Ich habe gesagt, dass wir uns in den restlichen Tagen hier in der Gottes Seelsorge Schule zu diesem Thema etwas ansehen wollen. In den vergangenen zwei Jahren habe ich bereits einiges über verschiedene Menschen im Alten Testament gesagt.
Diesmal habe ich mir überlegt, was passiert, wenn Not, Leid und Tod unsere Familien erreichen. Wir wollen uns deshalb das Leben von Hiob etwas genauer anschauen.
Natürlich ist das Thema Hiob und sein Leben sehr umfangreich. Das Buch umfasst 42 Kapitel, die wir heute Abend sicherlich nicht vollständig durchgehen können. Alle Kapitel zu lesen, würde auch zu viel Zeit in Anspruch nehmen.
Dennoch möchte ich einige Gedanken dazu äußern, weil mir das Thema sehr wichtig geworden ist. Anhand des Buches Hiob können wir lernen, welchen Einfluss Leid, Not und Tod auf unsere Familien haben – und auch auf die Erziehung unserer Kinder.
Das wird bei Hiob und seiner Familie sehr deutlich sichtbar.
Einführung in das Thema Leid und Familie am Beispiel Hiob
Ich lese einmal zu Beginn Hiob 1 und 2:
Es war ein Mann im Land Utz, sein Name war Hiob. Dieser Mann war rechtschaffen, redlich, gottesfürchtig und mied das Böse. Ihm wurden sieben Söhne und drei Töchter geboren. Sein Besitz bestand aus siebentausend Schafen, dreitausend Kamelen, fünfhundert gespannenen Rindern und fünfhundert Eselinnen. Seine Dienerschaft war sehr zahlreich, sodass dieser Mann größer war als alle Söhne des Ostens.
Nun pflegten seine Söhne hinzugehen und Gastmahl zu halten, der Reihe nach im Haus eines jeden. Dazu luden sie ihre drei Schwestern ein, mit ihnen zu essen und zu trinken.
Und es geschah, wenn die Tage der Gastmahle reihum vergangen waren, da sandte Hiob hin und heiligte sie. Früh am Morgen stand er auf und opferte Brandopfer nach ihrer aller Zahl. Denn Hiob sagte sich: Vielleicht haben meine Söhne gesündigt und in ihrem Herzen Gott geflucht. So machte es Hiob all die Tage nach den Gastmählern.
Und es geschah eines Tages, dass die Söhne Gottes kamen, um sich vor dem Herrn einzufinden, und auch der Satan kam in ihrer Mitte. Der Herr sprach zu Satan: „Woher kommst du?“ Und der Satan antwortete dem Herrn und sagte: „Vom Durchstreifen der Erde und vom Umherwandern auf ihr.“
Der Herr sprach zu ihm, zu Satan: „Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie ihn auf Erden, einen Mann so rechtschaffen und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet.“
Der Satan antwortete dem Herrn und sagte: „Ist Hiob etwa umsonst so gottesfürchtig? Hast du nicht selbst ihn und sein Haus und alles, was er hat, ringsum gehegt? Das Werk seiner Hände hast du gesegnet, und sein Besitz hat sich im Land ausgebreitet. Strecke jedoch nur einmal deine Hand aus und taste alles an, was er hat, ob er dir nicht ins Angesicht flucht.“
Da sprach der Herr zum Satan: „Siehe, alles, was er hat, ist in deiner Hand, nur gegen ihn selbst strecke deine Hand nicht aus.“ Und der Satan ging vom Angesicht des Herrn fort.
Der Anfang der Prüfung Hiobs und seine Reaktion
Und es geschah eines Tages, als seine Söhne und Töchter im Haus ihres erstgeborenen Bruders aßen und Wein tranken, da kam ein Bote zu Hiob und sagte: Die Rinder waren gerade beim Pflügen, und die Eselinnen weideten neben ihnen. Da fielen die Sabeer ein und nahmen sie weg, und die Knechte erschlugen sie mit der Schärfe des Schwertes. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
Noch redete der, da kam ein anderer und sagte: Feuer Gottes fiel vom Himmel, brannte unter den Schafen und den Knechten und verzehrte sie. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
Noch redete der, da kam ein anderer und sagte: Die Kalir hatten drei Abteilungen aufgestellt, sind über die Kamele hergefallen und haben sie weggenommen. Die Knechte haben sie mit der Schärfe des Schwertes erschlagen. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
Während er noch redete, da kam ein anderer und sagte: Deine Söhne und Töchter aßen und tranken Wein im Haus ihres erstgeborenen Bruders. Und siehe, ein starker Wind kam von jenseits der Wüste her, stieß an die vier Ecken des Hauses, da fiel es auf die jungen Leute, und sie starben. Ich aber bin entkommen, nur ich allein, um es dir zu berichten.
Hiob stand auf, zerriss sein Obergewand und schor sein Haupt. Dann fiel er auf die Erde und betete an. Er sagte: Nackt bin ich aus dem Leib meiner Mutter gekommen, und nackt werde ich wieder dorthin zurückkehren. Der Herr hat gegeben, und der Herr hat genommen. Der Name des Herrn sei gepriesen.
Bei all dem sündigte Hiob nicht und legte Gott nichts Anstößiges zur Last.
Historischer Hintergrund und Charakterisierung Hiobs
Zunächst so weit: Ich glaube, die Geschichte Hiobs ist eine der tragischsten Geschichten in der Bibel. Hiob lebte schon sehr früh; man nimmt an, dass er sogar noch vor Abraham gelebt hat. Außerdem ist er kein Israelit. Er stammt also nicht aus dem Stamm Israel, sondern ist so gesehen ein Heide. Ähnlich verhält es sich zum Beispiel bei Melchisedek, der zur Zeit Abrahams lebte, oder auch bei Jethro, dem Schwiegervater von Mose. Diese waren gottesfürchtige Menschen, obwohl sie nicht zum Volk Israel gehörten.
Woher Hiob seine Kenntnis über Gott hatte, wissen wir nicht. Auch seine Freunde, die später zu ihm kommen, sind bemerkenswert. Es ist erstaunlich, was sie alles über Gott sagen und wissen. Man muss bedenken, dass sie zu dieser Zeit noch keine Bibel hatten. Es ist beeindruckend, welche Gedanken sie sich über Gott gemacht haben.
Gott selbst stellt Hiob ein phantastisches Zeugnis aus. Sein Name bedeutet "Geliebter" oder auch "Angefeindeter" – geliebt von Gott, angefeindet vom Teufel. Gott beschreibt seinen Charakter als vollkommen und rechtschaffen. Hiob hatte sieben Söhne, drei Töchter, einen großen Haushalt und eine große Firma. Er war reich und bedeutend.
Das Land Uz, in dem Hiob lebte, nimmt man an, lag in Richtung Jordanien oder Persien, genau weiß man es nicht. Man kann nur daraus schließen, dass es irgendwo in Reichweite zu den Chaldäern und zu den Sabeern lag. Die Sabeer oder späteren Sabbateer sind die, die in dieser Ruinenstadt damals lebten – damals natürlich noch keine Ruinenstadt. Petra, die heute oft von Touristen besucht wird, wenn sie Israel besuchen, gehört zu dieser Region.
Hiobs Sorge um seine Kinder und der Blick in die unsichtbare Welt
Es ist eigenartig, wie das Buch Hiob geschrieben ist. Zunächst wird in den ersten fünf Versen sozusagen die Lebenssituation von Hiob dargestellt, ganz sachlich und nüchtern. Auch wird beschrieben, wie Hiob mit seinen Kindern umgegangen ist. Offensichtlich lag ihm sehr viel daran, dass sie Gott wohlgefällig lebten. Doch man weiß selbst, dass man, wenn die Kinder aus dem Haus sind, nur noch wenig Einfluss auf sie hat.
So geht Hiob jedes Mal, wenn seine Kinder gefeiert haben, vorsichtshalber her und bringt ein Opfer dar. Er kannte noch nicht die Opfergesetze, die wir heute kennen und kürzlich besprochen haben. Offenbar hatte er jedoch ein eigenes Empfinden dafür, oder es wurde ihm vielleicht von Adam her überliefert – das weiß man nicht genau.
Nachdem also diese Berichterstattung über Hiob erfolgt ist, können wir noch zusammentragen, dass wir im ersten Kapitel sehen, wie er seine Kinder sozusagen erzieht: die Geburtstagsfeiern, sein Gebet. Ich denke, Hiob ist realistisch genug. Er weiß um die Möglichkeit der Sünde und macht es sich zur Gewohnheit, für seine Kinder zu beten und für sie Opfer zu bringen.
Ich habe den Eindruck, dass er in dieser Weise als Vater ein großes Vorbild ist – auch für uns, die wir Kinder haben. Es ist wichtig, dass wir unsere Kinder auf betendem Herzen tragen, für sie beten und für sie vor Gott eintreten.
Ab Vers 6 werfen wir einen Blick sozusagen hinter die Kulissen des Lebens. Es ist, als würde man eine Etage höher gehen in die unsichtbare Welt. Gott gibt uns einen Einblick. Natürlich bleiben dabei auch einige Fragen offen, vor allem, warum der Satan Zutritt hat. Aber gerade hier im Buch Hiob merken wir sehr deutlich, dass der Teufel nicht mehr tun kann, als Gott zulässt.
Ich glaube, das ist tröstlich. Wir leben in einer Welt, in der es viel Elend, Not, Kriminalität sowie Mord und Totschlag gibt. Man hat oft den Eindruck, der Teufel könne tun, was er wolle. Doch im Buch Hiob wird sehr deutlich: Der Teufel kann nur so viel tun, wie Gott es erlaubt.
Natürlich stellen wir als Gläubige vor allem die Frage: Warum lässt Gott so etwas zu? Das ist im Grunde die zentrale Frage im Buch Hiob. Der Teufel stellt sich vor Gott – sozusagen bekommen wir einen Blick in den Thronsaal Gottes. Dort erhebt der Teufel Anklage gegen Hiob.
Im Neuen Testament wird gesagt, dass der Teufel der Ankläger der Brüder ist. Er weiß genau, was wir falsch machen, und versucht, uns bei Gott zu verklagen. Gut ist, dass wir einen Fürsprecher haben, den Herrn Jesus, der für uns eintritt.
Der Teufel erhebt Anklage gegen Hiob und behauptet, dass dessen Frömmigkeit nur darauf beruhe, dass es ihm gut gehe. Wenn es einem gut geht, könne man leicht fromm sein. Leider merken wir, dass das nicht so ist. Wenn es Menschen gut geht, fragen sie oft gar nicht nach Gott. Viele Menschen kommen erst durch Leid und Not zu Gott.
Das stellen wir heute auch sehr stark fest: Wenn Menschen zum Glauben kommen, sind es in der Regel solche, die schwere Zeiten hinter sich hatten, die nicht mehr weiterwussten und dann ihre Hilfe bei Gott gesucht haben. Das ist also auch so eine Lüge des Satan. Er meint, wenn es einem gut geht, könne man gut fromm sein.
Wir haben gelesen, dass Gott dem Satan erlaubt, Hiobs Besitz anzugreifen. Ich bin dankbar, dass Gott dem Teufel nicht erlaubt hat, bei mir so etwas zu tun – weder meinen Besitz noch meine Gesundheit zu berühren. Doch Gott gestattet dem Teufel, Hiobs Besitz anzutasten.
Der Teufel geht dabei radikal vor: Er verursacht eine Katastrophe nach der anderen, und das alles an nur einem Tag. Da stellt sich die Frage: Wie verkraftet ein Mensch so etwas?
Beispiele menschlicher Bewältigung von Leid und die Bedeutung von Gebet
Wir haben bei uns einen jungen Mann, der in der Gefährdetenhilfe war. Innerhalb einer Woche hat er als Jugendlicher seine Mutter bei einem Autounfall verloren. Außerdem verlor er seine Arbeitsstelle, und seine Freundin ist abgehauen – alles in nur einer Woche.
Menschlich gesehen ist es nicht verwunderlich, wenn jemand in einer solchen Situation zu Drogen und Alkohol greift, weil er mit den Ereignissen nicht fertig wird. Er kam mit Drogen in Kontakt und geriet unter deren Einfluss in eine Prügelei. Es folgte eine Strafanzeige wegen Körperverletzung, und er kam in Untersuchungshaft. Da er damals noch nicht achtzehn Jahre alt war, wurde er wieder auf freien Fuß gesetzt.
Danach konsumierte er weiterhin Drogen und besuchte Diskotheken. Es ging mit ihm bergab, er wollte sich zudröhnen. Sein Vater besuchte mich damals und fragte, was er tun könne. Ich musste ihm sagen, dass man niemanden zwingen kann. Man kann nur einem Menschen helfen, der sich selbst helfen lassen will. Man kann nur für ihn beten, dass Gott ihn zur Besinnung bringt.
Und genau das hat Gott dann getan. Der junge Mann floh, wollte aus allem aussteigen und reiste nach Brasilien. Dort lernte er in Rio unsere Missionare kennen, fand Halt und kam zurecht. Schließlich kehrte er zurück. Er kam zu uns in die Gefährdetenhilfe, wurde frei von den Drogen, hat geheiratet und ist heute der Hausvater der zweiten Wohngemeinschaft.
Gott lässt Dinge zu, die wir oft nicht verstehen – zumindest in dem Moment nicht. Auch Hiob hat das überhaupt nicht verstanden. Wir können nicht in den Thronsaal Gottes blicken und sehen, was dort verhandelt wird. Wir sehen nur die Auswirkungen, aber das „Warum“ wird uns meist nicht beantwortet.
Ich kenne euer Leben nicht, doch solche „Warum“-Fragen gibt es sicherlich in jedem Leben. Es ist erstaunlich, wie Hiob darauf reagiert. Wir haben es gelesen: Hiob stand auf, zerriss sein Obergewand – ein Zeichen von Trauer und Entsetzen –, schor sein Haupt und fiel auf die Erde, um anzubeten.
Wir würden in einer solchen Situation erwarten, dass man zu Gott schreit und seine Not herausbrüllt. Doch Hiob betet an. Wie ist so etwas möglich?
Die wahre Bedeutung von Anbetung in schweren Zeiten
Gerade an dieser Stelle wird deutlich, dass Anbetung etwas ganz anderes ist, als das, was heute oft in christlichen Kreisen als Anbetung angeboten wird. Heute wird Anbetung häufig als ein schönes Gefühl, eine wohlige Atmosphäre und schöne Lieder verkauft.
Hiob hat dabei sicherlich keine Musik gemacht. Hier wird klar, was Anbetung wirklich bedeutet: Es ist ein Staunen über Gott, bei dem einem die Worte fehlen. Hiob beugt sich vor Gott und sagt etwas, das für uns kaum zu begreifen ist. Der Vers ist allgemein bekannt: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen, der Name des Herrn sei gepriesen.“
Stell dir vor, dein ganzer Besitz würde dir genommen. Wie vielen ist das in Kriegszeiten geschehen – den vertriebenen Flüchtlingen, aber auch vielen Christen, die heute verfolgt werden. Ob in Nordkorea, Indien, Pakistan, Sudan oder den nordafrikanischen Ländern – wie viele müssen um ihres Glaubens willen auf ihr Hab und Gut verzichten?
Trotz all dem sündigte Hiob nicht. Man kann sich fragen: Hat Hiob die Prüfung bestanden? Ich denke schon. Doch der Teufel legt nach. Im zweiten Kapitel lesen wir erneut vom Blick in den Thronsaal Gottes.
Gott fragt in Vers drei: „Hast du Acht gehabt auf meinen Knecht Hiob? Denn es gibt keinen wie ihn auf Erden, einen Mann so rechtschaffend und redlich, der Gott fürchtet und das Böse meidet.“ Wieder verklagt Satan Hiob und sagt, die erste Prüfung sei nur äußerlich gewesen. Nun solle man an seine Gesundheit gehen.
Eigenartigerweise lässt Gott das zu. Was wir nicht verstehen können, ist, dass Gott Hiob nicht vorher informiert. Dann wäre es ihm vielleicht leichter gefallen. Gott gibt dem Teufel die Möglichkeit: Ja, du darfst seine Gesundheit antasten, aber nicht sein Leben.
Umgang mit Krankheit und die Herausforderung des Glaubens
Ich weiß nicht, wie ihr das erlebt, vielleicht aus dem eigenen Leben oder aus dem Leben von Glaubensgeschwistern: Wie schwer ist es für manche, wenn sie krank werden und keine Hoffnung auf Besserung besteht. Ich kenne einige solcher Fälle, in denen nicht nur eine Person krank wurde und keine Aussicht auf Heilung hatte, sondern auch andere Familienmitglieder daran verzweifelten, weil sie Gott nicht mehr verstehen konnten.
Ich glaube, Hiob konnte Gott ebenfalls nicht verstehen. Er wird krank, und zwar heftig. Offensichtlich leidet er unter einem Hautausschlag, der sich über den ganzen Körper ausbreitet, der juckt und juckt, und er verzweifelt daran.
In Hiob 2,9 sagt seine Frau zu ihm: „Hältst du noch fest an deiner Vollkommenheit? Fluche Gott und stirb!“ Er aber antwortete ihr: „Wie eine der Törinnen redest du. Das Gute nehmen wir von Gott an, da sollten wir das Böse nicht auch annehmen.“
Ich muss sagen, ich glaube, ich hätte so etwas nicht gesagt. Was muss das für eine furchtbare Situation gewesen sein, wenn die eigene Ehefrau ihn und seinen Glauben nicht mehr versteht.
Die Rolle der Freunde und die Bedeutung des Schweigens
Anschließend entsteht ein Gespräch mit den Freunden. Drei Freunde kommen zu ihm, um ihn zu besuchen. Sie machen einen Krankenbesuch, und ich muss sagen, so einen Krankenbesuch habe ich bisher noch nicht erlebt wie diesen der drei Freunde.
Sie kommen von weit her, sind entsetzt darüber, wie es Hiob geht, setzen sich zu ihm und schweigen sieben Tage lang. Davon können wir sicherlich etwas lernen: Wenn wir Krankenbesuche machen, sollten wir nicht ständig reden. Anteilnahme geschieht oft durch Schweigen.
Ich habe schon oft erlebt, dass jemand zu mir kam, seine Not erzählte, und ich nichts dazu sagte, sondern nur mit ihm betete. Danach hat sich die Person bedankt. Einfach zuzuhören und nicht sofort gute Ratschläge zu geben, ist wichtig. Meistens sind die Ratschläge gar nicht so gut, weil man von einem Gesunden nur schwer Rat annehmen kann.
Ich erinnere mich an eine Studienkollegin, die die Beste im Semester war. Ein halbes Jahr nach dem Studium hatte sie einen Autounfall und lag mehrere Wochen im Koma, völlig zertrümmert. Sie wurde operiert, auch im Gesicht. Anhand alter Fotos hat man ihr Gesicht wiederhergestellt.
Wenn ich sie besuchte, war das eigenartig. Die Operationen waren gelungen, das Gesicht sah nicht verstellt aus, aber sie war nicht mehr die gleiche Person. Sie sah anders aus. So etwas habe ich sonst noch nie erlebt. Man besucht einen Menschen und muss sagen: Das ist Birgit. Aber sie sah ganz anders aus. Nicht hässlich, aber völlig verändert.
Sie sagte auch, dass sie auf der Straße niemand mehr erkannte. Sie fühlte sich fremd. Wenn ich sie besuchte, war ich sprachlos. Mein Vater konnte ihr Herz besser erreichen, weil er selbst auch krank war. Aber als gesunder Besucher im Krankenbett zu sein, ist schwierig.
Hier sitzen also drei Freunde, und nachdem sie sieben Tage geschwiegen haben, beginnt Hiob mit seiner Klage und sagt, dass er Gott nicht versteht.
Die Herausforderung des Glaubens in der Ehe und unter Freunden
Vielleicht schauen wir uns noch einmal die Ehe von Hiob und die Reaktion seiner Frau an. Sie sagt: „Sag dich los von Gott.“ Wie würde man eine solche Reaktion bewerten? Wahrscheinlich würde man sagen: „Gute Frau, wie habt ihr denn bis jetzt gelebt? Wo ist dein Glaube? Hast du nur geglaubt, weil es euch gut ging?“
Es ist erstaunlich, wie Hiob darauf reagiert. Er sagt: „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen.“ Oder auch: „Wir haben das Gute empfangen, sollten wir nicht auch das Böse empfangen?“ Ich staune über Hiobs Reaktion. Ich glaube nicht, dass ich so reagiert hätte.
Wenn ich mir das Gespräch ansehe, das dann über viele Kapitel hinweg zwischen Hiob und seinen Freunden stattfindet, muss ich sagen: Sie versuchen, einen Sinn in der Sache zu finden. Man merkt, sie haben ein bestimmtes Gottesbild. Dieses Gottesbild haben die meisten Christen heute auch.
Die Freunde Hiobs meinen: Wenn man gottesfürchtig ist, dann muss es einem gut gehen. Gott belohnt den Gehorsam. Später hatte das Volk Israel diese Zusage von Gott: „Wenn du fleißig auf meine Stimme hörst, dann wirst du keine der Krankheiten haben, die ich den Ägyptern gegeben habe.“
Für die Israeliten war das ein Kennzeichen: Wenn sie krank wurden, stimmte etwas nicht. Von diesem Gottesbild gehen auch die Freunde Hiobs aus. Sie sagen: Hiob, wenn du jetzt allen Besitz verloren hast und krank bist, dann muss bei dir etwas nicht stimmen.
Hiob wehrt sich dagegen und sagt: „Nein, mir ist nichts bewusst, ich verstehe es nicht.“ Doch sie bohren immer weiter. Irgendwo muss etwas bei dir nicht stimmen.
Ich stelle fest, dass das Gottesbild, das diese drei Freunde haben, viele Christen bis heute haben. Sie sehen ihren Besitz und ihre Gesundheit als Belohnung von Gott. Aber das ist nicht so.
Wie viele Christen auf dieser Welt leiden Not, haben nicht genug zu essen, werden verfolgt und sterben als Märtyrer? Ich glaube, sie sind gehorsamer als wir.
Die Frage nach dem Warum und die Einsamkeit im Leid
Wie gehen wir damit um? Hiob stellt viele Warum-Fragen. Zum einen fragt er, warum seine äußeren Nöte und Leiden ihn treffen. Er versteht die Wege Gottes nicht, seine Frau versteht ihn nicht, und in seiner Ehe fühlt er sich einsam. Auch seine Freunde verstehen ihn nicht, was seine Einsamkeit noch verstärkt. Und schließlich versteht er Gott nicht.
Vielleicht kennen wir das: Wenn wir das Gefühl haben, alle sind gegen uns, alle verstehen uns nicht, was passiert dann? Unser Herz wird bitter, wir kapseln uns ab und werden eigenbrötlerisch. Doch Hiob hat Fragen. In Kapitel 3, Vers 1, und Kapitel 10, Vers 18, fragt er: Warum bin ich überhaupt geboren? Es wäre doch besser, ich wäre gar nicht auf der Erde.
In Kapitel 3, Vers 20, stellt er die Frage: Warum gibt es überhaupt Leid? In Kapitel 13, Vers 24, fragt er: Warum schweigst du, Gott? Und in Kapitel 21, Vers 7, stellt er die Frage: Warum geht es dem Gottlosen gut?
Ich glaube, diese Fragen gibt es bis heute: Warum geht es unseren Nachbarn gut, die nicht nach Gott fragen? Warum sind die anderen gesund, und ich bin krank? Warum, warum, warum?
Was wir aus dem Buch Hiob lernen können, ist: Wir dürfen Gott unsere Fragen stellen. Gott macht Hiob an keiner Stelle Vorwürfe. Dabei müssen wir sagen, dass Hiob leidet, ohne zu wissen, was im Himmel vor sich geht. Er kennt den Hintergrund nicht und weiß nicht, was Gott damit vorhat.
Wahrscheinlich habt ihr auch schon einmal diese Antwort gehört, und ich halte sie für richtig: Man soll nicht nur Warum fragen, sondern auch Wozu. Warum schaut immer in die Vergangenheit und sucht einen Grund, Wozu blickt in die Zukunft und sagt: Gott, ich möchte wissen, was du damit vorhast.
Aber auch das ist leichter gesagt als getan.
Hiobs unerschütterlicher Glaube trotz Zweifel
Bei all seinen Warum-Fragen und seinem Nichtverstehen über Gottes Handeln staune ich doch über seinen Glauben, den er hat und festhält. Er sagt zu Gott: „Ich verstehe dich nicht, aber ich beuge mich darunter.“
Diese Aussage „Wir haben das Gute empfangen, sollen wir nicht auch das Böse annehmen?“ tut natürlich weh. Wenn man so etwas sagt, dann wahrscheinlich mit einem dicken Hals und Bauchschmerzen.
Schauen wir uns einmal an, was das Buch Hiob über seinen Glauben aussagt. Wir hatten gelesen, dass er für seine Kinder betet – das ist Glaube. Die Aussage „Der Herr hat gegeben, der Herr hat genommen“ ist ebenfalls Glauben. In Hiob 2,10 heißt es: „Das Gute nehmen wir von Gott an, sollten wir nicht auch das Böse annehmen?“ Das ist Glaube, auch wenn er es nicht versteht.
Nachdem seine Freunde ihm viele Vorwürfe gemacht haben, sagt Hiob eigentlich den schönsten Satz, der im Buch Hiob vorkommt. Er steht in Kapitel 19, Vers 25: „Doch ich weiß, mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über dem Staub stehen. Und ich werde ihn sehen, und meine Augen werden ihn sehen, und ich werde ihn sehen, nicht als einen Fremden.“
Interessant ist, dass in den ganzen Kapiteln sowohl Hiob als auch die Freunde von Gott immer als einem Ferngott sprechen. Das einzige, was aufleuchtet, ist in Kapitel 19, Vers 25 dieses Bekenntnis, dass Hiob sagt: „Dieser Gott ist mein Erlöser.“ Dabei kannte er noch gar nichts von Golgatha, er wusste nichts vom stellvertretenden Opfer. Ich weiß nicht, woher er diese Erkenntnis hatte.
Gottes Schweigen und die Rolle von Elihu
Übrigens, ich weiß nicht, wer von euch das Oratorium „Messias“ von Georg Friedrich Händel kennt. Genau in der Mitte dieses Werkes kommt ein Vers vor, der als Soloarie gesungen wird: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebt.“
Bis zu diesem Zeitpunkt hat Gott mit Hiob noch nicht gesprochen. Man könnte sich fragen: Wo bleibt denn die Seelsorge? Kümmert sich Gott nicht um Hiob? Was hat es für eine Bedeutung, wenn Gott schweigt?
Gott bringt sozusagen erst noch einen vierten Freund ins Spiel, einen jungen Mann namens Elihu. In seinem Namen wird auch der Name Gottes genannt. Elihu ist der Jüngste in diesem Kreis und hat bis Kapitel 32 geschwiegen. Er begründet sein Schweigen damit, dass er der Jüngste sei und die anderen älter. Er hatte gedacht, sie wären durch ihr Alter weise. Doch das, was sie in der ganzen Zeit miteinander besprochen haben, entspricht nicht Gottes Wesen.
Elihu schildert Gott auf eine völlig andere Weise. Es ist erstaunlich, dass dieser junge Mann eine so tiefe Gotteserkenntnis hatte, obwohl er keine Bibel besaß. Er hat sich Gedanken über Gott gemacht und kommt zu dem Ergebnis: Gott ist uns keine Rechenschaft schuldig, er ist souverän. Wir können ihm nicht vorschreiben, was er tun soll.
Natürlich erkennen wir im Neuen Testament, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken. Doch das bedeutet nicht, dass es uns immer gut gehen muss. Selbst wenn es uns schlecht geht, hat Gott etwas Gutes damit vor.
Viele Menschen müssen später bezeugen, dass die Not, in die sie gekommen sind, zu ihrem Segen geworden ist. So heißt es: Zum Heile wuchert mir bitteres Leid.
Beispiele von Glauben in schwerer Krankheit und Gottes Antwort
Diese Studie und die Kollegin, von der ich eben erzählt habe, sie kam nach einem Jahr Kranksein zum Glauben. Ihre Verwandten sagten, so etwas hätten sie noch nie erlebt. Es ging ihr körperlich sehr, sehr schlecht. Sie lebte noch zehn Jahre, musste immer in einem dunklen Raum leben, bekam ständig epileptische Anfälle, nahm Medikamente und hatte Schmerzen.
Wenn man sie fragte, wie es ihr geht, antwortete sie dennoch: „Gut.“ Sie sagte, wenn sie nicht von Gott zerschlagen worden wäre, wäre sie nie zum Glauben gekommen.
Es ist schon erstaunlich. Sie bat mich später, ihre Beerdigung zu halten. Es war meine erste Beerdigung, die ich in jungen Jahren durchführte, und das war eine große Herausforderung. Die gesamte Verwandtschaft war ungläubig. Berit hatte mich gebeten und gesagt: „Eberhard, sprich auf meiner Beerdigung nicht von mir, sprich nur von Herrn Jesus.“
Bei ihr habe ich etwas davon gemerkt, dass sie verstanden hat, wie es Hiob später erlebte. Sie bekam keine Antwort darauf, warum sie so krank war. Sie konnte nur sagen, dass sie dadurch zum Glauben gekommen sei.
Hiob erhält keine Antwort auf sein Elend, auf die Katastrophen und auf die Krankheit. Gott schweigt bis Kapitel 38. Nehmt euch das Buch Hiob, schaut, wie umfangreich die 42 Kapitel sind, und wie Gott in den ersten 38 Kapiteln schweigt.
Erst nachdem der junge Freund Elihu zu Hiob gesagt hat, dass Gott anders ist, als er denkt, tritt Gott auf. Plötzlich erlebt Hiob Gott in einer ganz persönlichen Beziehung. Hiob hört Gott. Gott schickt ein heftiges Wetter, und Hiob hört die Stimme in diesem Wetter.
Gott tut das auf diese Weise. Das hatten wir auch im letzten Jahr schon gesehen, ebenso wie im Jahr davor, und auch, wie Jesus mit Menschen umgeht.
Gottes Fragen als Weg zur Erkenntnis
Gott stellt Fragen. Er hält Hiob keine Predigt. Gott sagt nicht: „Hiob, du hast ein falsches Gottesbild, und jetzt erkläre ich dir, wie ich wirklich bin.“
Stattdessen stellt Gott in den Kapiteln 38 bis 41 eine Frage nach der anderen: Wo warst du? Kannst du das? Warst du dabei, als die Erde geschaffen wurde? Warst du dabei, als ich dem Wind die Naturgesetze gab? Warst du dabei, als ich die Sterne bildete? Warst du dabei, als ich die Tiere erschuf?
Guck dir die Natur an – erkennst du mich darin? Er stellt Fragen, Fragen, Fragen, immer wieder Fragen.
Dann sagt Hiob in Kapitel 42, Verse 1-5: „Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen.“ Das bedeutet, Hiob erlebt Gott plötzlich in der persönlichen Ansprache. Er muss bekennen: Ich habe falsch über dich geurteilt, ich habe mir ein falsches Bild gemacht.
Hiob sagt auch: „Ich schlage mir auf den Mund. Ich habe meinen Mund zu voll genommen. Gott, du bist weit größer.“
Es ist erstaunlich, dass Gott ihm nicht erklärt: „Weißt du, der Teufel war bei mir, und ich wollte ihm beweisen, dass du Glauben hast.“ Das erfährt Hiob nicht.
Wir können diesen Blick in den Thronsaal Gottes werfen und kennen den Hintergrund. Hiob kannte ihn nicht. Er kannte immer noch nicht das Warum, die Antwort auf das Warum. Aber er erlebt Gott plötzlich ganz persönlich, und das nimmt ihm die Fragen weg.
Im Grunde erlebt er das, was er schon in Kapitel 19 gesagt hat: „Mein Erlöser lebt.“ Das erlebt er, als Gott ihm die Fragen stellt.
Die neue Gotteserkenntnis und ihre Folgen
Und dann schlagen wir mal noch Kapitel 42 auf. Dort sagt Hiob als Antwort: „Ich habe erkannt, dass du alles vermagst und kein Plan für dich unausführbar ist. Wer ist es, der den Ratschluss verhüllt ohne Erkenntnis? So habe ich denn meine Meinung mitgeteilt und verstand doch nichts. Dinge, die zu wunderbar für mich sind und die ich nicht kannte. Höre doch, und ich will reden. Ich will dich fragen, und du sollst mich wissen lassen. Vom Hörensagen hatte ich von dir gehört, jetzt aber hat mein Auge dich gesehen. Darum verwerfe ich mein Geschwätz und bereue in Staub und Asche.“
Hiob hat ein neues Gottesbild bekommen. Für ihn ist Gott nicht mehr der ferne Gott, sondern ein naher Gott, der mit ihm redet. Ich glaube, dass das auch für uns wichtig ist.
Dann gibt Gott Hiob eine Aufgabe. Er rügt nicht den vierten Freund, sondern die drei Freunde, die ein falsches Gottesbild hatten. Er sagt ihnen, sie sollen ein Opfer bringen, weil sie ihren Mund zu voll genommen haben. Bei diesem Opfer soll Hiob für sie beten. Hiob soll also sozusagen als hoher Priester für sie eintreten.
Ein ganz interessanter Vers steht in Kapitel 42, Vers 10: „Und der Herr wendete das Geschick Hiobs, als er für seine Freunde fürbitte tat.“ Ich glaube, das ist ein Schlüsselvers. Nicht nur, dass Hiob eine neue Gotteserkenntnis bekommen hat und sieht, wie Gott wirklich ist, sondern auch in dem Moment, in dem er den Blick von sich selbst weghält.
Vielleicht kennt ihr das auch: Wenn es uns schlecht geht, wenn wir in Katastrophen, in Not oder Krankheit sind, dreht sich alles um uns selbst. So war es bei Hiob auch. Er hat nicht gefragt, wie es seinen Freunden geht. Es ging nur um ihn.
Aber in dem Moment, in dem er für seine Freunde betet, wendet Gott das Geschick Hiobs. Er bekommt einen völlig anderen Blick – nicht nur über Gott, sondern auch über die anderen.
Danach wird berichtet, wie Gott ihn neu segnet. Er bekommt noch einmal zehn Kinder und doppelt so viel Hab und Gut wie zuvor. Aber im Grunde ist das gar nicht das Wesentliche.
Die zentrale Botschaft des Buches Hiob für den Glauben heute
Ich glaube, dass das Wesentliche am Buch Hiob darin besteht, dass er begreift, dass Gott nicht ein Gott ist, der mir Rechenschaft schuldig ist und mir nicht alle „Warum“-Fragen beantworten muss. Vielmehr darf ich davon ausgehen, dass er es gut mit mir meint, auch wenn ich sein Handeln nicht verstehe.
Vielleicht nehmen wir noch einmal mit, was in Kapitel neunzehn steht: „Ich weiß, mein Erlöser lebt, und als der Letzte wird er über der Erde stehen. Nachdem man meine Haut so zerschunden hat, werde ich doch aus meinem Fleisch Gott schauen.“ Ja, ich werde ihn für mich sehen, und meine Augen werden ihn sehen, aber nicht als Fremden. Hiob hat eine persönliche Beziehung zu Gott bekommen.
Das ist eigentlich auch für uns das Wesentliche: Wenn Gott uns Not und Elend gibt, dann geschieht das mit dem Ziel, dass wir wirklich eine ganz persönliche Beziehung zu ihm bekommen. Das heißt nicht, dass er uns immer alle Nöte und Krankheiten wegnimmt. Manchmal ist er so gnädig und tut es, aber manchmal lässt er es auch zu.
Vielleicht kennt ihr das auch: Man besucht kranke Geschwister und möchte sie trösten. Oft geht man selbst getröstet nach Hause. Ich weiß von einer alten Schwester, die jahrelang im Bett lag und immer wieder sagte: „Mir geht’s gut. Ich weiß, Jesus wartet auf mich, und ich werde bei ihm sein.“
Ich glaube, es ist wichtig, dass wir versuchen, das in unserem Herzen zu behalten. Ich kann nicht sagen, ob ich es schaffen werde. Der Herr hat mich bisher vor solchen Dingen bewahrt, und ich bin dankbar, dass eine solche Geschichte in der Bibel steht.
Wie vielen Gläubigen hat Hiob schon geholfen!
