Die Suche nach Gerechtigkeit im Alltag
Verehrte liebe Schwestern und Brüder, heute soll ein Bibelwort zu uns sprechen. Es beginnt mit den Worten: „Ihr, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt.“ Wenn ich Sie so ansehe, gehören auch Sie zu den Menschen, die der Gerechtigkeit nachjagen.
Das beginnt oft schon bei kleinen Dingen. Wir leben in einer Wohngemeinschaft, und meine Frau und ich müssen uns ständig zusammennehmen, damit wir uns nicht aufregen. Der Küchenmüll gehört nicht ins Papier, und die Gartenabfälle gehören nicht in den Restmüll. Das sind kleine Dinge, aber sie können einen bis ins Innerste erschüttern.
Neulich hat jemand gesagt: „Wir tragen alle sozusagen ein großes Plakat vor uns her. Wenn alle Menschen so wären wie ich, dann würde die Welt anders aussehen.“ Wir wollen Vorbilder sein. Und wenn wir mit Gott rechnen, dann wollen wir erst recht vor Gott gerecht dastehen. „Ach, Herr, bring es so weit, dass du nicht so viel an mir zu kritisieren hast.“
An solche Menschen hat der Prophet Jesaja ein Wort gerichtet: „Ihr, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt.“ Er sagt: „Schaut auf Abraham, den Felsen, aus dem ihr gehauen seid.“ Da hat Gott etwas Großes vollbracht, wie ein Bildhauer, der aus einem unscheinbaren Felsblock ein Kunstwerk schafft.
Wenn man sich die wunderbaren Statuen von Michelangelo anschaut – den Mose, den David –, dann sieht man, wie aus einem Stein mit Ecken und Kanten ein großartiges Kunstwerk entsteht. Dieses Bild hat Jesaja im Auftrag Gottes gebraucht: „Schaut doch auf Abraham, was ich aus ihm gemacht habe!“
Ihr bemüht euch immer, anständig zu sein und Positives aus eurem Leben zu machen. Aber ihr lasst viel zu wenig zu, dass ich an euch arbeite.
Liebe Schwestern und Brüder, ist das nicht auch unsere christliche Not? Gut, wenn wir in schwierigen Lagen sind, sagen wir: „Herr, hilf!“ Aber ist das auch unser Gebet am Morgen? „Herr, wirke du an mir. Schlage die Ecken und Kanten weg, die dir nicht gefallen. Mach aus mir ein Kunstwerk!“
So steht es bei Jesaja 51: „Hört mir zu, ihr, die ihr der Gerechtigkeit nachjagt, die den Herrn sucht. Schaut den Felsen an, aus dem ihr gehauen seid.“ Es ist klar, dass Gott uns ins Bewusstsein rufen will: „Achtet mal darauf, was ich aus Menschen gemacht habe!“
Abraham und Sarah als Symbole göttlicher Gestaltung
Und Gott fängt bei Abraham an, bei dem Nomaden, der ein Fremdling war, aber in den Augen Gottes ein Gesegneter ist: „Ich bin dein Schild und dein großer Lohn.“
Und wenn du auch auf die hundert Jahre zugehst, alt und vertrocknet bist, wenn du in dieser Welt als alter Mensch nicht mehr viel zählst, habe ich mit dir noch etwas vor. Ich will dir einen Erben, einen Sohn schenken.
Abraham glaubte, und das zählte ihm als Gerechtigkeit, wie es im Brief an die Römer heißt. Ihr sollt der Gerechtigkeit nachjagen. Ihr seid doch Empfangende, wie Abraham, der es gelten ließ, dass Gott aus ihm etwas machen wollte. Schaut an Abraham, den Felsen, aus dem ihr gehauen seid, euren Stammvater.
Aber jetzt geht es bei Jesaja 51 weiter, und schaut auch Sarah an, von der ihr geboren seid, den Brunnenschacht, aus dem ihr gegraben seid. Ich habe immer gedacht, der Prophet Jesaja denkt an eine Zisterne, die ganz unten noch Wasser hat. So ist es bei Sarah, die im Alter noch einen Sohn geboren hat. Schaut an, der Brunnen war nicht ganz vertrocknet, unten war noch ein bisschen Wasser.
Vor vier Wochen bin ich auf eine alte Geschichte gestoßen. Sie hat das Vorrecht, wenn man alt wird, dass man manche Dinge entdeckt, die man übersehen hat. Nämlich, dass Konrad Schick, der in Korntal zum Mechaniker ausgebildet wurde, später der gesegnete und befähigte Baumeister von Jerusalem wurde. Das ganze Viertel Meascherim ist von ihm gebaut, ebenso der Bahnhof von Jerusalem und die Bahnlinie nach Jaffa. Es gibt eigentlich nichts in Jerusalem, das nicht von Konrad Schick, diesem befähigten Mann, gebaut wurde.
Im Jahr 1881 rannte zu ihm, dem Baumeister von Jerusalem, ein arabischer Junge und sagte: „Ich habe etwas entdeckt. Da ist so ein Felsspalten, vielleicht geht es da noch tiefer hinein.“ Herr Schick hat nachgesehen und auch eine alte phönizische Inschrift gefunden. Es war der Anfang eines 550 Meter langen Kanals unter der Altstadt von Jerusalem, gegraben im Jahr 701 v. Chr., also schon lange her.
Als Jerusalem von den Assyrern belagert wurde, sagte König Hiskia: Die Gihon-Quelle, die uns früher mit Frischwasser versorgt hat, liegt außerhalb der Mauern. Jetzt müssen wir die Gihon-Quelle abdecken und das Wasser in die Stadt leiten, zu dem Teich Siloah. Wir wissen bis heute nicht, wie sie es geschafft haben. Es war Eile notwendig, denn die Assyrer standen vor den Toren.
Deshalb ließ Hiskia von zwei Stellen aus graben, mit den primitiven Mitteln, die man damals hatte, im Jahr 701 v. Chr. Die Gräber trafen sich im Berg, dreißig Meter unter dem Tempelberg. Und nicht nur das: Sie brachten in den Tunnel ein Gefälle hinein, so dass die Gihon-Quelle, die sprudelt wie ein richtiger Quellbrunnen, ihr Wasser mit gleichbleibender Geschwindigkeit in die Siloah-Quelle leitete, die in Jerusalem lag.
Man war stolz auf diese Meisterleistung und glaubte: „Wir werden auch mit den Assyrern noch fertig werden.“ Wenn man Jesaja 22 aufschlägt, merkt man, dass der Prophet Jesaja ganz genau das kannte. Dort heißt es: „Ihr rühmt euch, dass ihr das Wasser des oberen Teichs fasst und in den unteren Teich leitet, zwischen den Mauern, und ihr achtet nicht auf Gott.“
Man kann auf die eigene Leistung unheimlich stolz sein. Wir sind ja zum Teil in einer Seniorenfreizeit. Als alter Mensch denkt man: Was ich geschafft habe, ist eigentlich erstaunlich. Dass die, die hinter mir kommen, das nicht dauernd erwähnen. „Ohne mich wäre in Württemberg gar nichts gelaufen.“ So waren sie stolz in Jerusalem: „So einen Tunnel bauen wir, solche Leute haben wir.“ Aber sie rechneten nicht mehr mit Gott.
In diese Situation spricht Jesaja vom Brunnenschacht, diesem dunklen, engen, vergessenen Gang. Er führt nicht geradewegs zum Siloah, sondern die Bauleute sind offenbar immer ausgewichen, wenn sie auf härteres Gestein stießen. Bis heute, wenn man den Tunnel entlanggeht, mit einer guten Taschenlampe und ohne Angst, dass man dauernd in etwa 70 Zentimeter kaltem Wasser steht, kann man versuchen, den Gang zu durchqueren.
Manchmal ist er nur 45 Zentimeter breit und manchmal nur 1,45 Meter hoch. Man kann dort durchkriechen. Dieser dunkle, gewundene Gang war damals in Jerusalem ein eindrückliches Bild. So ist auch Sarah. Im Leben der Sarah gab es viele gewundene, verschlungene Pfade.
Das Leben der Sarah – ein Bild von Glauben und Durchhaltevermögen
Als junge Frau wurde sie im Zweistromland, zwischen Eufrat und Tigris, geheiratet. Plötzlich bricht die gesamte Sippe des Terach auf, Richtung Haran – Hunderte von Kilometern. Wir wissen nicht genau, warum. Im Buch Josua 24 wird gesagt, dass sie den Götzen dienten, die damals im Zweistromland verehrt wurden. Trotzdem war es vielleicht ein innerer Drang in der Familie des Terach: „Wir wollen bei diesen Götzenanbetern nicht bleiben. Es muss doch noch etwas anderes geben.“
Sie lösten sich schließlich, als sie in Haran ankamen. Wie mag sich Sarah, die junge Frau, gefühlt haben? Müde, erschöpft? Da sagt Abraham: „Mein Gott hat mir befohlen, weiterzuziehen.“ Ja, wohin? „Er wird es mir zeigen.“ So brechen sie mit Lot auf, eine kleine Gruppe, die sich von der schützenden Familie löst und in Richtung des Landes Kanaan zieht.
Sarah hat Abraham nicht gesagt: „Du hast einen Vogel, du jagst einem Phantom nach. Werde doch endlich mal nüchtern!“ In jeder guten Ehe ist ein Mann glücklich, wenn die Frau ihn auch mal wieder auf den Boden zurückholt, oder? Aber Sarah konnte das nicht sagen. Sie musste jahrelang hören, dass Gott Abraham ein Kind schenken wollte – wo blieb es? Wo war die Heimat? Gott hatte Abraham gesagt: „Sieh in das Land, ich will es dir in der Länge und Breite geben.“
Zuerst waren sie in Bethel, dann in der Gegend von Sichem, danach in Beerscheba. Dann kam eine Hungersnot, und sie zogen nach Ägypten. Danach kehrten sie zurück nach Hebron, und wieder versuchten sie es in Bethel. Unstet und flüchtig, wie es eigentlich das Verderbensschicksal war, das Kain angedroht wurde.
Abraham sagte: „Mein Gott hat einen Plan mit mir.“ Aber Sarah dachte nicht so. Sie sagte nicht wie die Frau des Hiob: „Gott, lass das mit dir.“ Auch solche Berichte gibt es in der Bibel. Gleich auf den ersten Seiten wird erzählt, wie Eva auf die Frage des Versuchers hereinfiel: „Sollte Gott wirklich gesagt haben?“ Vielleicht hast du es auch nur geträumt. Willst du wirklich diesen Eingebungen folgen?
Schaut an: Sarah zog mit ihm. Es muss eine geheime Hochachtung gewesen sein, dass es eine Autorität gab, die noch höher war als die ihres Mannes. Nebenbei bemerkt: Bei den christlichen Erziehern gab es einmal die Weisung, dass erziehen nur der kann, dem die Kinder abspüren, dass er sich selbst täglich von Gott erziehen lässt.
Es war derselbe Gedanke, dass Sarah spürte: „Mein Mann befiehlt nicht bloß: ‚Pack wieder das Zelt zusammen, es geht los.‘ Mein Mann befiehlt nicht bloß: ‚Wenn der Besuch kommt, eile, knete, backe Kuchen.‘ Er behandelt mich nicht als Kuli, sondern er selbst möchte ein Diener der höchsten Autorität sein.“
In der Fremde ziehen sie die Länge und Breite durch Regen und Sonnenbrand – so haben wir früher in den Fahrtenliedern gesungen. So ist Sarah gegangen. Schaut an Sarah – was mag wohl in ihrem Kopf vorgegangen sein? Werden wir endlich einmal ein Plätzchen finden, wo ich zu Hause bin?
Ja, Sarah hat es gefunden: in der doppelten Höhle von Machpela bei Hebron. Zwei auf einen Meter – ihr Grab. Es war der einzige Platz, wo sie wirklich zu Hause war. Haben wir uns denn in Gott getäuscht? Schaut an: Sarah wurde von Gott zur Segensträgerin gemacht. Sie, die aussah wie eine Quelle, die nicht mehr sprudeln will, hat Gott im Alter den Erben geschenkt.
Ich weiß nicht, wie es Ihnen beim Bibellesen geht, wenn Sie bei Matthäus oder Lukas anfangen und die langen Geschlechtsregister kommen. Da denkt man oft: „Ach, das überspringe ich, was soll das bringen?“ Aber Gott macht deutlich, dass an dieser entscheidenden Stelle eine Frau war.
Im Hebräerbrief heißt es: „Durch den Glauben empfing Sarah Kraft, trotz ihres Alters den von Gott verheißenen Nachkommen zu gebären.“ Nicht nur Abraham dachte, dass Gott es kann, sondern auch sie sagte gemeinsam mit ihrem Mann: „Gott kann.“ Ich bin gespannt, was mein Gott auch in der Fremde tun wird.
Fremde, Geschichte und Segen durch Menschen
Fremdsein kann schlimm sein. Mein Pfarrkollege, der aus Schlesien stammt, hat einmal gesagt: „Ach, wir sind und bleiben Fremde in Württemberg.“ Da konnte ich ihm nur antworten: Du ahnst nicht, welchen Segen schlesische Flüchtlinge und Heimatvertriebene quer durch die Kirchengeschichte gewirkt haben.
Ich denke an Simmersfeld im Schwarzwald. Dort hat ein Schneidermeister, der aus Danzig stammte, eine großartige Jugendarbeit aufgebaut. Er trug immer einen schwarzen Anzug und eine schwarze Bombe, was überhaupt nicht jugendgemäß war. Er war Handwerksgeselle, Schneidergeselle, und hat im Osten einen Christenmenschen gefunden – und damit den Herrn Jesus. Wo immer er hinkam, wollte er Menschen zu Jesus einladen.
Im Alter hat ihn die Flucht 1945 von Danzig auf die Höhen des Schwarzwalds verschlagen. Heute trägt das Gemeindehaus in Simmersfeld seinen Namen. Es ist, als ob Gott die Flüchtlinge segnen wollte.
Johannes Busch hat einmal gesagt: „Unser Gott wohnt bei denen, die es sich nicht gemütlich machen.“ Und wenn sie schon Tage und Nächte unterwegs sind, hat unser Gott so viele Segnungen bereit, dass ich lieber mit Gott unterwegs sein will, als auf die Segnungen Gottes verzichten zu müssen.
Wenn man in die Kirchengeschichte hineinsieht, erkennt man, wie oft es Flüchtlinge waren, die Segen gebracht haben. Der Spittler, der 50 Werke der Diakonie, der Weltmission und der Bibelverbreitung in Basel für den gesamten südwestdeutschen Sprachraum geschaffen hat, war ein Flüchtling aus der Steiermark. Der Hofprediger Olsperger, der die Christentumsgesellschaft ins Leben gerufen hat, war ein Flüchtling aus Kärnten, der um des Glaubens willen vertrieben wurde.
Es müsste einmal die Geschichte geschrieben werden, wie Gott Fremdlinge segnet. Auch in unseren Dörfern und Städten, durch viele Neubürger und Flüchtlinge, die nach 1945 zu uns kamen – über die wir uns manchmal geärgert haben: „Jetzt kommen die auch noch!“ – hat Gott Segen gestiftet.
Die komplexe Persönlichkeit der Sarah
Aber es war nicht nur geografisch gesehen so, dass die Wege der Sarah etwas verschlungen waren, sondern auch in ihrem Leben selbst gab es einiges, das ungewöhnlich war.
Wie kam sie eigentlich dazu, ihren Halbbruder zu heiraten? Abraham und Sarah hatten denselben Vater, aber unterschiedliche Mütter. Später wurde im Gesetz des Mose Inzucht streng verboten. War das nicht ein bisschen merkwürdig? Habt ihr das nicht nur deshalb gemacht, damit ihr keine heidnische Frau heiraten musstet?
Vielleicht lag es auch an Sarah, der glutäugigen, schönen Sarah, dass sowohl der Pharao in Ägypten als auch später der König Abimelech in Gerar sie beinahe in ihren Harem aufnehmen wollten. War sie dabei ganz unschuldig? Hätte sie nicht etwas zurückhaltender sein können? Man kann sich darüber seine Gedanken machen.
Wie ist sie mit ihrer Magd Hagar umgegangen? Heute würde Hagar damit vor das Amtsgericht oder Arbeitsgericht ziehen, denn so geht man nicht mit einer Mitarbeiterin um. Entschuldigung: In Ägypten sagte Abraham zu Sarah: „Du bist so schön, du stehst in Gefahr, dass sie dich in den Harem aufnehmen.“ Deshalb solle sie sagen, sie sei seine Schwester. Und sie hat das nachgeplappert – eine Notlüge! Warum denn?
Später hat sie am Zelt gelauscht, als die Engel kamen, um Abraham zu verkünden, dass bald Sodom und Gomorra untergehen würden und dass Abraham einen Sohn bekommen würde. Sarah lauschte an der Zeltwand und lachte – sie bekam einen richtigen Lachanfall. Das ist technisch und biologisch unmöglich. Was sollte das?
Der Engel fragte: „Warum lacht Sarah?“ Da sagte sie: „Ich habe überhaupt nicht gelacht.“ Das war Sarah. Man sieht: Gott hatte mit so einer Frau noch etwas vor. Dass Gott einer solchen Frau den Erben der Verheißung anvertraut hat – die entscheidende Verbindung zu Jesus –, zeigt auch, dass es Positives über Sarah zu sagen gibt.
Wie gesagt, sie hätte ja nicht aussagen können: „Sollte Gott gesagt haben, sagt doch Gott ab.“ Verschlungene Pfade, auch im Wesen der Sarah.
Genau diese Sarah – schaut euch Sarah am Brunnenschacht an. Er sieht aus, als hätte ein Araberjunge nur einen Riss im Fels hinterlassen, eine Verwerfung. Aber da geht es weiter, das sind Zusammenhänge. Der Schacht führt Wasser, eine Lebensquelle. Schaut her, Sarah ist ein großartiges Bild, das der Prophet Jesaja benutzt hat, um zu zeigen, dass Gott diese Sarah gebraucht hat, um Segen zu bringen.
Vier Erkenntnisse aus dem Bild Sarahs
Mir sind in den letzten Wochen vier Dinge wichtig geworden, als ich den Befehl ernst nahm: Schaut an Sarah, des Brunnenschachts diesen Felsspalt, den Vergessenen. Es ist unseres Gottes Freude und Stolz, aus Menschen etwas zu machen, die sich so vorkommen, als ob Gott keinen Wert mehr auf sie legen würde.
Unser Gott will zeigen, was er machen kann. Er jagt ihnen die Gerechtigkeit nach und zeigt, was er vermag. Lass uns doch einmal sehen, was Gott kann.
In Württemberg sind wir durch den großen Bibelausleger Johann Albrecht Bengel gesegnet worden. Ganz Deutschland ist durch ihn gesegnet. Als er in Schorndorf zur Schule ging, schrieb er in sein Tagebuch: „Ich bin bloß wie ein Gräslein, das zwischen den Weinbergmauern aus den Ritzen herauswächst, wie ein bisschen Unkraut.“ Trotzdem hat Gott aus ihm den großen Schriftausleger gemacht, der uns die Bibel geöffnet hat.
Zu jeder Bibliothek eines rechten Theologen gehört heute „Gnomon“, dieser Einblick, dieser Fingerzeig, der vor 250 Jahren geschaffen wurde und nicht veraltet ist. Es ist die Freude unseres Gottes, aus Menschen etwas zu schaffen – wie aus der 88-jährigen Sarah, die meinte: „Ich bin von Gott vergessen.“ Auch in meinem Leben ist viel schiefgelaufen.
Manchmal werden wir in unserer Familie gefragt: Wie kommt es, dass da der Eberhard Busch und der Konrad Eisler und ihr Chefbuch entstanden sind? Was ist das für ein Segen? Wir sagen dann, das ist nicht unser Verdienst. Das Geheimnis unserer Familie ist unsere Großmutter, was sie ihren 42 Enkeln mitgegeben hat. Sie hat für die Enkel gebetet – das war wie ein Brunnenschacht.
Sie verlor früh ihren Mann, der von neun Kindern weggestorben ist. Die Versorgung nach dem Ersten Weltkrieg war nicht geregelt. Als sie mit ihrem Sohn Johannes, dem späteren Evangelisten und Jugendfahrer Johannes Busch, in Stuttgart war, besuchte sie damals noch die Anlagen, in denen es noch Bäume gab, die nicht gefällt waren. Einer war im Sturm geknickt und von Efeu umgeben.
Die Mutter Johanna Busch sagte: „Ich bin wie ein Baum, wie ein Efeu an diesem Baumstamm. Seit mein Mann gestorben ist, bin ich mit ihm gestürzt, und jetzt ist es vorbei.“ Aus dieser Frau, die meinte, Gott habe sie verlassen und vergessen, weiß ich nicht warum, hat Gott eine Segensträgerin gemacht.
Für unser ganzes Land und unsere Familie ist das die Freude unseres Gottes. Ich liebe es, Gerechtigkeit zu üben und das Rechte zu tun.
Zweitens wurde mir wichtig: Gott hat eine Gegenparole gemacht gegen das, was wir in der Welt sagen: „Aus nichts kommt nichts.“ Die Gegenparole Gottes heißt: „Sollte dem Herrn etwas unmöglich sein?“ Dieser Satz taucht in der Abraham- und Sarah-Geschichte auf und wird in der Bibel variiert. Wir kennen es von der Jahreslosung: „Alle Dinge sind bei Gott möglich, nichts ist bei Gott unmöglich.“
Wo wir in der Welt sagen: „Es geht doch einfach nicht“, da kann Gott etwas machen.
Entschuldigen Sie, wenn ich eine Geschichte aus der württembergischen Historie erzähle: Philipp Friedrich Hiller schreibt zur Einleitung seines Liederkästchens: „Man traute mir nichts Rechtes zu, einmal weil ich ein Schwabe bin, zum anderen ein Dorfpfarrer und zum Dritten, weil ich stimmlos gemacht wurde durch Gott. Man traute mir nichts Rechtes zu, aber Gott hat mir manchen Reim ins Herz geschenkt, und ich habe Lieder geschrieben.“
Bis heute sind das die Zentrallieder der Christenheit. Jesus Christus herrschte als König. Wenn ich an mir selbst verzage, tröstet mich Gottes Macht, sodass ich es im Glauben wage.
Einer der Gemeinden sagte: „Ich kann nichts mehr, ich bin Schwabe, stimmlos, ich bin nicht mal mehr richtiger Pfarrer.“ Aus diesem Menschen hat Gott etwas gemacht, weil es ihm Spaß macht.
Nichts ist bei Gott unmöglich – auch bei der Sarah nicht, die gesagt hat: „Wie soll ich noch der Liebe pflegen mit meinem Mann und ein Kind bekommen?“ Sie wusste schon damals, biologisch geht das nicht, aber ihr Gott kann es.
Drittens wurde mir wichtig, als ich Sarah betrachtete: Wir gehen gerade durch Zeiten großer geistlicher Dürre. Wenn man hier auf der Langsteinbarhöhe ist, hat man nicht so den Eindruck. Aber wenn man durchs Land geht, ahnt man nicht, wie armselig viele Gottesdienste besucht sind, wie die Kreise kleiner werden und wie Christen müde werden.
Die Gefahr ist, dass wir dann sagen: „Dann werden wir Zisternen graben, die doch kein Wasser geben.“ Wir müssen auch wie die Welt mit Bildern, mit Fotos, mit Filmen, mit Musik arbeiten. Es muss remmidemmi sein, dann werden die Leute kommen.
Schaut an den Brunnenschacht, das stille Wasser, das langsam den Berg hinunterträufelt, im Berg, von der Gihon-Quelle zum Siloateich.
Ich habe vorher Johann Albrecht Bengel erwähnt, der 20 Jahre lang kommende Theologen in Denkendorf unterrichtete und immer dachte, es müsse doch möglich sein, dass es mit den richtigen Pfarrern vorangeht. Wir müssen doch etwas unternehmen.
Dann hat ihm Gott gezeigt: Durch eine Handvoll dieser Leute, durch fünf Personen, kann es in Württemberg anders werden. Diese waren später Magnus Friedrich Roos, Philipp Friedrich Hiller und andere – fünf Leute des schwäbischen Pietismus, von dem Fachleute heute sagen, er habe unser ganzes Wirtschaftsleben verändert und die ganze Einstellung der Schwaben bis hin zur Kehrwoche.
Wer heute sagt, Christen müssten öffentlichkeitswirksam sein, irrt. Wenn Menschen im Glauben stehen, strahlen sie etwas aus, das öffentlichkeitswirksam wird. Dafür braucht man keine Programme.
Das stille, sanfte Laufen des Brunnens in dem Brunnenschacht – wir sollten nicht von großen Zisternenbauten erwarten, dass sie etwas schaffen.
Hört mir zu, ihr, die nach Gerechtigkeit trachten und das Rechte tun wollen.
Schade um Sarah, diese arme Frau mit den verschlungenen Wegen ihres Lebens. Ich habe sie zur Segensträgerin gemacht. Ich habe auch ihre Fehler gesehen, ihre Eigenheiten. Ja, aber ich wollte etwas aus ihr machen.
Die Freude des Glaubens und die Hoffnung auf Gottes Wirken
Letzter Gedanke
Sarah hat nicht nur gelacht, als sie an der Zeltwand gelauscht hat. Sondern auch, als sie schließlich ihren Sohn herzte. Die alte Frau, die ihren eigenen Sohn in den Armen hielt, sagte: „Gott hat mir ein Lachen zubereitet, dass ich, die Frau Abrahams, ein Kind stillen sollte.“ Es ist die staunende Freude darüber, was Gott möglich macht – ein Lachen, das er bereitet hat.
Ich musste an das Wort denken: „Die Erlösten des Herrn werden wiederkommen, ihr Mund wird voll lachend sein.“ Es ist gut, dass Gott bis heute unseren Augen etwas verbirgt, nämlich was er aus den Spuren unseres Lebens macht. Sonst würden wir stolz auf uns selbst werden, obwohl es der Herr ist, der alles bewirkt.
Der sterbende Graf Zinzendorf hat einmal gesagt: „Ich wäre irre, wenn ich nicht wüsste, dass die Gemeinde Jesu weithin aus Lazarettkranken besteht, aus merkwürdigen Leuten und aus Menschen, die in den Augen der Welt wie Unkraut aussehen. Ich wäre irre, wenn ich die perfekte Gemeinde schaffen wollte. Die Gemeinde Jesu ist das Lazarett unseres Gottes.“
Als er im Sterben lag, sagte er zu dem Mitarbeiter Nitschmann, der neben ihm stand: „Nitschmann, als wir die ersten Sendboten zu den Heiden hinausgesandt haben, haben wir kaum für möglich gehalten, dass es bei den Eskimos, in Afrika und in Indien Erstlinge für den Herrn Jesus gibt. Nitschmann, was für eine formidable Karawane steht jetzt vor dem Thron unseres Herrn Jesus!“
Wo sehen Sie das Lachen? „Das hätte ich im Leben nicht gedacht, dass das bei meinem armseligen Wirken herauskommen kann.“ Dann wird Ihr Mund voll Lachen sein, Ihre Zunge voll Rühmens. Der Herr hat Großes an uns getan – nicht bloß durch uns, sondern wir werden staunen, was unser Gott aus uns Lazarettkranken, aus uns merkwürdigen Leuten, aus uns, die wir wie Unkraut in den Augen der Welt aussehen, erst noch machen wird.
Wir dürfen mit diesem Gott reden: „Herr, du ewiger Gott, du Vater unseres Herrn Jesus, du hast durch diese Kette der Geschlechter, zu der auch Sarah und Abraham gehörten, deinen Segen in unsere bedürftige Welt gegeben – voller kranker, merkwürdiger, eckiger Leute, die wir immer meinen, müssten selbst der Gerechtigkeit nachjagen. Lass uns begreifen, dass du bereit bist, Großes an uns zu tun. Du hast dauernd den Meißel in der Hand und möchtest gern aus unserem Leben ein Kunstwerk machen, solange es noch Zeit ist. Gib, dass wir dazu bereit sind.“ Amen.
