Beziehung zu dieser Gemeinde. Deshalb ließ er sich nicht nehmen, die Ältesten in die Hafenstadt Milet zu rufen. Dort wandte er sich noch einmal an sie, um sie zuzurüsten. So sollten sie auf diese Gemeinde, die ihm so besonders am Herzen lag, gut Acht geben.

Paulus war in keiner Gemeinde länger als in Ephesus. Ich weiß nicht, ob euch das klar ist. Paulus zog normalerweise von Stadt zu Stadt und predigte. Oft entstanden Gemeinden, doch er ging weiter. Manchmal nach ein oder zwei Wochen, manchmal nach ein oder zwei Monaten.

Am Ende der zweiten Missionsreise war er in Korinth und blieb dort anderthalb Jahre. Das ist die Gemeinde, in der er am zweitlängsten war. Auf seiner dritten Missionsreise kam er nach Ephesus, wo er vorher schon einmal nur für einen Sabbat gepredigt hatte. Dort war er zuerst Evangelist und Gemeindegründer und dann Pastor.

Wir haben gerade im Text gehört: Drei Jahre lang war er in Ephesus tätig. Diese Gemeinde lag ihm mehr als alle anderen besonders am Herzen. Deshalb nutzte er die Chance, sich noch ein letztes Mal mit den Ältesten dieser Gemeinde zu treffen. Er erinnerte sie an seine Zeit mit ihnen und verwies auf sein Vorbild, an dem sich die Ältesten nun orientieren sollten.

Dann gab er ihnen einen Auftrag, den sie sehr ernst nehmen sollten. Anschließend betete er für sie und verwies auf einen Beistand, auf den sie sich verlassen dürfen.

Das sind die drei Punkte dieser Predigt: Sein Vorbild, sein Auftrag und der Beistand. Wir wollen uns diese Punkte nacheinander anschauen.

Ihr habt hoffentlich ein Gottesdienstblatt erhalten. Wenn ihr es aufschlagt, seht ihr neben dem Predigttext eigentlich nur Punkt eins. Auf der Rückseite, ganz klein, stehen noch Punkt zwei und drei.

Falls euch das ein wenig irritiert, lasst euch sagen: Mein erster Punkt ist entsprechend lang. Das passt gut von der Aufteilung her. Wenn ich nach einer halben Stunde immer noch bei Punkt eins bin, werdet ihr nicht nervös. Ihr werdet pünktlich zum Morgen wieder zu Hause sein.

Spaß beiseite: Der erste Punkt ist deutlich länger als die anderen beiden. Nur damit ihr das von vornherein wisst.

Paulus als Vorbild: Sein Leben und seine Lehre

Ein vorbildliches Leben in Dienstbereitschaft, Demut, Liebe und Ausdauer

Paulus ist ein Vorbild, an dem wir uns orientieren sollen. Er verweist dabei auf sein eigenes Leben und seine Lehre. Konkret nennt er zuerst vier Aspekte eines vorbildlichen Lebens. Wenn wir den Anfang und das Ende seiner Rede betrachten, wird das sehr deutlich.

Die Rede beginnt damit, dass Paulus sagt: „Ihr wisst, wie ich mich vom ersten Tag an, als ich in die Provinz Asien gekommen bin, die ganze Zeit bei euch verhalten habe, wie ich dem Herrn gedient habe – in aller Demut und mit Tränen und unter Anfechtungen, die mir durch die Nachstellung der Juden widerfahren sind.“ Am Ende seiner Predigt, in den Versen 33 bis 35, heißt es: „Ich habe von niemandem Silber oder Gold oder Kleidung begehrt, denn ihr wisst selbst, dass mir diese Hände zum Unterhalt gedient haben – für mich und die, die mit mir gewesen sind. Ich habe euch in allem gezeigt, dass man so arbeiten und sich der Schwachen annehmen muss, im Gedenken an das Wort des Herrn Jesus, der selbst gesagt hat: ‚Geben ist seliger als Nehmen.‘“

Das erste, was wir sehen, ist, dass Paulus sehr dienstbereit war. Er diente dem Herrn, wie es in Vers 19 heißt, und tat das, indem er den Menschen und der Gemeinde diente. Er war für sie da – in Demut, in aufopferungsvoller Liebe und mit großer Ausdauer. Diese Aspekte wollen wir näher betrachten.

Paulus hat in aller Demut gedient, wie es ebenfalls in Vers 19 steht. Das mag für uns zunächst seltsam klingen. Oft denken wir bei Demut an jemanden, der sich immer im Hintergrund hält, eher ruhig ist und sich ein bisschen wegduckt. Vielleicht habt ihr schon einmal so über Demut nachgedacht? Paulus ist das jedoch ganz und gar nicht. Er sagt: „Nehmt euch ein Vorbild an mir, seht auf mich und macht es auch so.“ Da denkt man vielleicht: Das ist doch nicht demütig. Oder vielleicht doch? Denn biblische Demut bedeutet nicht, sich wegzuducken oder nicht präsent zu sein.

Wer war der demütigste Mensch, der je auf Erden gelebt hat? Jesus! Und hat Jesus sich weggeduckt oder immer im Hintergrund gehalten? Nein, Jesus stand im Zentrum. Er war immer dort, wo er gebraucht wurde, im Mittelpunkt der Ereignisse. Er sprach, erwartete, dass die Menschen ihm zuhören, und vollbrachte große Wunder, um zu zeigen, wer er wirklich ist. Und trotzdem war er dabei demütig.

Dasselbe gilt für Paulus. Paulus kam in die Gemeinden. Stellt euch vor, er betrat die Synagogen und das Erste, was er wahrscheinlich tat, war, zum Synagogenvorsteher zu gehen und zu sagen: „Hallo, ich bin Paulus aus Tarsus. Ich würde gerne hier predigen. Wann wäre das möglich?“ Wenn das jemand anderes machen würde, könnte man denken: „Was für ein stolzer Hahn!“ Das gibt es ja gar nicht. Normalerweise würde man sagen: „Setz dich hin, halt die Klappe und hör zu.“ Doch Paulus stellte sich vor die Gemeinde, predigte und sagte: „Ich habe euch in aller Demut gedient.“

Die Demut zeigt sich darin, dass Paulus wusste, Gott hat ihn gesandt. Er übte sein Amt aus, das er von Gott erhalten hatte, aber nicht, um stolz alle Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen und zu sagen: „Schaut, wie toll ich bin, ich bin Paulus. Autogrammstunde gibt es nach der Predigt.“ So war er nicht. Paulus diente in aller Demut, indem er immer auf Jesus verwies. Er gab offen zu: „Ich bin der Größte unter allen Sündern.“ Doch sein Blick richtete sich immer auf Jesus und darauf, sich für andere hinzugeben. Das ist die Demut, nach der wir streben sollten.

Außerdem tat Paulus das in großer Liebe – das ist der nächste Punkt. Paulus war nicht nur demütig, sondern auch liebevoll. Wir sehen, wie sehr er die Christen in Ephesus liebte. Er schreibt zweimal, dass er in Tränen war, weil er sich so sehr für die Menschen hingab (Vers 19 und Vers 31). Paulus liebte seinen Herrn und die Menschen, die Gott ihm anvertraut hatte.

Schließlich sehen wir, dass Paulus bereit war, gerade in seiner hingebungsvollen Liebe auch Widerstand und Leid zu ertragen. In Vers 19 bezeugt er, dass er dem Herrn in aller Demut und mit Tränen gedient hat, trotz Anfechtungen durch die Nachstellung der Juden. Paulus war verlässlich. Er war kein Leiter, der nur große Reden schwang und bei Widerstand sofort das Weite suchte. Nein, er stand seinen Mann, ertrug Widerstand und ging offen in Diskussionen mit seinen Gegnern.

Manchmal musste er fliehen, wenn der Widerstand zu groß wurde. Meistens wurde er dazu ermutigt, „jetzt lieber gehen, die wollen dir an den Kragen“. Aber immer wieder war er auch bereit, sich einsperren und schlagen zu lassen – um des Evangeliums und der Gemeinde willen. Selbst wenn er fliehen musste, kehrte er stets zurück.

Wenn wir fliehen oder uns aus dem Staub machen, sagen wir oft: „Da gehe ich nicht mehr hin.“ Paulus jedoch besuchte jede Gemeinde, aus der er geflohen war, später wieder. Er liebte die Menschen und predigte beharrlich das Evangelium, bereit, dafür viel Leid zu ertragen.

In der Tat schreibt Paulus hier zu den Ältesten in Ephesus, dass er das auch weiterhin tun will. Er weiß, dass Gott ihn jetzt woanders gebrauchen möchte und dass ihm Schwierigkeiten bevorstehen. Das macht ihm nichts aus, denn er weiß, dass sein Auftrag nicht darin besteht, dass es ihm gut gehen muss, sondern darin, dem Herrn und seiner Gemeinde zu dienen.

So schreibt er in den Versen 22 bis 27, in die Zukunft blickend: „Und nun siehe, durch den Geist gebunden fahre ich nach Jerusalem und weiß nicht, was mir dort begegnen wird, nur dass der Heilige Geist in allen Städten mir bezeugt, dass Fesseln und Bedrängnisse auf mich warten. Aber ich achte mein Leben nicht der Rede wert, wenn ich nur meinen Lauf vollende und das Amt ausrichte, das ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium von der Gnade Gottes. Und nun siehe, ich weiß, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, zu denen ich hingekommen bin und das Reich gepredigt habe. Darum bezeuge ich am heutigen Tag, dass ich rein bin vom Blut aller, denn ich habe nicht unterlassen, euch den ganzen Ratschluss Gottes zu verkünden.“

Seht ihr dieses vorbildliche Leben des Apostels Paulus? Was ihn ausmacht, ist diese Dienstbereitschaft, diese Demut, diese Liebe und dieses Ausharren – auch unter Widerstand. Das darf uns ein Vorbild sein. Die Bibel ruft Christen wie dich und mich an verschiedensten Stellen dazu auf, genau so zu leben.

So stellt sich die Frage: Lebst du so? Wäre es gut für die Gemeinde, wenn andere deinem Beispiel folgen würden? Wenn nicht, dann nimm die Herausforderung an und strebe mit Gottes Hilfe danach, dem Vorbild des Apostels zu folgen. So kannst auch du für andere zu einem Vorbild werden.

Vorbildliche Lehre als Teil des Dienstes

Paulus tat das, er lebte vorbildlich und lehrte vorbildlich. Nun sind wir alle berufen, ein vorbildliches Leben zu führen. Nicht alle sind jedoch berufen zu lehren. Lehren ist eine besondere Begabung, eine Berufung für einige, aber für eine ganze Zahl von uns. Viele von uns lehren nicht unbedingt in der Predigt am Sonntag vor der Gemeinde, doch viele lehren in Hauskreisen, in verschiedenen anderen Gruppen oder vielleicht in Jüngerschaftsbeziehungen, und das ist gut so.

Alle, die unter uns lehren, sollten diese Worte hören und sich hinterfragen: Ist Paulus mir hier ein Vorbild? Lehre ich so, wie er lehrt? Und wir alle, selbst diejenigen unter uns, die sagen: „Lehren ist jetzt nicht so mein Ding, ich höre gerne zu, aber ich bin da selber nicht der Typ für“, das ist okay. Es ist nicht jedermanns Begabung. Aber wir alle haben eine Verantwortung für die Lehre in der Gemeinde. Das ist die Verantwortung aller Christen.

Wenn Paulus der Gemeinde in Galatien schreibt und darüber klagt, dass sie sich so schnell vom Evangelium abgewandt haben, dann nimmt er die ganze Gemeinde in die Verantwortung und sagt: Ihr alle seid verantwortlich für die Lehre. Also sollten wir diese Worte alle ernst nehmen.

Konkret sehen wir wieder vier Dinge über die vorbildliche Lehre des Apostels. Das Erste ist, dass er nicht nur irgendwelche Lieblingsthemen gelehrt hat. In Vers 20 sagt er: „Ich habe euch nichts vorenthalten, was nützlich ist.“ Er hat euch alles verkündigt und gelehrt, was nützlich ist. Einige Zeit später schreibt er in Timotheus, der zu dem Zeitpunkt in Ephesus war und dort der Gemeinde diente, dass die ganze Schrift von Gott eingegeben ist und nützlich zur Lehre, zur Rechtweisung, zur Besserung und zur Erziehung in der Gerechtigkeit.

Wenn er sagt, „ich habe euch nichts vorenthalten, was nützlich ist“ und „die ganze Schrift ist nützlich“, dann hat er ganz offensichtlich die ganze Schrift gepredigt. Tatsächlich sagt er das hier auch in Vers 27, dass er den ganzen Ratschluss Gottes verkündigt hat. Paulus hat also alles gepredigt.

Und das ist das, was wir auch in unserer Lehre brauchen. Wir brauchen das Alte und das Neue Testament, biblische Zusprüche und Verheißungen, aber auch die Warnungen und Gerichtsworte der Bibel. Nun gebe ich zu: Letzteres ist heutzutage nicht so populär. Das war es aber wahrscheinlich noch nie. Menschen wollen nicht korrigiert werden, sie wollen keine Warnungen hören. Sie wollen nicht hören, dass Gott eines Tages kommen wird, um die Lebenden und die Toten zu richten.

Aber gerade weil das so ist, ist es gut und richtig, dass Menschen das auch gesagt bekommen. Das ist Ausdruck der großen Liebe Gottes, dass er uns eben auch Warnungen und Gerichtsworte gibt. Und wir tun gut daran, das weiterzugeben. Wir sollten also darauf achten, dass in unserer Gemeinde alles gelehrt wird – der ganze Ratschluss Gottes. Das ist das Erste.

Das Zweite ist, dass Paulus uns vorlebt, dass Lehre nicht nur am Sonntag in einem Gemeindegottesdienst stattfinden soll. Nein, in Vers 20 belegt Paulus, dass er sowohl öffentlich als auch in den Häusern gelehrt hat. Und in Vers 31 ergänzt er, dass er drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen hat, jeden unter Tränen zu ermahnen. Das heißt, Paulus lehrte überall und zu jeder Zeit.

Nun ist es so, dass Menschen nicht unbedingt gerne belehrt werden. Das können uns Schulkinder sicherlich sagen, vielleicht auch die Studenten unter uns. Ich weiß nicht, wie das bei euch ist: Sagt ihr, ja, Semesterferien vorbei, endlich wieder lernen, oder ist es eher andersherum? Ich weiß nicht, wie es bei mir zu Hause ist mit meinen Töchtern. Und ganz ehrlich: Ich weiß, dass es auch bei denen, die keine Schüler und Studenten mehr sind, nicht anders ist.

Wir wollen nicht unbedingt belehrt werden. Und das ist auch der Grund, warum Lehre immer unter Druck gerät in Gemeinden. Schaut euch mal um, historisch: Sind die Predigtlängen länger geworden oder kürzer? Predigten kommen unter Druck. Denn die Menschen wollen nicht belehrt werden. Sie sagen: „Ach, ich brauche am Sonntag nicht so viel Belehrung. Ich brauche einfach ein bisschen was für meine Emotionen, ein paar schöne Lieder, ein paar erbauliche Worte, ein bisschen Gemeinschaft, ein bisschen Kaffee trinken und danach noch ein Bier am Sinans, wenn Corona vorbei ist. Das reicht.“

Aber Paulus hat offensichtlich anders gelebt, anders gelehrt – Tag und Nacht. Letzte Woche haben wir von einem Armenjüdikus gehört, der aus dem Fenster gefallen ist, weil Paulus die ganze Nacht durch gepredigt hat. Ich verstehe, dass für manche 45 Minuten Predigt sehr lang sind und es anstrengend ist, 45 Minuten zuzuhören. Aber ich bin davon überzeugt, dass das keine Überforderung sein sollte für uns.

Jeder Erstklässler schafft es, viermal 45 Minuten Lehre auszuhalten, fünf Tage die Woche. Das sollten wir doch auch hinkriegen, oder? 45 Minuten, nur einmal. Also für mich schon das dritte Mal heute, aber für euch einmal. Und manchmal ist es schwierig, für Leute lange konzentriert zu bleiben, weil es uns tatsächlich durch Medienkonsum und so weiter immer schwerer fällt, gut zuzuhören.

Dann gibt es hilfreiche Dinge, die man tun kann. Zum Beispiel haben wir dieses Gottesdienstblatt bewusst so gedruckt, dass es eigentlich Papierverschwendung ist: ganz viele weiße Stellen hier, gar nicht so richtig voll gedruckt. Das ist für euren Kugelschreiber gedacht. Dann kann man aktiv zuhören und bleibt mehr dran.

Ich sehe einige unserer reiferen Brüder, Ali da hinten und Stefan mit dem Stift in der Hand, die schon dabei sind, mitzuschreiben. Das machen nicht nur die Anfänger, das machen gerade die, die schon ein bisschen weiter im Glauben sind, weil sie wissen: So kann ich besser lernen, so kann ich besser zuhören. Es ist nicht jedermanns Sache, aber ich möchte euch ermutigen: Wenn es euch schwerfällt, hier 45 Minuten Predigt zu hören – ich warne euch schon mal vor, so lange wird es heute –, dann ist mitschreiben manchmal hilfreich.

Also Paulus war darauf bedacht, dass die Menschen Gottes Wort kennenlernen, immer besser kennenlernen. Tag und Nacht hat er gelehrt, in den Versammlungen und in den Häusern. Wir tun gut daran, uns daran ein Beispiel zu nehmen, sowohl im Lehren als auch im Lernen.

Das Dritte, was wir sehen, ist, dass Paulus alle gelehrt hat. Er hat die, die schon Christen waren, gelehrt und die, die es noch nicht waren. Er hat Juden und Griechen oder Heiden gelehrt. Er war auf alle Menschen bedacht. Vers 21 macht das deutlich: Sein evangelistisches Wirken war ausgerichtet sowohl auf die Juden als auch auf die Nichtjuden, die hier konkret Griechen genannt werden. „Ja, ich habe Juden und Griechen bezeugt die Umkehr zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus.“

Vers 31 sagt er dann, dass er wirklich alle gelehrt hat, zu allen geredet hat. Hier vielleicht nur eine ganz kurze Anwendung an die unter uns, die in der Situation sind, dass ihr Gottes Wort lehrt, vielleicht gerade die unter uns, die predigen oder anstreben, mal zu predigen: Bedenkt das in euren Anwendungen, wenn ihr Gottes Wort weitersagt, dass die Zuhörer nicht alle genauso sind wie ihr. Eure Anwendungen sind nicht immer die Anwendung für – in meinem Fall – mittelalte Familienväter oder in Jonassons Fall junge, frisch verheiratete.

Nein, denkt an die ganze Breite der Gemeinde, an die Vielfalt, die wir vorfinden, sodass Verheiratete und Singles, Kinder, Jugendliche, Erwachsene, Senioren, Leute aus verschiedensten Bildungshintergründen sich wiederfinden und angesprochen werden. Wenn wir so alle lehren, dann ist auch klar, dass nicht immer alles, was gesagt wird, ganz konkret für mich ist. Aber dann freue ich mich, weil ich weiß, hier predigt einer, der die ganze Breite im Blick hat.

Und wenn er einfache Dinge erklärt, vielleicht das Evangelium ausführlich erklärt, dann freue ich mich, weil ich weiß, hier dürfen auch Nichtchristen hinkommen und das Evangelium verstehen. Und wenn dann ganz komplexe Dinge erklärt werden, die mich theologisch gerade für den Moment überfordern, dann freue ich mich als junger Christ, weil ich weiß, dass ich auch in zwanzig Jahren in dieser Gemeinde noch etwas lernen kann.

Paulus hat das im Blick. Er predigt in unterschiedlicher Weise, sodass alle letztendlich davon profitieren können. Bei allem Lehren, aller Dinge, an allen Orten, zu allen Zeiten und zu allen Menschen verliert Paulus eines nie aus dem Blick: Er hat immer das Allerwichtigste gelehrt. Er hat bezeugt, wie wir das gerade gelesen haben, die Umkehr zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus.

Wie es in Vers 21 heißt oder in Vers 24, das Evangelium von der Gnade Gottes. Das ist die Botschaft, die wir immer wieder hören müssen. Wenn du heute hier bist und dich vielleicht schon eine ganze Zeit für den christlichen Glauben interessierst, vielleicht auch schon länger Gottesdienste besuchst, aber noch nicht ganz angekommen bist, noch nicht wirklich sagen kannst: Jesus Christus ist mein persönlicher Retter und Herr, ich lebe in einer persönlichen Beziehung mit ihm, dann ist das die Botschaft, die du heute Abend hören musst.

Alles andere ist für dich erst einmal noch gar nicht so relevant. Das ist entscheidend, das ist das Allerwichtigste: dass Jesus Christus zu uns Menschen gekommen ist. Gott selbst ist zu uns Menschen gekommen und ruft uns zur Umkehr, wie es hier heißt, eine Umkehr zu Gott.

Er ruft uns heraus aus unseren eigenen Wegen, die keine guten Wege sind, und ruft uns dazu auf, ihm nachzufolgen.

Wenn wir gerade über das Vorbild des Apostels nachgedacht haben, dann gehe ich mal davon aus, dass keiner von uns gesagt hat: „Job, Checkmark, passt alles bei mir.“ Gottes Wort zeigt uns auf, dass wir noch einen weiten Weg zu gehen haben, dass wir oft noch auf falschen Wegen unterwegs sind.

Deswegen ruft uns Gottes Wort zur Umkehr, einer Umkehr hin zu Gott, einer Umkehr Jesus hinterher. Jesus ist das perfekte Vorbild, dem es nachzueifern gilt.

Paulus hat selbst im 1. Korinther 11,1 gesagt, dass die Christen dort seinem Vorbild folgen sollen, so wie er dem Vorbild Jesu Christi folgt. Jesus ist das ultimative Vorbild, dem wir nacheifern sollen.

Und manchmal ist es dann hilfreich, wenn wir Menschen in der Gemeinde haben, Menschen, wie Paulus es für die Ältesten in Ephesus war und hoffentlich wie das andere hier in der Gemeinde sind, die uns ein bisschen helfen können, Jesus nachzufolgen, weil sie Jesus schon ein bisschen besser nachfolgen und wir ihnen nachfolgen können.

Sie führen uns mit ihrem Vorbild Jesus hin, zu Jesus hin. Das sollte unser Bestreben sein, dass wir andere dorthin führen. Sondern das sollte dein Bestreben sein, wenn Jesus noch nicht dein Herr ist, dass du ihn immer mehr als deinen Herrn kennenlernst und ihm immer mehr nachfolgst.

Der Auftrag an die Ältesten: Acht haben auf sich selbst und die Herde

Und doch reicht das allein nicht aus. Du brauchst mehr als nur ein Vorbild. Wir alle brauchen mehr als nur ein Vorbild, weil wir letztendlich schon so viel falsch gemacht haben und auch noch so viel falsch machen werden in unserem Leben, dass wir vor einem heiligen und gerechten Gott nicht bestehen können.

Selbst den hartgesottensten Atheisten schreit etwas nach Gerechtigkeit; es liegt tief in unseren Herzen. Wenn wir großes Unrecht sehen, dann schreit etwas in uns: Das kann doch nicht so sein! Das ist genau richtig, weil Gott das in uns angelegt hat. Und Gott wird gerecht richten. Das ist gut, aber auch ein Problem für uns alle, denn keiner von uns lebt so gerecht, dass wir im Gericht Gottes bestehen können.

Deshalb hat Gott etwas Wunderbares getan. Wir haben in Vers 28 davon gehört: Er hat seinen lieben Sohn in diese Welt gesandt, damit er sein Blut für uns vergieße. Wir sind erkauft durch das Blut seines lieben Sohnes. Das heißt, jeder, der sich Jesus zuwendet, jeder, der seine Schuld im Glauben an Jesus bekennt, der im Gebet zu Jesus kommt und sagt: „Sei du der Herr meines Lebens und vergib mir meine Schulden“, der bringt ihm seine Schuld.

Dann darfst du wissen: Jesus nimmt deinen Schuldschein, er sammelt all die Schuldscheine ein und zahlt sie. Er hat die ultimative Schuld bezahlt, als er am Kreuz von Golgatha gestorben ist, als sein Blut für uns vergossen wurde. So können wir vor Gott bestehen. Das ist die frohe Botschaft – auf Griechisch Evangelion. Das ist die frohe Botschaft, die Paulus immer und immer wieder gepredigt hat. Und das ist die frohe Botschaft, die wir hören müssen; das ist das Allerwichtigste. Glaubst du das? Glaubst du dieser Botschaft?

Ich würde mich freuen, wenn du mir diese Botschaft anvertraust. Wenn du Fragen dazu hast, kannst du nachher an der Tür auf mich zukommen oder mir diese Woche eine E-Mail schreiben. Dann können wir uns darüber austauschen, damit du dem weiter nachgehen kannst. Sei nicht zu stolz, einzugestehen, dass du vielleicht noch Fragen hast. Stell deine Fragen und geh dem nach.

Und wenn wir diese Botschaft schon glauben, lasst uns darauf bedacht sein, dass sie im Zentrum aller Dinge bleibt, dass das Vorbild, das Paulus uns gegeben hat, die Botschaft ist, die wir hören müssen.

Paulus war ein großes Vorbild für die Ältesten in Ephesus – durch sein Leben und durch seine Lehre. Er verweist darauf. Und nachdem er das getan hat, kommen wir zum zweiten Punkt dieser Predigt. Das ist das Herzstück seiner Ausführung: sein Aufruf an die Ältesten, ein Auftrag, kurz und prägnant und von größter Wichtigkeit.

Ich lese uns die Verse aus diesem Aufruf vor, Vers 28 bis 31. Der Aufruf liegt vor allem in Vers 28 und am Anfang von Vers 31, aber ich lese den ganzen Abschnitt:

Paulus sagt: „So habt nun Acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat, zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. Denn das weiß ich, dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen. Darum seid wachsam! Und denkt daran, dass ich drei Jahre lang Tag und Nacht nicht abgelassen habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen.“

Die Aufgabe lautet also: Acht haben, wachsam sein, hab Acht!

Er beginnt damit, dass er sagt: Habt Acht auf euch selbst! Wenn Paulus die Ältesten dazu aufruft, auf sich selbst Acht zu haben, was meint er damit eigentlich genau?

Nun, er meint sicher nicht, dass sie mehr an sich selbst denken sollen oder sich auch mal etwas gönnen sollen. Es geht nicht um das psychotherapeutische Konzept der Achtsamkeit. Das entspricht nicht dem, was Paulus getan hat, und auch nicht seinem Vorbild, dem die Ältesten nacheifern sollen. Sein Lebenswert steht im kompletten Widerspruch zu so etwas. Er hat sich nie geschont, sondern sich breitwillig für andere hingegeben und aufgeopfert.

Also kann es hier nicht darum gehen, dass ein Ältester auch ab und zu mal nur an sich denken sollte oder abends mindestens eine Stunde im Sessel mit einem guten Rotwein verbringt oder einmal im Monat einen Wellnesstag macht. Das ist hier nicht gemeint.

Was ist denn gemeint? Was heißt das eigentlich: auf sich Acht zu haben?

Paul schreibt an Timotheus, der später auch ein solches Amt in Ephesus ausübt, und sagt genau dieselben Worte zu ihm: Hab Acht auf dich selbst und auf die Lehre. Und er erklärt, das ist die Zusammenfassung.

Er erklärt vorher, was er genau tun soll: „Du aber sei den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Wandel, in der Liebe, im Glauben, in der Reinheit.“ Dann sagt er: „Dies lass deine Sorge sein, damit dein Fortschritt allen offenbar werde. Hab Acht auf dich selbst und auf die Lehre, beharre in diesen Stücken.“

Das heißt: Ich habe Acht auf mich, indem ich nach Heiligung strebe, indem ich darauf bedacht bin, ein hingebungsvoll christliches Leben zu führen. Lass dich nicht gehen! Älteste sollten Männer sein, die sich nicht gehen lassen, sondern ganz bewusst darauf bedacht sind, vorbildlich zu leben.

Also knüpft dieser Aufruf direkt an das an, was Paulus gerade über sich selbst gesagt hat: Hab Acht auf dich selbst, hab Acht auf dich selbst.

Dann fährt er fort und sagt: Und auf die Herde. Die Herde ist die Gemeinde. Ich hoffe, ihr versteht das. Die Bibel gebraucht immer wieder solche Bilder für die Gemeinde. Herde besteht aus Schafen – das sind wir. Und Schafe brauchen einen Hirten. Schafe gehören in eine Herde.

Das heißt: Wenn du ein Schaf bist, also wenn du ein Christ bist, dann brauchst du eine Herde, zu der du gehörst. Wenn du bisher Christ bist, aber in keiner Gemeinde Mitglied, dann hast du niemanden, der sich für dich verantwortlich fühlt. Du hast keine Hirten.

Ja, ich kann euch allen predigen, aber wirklich Acht geben kann ich nur auf die, die ich kenne, die mir gesagt haben: „Matthias, sei du bitte mein Hirte.“ Ich erlebe immer wieder, dass Geschwister in die Gemeinde kommen, hier sonntags im Gottesdienst sitzen, aber eigentlich zu einer anderen Gemeinde gehören. Dann sage ich: „Es ist schön, dass ihr hier seid, ihr seid herzlich willkommen, und ich hoffe, ihr profitiert von dieser Gemeinde. Aber nehmt es nicht persönlich, ich fühle mich nicht für euch verantwortlich. Ihr habt andere Hirten, die für euch verantwortlich sind.“ In das Geschäft kann ich mich gar nicht einmischen, und ich kenne euch oft auch gar nicht.

Wenn ihr sagt: „Doch, das ist meine Gemeinde, du sollst mein Hirte sein“, dann werdet Mitglied, sagt uns das, und das tun wir durch Mitgliedschaft. Dann sagst du: „Ich bin Teil dieser Herde, ich fühle mich hier eingegliedert“, und dann wollen wir auch für dich verantwortlich sein. Denn nur so können Älteste das tun, wozu Paulus sie aufruft: Hab Acht auf die Herde.

Dann kommt dieses interessante Wort bei der Wiederholung, wo er sagt: auf die Herde Gottes. Und das ist auch wichtig für jeden Ältesten. Das ist nicht die Herde von Jonathan oder von Matthias oder von Winfried. Wir sind eingesetzt von Gott, um seine Herde zu behüten.

Und, ihr Lieben, das ist für uns eine ganz hohe Berufung, denn wir werden Rechenschaft ablegen müssen vor Gott für das, was wir hier tun. Ich muss sagen, ich habe innegehalten, als ich die Predigt geschrieben habe und an diesem Punkt angekommen bin: Älteste werden Rechenschaft ablegen müssen vor Gott dafür, wie sie ihr Amt ausüben.

Dieses Amt ist kein leichtes Amt. Die Gemeinde wird unterschiedliche Wünsche und Anliegen haben, und es wird immer wieder vorkommen, dass die Herde sagt: „Oh, lassen wir da lang gehen.“ Und dann stehst du als Hirte da und siehst, dass da hinten vergiftetes Wasser ist, und die Herde marschiert in diese Richtung.

Du kannst der Herde nicht gefallen, weil du dem Herrn zugefallen bist, und du musst dich in den Weg stellen und sagen: „Nein, hier nicht lang!“ Das macht keinen Spaß. Die Herde blökt nicht alle an. Es ist deine Verantwortung als Ältester, Acht zu haben.

Das umso mehr, weil die Gemeinde immer bedroht ist. Das macht Paulus hier ganz deutlich. Er sagt, die Gemeinde ist ständig bedroht. Es gibt einen Widersacher, der nichts anderes im Sinn hat, als Gemeinden kaputtzumachen.

Da, wo Gemeinden treu unter Gottes Wort sind, da, wo Christen im Glauben wachsen und Jesus verherrlichen mit ihrem Leben, da hat der Teufel einen solchen Hals. Er hasst nichts mehr als Gott hingegebene Gemeinden. Und er wird alles tun, um diese Gemeinden von Gott wegzubringen.

Angriffe von draußen, Vers 29: „Denn das weiß ich“, sagt Paulus, „dass nach meinem Abschied reißende Wölfe zu euch kommen, die die Herde nicht verschonen werden.“

Paulus wusste das nicht, weil er schon einen solchen Pakt von Wölfen gesehen hätte, der auf dem Weg nach Ephesus war. Er wusste das, weil er den Teufel kennt. Er weiß, der Teufel kämpft um die Gemeinde, der Teufel kämpft um diese Gemeinde. Das Pakt Wölfe steht draußen vor der Tür.

In vielen Ländern und zu vielen Zeiten der Kirchengeschichte waren diese Wölfe ganz konkret Christenverfolger, Menschen, die aggressiv gegen Christen vorgegangen sind. Gott hat uns in Deutschland zu dieser Zeit davon verschont.

Aber glaubt nicht, dass der Teufel deshalb sagt: „Na ja, dann gehe ich woanders hin.“ Er findet andere Wege, um uns anzugreifen. Und wenn es nicht die aktive Christenverfolgung ist, dann ist es vielleicht das Zumüllen mit Wohlstand und allen möglichen anderen Angeboten.

Könnte es sein, dass Netflix eine Erfindung des Satans ist? Naja, nicht wirklich. Aber ihr wisst, was ich meine. Uns zumüllen, damit wir möglichst viel konsumieren, ja, wir können drei Stunden Netflix schauen und danach schaffen wir keine dreißig Minuten Predigt mehr.

Wir sind zugemüllt, und wir haben so viel Wohlstand, wir haben alles, dass wir Gott gar nicht mehr brauchen – außer wenn mal Corona kommt. Ihr wisst, was ich meine.

Meine Ältesten sind berufen, Acht zu haben gegen den Feind und zu sensibilisieren für die Gefahr. Dann fährt Paulus fort und sagt: Die Bedrohung ist nicht nur von draußen. Auch aus eurer Mitte werden Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren, um die Jünger an sich zu ziehen.

Woher weiß Paulus das? Hat er vielleicht schon ein paar gesehen? Nein, wenn er gewusst hätte, wer das ist, dann hätte er sie namentlich erwähnt. Das macht er nämlich in manchen Briefen, wo er sagt: „Der und der, passt auf!“

Nein, Paulus weiß, das ist einfach immer wieder so. Es wird Leute geben in unserer Mitte, die aufstehen werden, und das ist ein Umstand, mit dem wir rechnen müssen.

Wir als Älteste sind jetzt berufen, Acht zu haben auf die Herde.

Wie können wir die Herde davor schützen, dass Männer aufstehen, die Verkehrtes lehren und andere von ihnen weggezogen werden? Indem wir euch so viel gutes Futter geben, dass ihr euch nicht mehr verwirren lasst.

Nur wenn ihr gut zugerüstet seid, wenn ihr eure Bibeln wirklich gut kennt – nicht nur ein paar Abreißverse vom Kalender – nur dann wird im Hauskreis keiner mehr großen Blödsinn erzählen können. Dann wird man sofort sagen: „Halt, das kann nicht sein. Klingt zwar gerade plausibel, oder mit dem einen Vers scheinst du es belegt zu haben, aber das kann nicht sein.“

Das wünsche ich mir. Und ich bin dankbar, dass ich das hier bei vielen erlebe, dass, wenn ich mich mal in der Predigt verspreche oder nicht sorgfältig studiert habe, gleich an der Tür zwei oder drei Leute auf mich zukommen und sagen: „Das war doch nicht richtig.“ Preist den Herrn für Geschwister, die so wachsam sind!

Das ist eure Verantwortung, und es ist unsere Verantwortung: Acht zu haben auf die Lehre. Denn das ist der Hauptangriffspunkt des Satans.

Das ist der dritte Aspekt: Habt Acht auf euch selbst, habt Acht auf die Herde, habt Acht auf die Lehre.

Wenn jetzt für uns die Zeit gekommen ist, Älteste zu berufen, kann man sich natürlich nach allen möglichen Kriterien umschauen: Wie lange war der schon in der Gemeinde? Wie hoch ist sein IQ? Wie sieht er aus? Wie ist seine politische Orientierung? Alles interessante Fragen.

Aber letztendlich gibt es zwei Dinge, die von größter Bedeutung sind: Erstens, hat die Person einen vorbildlichen Lebenswandel? Ist das jemand, dem wir nachfolgen können und der uns hilft, Jesus ähnlicher zu werden?

Und zweitens: Ist das eine Person, die zugerüstet ist in der Schrift, die die Bibel wirklich gut kennt? Jemand, der theologisch stark ist, so dass er selber nicht verführt wird.

Denn das wäre ein Desaster, wenn die Lehrer, wenn die Leiter in der Gemeinde anfangen, Falsches zu lehren, weil sie selber verführt wurden. Das heißt, es muss jemand sein, der theologisch stark ist und damit in der Lage, auch andere zu lehren und so vor falscher Lehre zu schützen.

Das sind die Männer, die wir brauchen.

Und ich glaube, uns allen wird klar: Das sind ganz schöne Anforderungen, oder? Das fordert wirklich heraus.

Ganz ehrlich, als ich die Predigt geschrieben habe, dachte ich: Okay, wenn ich fertig bin mit der Predigt, wird die Gemeinde sagen: „Matthias, wann kündigst du eigentlich?“

Denn eines ist klar: Wenn ich mir das Vorbild des Apostels Paulus anschaue, wie er der Gemeinde gedient hat, wie demütig, hingebungsvoll und ausharrend er war, und dann mich selbst betrachte, denke ich: Ja, ihr habt etwas Besseres verdient.

Und wenn ich sehe, wie Paulus gelehrt hat, Tag und Nacht, wie er im Wort war, dann denke ich: Ich bin dem nicht gewachsen.

Ich weiß nicht, wie es dir geht, Jonathan, oder dir, Winfried. Ich weiß nicht, ob hier jemand sitzt, der sagt: „Ich glaube, ich wäre dann jetzt hier der geeignetere Älteste demnächst.“

Ganz ehrlich, ich glaube, dieser Text darf uns verblassen lassen.

Aber der Text ist noch nicht zu Ende bedacht.

Der Beistand Gottes als Stärkung für die Ältesten

Das, was mir diese Woche Mut gemacht hat und mich wirklich getröstet hat, ist der dritte Punkt, mit dem ich diese Predigt beenden möchte.

Paulus wendet sich an die Ältesten in Ephesus, die wahrscheinlich dort standen und sagten: „Wir haben Paulus erlebt, wir wissen, dass wir das niemals schaffen. Wir packen ein, wir gehen gar nicht mehr zurück nach Ephesus. Wir bleiben hier in Ephesus und fügen uns irgendwo ein, wo andere Christen sind. Dann sollen andere Älteste sein.“

Paulus spricht ihnen in Vers 32 etwas zu: „Und nun befehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, der da mächtig ist, euch zu erbauen und euch das Erbe zu geben mit allen, die geheiligt sind.“ Am Ende geht er mit ihnen auf die Knie und betet für sie.

Das allein gibt mir den Mut, morgen aufzustehen und weiter Ältester in dieser Gemeinde zu sein. Und das allein sollte auch dazu führen, darüber nachzudenken, ob vielleicht der Herr auch mich eines Tages als Ältesten in einer Gemeinde gebrauchen kann.

Das macht uns bereit zu sagen: Auch ich möchte mehr und mehr vorbildlich leben und vielleicht auch so lehren, weil es der Herr ist, der uns zurüstet und mit seiner Gnade zur Seite steht. Es ist der Herr, der sich um seine Gemeinde kümmert. Er ist der Erzhirte, der selbst über die Hürden wacht. Er ist der Allmächtige, der uns bewahrt und sicher ans Ziel bringt.

Der Herr baut seine Gemeinde, und der Teufel kann ihm letztendlich nicht das Wasser reichen und ihn nicht daran hindern. Dieser gute Herr gibt uns durch sein Wort den Auftrag, Acht zu haben auf uns selbst und aufeinander.

Und dieser gute Herr gibt seiner Gemeinde Älteste, die er gebrauchen will, um auf seine Gemeinde Acht zu haben. So möchte ich beten, dass der Herr das auch in dieser Gemeinde weiter tun möge:

Himmlischer Vater, wir danken dir für dein heiliges Wort. Wir danken dir für die große Herausforderung deines Wortes. Ja, das ist kein Wort, das uns wie Balsam runtergeht, sondern ein Wort, das uns herausfordert.

Aber du bist ein Gott, der uns liebt, und deswegen gibst du uns solche Worte, Herr. Ich bete für jeden unter uns, dass keiner jetzt nach Hause geht und denkt: „Ach, ich muss kein Vorbild für andere sein.“ Sondern dass wir alle mehr danach streben, einem Bruder oder einer Schwester in der Gemeinde durch unser Vorbild zu helfen.

Herr, ich bete für die Lehre in unserer Gemeinde, dass du uns davor bewahrst, falscher Lehre Raum zu geben. Ich bete, dass du uns als Gemeinde immer fester machst in dir und uns bereit machst, uns lehren zu lassen aus deinem Wort.

Danke, dass du uns so viel zu sagen hast in deinem heiligen Wort. Herr, baue du deine Gemeinde weiter und schenke uns auch in den kommenden Jahren Männer, die dieser Gemeinde gut vorstehen können. Männer, die vorbildlich leben und vorbildlich lehren, die Acht haben auf sich selbst und auf deine Gemeinde.

Das erbitten wir in Jesu Namen. Amen.