Glaube als überwundener Zweifel und Gewissheit des Heils
Aber unser Glaube soll ein überwundener Zweifel sein und nicht immer mit der Unsicherheit leben, vielleicht stimmt es doch nicht.
Als bei der Pfingstpredigt Petrus vor das Volk Israel trat, sagte er: „So wisse nun das ganze Haus Israel gewiss.“ Wir sollen Gewissheit des Heils haben. Wenn wir Mut zum Glauben haben, soll ein großes Zutrauen in uns sein: Unser Gott lebt, sein Wort ist verlässlich, er sucht auch mich.
Wir werden ja von allen Seiten immer wieder angefragt. Merkwürdigerweise wird von dem großen Gottesleugner Friedrich Nietzsche, dem Philosophen, immer wieder in der Christenheit das Wort nachgeplappert: Die Christen müssten wie Erlöste aussehen, wenn man an ihren Erlöser glauben soll.
Nietzsche war so gescheit, dass ich gar nicht annehmen kann, dass diese Frage echt war. Er kannte sich auch so gut in der Bibel aus, dass der wahre Glaube nicht am grinsenden Gesicht abgelesen wird. Nietzsche wusste auch, dass in der Bibel steht, wie Hiob auf seinem Aschenhaufen saß. Seine Söhne waren gestorben, sein ganzes Eigentum war verloren, er war krank, durch und durch. Da hat er nicht mehr gelächelt.
Als seine Frau sagte: „Schwör doch Gott ab, es lohnt sich doch nicht“, da antwortete er: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“ Sicher lächelte er dabei nicht, aber er wusste: Mein Erlöser lebt und verlässt mich nicht. Es hat nichts damit zu tun, erlöst auszusehen.
Als der Herr Jesus am Kreuz hing, in letzter abgrundtiefer Schwachheit, starb man ja nach unsäglichen Qualen meist an einem schmerzhaften Kreislaufzusammenbruch. Dabei zieht sich das ganze Gedärm, das ganze Blut nur noch nach unten. Und da spricht Jesus das Psalmwort: „In deine Hände, Vater, befehle ich meinen Geist.“ Wissen Sie, wie das Psalmwort weitergeht? „Du hast mich erlöst, Herr, du treuer Gott!“
Jesus wusste auch, dass sein Erlöser lebt. Er hatte ein Haupt voll Blut und Wunden und sah nicht erlöst aus. Also gibt es dumme Anfragen, und wir lassen uns oft durch solche Anfragen aus der Ruhe bringen.
Zweifel und historische Glaubwürdigkeit der Bibel
Etwa um die Jahrhundertwende gab es die große Freidenkerbewegung. Diese tat so, als ob alles in der Bibel verlogen sei und nur aus Märchen bestehe. Es ist töricht, so etwas zu behaupten.
Ich habe eine Schwester, die zuerst Theologie studiert hat. Sie hat all die Fragen der Theologieprofessoren, etwa ob das Wort stimmt oder ob man es ernst nehmen kann, zur Kenntnis genommen. Danach hat sie Geschichte studiert. Sie wollte Lehrerin werden, für Religion und Geschichte.
Dann hat sie gelacht und gesagt: Wenn wir in ein Seminar bei unseren Historikern kommen, sagen diese, dass das bestverlässliche Buch im ganzen Altertum zumindest die Bibel sei. Sie sei besser überliefert als die Werke von Caesar, Cicero oder Herodot. Es gibt dumme Anfragen.
Es ist dann passiert, dass der Sohn eines solchen Freidenkers aus Berlin, der im Unglauben seines Vaters erzogen wurde – nämlich, dass die Bibel alles verlogen sei – neulich bei einer Abteilung kam, die im Fernsehen gezeigt wurde: die bayerische Fliegerabteilung, die nach Palästina versetzt wurde, an den Feldflugplatz Akko.
Dieser Sohn schickte seinem Vater aus Palästina eine Ansichtspostkarte von Jerusalem. Der Vater ging mit dieser Postkarte an seinen Stammtisch in Berlin und sagte: Stellt euch vor, Jerusalem, das gibt es wirklich!
Also, es gibt dumme Einwände, weil manche Leute meinen, alles sei verlogen. Aber in unserer Bibel, die nur das Wichtigste berichtet, wird erzählt, dass einer von Jesu Freunden, Thomas, gesagt hat: Ich glaube es nicht, ich kann es nicht für wahr halten, dass Jesus auferstanden ist. Das sei technisch unmöglich.
Bevor ich ihn nicht betasten kann und meine Hände in seine Nägel legen kann – er ist doch am Kreuz gestorben –, bevor ich meine Hand in seine Seitenwunde lege, die der Kriegsknecht ihm zugefügt hat, und als deutlich wurde, dass Blut und Wasser herauskamen, und das Blut schon zersetzt war, liebe Leute, ist es doch biologisch unmöglich, dass er noch einmal lebt. Der Körper war doch schon in Verwesung übergegangen.
Da erschien Jesus extra für diesen Thomas. Er gab ihm eine große Ehre und sagte nicht: „Thomas, was bist du für ein ungläubiger Mensch?“ Stattdessen sagte er: „Komm her, leg deinen Finger in meine Wundmale und deine Hand in meine Seite.“
Da rief Thomas: „Mein Herr, mein Gott! Jetzt sehe ich es, betaste ich es – du lebst wirklich.“
Wir dürfen Fragen stellen, man darf zweifeln. Oft kommt der Zweifel auf, ob Gott wirklich lebt, ob er mein Gebet hört, ob die Bibel stimmt, ob Jesus auferstanden ist.
Das Christentum ist zweitausend Jahre lang mit Fragen konfrontiert worden wie wohl keine andere große geistige Bewegung. Es hält noch manches aus. Wir sind fragwürdig, wert des Fragens. Schlimm ist Gleichgültigkeit.
Fragen sind gut. Lassen Sie uns ein wenig dem nachgehen, was denn berechtigte Fragen sind, die einen normaldenkenden Mitteleuropäer umtreiben.
Die Auferstehung Jesu als zentrale Frage des Glaubens
Zuerst die Thomas-Frage: Ob denn der Christus, von dem die Christen ihren Namen haben und zu dem sie im Gebet rufen, wirklich lebt. Ob er heute da ist, ob er mich hört, oder ob das nicht bloß die Jünger damals erfunden haben, dass er wieder auferstanden ist. Ob sie nicht meinten, die Idee, Jesus lebt weiter, das, was er uns gesagt hat, sein großer Impuls lebt weiter, und das haben sie eben so formuliert, dass er nicht mehr im Grab ist.
Wenn wir den Johannes oder den Petrus oder den Philippus heute hätten, würden sie bloß lächeln und sagen: „Du, in uns war auch nicht mehr so viel Hoffnung, dass die Sache Jesu weitergeht. Unser Herr Jesus hat am Kreuz noch zu Gott gebetet: ‚In deine Hände befehle ich meinen Geist‘. Helfen hat das nichts, aus war es. Wir haben unsere Türen und Fenster verrammelt, weil wir gedacht haben, jetzt kommen wir dran.“
Und als dann die Frauen kamen – lest es mal in Lukas 24 –, den Bericht, als die Frauen kamen, die Maria von Magdala, die Hanna, die Maria, die Jakobs Mutter, und sagten: „Jesus ist auferstanden, das Grab ist leer.“ Da erschienen ihnen diese Worte, als wäre es Geschwätz, und sie glaubten nicht. Typisches Frauengeschwätz, die denken immer gleich an Gespenster, was die alles sehen – überhebliche Männermeinung.
Die Frauen haben aber gewusst, was los ist. Die Bibel hat eine ganz große Ehrfurcht vor den Frauen. Wir Männer sind oft vernagelt und verbohrt. Und als Jesus dann auch seinen Jüngern erschien, trat er mitten unter sie und sprach: „Friede sei mit euch.“ Das heißt, sie erschraken und fürchteten sich und meinten, sie sehen einen Geist. Das schien ihnen glaubwürdiger zu sein – ein Gespenst – als der wirkliche Jesus.
Und Jesus sagt: „Seht meine Hände und Füße, ich bin’s selbst. Fasst mich an, ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen.“ Als sie aber immer noch nicht glaubten, sprach er: „Habt ihr nichts zu essen?“ Dann gibt es die merkwürdigste Vesper. Sie brachten ihm gebratenen Fisch und Honigseim. Da merkt ihr, wie durcheinander sie waren. Also entweder Geselbstbrot oder Hering, gell? Aber er aß es in großer Barmherzigkeit, so dass die Jünger nachher sagen konnten: „Wir haben es betastet, wir haben es gesehen, er lebt, der Jesus, den man anrufen kann, er ist da!“
Aber es gibt auch dann noch den Zweifel: Ist das Ganze nicht erfunden von den Jüngern und von Jesus? Ist das nicht einfach ein Märchenbuch, das geschrieben ist, weil sich einer hingesetzt hat und eine schöne Geschichte geschrieben hat? Helden sagen.
Wenn Sie nach England gehen, ins British Museum, dann sehen Sie dort unter den alten Bibelhandschriften auch dieses kleine Pergamentstreifchen, das die Wissenschaftler P52 nennen, Pergament 52. Es stammt etwa aus der Zeit um 100 nach Christus, also 50, 60 Jahre nach der Auferstehung Jesu, nach der Himmelfahrt.
Dort ist genau der gleiche Text zu lesen. Auf der einen Seite die Frage des Pilatus: „Was ist Wahrheit?“, und auf der anderen Seite sehen Sie einen Teil des Auferstehungsberichtes. Merken Sie: Bis in den Wortlaut hinein ist auf dem kleinen Stückchen das Evangelium fest gewesen ums erste Jahrhundert.
Aber was war zwischen 50 und 100? Kann man da viel erfinden? Lassen Sie mich mitnehmen zu einem Gedanken: 50 Jahre lang sind in der Menschheitsgeschichte keine Zeiten, in denen man einfach etwas erfinden kann.
Vor drei Tagen rief mir mein ältester Sohn an und sagte: Im Staatsanzeiger steht drin, der verstorbene Minister Seifritz war Offizier bei der indischen Legion, die Hitler aufgestellt hat. Das hat es doch gar nicht gegeben. Hitler hat doch keine indischen Soldaten gehabt. Woher hat er die auch gehabt?
Ich sage: Natürlich hat es das gegeben. Ich bin immer wieder in Tübingen im Zug mit Soldaten der indischen Legion gesessen. Hitler nahm im Frankreichfeldzug, als er unter den englischen Gefangenen von Dünkirchen Inder hatte, diese sofort in seinen Dienst. Indische Ärzte, die hier in Deutschland gelebt haben, und er hat eine indische Legion aufgestellt.
Also mein Sohn meinte, das sei reingesponnen, indische Legion von Hitler. Ich habe es gesehen, ich habe es erlebt, und das war 1941, können Sie nachrechnen. Es war beinahe ein Zeitraum von 50 Jahren. Da können Sie nichts erfinden. Wenn einer sagt: „Herr Ulm war im Krieg nicht zerstört“, da stehen 200 auf und sagen: „Ich war dabei, ich habe es erlebt.“ So leicht kann man nichts erfinden.
Und wenn gesagt wird, der Jesus ist auferstanden, da hat es Leute gegeben in Jerusalem, die gesagt haben, wir sind noch 30 Jahre später an dem Grabe vorbei, das war zu und da ist keiner rausgekommen. Das kann gar nicht erfunden sein, weil einfach schon so früh danach die Handschriften da sind, die es bezeugen als Tatsachenbericht.
Aber vielleicht ist im Lauf der Jahrtausende falsch abgeschrieben oder gefälscht worden. Johann Albrecht Bengel – ich durfte ja in diesem Raum einmal über unseren großen schwäbischen Gelehrten Johann Albrecht Bengel erzählen – ist den verschiedenen Handschriften nachgegangen als großer Gelehrter und hat gesagt: Das ist wie, wenn man über ein Feld geht bei Schnee. Man sieht, da sind einige Spuren dahin gegangen, aber sie sind wieder zurückgekommen, weil der Hauptweg da entlang geht.
So ist es auch bei den Handschriften. Da hat vielleicht mal einer falsch abgeschrieben, aber schon der nächste Abschreiber hat gemerkt: „Nein, so geht es nicht, das stimmt nicht.“ Und hat wieder zurückgefunden auf den richtigen Wortlaut.
Bengel hat gesagt: Ihr könnt jedes Sätzlein, jedes Biegelein – schwäbisch gesagt jede kleine Ecke in der Bibel – nicht ernst nehmen, aber die Bibel als Ganzes ist ganz verlässlich.
Aber wenn gesagt wird: „Ja, aber die Christen sind unglaubwürdig. Vielleicht stimmt die Bibel, vielleicht lebt Jesus, aber das Bodenpersonal, das ich erlebe, das ist arg unglaubwürdig, die Christen.“ Liebe Freunde, dann stimmt das. Wir sind schlechte Aushängeschilder des Herrn Jesus, bedauerlicherweise.
Beispiele von Glaubenszeugnissen und Gottes Wirken durch Menschen
Ich forsche viel in den Lebensläufen von Christenfrauen und Christenmännern vergangener Zeiten. Dabei staune ich immer wieder darüber, was Gott durch Menschen bewirkt hat.
Der große Indienmissionar William Carey wirkte in einer Zeit, als die Christenheit vergessen hatte, dass sie Mission treiben soll. Jesus hatte doch gesagt: „Geht hin in alle Welt und macht dort Jünger.“ Doch damals war Carey nur ein kleiner Dorfschuster. Es ist erstaunlich, wie Gott durch Schuhmacher und Bäcker sehr viel Segen gewirkt hat. Es gibt Berufe, die Gott besonders gesegnet hat.
Dieser Schuhmachermeister William Carey schrieb eine Schrift über die Pflicht der Christenheit, hinaus zu den Heidenvölkern zu gehen. Das gelehrte England lachte darüber. Wie könne ein Dorf-Schuhmachermeister uns sagen, was wir zu tun haben? Daraufhin verkaufte Carey seine Möbel und sein Haus und zog mit seiner Frau hinaus nach Serampore, nahe Kalkutta.
Dort versuchte er sieben Jahre lang, die Sprache der Eingeborenen zu lernen und seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Seine Frau wurde darüber verrückt, Kinder starben, Gefährten liefen weg. Doch Carey hielt die berühmte Predigt von Serampore – eher eine Andacht für die letzten Übriggebliebenen um ihn herum. Er sagte: „Erwarten wir doch von Jesus Großes und wagen wir für Jesus Großes.“
Als Carey nach wenigen Jahren starb, hinterließ er 27 blühende Kirchengemeinden im Gebiet von Kalkutta, eine Universität und über zwanzig Schulen. Wir sind schwache Leute, aber erwarten wir doch von Christus Großes, denn er kann Großes tun.
Als Carey im Sterben lag, kam der englische Stabsarzt – Indien war ja englische Kolonie – und sagte: „Herr Doktor Carey“, denn Carey hatte inzwischen von England einen Ehrendoktortitel erhalten, „Sie können getrost sterben. Was Sie geleistet haben, was Sie für Indien und die Christenheit aufgebaut haben, ist groß.“ Doch Carey knurrte nur: „Sprechen Sie nicht immer von Doktor Carey, Doktor Carey. Sprechen Sie von Careys Heiland!“
Auf seinem Grabstein steht bis heute: William Carey, ein elender Wurm, ich falle in deine mächtigen Arme. Das zeigt: Wir sind schwache Leute, aber Gott kann Großes tun.
Ich war 14 Jahre im Remstal, einer der bitterärmsten Gegenden Württembergs. Überall, wo Wein angebaut wird, herrschte meist große Armut. Wenn eine Missernte war, gab es kein Getreide mehr zu essen. Die Menschen gingen in die Wälder im Schurwald, schälten Rinde von den Bäumen, mahlten sie und mischten sie unter das wenige Mehl.
Trunkenheit und Diebstahl waren weit verbreitet, die Kirchen waren leer. Doch dann heißt es bei allen Geschichtsschreibern: Plötzlich begann etwas Neues. Einige wenige bauten Suppenküchen auf, sorgten für andere und wurden Vorbilder in der bürgerlichen Gesellschaft. Sie übernahmen Verantwortung, heute würde man sagen, in Stadträten.
Im Remstal entstanden fast an jedem Ort ohne staatliche Hilfe und ohne Steuergelder Anstalten der Inneren Mission: Diakonie, Pflegeheime, Behindertenheime, Stätten wie die Paulinenpflege für Taubstumme in Winnenden. Wenn man meine Vorvorvorgänger fragt, die die Berichte geschrieben haben, woher das kam, hört man überall dasselbe: Kleine Gruppen von zehn bis vierzehn Leuten kamen zusammen zum Bibellesen und Beten. Von ihnen ging ein neuer Geist im Remstal aus.
Erwarten wir doch von Christus Großes! Wir sind arme, elende Würmer, während andere sagen: „Weiß ich der schon besonders?“
Bei einer der großen Weltkirchenkonferenzen hat mich besonders der zailonesische Evangelist Daniel Tambireia Niles beeindruckt. Er sagte: „Es muss unser Hauptanliegen sein, wenn man uns Christen kritisiert, dass wir auch nichts Besonderes sind, zu sagen: ‚Don’t look on us, look on Him!‘ Schau nicht auf uns, sondern schau auf Ihn, was Er auch bei uns tun kann.“
Kurt Heimbucher, der verstorbene Präses des Gnadauer Verbands, klopfte einmal auf seine mächtige Brust und sagte: „Wenn der Herr Jesus mich nicht bewahrt hätte, wäre ich wie im Zuchthaus gelandet.“ Was ist denn schon an bewahrender Gnade Gottes in unserem Leben drin, was Christus gewirkt hat?
Aber wir müssen sehen, dass Christen oft für andere Menschen ein Anlass sind, zu fragen: Stimmt das denn mit dem Christentum, mit der Macht Jesu? Wo sehen wir denn etwas davon?
Fragwürdigkeit und Ärgernis des christlichen Glaubens
Aber die entscheidende Frage ist, ob nicht unser ganzer Christenglaube für viele anstößig ist. Ursprünglich wollte ich heute Abend darüber sprechen, was am Christentum fragwürdig ist. Irgendwo auf der Reise zwischen Ulm und Weintraus wurde daraus, was am Glauben fragwürdig ist.
Toll, ich habe mich noch einmal intensiv damit beschäftigt. Die entscheidenden Dinge, die für Menschen fragwürdig, anstößig oder ärgerlich sind, sind bei unserem Glauben noch mehr als unsere ganze christliche Halblebigkeit.
Ich will es deutlich machen: Ich komme zu einem Konfirmantenelternbesuch in Ulm. Da sagt die Mutter eines Konfirmanden: „Warum lassen Sie die Konfirmanden so einen Quatsch lernen?“ Sie hat es noch drastischer gesagt. „Mit dem kann doch heute niemand etwas anfangen. Da muss der Uwe lernen, dass wir Sünder sind und nichts können.“
Das regt viele Menschen auf, dass Jesus gekommen ist, um zu suchen und selig zu machen, was verloren ist. Muss denn der Mensch schlecht gemacht werden?
Kurz vor Weihnachten hatte ich ein Rundfunkgespräch. Dort war Frau Hildegunde Schöller und einige feministische Damen. Gott sei Dank saß noch neben mir der Herr Präsident, Landessynodale Ako Habeck. Aber eine dieser Damen, eine grundgelehrte Lektorin, sagte: „Herr Schäffut, mich ärgert es, wenn Jesus für Sünder da sein soll. Da wird der Mensch doch schlecht gemacht. Das ist ein veraltetes Weltbild. Jesus hat den Menschen Mut gemacht, seine eigenen Kräfte zu entdecken. Das müssen wir heute in den Vordergrund stellen.“
Da habe ich an den Uwe gedacht. Nachdem seine Mutter gesagt hatte, das sei doch alles Quatsch mit der Sünde, hat er sein Konfirmandenbüchlein gebracht und gesagt: „Mutter, hör doch, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat.“
Ich merke, der Vierzehnjährige Uwe hat es begriffen, da ist Wahrheit. Wir Eltern sind oft abgestumpft und sagen: „Wir sind keine Engel, nicht wahr.“ Ein Vierzehnjähriger kann auch darunter leiden, unter seiner Unwahrhaftigkeit, unter seiner Unehrlichkeit, weil er das, was er eigentlich möchte, gar nicht hinkriegt.
„Mutter, hör doch, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat!“
Viele Menschen regen sich an unserem Glauben auf, dass Jesus gekommen ist, um Sünder zu retten. Aber die Frage, die sie begleitet, bis ihr Bewusstsein im Tod hinüberdämmert, ist, ob das nicht die Wahrheit ist, die sie brauchen – und nicht, dass sie schlecht gemacht werden.
Ludwig Hofacker, der große Erweckungsprediger unseres Landes, lag im Sterben als junger Mann mit 31 Jahren. Da sagte ihm sein Freund Albert Knapp: „Bald darfst du in der großen Herrlichkeit sein, wo die Engel Gottes das große Lob anstimmen.“
Und Hofacker antwortete: „Das ist mir zu flott, da gehöre ich nicht hin. Ich habe tausendmal mehr die Hölle verdient als den Himmel.“
Der Herr Pfarrer Hofacker, großer Erweckungsprediger und Evangelist, hat erkannt: Das ist die Wahrheit, der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat.
Aber viele Menschen regen sich auf, und wir müssen das akzeptieren. Wenn sie uns das sagen, können wir nur antworten: „Ich brauche es.“ Ich werde nicht als frommer Mensch gerettet, der viel Gutes tun will und die Welt verändern will. Ich bin froh, dass der Herr Jesus sich um Sünder kümmert.
Argumentieren Sie nicht zu viel, streiten Sie nicht herum, sondern sagen: „Ich brauche es.“ Und das soll dann auch stimmen.
Gottes Liebe und die Verlorenheit der Welt
Ein zweites, was Menschen aufregt
Der Kernsatz aus dem Neuen Testament lautet: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.“
Viele Christen sprechen immer wieder von der Verlorenheit. Sie machen die Welt schlecht, madig und düster. Doch ich denke dabei immer an die schöne Geschichte vom letzten sächsischen König. Am 9. November 1918, als die Revolution war, sagten die Sachsen ihrem König in Dresden, dass sie ihn nicht mehr als König brauchen. Daraufhin sagte er den denkwürdigen Satz: „Macht euren Dreck alleine.“
Gott muss nicht mit Eisenbahnschienen in unsere Welt hineinschlagen, um uns zu strafen. Aber Gott hätte sagen können: Macht doch eure Welt, wenn ihr meint, ihr könnt für Gerechtigkeit, Frieden und alles andere sorgen. Ihr habt immer wieder neu Hoffnung, doch eigentlich wird es immer schlimmer.
Probiert es doch mal, wie ihr mit allen Krankheiten fertigwerdet. Ihr habt wunderbar die Tuberkulose besiegt, doch jetzt kommt der Krebs. Merkt ihr denn nicht, dass die ganze Welt wie unter einer dicken Decke des Fluchs liegt, die uns den Atem nimmt?
Wichtig ist, dass ihr herauskommt, dass ihr heimkommt zu mir. Gott hätte weggehen können, doch jetzt legt er alles auf eine Karte – in großer Liebe. Jetzt möchte ich am liebsten mit jedem von Ihnen sprechen, damit er Sie rettet und heimholt zu sich.
So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er sie nicht dem Verderben überlassen will, sondern retten möchte. Gott will nicht verdammen, sondern aus der Verdammnis retten.
Man kann ja verzweifeln angesichts unserer Welt. Jetzt haben wir es geschafft, eine Generation mehr zu haben. Im Mittelalter lag das Durchschnittsalter des deutschen Mannes bei 32 Jahren, die Frauen wurden etwas älter, etwa 40 Jahre, weil sie mehr geschafft haben. Das macht immer munter. Noch vor einiger Zeit lag das Durchschnittsalter bei 60 Jahren, und heute, wenn jemand seinen 80. Geburtstag feiert, sagen viele: „Was, 80? Du siehst aus wie 65!“ Manchmal jedenfalls.
Wir haben eine ganz neue Generation dazugewonnen und damit eine Fülle von Fragen: Was machen wir mit den alten Menschen? Und die alten Menschen fragen uns: „Wozu sind wir denn noch da? Man braucht uns zu nichts mehr.“
Überall, wo wir meinen, Fortschritte gemacht zu haben, taucht zugleich die Frage auf: Wozu denn? Was bringt es? Die DDR zum Beispiel – jetzt sind die Mauern gefallen, was wir nicht mehr für möglich gehalten hätten.
Jetzt sagen Motrow und Kohl, und wir hoffen, dass das Geld nicht weniger wird. In unserem Fabrikgeschäft sieht jeder mehr Probleme. Die Menschen in der DDR sagen, die wollen uns aufkaufen und überrennen. Wir sagen: Die sollen lieber bleiben, wo sie sind. Wir sind für uns gut.
Es ist eine Riesennot, in der Gott uns eine Hilfe schaffen wollte. Wir werden mit den Problemen nicht fertig in einer Welt, die verloren ist und immer gleich das Negative sehen muss. Gott möchte retten.
Aber Menschen fragen schon: Geht es den Christen immer bloß um die Verlorenheit? Wollen sie alles madig machen? Nein, wenn sie so gefragt werden, sagen sie: „Oh, Gott hat euch unheimlich lieb.“
Einer meiner Vorfahren war vor langer Zeit zu einer Taufe eingeladen. Damals ging man am Karfreitag in die Kirche, und in der Taufgesellschaft waren auch ein paar Leute, die höchstens noch am Heiligen Abend kamen. Die sagten: „Oh, da kommt so ein Superfrommer von der Schwäbischen Alb. Das wird hier kein schönes Taufest, da kann man keinen Witz machen und nicht genug trinken.“
Als mein Großonkel das bemerkte, sagte er: „Oh, ihr Leute, mein Herz ist wie das Scheunentor. Ich möchte euch doch am liebsten alle mit in den Himmel nehmen.“
Wenn Christen kritisch gefragt werden, ob sie nicht Miesmacher seien, bezeugen sie diese Liebe Gottes, die auch jedem Einzelnen gilt. Sie sagen: „Ich möchte auch andere mitnehmen.“
Ärgernis der Gnade und die einfache Botschaft des Glaubens
Fragwürdig am christlichen Glauben ist, dass Jesus nicht an unsere guten Werke oder unser Bemühen anknüpft. Das liegt uns so nahe: Wenn man sagt, ich kann doch mal vor Gott hintreten – wenn es ihn überhaupt gibt – ihm eine Leistung vorweisen, ihm etwas hinterlassen, das erscheint naheliegend. Aber wenn ich nicht in den Himmel komme, möchte ich wissen, wer überhaupt hineinkommt.
Jetzt sagt der Herr Jesus: Es ist ein bisschen anders, ärgerlich anders. Jesus hat die Geschichte geprägt von einem Mann im Tempel, einem Pharisäer, der bei jeder Stadtratswahl mit der höchsten Stimmzahl gewählt worden wäre. Er sagte: „Lieber Gott, ich danke dir, wie du mein Leben geführt hast. Ich bin froh über deine Führung, dass du mich vor großen Torheiten und Sünden bewahrt hast und dass ich ein Leben führen kann, in dem deine Kraft mächtig ist.“ Dann schaute er sich um und fügte hinzu: „Ich bin nicht wie der Zöllner da neben mir, ein Ehebrecher.“ Ach, lieber Gott, ich danke dir für deine Bewahrung. Wenn er singen könnte, hätte er am liebsten gesungen: „Lobe den Herrn, der alles so herrlich regiert.“
Da stand dieser eine, der sein Vaterland verraten hatte, dem nur noch das Geld wichtig war – ein Dreckskerl. Die Zöllner damals kann man mit einem Dealer von heute vergleichen, der mit Verbrechen Geld macht und andere kaputt macht, nur damit das Geld bei ihm bleibt. So waren die Zöllner damals: Dreckskerle. Heute gibt es vornehme Zolloberinspektoren, die möchten nichts gegen solche Leute sagen. Aber damals waren Zöllner wie heutige Hassdealer, schmierige Gesellen.
Dieser Zöllner wagte es nicht, seine Augen zum Himmel zu erheben, sondern sprach: „Gott, sei mir Sünder gnädig! Lieber Gott, erbarme dich, lieber Gott, vergib, was ich gemacht habe.“ Jesus sagt: An dem hat Gott Freude. Er ging gerechtfertigt hinab, vor jenem da, dem Pharisäer.
Das ist ärgerlich für uns Schwaben. Wir meinen, wir können uns vor Gott sehen lassen, weil wir nicht so aktiv sind wie manche in Preußen oder anderswo. Wir schaffen doch unsere Sache, was wir geleistet haben. Sogar mir als Pfarrer ist das klar: Manche Schwaben arbeiten 25 Stunden am Tag, weil sie eine Stunde vor Sonnenaufgang aufstehen. Von wegen 35-Stunden-Woche – da nimmt man lieber einen zweiten Beruf dazu.
Und jetzt sagt Jesus, er knüpft an bei den Dreckskerlen, die sagen: „Herr, sei mir Sünder gnädig.“ Das ist aufregend, fragwürdig, ärgerlich.
Doch es bleibt dabei: In den Augenblicken, wenn bei Ihnen alles zusammenbricht, wenn Sie merken, dass mit Ihrer Kindererziehung nicht viel war, dass Sie Ihr Geld für sich behalten haben, stolz auf Ihr Sparbuch waren, wie viel Zeit Sie vor dem Fernseher vertan haben, wie viele Menschen auf Ihre Hilfe gewartet haben – es sind Legionen von Menschen, und Sie haben sie nicht gesehen – wenn das alles zusammenbricht, dann können Sie wissen: Unser Herr Jesus will dort anknüpfen, wo einer sagt: „Sei mir Sünder gnädig!“
Noch am Kreuz, als Jesus gekreuzigt wurde, sagte einer, der ein verpfuschtes Leben hatte, ein Mörder: „Jesus, denk an mich, wenn du in dein Reich kommst.“ Jesus machte deutlich: „Ich lege keine Gedenkminuten ein im Reich meines Vaters, sondern wahrlich, du wirst mit mir im Paradies sein.“ Jesus knüpft bei Leuten an, das ist höchst ärgerlich. Sie erkennen: Es ist ein Bruch. Vor dem heiligen Gott kann ich nicht bestehen. „Herr, sei mir Sünder gnädig!“
Unser christlicher Glaube ist fragwürdig, er ärgert viele Menschen. Aber es ist das Ehrlichste, was es auf unserer Welt gibt. Das Letzte, was ärgerlich ist: Jesus hat das Glauben so einfach gemacht.
Mut zum Glauben! Als der Apostel Paulus in Athen war, wo lauter gescheite Leute lebten – so wie wir alle auch sind, hochgelehrt damals –, baten sie ihn, er solle darlegen, was er von seinem Glauben zu erzählen hat. Paulus sagte: „Ich habe eure herrlichen Tempel gesehen, aber ich will euch von dem Gott erzählen, den ihr noch gar nicht kennt. Denn Gott hat die Zeit eurer Unwissenheit übersehen. Gott will euch das nicht anrechnen, alles, woran ihr nicht gedacht habt, ist wichtig. Gott will nicht all die Rechnungen begleichen. Aber jetzt, liebe Freunde, das ist die Bedeutung von Umkehr: Jetzt sagt Gott, kehrt um, fangt neu an.“
Dann fährt Paulus fort: „Er hat einen Tag festgesetzt, an dem die letzte Wertung stattfinden wird, ob unser Leben einen Wert hat. Und da wird nur noch gefragt werden, ob du zu diesem Jesus gehörst, den Gott von den Toten auferweckt hat.“ Paulus hebt diesen Jesus groß heraus, so dass wir Menschen, die wir auf unseren Tod zugehen – totsicher, wie alle –, begreifen müssen: Einer ist wichtig, einer darf nicht im Tod bleiben. Den hat Gott uns Menschen, den Griechen, Römern und Germanen, hingestellt: „Guck mal, der ist mir wichtig!“
Und er hat uns in diesem Jesus, so sagt Paulus, den Glauben angeboten. Du darfst sagen „Jesus“ – und er hört dich. Am jüngsten Tag im Gericht wird nichts anderes wichtig sein: nicht dein Sparbuch, nicht ob deine Kinder etwas gelernt haben, sondern ob dieser Jesus sagt: „Der gehört zu mir, Vater!“
Paulus hat diese Worte auch im Römerbrief Kapitel 10 gesagt. Lesen Sie zuhause nach! Dort steht das große Wort: „Wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott diesen Jesus von den Toten auferweckt hat, wenn du damit rechnest, dass er heute lebt, und wenn du mit deinem Mund bekennst: Herr Jesus, dann bist du gerettet, dann glaubst du von Herzen.“
Bei Ihren Gebeten ist es gar nicht wichtig, dass Sie lange Wunschzettel vortragen, was Jesus alles machen soll. Sondern morgens, abends und den Tag über, auch bei schwierigen Telefongesprächen dürfen Sie sagen: „Herr Jesus!“ und wissen, er lebt, er sieht auf mich, ich möchte zu dir gehören.
Wenn Sie einmal ganz verzweifelt sind, beginnen Sie dieses Gebet: „Herr Jesus!“ Nehmen Sie all die Worte, die Sie von Jesus kennen, was er gesagt hat: „Du Weg, du Morgenstern, du Brot des Lebens, du Erlöser!“ Nehmen Sie es: Er ist für mich da, wenn Sie mit Ihrem Herzen glauben, dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat und seinen Namen anrufen.
Vielleicht denken Sie, das sei zu billig, das könne ja schon ein Kind im Kindergarten sagen: „Herr Jesus!“ Das sei pädagogisch nicht zu verantworten, man müsse erst die Lebenswirklichkeit kennenlernen und langsam in die Fragen und Zusammenhänge hineinfinden. Nein! Wir waren auf dem richtigen Dampfer, als uns unsere Tanten und Großmütter lehrten: „Herr Jesus, ich bin klein, mein Herz mach rein, soll niemand drin wohnen als Jesus allein.“ Es war ein Gebet.
Um nichts anderes geht es: „Herr Jesus, sei bei mir!“ Er will bei uns sein, bei den Schwachen.
Mut zum Glauben! So einfach, dass sich manche darüber aufregen. Ich sage: Ich bin bereit! Was muss ich dafür zahlen, damit Gott Freude an mir hat? Was muss ich leisten? Wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Jesus von den Toten auferstanden ist und ihn anrufst, wirst du gerettet.
Da kommt noch manches dazu. Der Herr Jesus hat gesagt, dass wir nicht nur sagen sollen: „Herr, Herr!“, sondern auch Gottes Willen tun. Aber damit fängt es an.
Und ich bitte Sie: Heute dürfen Sie alles vergessen, es ist alles nebensächlich, was ich gesagt habe. Aber heute Abend, bevor Sie einschlafen, sagen Sie einmal, als hätten Sie es noch nie gesagt: „Herr Jesus, mein Jesus, Amen!“ Sie sind gerettet, angekurbelt an Jesus.
Schlussgebet
Wir wollen beten.
Herr Jesus, wir danken Dir, dass Du selbst, als der Auferstandene, uns zweifelnden und fragenden Menschen helfen kannst – so wie einst dem Thomas. Du gibst uns die Kraft, neu zu sagen: Jesus, mein Herr, mein Gott.
Du siehst die unter uns, bei denen der Glaube zur Gewohnheit geworden ist. Wie viel will sich dazwischen schieben, wenn wir unsere Bibel lesen oder beten wollen! So oft werden wir durch tausend andere Gedanken gehindert.
Lass uns wieder damit anfangen, von Dir, Herr Jesus, Großes zu erwarten – gerade bei uns schwachen Leuten. Amen.