Wie der Chor vorhin sein Lied gesungen hat, da hat er mir so sehr ins Herz gesungen, dass mir diese Panne passiert ist: Ich habe das Lied vergessen.
Es war interessant. Ich hatte einen anderen Eingangsspruch gewählt und dachte: Jetzt fängst du den Gottesdienst mit dieser herrlichen Zusage nach der Himmelfahrt Jesu an – „Ich bin bei euch“.
Es ging mir genauso wie dem Chor, als er das gesungen hat. Ich dachte, das ist ein Wort für euch Konfirmanten: Gott hat sich an sein Wort gebunden. Darum ist die Bibel für uns so kostbar.
Und ich wollte, dass es euch ein Stück weit so geht wie mir, dass man das andere darüber vergisst – angesichts der großen Tatsache, dass Gott sich bindet.
Die Bedeutung der Bibel als Gottes Wort
Vor einigen Jahren sind meine Frau und ich in den Ostblock gereist. Wir wollten dort Christen besuchen. Das war im Jahr 1969.
An einem Grenzübergang standen wir in einer langen Schlange. Der Zöllner kam zu uns und fragte: „Ja, was haben Sie dabei?“ Wir antworteten, dass wir einige gebrauchte Kleidung für die Menschen mitgebracht hätten. Daraufhin sagte er: „Reichen Sie mir mal Ihre Mappe her.“ Ich gab ihm meine kleine Kolleg-Mappe. Darin waren nur meine Fahrzeugpapiere, ein Autoatlas und eine Bibel.
Der Zöllner – es war in Jugoslawien, bei der Ausfahrt nach Rumänien – nahm die Bibel in die Hand und sagte: „Ja, lesen Sie in der Bibel, ja, ich bin Christ.“
In den nächsten vier Stunden wurde unser Auto gründlich durchsucht. Es wurde in alle Einzelteile zerlegt, bis sie gefunden hatten, was sie suchten. Dabei entdeckten sie auch rumänische Bibeln und rumänische Schriften.
Diese Erfahrung lässt mich seitdem nicht mehr los. Warum werden Menschen, die selbst gottlos leben, so unduldsam gegenüber der Bibel? Junge Leute wissen das vielleicht noch kaum, aber andere wissen es besser. Selbst wenn sie die Bibel ablehnen, sagen sie: Dieses Buch – die einen lieben es, die anderen hassen es. Es gibt kaum eine gleichgültige Haltung dazu.
Das möchte ich euch heute mitgeben, an dem Tag, an dem wir euch die Bibel überreichen. Trägheit und Lässigkeit wären das Schlimmste, wenn ihr die Bibel einfach nur so an die Seite legen würdet.
Jochen Klepper hat in seinem großen Geschichtswerk „Der Vater“ beschrieben, wie einst die Salzburger nach Ostpreußen eingewandert sind. Er schrieb, es sei schier eine Prozession gewesen. Voraus ging einer, der die Bibel wie einen kostbaren Gegenstand auf der Hand trug. Diese Bibel war der Grund, warum sie ihren ganzen Besitz und ihre Heimat verlassen hatten. Sie war ihnen mehr wert als all das andere, was wir in unseren Augen so kostbar und wichtig finden.
Als ich das damals gelesen habe, dachte ich: Könntest du so in deinem Leben wählen? Ich dachte, das sei kaum möglich, dass einem die Bibel so viel wert sein kann.
Das Lied dazu heißt: „Mir ist es nicht um tausend Welten, sondern um dein Wort zu tun.“
Wir wünschen euch, liebe Konfirmanten, dass euch dieses Wort Gottes in eurem Leben so kostbar wird. Dass ihr selbst Erfahrungen damit macht, dass Gott sich an dieses Wort gebunden hat. Das Aufregende daran ist, dass Gott über diesem Wort wacht und es erfüllt.
Wir hoffen, dass ihr selbst die Erfahrungen mit diesem Wort Gottes machen dürft.
So geben wir euch heute in der Mitte der Gemeinde diese Bibel mit dem Wunsch, dass ihr selbst darin lest und eure eigenen Entdeckungen macht.
Die Kraft des Evangeliums trotz menschlicher Schwäche
Paulus spricht im zweiten Korintherbrief über sein Apostelamt und legt großen Wert darauf, dass kein Makel auf dieses Amt fällt. Er betont, dass er es aufrichtig und ehrlich führt.
Ab Vers 7 schreibt er:
„Wir haben aber einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwängliche Kraft Gottes und nicht von uns sei. Wir haben überall Trübsal, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht. Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um. Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserem Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserem Leibe offenbar werde. Denn mitten im Leben werden wir immer wieder dem Tod übergeben um Jesu willen, damit auch das Leben Jesu offenbar werde an unserem sterblichen Fleische.“
So ist nun der Tod mächtig in uns, aber das Leben in euch. Weil wir denselben Geist des Glaubens haben, wie geschrieben steht: „Ich glaube, darum rede ich“, so glauben wir auch und reden ebenso. Wir wissen, dass der, der den Herrn Jesus hat und ihn auferweckt hat, auch uns auferwecken wird mit Jesus. Er wird uns vor sich stellen – zusammen mit euch. Denn das geschieht alles um eueretwillen, damit die überschwängliche Gnade durch vieler Danksagungen Gott reichlich gepriesen werde.
Darum werden wir nicht müde, obwohl unser äußerer Mensch verfällt. Doch der innere Mensch wird von Tag zu Tag erneuert. Unsere Trübsal, die eigentlich eine zeitlich und leichte Bedrängnis ist, schafft für uns eine ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit.
Wir sehen nicht auf das Sichtbare, sondern auf das Unsichtbare. Denn was sichtbar ist, das ist zeitlich; was aber unsichtbar ist, das ist ewig.
Herr, du musst uns hier selbst lehren und unterweisen. Amen!
Die Bedeutung der Verpackung im heutigen Wirtschaftsleben
Wissen Sie, was Interpac ist? Das ist nicht das internationale Genf-Event oder das internationale Pac, sondern eine wichtige Branche des heutigen Wirtschaftslebens, die in den letzten Jahren eine große Steigerung erlebt hat.
Interpac veranstaltet große Messen, bei denen sich die internationalen Hersteller der Verpackungsindustrie treffen. Denn heute ist es sehr wichtig, wie man seine Gegenstände verpackt. Man denkt noch wehmütig an die Zeit zurück, in der man in einem Laden einkaufen konnte, ohne gleich mit dem Papier seinen Mülleimer füllen zu müssen. Aber heute ist das ganz anders geworden.
Diese Branche ist wahrlich aufgeblüht, denn sie hängt eng damit zusammen, wie man seine Produkte an den Mann bringen will. Die Verpackung muss lecker aussehen, geschmackvoll und verlockend sein, ja, verführerisch. Die gesamte Verpackung muss mit den Sprüchen harmonieren. Wenn man zum Beispiel sagt: „Damit sie kraftvoll zubeißen können“, dann muss die Verpackung auch ansprechend sein.
Jedes Mädchen, jeder Junge drückt heute auf die Kaba-Tube. Verlockend soll es sein, denn wie soll ein Bio-Vital schmecken, wenn man ihn in einer rostigen Büchse anbietet? Das passt doch nicht zusammen. Und kein Mensch wird Pralinen kaufen, wenn sie in einem schmutzigen Pappkarton angeboten werden. Nein, es muss lecker und kostbar aussehen, sonst kann man in unserer Welt nichts verkaufen und nichts anbieten.
Das ist eine selbstverständliche Sache – nur unser Gott hält sich nicht daran. Er verpackt sein großes Evangelium in ein völlig ungeeignetes Verpackungsmaterial. Kein Verlockendes, das zum Zugreifen einlädt, viele sind deswegen abgestoßen. Wir haben schon oft festgestellt: Gott ist ein sehr schlechter Geschäftsmann. Und genau das wollen wir heute einmal an der Verpackung untersuchen.
Die billige Aufmachung des Evangeliums
Mein erster Punkt ist die billige Aufmachung des Evangeliums. Nicht das Evangelium selbst ist billig – es ist ein Schatz –, aber es ist auf eine billige Weise verpackt.
Was meint Paulus mit der Verpackung? Er meint damit die Boten, die uns das Evangelium predigen. Sie sind eine unansehnliche, schäbige Verpackung. Wir alle, die das Evangelium weitersagen – Sie doch auch, Sie sind doch in diesem Dienst tätig – passen gar nicht so recht zusammen mit der Botschaft. Es sieht nicht gut aus und wirkt nicht besonders überzeugend.
Neulich war ich in einem Kreis junger Leute. Da sagte einer: „Ich will das Evangelium erst dann predigen und weitersagen, wenn mein Leben auch wirklich nach außen hin sichtbar leuchtet.“ Da habe ich gedacht: Wenn du ehrlich bist, wirst du dann nie predigen können, wirst nie reden können. Das ist ja unsere Not. Wir sterblichen Menschen müssen eine Botschaft weitergeben, die viel, viel größer ist als wir selbst. Unser Leben steht in einem großen Kontrast dazu.
Das ist wirklich so, als würde man die besten Pralinen in ein dreckiges Zeitungspapier einwickeln. Wir sagen die großen Worte Gottes weiter. Liebe Konfirmanden, nehmt das einmal so zu euch gesprochen: Wir drücken euch dieses Wort Gottes in die Hand, obwohl ihr doch an uns ständig die Begrenzungen sterblicher Menschen spürt.
So schwach sind wir doch. Paulus sagt: Wir haben einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen. Paulus war ein Mann, der in der Bibel, im Alten Testament, zu Hause war. Ihm war natürlich klar, dass dieser Satz ein Bibelbezug auf Klagelieder 4 ist. Dort schreibt Jeremia davon, dass einst das Volk Israel wie Gold war, nun aber das Gold ganz schmutzig geworden ist. „Wie sind die Kinder Israel geworden? Ja, den irdenen Gefäßen gleich.“
Paulus sagt: So ist doch unser Menschenwesen. Gott hat eigentlich aus uns ganz kostbare Edelsteine schaffen wollen. Aber was ist daraus geworden? Irdene Pötte, die man zerbrechen und zerschlagen kann. Da ist nichts mehr von Glanz und Strahlen, sondern ganz zerbrechliche menschliche Figuren.
Paulus dachte natürlich an seine irdische Persönlichkeit, die sterblich war. Doch das ist noch nicht alles. Paulus hat eine Zeit lang in seinem Leben auch ganz groß davon gesprochen, wie er einer ist, der Gottes Gebote verwirklichen kann und große Fortschritte macht. Bis er in seiner Bekehrungsstunde zum ersten Mal begriffen hat: „Ich bin ein elender Mensch. Wer wird mich erlösen vom Leibe dieses Todes?“
Ihr lieben Konfirmanden, darum reden wir hier so viel von Schuld, weil das meine Not ist und die Not der Christen, die zum Glauben gekommen sind. Sie entdecken das erst in ihrem Leben: Wir sind Menschen, die nicht nur sterblich sind, sondern Menschen, die gar nicht zu diesem großen Schatz eigentlich passen.
Dann hat Paulus das Evangelium auf eine so unwahrscheinliche Weise gepredigt. Er war im Mittelpunkt der damaligen hellenistischen Kulturwelt in Athen, auf dem Areopag. Dort hielt er eine Rede, in der er die ganze griechische Philosophie aufarbeitete und mit Zitaten diese Menschen überführte. Paulus hat sich ganz in diese Ansprache hineingegeben.
Man denkt: Jetzt bricht er doch diese hellenistische Kultur auf. Doch dann stehen die Zuhörer da und grinsen frech. Einige sagen: „Was will dieser Lotterbube sagen, dieser hergelaufene Dreckskerl?“ Er wird heruntergeputzt.
Paulus wurde immer bewusst, dass, wenn wir reden, das oft gar keinen Eindruck macht. Die Menschen sehen immer nur uns – und dann stoßen sie sich an uns. Wie oft hören wir das bei Hausbesuchen, dass die Leute sagen: „Ja, wissen Sie, an Gott glaube ich schon, aber die Christen, die Christen... ja, ja, das stimmt ja.“
Wir betreten das Evangelium und sind ein großes Hindernis. Wir stehen dem Evangelium im Wege. Ich wollte euch das heute Morgen so sagen, dass ihr es nicht mehr vergessen könnt: Schaut nicht auf uns! Das ist eine billige Verpackung – wir, die das Evangelium weitersagen. Ihr müsst auf den Schatz sehen, den wir bringen.
Auf das, was zwischen diesen beiden Buchdeckeln drinsteht. Ihr müsst tiefer suchen. Ihr dürft hier nicht an den Gesichtern der Menschen stehen bleiben, die hier um euch herum sind. Wir haben einen solchen Schatz in irdenen Gefäßen.
Die Bedeutung von Leiden und Schwäche im Glauben
Und Paulus sagt, oft ist es in unserem Leben so, dass sehr viel geschieht, wodurch uns Gott immer wieder zeigt, wie wenig wir können. Ich habe euch zuvor von einem kleinen Ereignis im Jahr 1969 erzählt. Für mich war das damals eine ganz bittere Erfahrung, die mich eine Zeit lang schwer belastet hat.
Warum gibt mir Gott solche Niederlagen? Ich habe doch vorher gebetet. Ich wollte diese Fahrt doch fertigbringen und die heiß ersehnten Bibeln hinüberbringen. Warum ist das nicht gelungen?
Paulus spricht davon, dass in seinem Leben Verfolgung und Unterdrückung sind. Wir tragen das Sterben Jesu an unserem Leib. Er sagt, dass manche Christen in ihrem Leben viel Schweres tragen müssen – übrigens nicht nur Christen, sondern jeder Mensch trägt Schweres. Aber Christen wird das nicht einfach weggenommen, auch wenn sie beten. Vielleicht müssen sie es bewusster durchleiden als andere Menschen, weil sie erkennen, dass sie nur irdene Pötte sind, zerbrechliche Gestalten.
Warum denn? Damit die überschwängliche Kraft von Gott kommt und nicht von uns. Das macht Gott immer wieder klar, auch in unserem Dienst. So wie Sie heute hier sind, entdecken Sie immer wieder die Grenzen von uns allen. Ich sehe Ihre Grenzen, Ihre Person, und es gefällt Gott, in armseligen Verpackungen seinen Schein hell aufleuchten zu lassen.
So wie Gott einst das Licht aus der Finsternis hervorleuchten ließ am ersten Schöpfungstag, so macht er das immer wieder in unseren Tagen.
Ich vermeide, wenn irgend möglich, in meinen Predigten das Wort Kirche, weil auch unsere Kirche Teil dieses irdenen Gefäßes ist. Wir können damit keinen Staat machen. Das ist eine zerbrechliche Größe, das sieht man auf Schritt und Tritt.
Aber das Wunder bleibt für uns: In dieser Verpackung leuchtet das Licht immer wieder hell hervor, der Schatz des Evangeliums strahlt auf. Wenn wir im Dienst für unseren Herrn stehen, dann darf uns das nicht mehr stören.
Wir sind diese billige, armselige Verpackung, aber der Schatz wird hineingelegt. Man kommt um diesen Kontrast nicht herum. Gott gebraucht Werkzeuge, aber die Schwachheit der Werkzeuge soll sichtbar werden.
Der kostbare Schatz trotz menschlicher Begrenzung
Ich möchte Ihnen einen zweiten Punkt zu diesem Abschnitt erklären. Ich gliedere das für diejenigen, die es noch nicht gewohnt sind, damit wir es besser behalten und unsere Gedanken konzentrieren können.
Der erste Punkt war die billige Verpackung, jetzt folgt der zweite: der kostbare Schatz.
Wenn nun jemand sagt: „Ja, ich will aber gar nicht predigen, denn ich bin dafür noch gar nicht so weit in meinem Glauben. Ich kann nicht anderen weitererzählen, was ich glaube oder welche großen Zusagen Gottes uns im Wort der Bibel gegeben sind“, dann hat er gar nicht begriffen, dass gerade in diesem Kontrast Gottes wunderbares Wirken liegt. Je schwächer der Bote ist, desto größer ist das, was Gott wirkt.
Ich werde am nächsten Sonntag, am Pfingstnachmittag, in Bobengrün sein, wo ein großes Pfingstjugendtreffen stattfindet. Dort erzählen die jungen Leute immer wieder, dass der Anfang dieses Treffens in einer Gegend war, in der keiner richtig glaubte. Es begann mit einem jungen Burschen, der vom Kirschbaum fiel und zeitlebens zuhause im Bett lag. Er konnte nicht mehr aufstehen – ein Wrack, ein unnützer Mensch, würde ein anderer sagen.
Dann sind ein paar Freunde gekommen und haben sich um sein Bett gesetzt, damit er nicht so einsam sei. Doch dieser schwer kranke junge Mann war ein Mensch, der den Schatz des Evangeliums begriffen hatte. Aus diesem kleinen Kreis um das Bett eines schwer kranken jungen Mannes ist plötzlich ein so heller Schein geworden, dass junge Menschen von weit herkommen, um dort den großen Schatz des Evangeliums zu hören.
Das ist für Gott kein Hindernis.
Wir wollen dem einfach mutig ins Gesicht sehen: Natürlich wirken wir abstossend. So und so viele Konfirmanden werden sich nach ihrer Konfirmandenzeit über mich, über uns, über unsere Ludwig-Hofhacker-Kirche ärgern. Ich sage es Ihnen heute noch einmal direkt ins Gesicht: Wenn ihr euch an uns aufhaltet, seid ihr dumm, ihr habt den Schatz verpasst.
Wir wollten euch nie etwas von uns erzählen. Wir wollten euch die ganze Zeit nur von dem Schatz weitersagen. Darum reden wir. Paulus sagt: „Ich glaube, darum rede ich.“ Ich mache den Mund auf und rede davon, obwohl ich nur billige Verpackung bin. Aber ich vertraue darauf, dass andere Menschen den Schatz sehen und sich nicht an unserer brüchigen Persönlichkeit, an unseren Schäden, Schwächen und Begrenzungen aufhalten.
Leid und Herrlichkeit im Glaubensleben
Ich muss noch einmal einen Punkt betonen, damit kein Missverständnis entsteht. Es kann ja immer sein, dass jemand denkt: Werden Christen vielleicht mehr ins Leiden geführt? Meine Beispiele heute beziehen sich auf schwer kranke junge Leute. Nein, das stimmt nicht.
Gestern las ich in der Zeitung, dass Toni Turek, ein großer Fußballer meiner Jugendzeit, ebenfalls schwer krank und gelähmt ist. Das ist ein Schicksal, das viele Menschen trifft. Leiden gibt es bei vielen Menschen.
Das Große ist, dass sich im Glauben eine Leidenszeit nehmen kann und plötzlich von großer Herrlichkeit überstrahlt wird. Was ist das? Ich kann es mit menschlichen Worten kaum ausdrücken: Es ist der Schatz des Evangeliums, die Auferstehungskraft. Die Bibel meint damit, dass etwas sichtbar wird von dem Herrn Jesus, der den Tod überwunden hat und die Begrenzungen dieser Welt fortwährend überwindet.
Das geschieht aus schwachen, sterblichen, kleinen Menschen. Gott kann so wirken, dass andere dadurch zum Glauben kommen, ihre Probleme lösen und aus Bindungen befreit werden, die sie bisher nicht abschütteln konnten. Denn der Herr wirkt.
Darum ist es uns wichtig, dass diese Kraft Christi in unserem Leben wirksam wird. Paulus sagt: Mir macht es gar nichts mehr aus, wenn in meinem Leben noch so viel von der brüchigen Person sichtbar wird. Ich glaube, deshalb rede ich. Dennoch wirke ich und vertraue darauf, dass seine Kraft an unserem sterblichen Leib offenbar wird.
Es wäre schlimm, wenn wir etwas darstellen wollten, etwas leuchten oder Großes machen wollten und Gott uns das langsam aber sicher aus der Hand schlagen müsste. Das darf uns nicht stören, wenn wir euch nichts Attraktives bieten können – weder im Sinn der Kaba-Werbung noch der Zigarettenwerbung.
Ich weiß, wie schwer das für einen Konfirmanden ist, wenn wir zusammensitzen und nur dieses Buch, die Bibel, aufschlagen. Jeder Zirkus ist interessanter: Einer, der mit dressierten Löwen umgeht, einer, der am Trapez schwingt, oder jemand, der mit 140 Stundenkilometern mit dem Motorrad über die Autobahn rast – das ist doch etwas zum Anschauen!
Doch wir wissen, dass hier etwas in eurem Leben geschieht, wenn Gott seine Kraft an euch wirken lässt und ihr seine Botschaft begreift. Wir wollen uns hüten vor einem schwärmerischen Ton, als ob wir etwas sein oder leuchten könnten.
Nach außen wird immer nur unsere Begrenzung für andere ärgerlich bewusst werden. Aber wenn der Schatz leuchtet, wenn das Wort Gottes Wirkung zeigt und der Name Jesu gepriesen wird, dann soll uns das genügen.
Das Leben als vorübergehendes Gerüst
Dann habe ich davon gesprochen: Das Erste war mir wichtig – die billige Verpackung. Das Zweite war der kostbare Schatz. Jetzt muss ich noch einmal betonen: Unser Leben ist nur ein Provisorium. Das ist ein Fremdwort, es bedeutet nur etwas Vorläufiges.
Unser irdisches Leben, das, was man sieht, ist nur ein Provisorium. Man sieht das immer wieder an Neubauten: Draußen steht das Gerüst, und je länger das Gerüst steht, desto hässlicher sieht es aus. Die Bretter werden schmutzig, dreckig und rissig. Aber je länger dieses Gerüst steht und je rissiger und schmutziger die Bretter und das Gerüst auch sind – ebenso der Bauzaun, der diesen Neubau zudeckt – umso mehr geht der Bau seiner Vollendung entgegen.
Es ist heute ein großes Problem geworden, auch für Christen, ihr Alter zu bewältigen. Sie leiden daran, dass ihr Leben in immer größere Schwachheit hineingeht – körperliche Schwachheit, Leiden, die sich nicht mehr lösen und nicht mehr abnehmen. Man denkt dann vielleicht heute wehmütig zurück und fragt sich, wie die jungen Leute noch einmal neu starten können mit ihrem Leben.
Doch das macht gar nichts aus, je brüchiger unser Leben auch nach außen aussieht. Wir sehen die Siege Jesu nicht darin, dass er bis ins 98. Lebensjahr in Körperkraft strotzt. Ganz im Gegenteil: Je rissiger und brüchiger das nach außen erscheint, umso mehr ist dahinter schon der Neubau vollendet.
Paulus spricht davon in einer Redeweise, die sehr geheimnisvoll ist. Er sagt, es gibt in einem Christenleben einen unsichtbaren neuen Menschen – einen unsichtbaren. Lesen Sie das beim Apostel Paulus nach und wehren Sie jede Schwärmerei ab, die diesen unsichtbaren Menschen sichtbar machen will. Paulus sagt: Was sichtbar ist, das ist zeitlich und wird mit dem Tod ausgelöscht. Den unsichtbaren Menschen kennt nur Gott. Er reift in uns heran – der neue Mensch der Ewigkeit.
Dieser Mensch wird heute schon hinter dem Gerüst des Alten aufgebaut. So wie man unten in der Calwerstraße diese Häuser renoviert hat: Man ließ vorne die Fassade stehen, aber hinten wurde ein moderner Neubau hochgezogen – stabil, fest und aus Beton. So baut Gott in unserem Leben.
Von außen sehen wir nur den schwachen Leib, den alten Menschen. Wir sehen das Zerbrechliche und das Brüchige. Wir sehen einen Menschen, der jahrelang mit seiner Krankheit kämpft und fast zerbrochen wird. Paulus sprach vom Leib der Erniedrigung, vom Leib, der uns täglich bewusst macht, dass es ein ausgehendes, auf Sterben ausgerichtetes Leben ist.
Doch unsichtbar hat Gott schon das Neue zubereitet, das Neue beginnt. Nun ist es nur wichtig, dass dieser neue Mensch wachsen kann – dieser unsichtbare. Unsere Bedrängnis, in der wir stehen, schafft eine neue, ewige und über alle Maßen wichtige Herrlichkeit.
Die überschwappende Kraft Gottes
Ich habe ein Wort noch nicht ausgelegt, das ist ganz wichtig: das Wort „überschwänglich“. Es kann sein, dass es nur als eine Steigerung gebraucht wird, so in einer recht nichtssagenden Sprache. Paulus meint das aber nicht so.
Vielmehr ist es, als hätte man ein kleines Gefäß, in das man so viel Wasser hineingießt, dass das Gefäß das Wasser nicht fassen kann und es überläuft. Nehmen Sie das Wort „überschwappend“, damit die überschwappende Kraft von Gott sei und nicht von uns.
Wenn wir den Film gesehen haben, „Die Zuflucht“ von dieser Schwester Betsy, einem sehr schlichten und schwachen Menschen, der selbst in diesem Inferno von Unmenschlichkeit eines Straflagers in dieser überschwappenden Kraft Gottes lebt, dann ist das jedes Mal ein Wunder, bei dem uns selbst die Sprache wegbleibt.
Mit so etwas können wir selber gar nicht rechnen: dass Menschen immer wieder von Gott befähigt werden. Jeder Krankenbesuch, den sie machen, ist nur sinnvoll, wenn es so ein Stück überschwappende Kraft Gottes ist. Sie sagen: „Ich weiß gar nicht, was ich sagen soll.“ Und dann legt Gott seine Ehre hinein und wirkt durch sie.
Mir ist oft bange vor dem Predigen und dem, was die Menschen erwarten. Wenn das nicht jedes Mal ein Wunder Gottes ist, der die Toten lebendig macht, dann sind es nicht unsere Kraft und unser Können.
Manchmal muss ich lächeln, wenn jemand sagt: „Ich habe von der Predigt nicht viel mitgenommen.“ Dann muss ich sagen: „Du hast hoffentlich jetzt gemerkt, woher das kommt.“ Es ist nicht so, dass das einer mitbringt und sich das auf den Zettel schreibt, weil er es eben so macht, sondern es kommt darauf an, ob die Kraft Gottes in unserem Leben wirksam ist.
Zeugnisse des Glaubens in Schwäche und Leiden
Es ist jetzt ein großartiges Buch neu aufgelegt worden, das vor Jahren eine wichtige Bedeutung für Christen hatte. Auch für mich gehört es zu den wichtigsten Werken von Jean Bode, der den französischen Protestantismus behandelt.
Vorne im Buch steht eine Geschichtsdarstellung der Hugenottenbewegung in Frankreich. Diese hat mich schon als jungen Menschen fasziniert. Jean Bode erzählt dort von Madame de Craverot, einer alten Dame, die so schwach war, dass sie an einem Sommertag nicht auf die Straße gehen konnte. Sie fürchtete, die Sonnenstrahlen könnten sie umwerfen. Deshalb spannte sie ihren Schirm auf, um sich zu schützen.
Madame de Craverot war eine gläubige Christin. Eines Tages wurde sie abgeholt und zum Scheiterhaufen verurteilt. Die Frau sagte: „Das stehe ich doch gar nicht durch, ich halte überhaupt nichts aus, ich bin ein so weicher Mensch.“
Jean Bode schreibt, diese Madame de Craverot war eine derjenigen, die am schönsten auf dem Scheiterhaufen gesungen hat. Denn das ist Gottes überschwappende Kraft in unserem Leben. Wo etwas von Gott wirksam wird, tut er das am liebsten dort, wo die Schwäche mit Händen zu greifen ist.
Und genau dort geschehen Aufbrüche und Bewegungen.
Einladung zum Glauben und Vertrauen auf Gottes Kraft
Wie soll ich schließen? Ich möchte Sie nur dazu aufrufen, in Ihrem Leben Raum zu schaffen für diese überschwappende Kraft Gottes. Ich glaube daran, deshalb spreche ich. Ich will mich ihm zur Verfügung stellen, denn es geschieht nicht durch Können, sondern durch Glauben.
Ich weiß, dass das Neue in unserem brüchigen Leben bereits geschieht – das Neue, das Unsichtbare gewinnt in dieser Welt schon Gestalt, auch wenn ich mit den Augen nur das andere wahrnehmen kann. Zu diesem Dienstruf zieht der Herr. Amen.
Lullen beten: Herr Jesus Christus, vor dir ist die Brüchigkeit unseres Lebens ganz klar. Vor dir brauchen wir keine großen Worte mehr zu machen – nicht nur unsere zerbrechliche Persönlichkeit, unsere hinfällige Seelen- und Nervenkraft, sondern auch viel mehr unsere schwere Schuld, die unser Leben prägt, unsere Gottlosigkeit, die uns bis heute begleitet.
Aber wir danken dir, dass du in solchen Menschen selbst Wohnung machen willst und dass du deinen Schatz in irdene Gefäße hineinlegst. Wie viel größer kann jetzt erst der Schatz aus unserem Leben hervorleuchten? Wie viel mehr kann dein Wort jetzt erst bewirken?
Herr, bewahre uns vor allem falschen Glanz, vor der Suche nach eigener Ehre und Anerkennung, auch vor dem Streben nach irdischen Dingen und organisatorischen Angelegenheiten deines Volkes hier auf Erden. Wir wollen allein danach streben, dass dein Licht hervorleuchten kann und dass dein Wort heute Menschen erreicht.
Lass das doch auch geschehen in unseren Tagen, in unserer Stadt, dass viele Menschen zu einem Glauben an dich kommen. Wir befehlen dir auch unsere Konfirmanden und unsere ganze Jugend an. Du kennst ihre Fragen und ihr Suchen; du weißt, wie oft sie durch vieles abgelenkt sind, was ins Auge sticht.
Lass sie in ihren Fragen dein Wort begreifen, damit du ganz direkt und persönlich zu ihnen sprechen kannst und sie dir glauben, dir und deinem Wort nachfolgen.
Lasst uns gemeinsam beten: Vater unser im Himmel, geheiligt werde dein Name, dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Nun bitten wir um den Segen des Herrn: Herr, segne uns und behüte uns. Herr, lass dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig. Herr, erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
