B. No! Ich begrüße Sie herzlich zu diesem Gottesdienst. Wir wollen jetzt gemeinsam mit dem Morgenlied 345 beginnen.
Im Namen des Vaters und des Sohnes und des Heiligen Geistes: Unsere Hilfe kommt von dem Herrn, der Himmel und Erde gemacht hat. Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade.
Wir wollen beten. Herr, wir halten die Armseligkeit, die unser Leben oft bestimmt, noch verkrampft mit den Händen fest. Wir wollen jetzt aber zu dir kommen. Ich bitte dich, dass du uns wegnimmst, was unser Leben zerstört, dass du uns die leeren Hände füllst mit deinen Gaben, dass du uns dein Wort so schenkst, dass wir darüber fröhlich werden und neue Hoffnung fassen können.
Möge jeder von uns auf neue Weise erfahren, dass du lebst und dass du uns haben willst. Wir beten weiter in der Stille.
Hilf du uns, die Brücke zu schlagen vom Hören zum Tun! Amen!
Einführung in die Predigtreihe und biblischer Kontext
Wir wollen in diesem Halbjahr über Szenen aus dem Leben Davids sprechen. Heute betrachten wir einen Text aus 1. Samuel 21,11-16.
David war bereits zweimal fast eigenhändig vom König Saul ermordet worden. Es gab viele Gründe, sich Sorgen zu machen. In dem Text heißt es: „Und David machte sich auf und floh an jenem Tage vor Saul und kam zu Achis, dem König von Gad.“
Doch die Großen des Achis sprachen zu ihm: „Ist das nicht David, der König des Landes, von dem sie im Reigentanz sangen: ‚Saul schlug tausend, David aber zehntausend‘?“
David nahm sich diese Worte zu Herzen und fürchtete sich sehr vor Achis, dem König von Gad. Deshalb stellte er sich wahnsinnig vor ihren Augen dar. Er tobte unter ihren Händen, rannte gegen die Pforte des Tores und ließ seinen Speichel in seinen Bart fließen.
Da sprach Achis zu seinen Großen: „Ihr seht ja, dass der Mann wahnsinnig ist. Warum habt ihr ihn zu mir gebracht? Habe ich zu wenig Wahnsinn, dass ihr diesen hier gebracht habt, um bei mir zu toben? Soll der auch noch in meinem Haus sein?“
Der Weg eines Christen: Erwartungen und Wirklichkeit
Wenn Sie jetzt den Fragebogen in der Hand hätten und ankreuzen könnten, wem der Weg eines Christen gleicht, welche Möglichkeit würden Sie wählen? Ist der Weg eines Christen wie eine Raketenbahn? Oder eher wie eine Autorennstrecke? Vielleicht wie eine verschlungene Dschungelfahrt? Oder wie eine breite, repräsentative Prachtstraße? Oder doch eher wie ein Hochgebirgswanderweg im Zickzack? Was würden Sie ankreuzen?
Wenn der lebendige Gott mit einem Leben in Berührung kommt, dann müsste man eigentlich erwarten, dass dieses Leben etwas von der Gradlinigkeit, der Zielstrebigkeit und dem Elan, diesem eleganten Geradeaus, bekommt. Wo Gott etwas will, wo Gott in seiner Kraft wirkt, da muss es doch einen geraden Weg geben.
Aber jeder weiß, dass die Dinge ein bisschen anders liegen. Es ist nicht so, dass nur die äußeren Umstände, Schwierigkeiten oder Widerstände schuld daran sind, dass der Weg eines Menschen, der versucht, mit Gott zu leben, so eine verschlungene Dschungelfahrt ist. Manchmal verläuft man sich im Gestrüpp so sehr, dass man gar nicht mehr richtig weiß: Bin ich eigentlich noch auf dem Weg oder nicht mehr?
Es liegt nicht nur an den äußeren Schwierigkeiten, die es ja wahrhaftig auch gibt. Es liegt vor allem an der Hinterlist unseres eigenen Herzens, an dem Durcheinander, an der Verworrenheit, an der Taubheit und an der Blindheit gegenüber Gottes Wegweisung.
Bei David war das nicht anders, und seitdem hat sich in dieser Sache leider nichts Wesentliches geändert. So müssen wir diesen merkwürdigen Text ansehen und wollen darüber schreiben: Schleichwege, Holzwege, Fluchtwege. Vielleicht sind noch ein paar mehr darin, aber das soll erst einmal einen Eindruck vermitteln: Schleichwege, Holzwege, Fluchtwege.
Enttarnt: Die Schwierigkeit, sich zu verstecken
Ein Gesicht, das ich erläutern möchte, heißt „enttarnt“. David ging es in der Philisterstadt Gat so wie Werner Höfer im Zug. Ich meine damit, dass ich selbst einmal unterwegs war, Richtung Breklum, und über Nacht gefahren bin. Morgens hatte ich dort einen Vortrag und stand im Schlafwagen-Gang. Neben mir stand ein Gesicht, das man doch tausendmal gesehen hat, oder? So ist das mit Fernsehgesichtern: Man ist ihnen nie wirklich begegnet, erkennt sie aber sofort, wenn sie da sind.
Die armen Leute, wie Höfer und andere, waren wahrscheinlich nur ganz privat auf Reisen. Sie wären sicher dankbar gewesen, wenn nicht alle Leute gleich den Kopf gesenkt hätten und sie wie alte Bekannte grüßten, die jeden Sonntag bei ihnen zuhause zu Gast sind. Man kann gut nachempfinden, dass sie sich auch mal ganz privat fühlen wollten. Doch es gab nichts zu machen, denn sie fielen sofort auf. Das Gesicht kennt jeder.
So ging es David in Gat. Er wollte eigentlich untertauchen. Er wünschte sich sehnlich, dass kein Mensch ihn erkennen würde. Doch kaum war er in der Stadt angekommen, sprachen die Soldaten der Philistertruppe in Gat schon über ihn. „Das Gesicht haben wir doch gesehen! Das ist doch dieser Militärsuperstar von Israel, das ist doch der Typ!“ Sie hatten ihn sich gut eingeprägt. Furcht und Schrecken herrschten in ihren Reihen vor diesem Mann, David.
David war eigentlich auf Schleichwegen unterwegs. Er wollte untertauchen, weil er in Lebensgefahr war, verfolgt vom König Saul. Und nun wird er enttarnt.
Wenn Sie die Bibel lesen, werden Ihnen gelegentlich Geschichten auffallen, in denen Menschen auf ihren Schleichwegen enttarnt werden. Ein weiteres Beispiel ist Simon Petrus. Er war sich eigentlich sicher, dass er im Halbdunkel der Nacht, nicht mehr ganz in Reichweite des Lagerfeuerscheins in jener Nacht des Prozesses Jesu, getarnt und unbekannt war. So hoffte er, etwas beobachten zu können. Doch dann heißt es: „Bist du nicht auch mit Jesus von Nazaret gewesen?“ – „Ach, ich kenne ihn nicht!“ Unbarmherzig wird er enttarnt.
Lassen Sie uns das zunächst als etwas Positives und Hilfreiches ansehen. David wird enttarnt, weil er sich vorher ganz offen zu Gottes Sache bekannt hat. Er war ein Mitarbeiter, der aufgefallen ist, den man in den Schlachten des Volkes Gottes traf.
Muss man die Schlachten des Volkes Gottes im Alten Testament nun im Neuen Bund nach Jesus auf die Auseinandersetzung des Dienstes übertragen? Ja, genau das ist es, was David bekannt gemacht hat. Er war nicht nur im Herzen Christ gewesen. Es hatte sich nicht auf ein paar heimliche Gebete oder Hände gefaltet unterm Tisch beschränkt. Er hatte sich für Jesus eingesetzt und war so als Mitarbeiter Gottes bekannt geworden.
Er hatte etwas gewagt im Vertrauen auf die Wirklichkeit Gottes und war aufgefallen. Wo Glaubensgehorsam gewagt wird, bleibt es nie geheim. Das hat immer öffentliche Konsequenzen und betrifft die Umwelt. Deshalb kann es nie geheim bleiben. Die Sache mit Goliath war natürlich nicht verborgen geblieben.
Obwohl es David in Gat gar nicht recht war, dass er nun bekannt ist, hätte er sich andernfalls vielleicht gebauchpinselt gefühlt, wenn ihn jemand als den berühmten Mann erkannt hätte. Aber es war ihm ja gar nicht recht.
Dieses Verhalten Davids, die Tatsache, dass er auf seinen Schleichwegen auffällt, weil er nun mal als ein Mann Gottes bekannt ist, wird uns zum Vorbild. Haben Sie das Wort Jesu vorhin gehört? „Wer mich bekennt vor Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem Vater im Himmel.“ Jesus ist es wert, dass wir uns öffentlich zu ihm bekennen.
Religion ist es nicht wert, dass man öffentlich Aufsehen darum macht. Deshalb haben wir alle das untrügliche Gefühl, dass Religion eine Sache ist, die man ganz geheim für sich innerlich abmachen sollte. Und dass es eigentlich nur ärgerlich ist, wenn jemand anderen damit belästigt, was er da so religiös für ein Innenleben hat.
Es ist wahr: Religion ist es nicht wert. Aber Jesus ist es wert, dass wir ihn öffentlich bekannt machen, damit auch andere an ihm Anteil haben.
Es gibt noch einen anderen Gesichtspunkt dieses öffentlichen Bekanntmachens. Es ist nicht nur Jesus wert, sondern es tut auch uns selbst gut. Wenn ich mich öffentlich als jemand erkenne, der mit Jesus lebt, breche ich sozusagen für mich selbst die Brücken ab. Dann fällt es mir schwerer, plötzlich wegzutauchen auf Schleichwegen.
Jeder, der mit Jesus leben will, kennt diese gefährliche Möglichkeit, dass man aus diesem oder jenem Grund irgendwo wegtaucht, ganz inkognito, sodass niemand einen als Christ kennt. Dann ist man auch nicht verpflichtet und kann ganz anders leben – unerkannt, weggeduckt.
Das ist die gefährliche Geschichte: Wenn jemand Christ wird und die Dinge nicht bekannt werden in seiner Umgebung, dann kann die Umgebung den Menschen nur so vereinnahmen, wie er immer war. Das hat zur Folge, dass er über kurz oder lang wieder angepasst wird an seine alten Verhaltensweisen. Sein Anfang mit Christus wird plattgeklopft bis zur Unkenntlichkeit.
Deshalb ist es in der Regel eine Schicksalsentscheidung im Leben eines Menschen, der mit Jesus anfängt zu leben: ob er das auch deutlich macht in seiner Umgebung oder ob es heimlich und verborgen bleibt.
Indem wir uns deutlich als Menschen zu erkennen geben, die mit Jesus leben wollen und es wagen, auf sein Wort hin etwas zu riskieren, verhindern wir auch, dass wir auf merkwürdigen dunklen Schleichwegen wegtauchen können.
Es ist keine angenehme Erfahrung, wenn man plötzlich ertappt wird. Aber es ist eine hilfreiche Erfahrung. Gott gebraucht es, um einem den Weg abzuschneiden – den Weg in Ungehorsam, wo man aus Müdigkeit, Zweifel oder sonst was denkt: „Ach, jetzt vergesse ich das, dass ich Jesus verpflichtet bin und ihm gehöre. Jetzt lasse ich mich gehen.“
Dann begegnet einem jemand und sagt: „Ach, ich kenne Sie doch, wir sind uns doch im Gottesdienst begegnet, nicht wahr?“ Und plötzlich schrickt man zusammen und sagt: „Herr, was habe ich vor zu tun?“ Du stellst mich und enttarnst meine Schleichwege, und ich werde erkannt als jemand, der mit Dir im Zusammenhang lebt.
Das ist eigentlich eine peinliche Erfahrung, aber eine hilfreiche. Oft hilft Gott uns so, dass wir unsere Idiotie nicht bis zum Letzten treiben und uns zurückbringen von den Schleichwegen, auf denen wir als Christen wegtauchen wollen.
David kippt auf. Er verleugnet seine Berufung. Er will als unbekannter Soldat untertauchen. Aber die Feinde, die draußen stehen, erkennen ihn als den König des Landes. So sagen sie: „Ist das nicht der König des Landes?“ Dabei war er das noch gar nicht.
Sie nehmen seine Berufung ernster, als er sie selbst nimmt. Das ist doch erschütternd. David kippt auf.
Was ist das für eine Sache? Menschen, die draußen stehen und mit Gott nichts zu tun haben wollen, nageln ihre Zeitgenossen auf ihr Christsein fest, obwohl diese es gar nicht mehr wollen. Gut so! Gut so, enttarnt – das ist das Erste.
So verworren unsere Wege oft sind, darin gleichen wir David. Darüber werden wir noch sprechen.
Parallel dazu läuft auch die Barmherzigkeit Gottes, die uns immer wieder Menschen in den Weg schickt, die uns auf unseren Schleichwegen enttarnen.
Wir sollten Mut haben und bereit sein, ganz bewusst die Möglichkeit zu schaffen, immer wieder enttarnt zu werden auf unseren Schleichwegen. Dass wir uns öffentlich zu Jesus bekennen, dass das nichts Unbekanntes ist in unserem Umkreis, wo wir leben – in unserer Nachbarschaft und in unserem Betrieb.
So kann man uns auch in unseren schwachen Stunden festlegen auf unser Christsein. Das ist wichtig.
Sackgasse: Die Gefahr der Flucht vor Verantwortung
Das zweite Reden über die Sackgasse – zwischendurch singen wir etwas: zweiundachtzig. Täusche ich mich, oder ist es hier so warm? Oder ist es nur bei mir so warm? Ich hoffe, dass die Klimaanlage läuft. Aber wenn sie läuft, bringt sie uns die restliche Wärme auch noch rein. Also ist da nicht nur Linderung zu erwarten.
Zweiundachtzig, singen wir. Zweiundachtzig, die erste Strophe, zu Ihrer Entspannung und so zwischendurch. Mallorca singt, aber kräftig, nachdem er Solo singen muss.
Meinst du wirklich, dass sich jemand so heimlich vor mir verbergen könnte, dass ich ihn nicht sehe, spricht der Herr, der Herr, unser Gott. Welch ein Licht, welch ein Licht!
Zweitens war es die Sackgasse, erstens enttarnt, zweitens Sackgasse. Also, wenn man so zwischendurch einen Blackout hat und die Müdigkeit einen übermannt, und das schlechte Glück. Erinnern Sie sich bitte an die drei Stichpunkte beim Frühstück, nachher fallen sie Ihnen wieder ein: erstens enttarnt, zweitens Sackgasse.
Auf der Flucht vor Saul, diesem Mörderkönig, wollte David sich nun endlich eine sichere Philisterexistenz aufbauen. Die Philister, das waren sozusagen die Preußen des Mittelmeers. Ja, die dachten auch, man könnte vom Militär leben – das ist bis heute gleich geblieben. Militär war immer ein erheblicher Wirtschaftsfaktor, nicht wahr? Es gibt ja Leute, die sagen, man könnte schon deshalb gar nicht mehr abrüsten, weil es sonst so viele Arbeitslose gäbe, die alle davon leben, dass Panzer und Raketen gebaut werden. Das ist auch so ein Paradox: Wenn ein paar Millionen weniger umgebracht werden in der Welt, gibt es auch weniger zu verdienen. Es gehört zum Zynismus einer Welt, die sich um Gott nicht kümmert.
So war das damals in Kanaan nicht anders als in Moskau, den USA oder Bonn. So dachte man überall in den Verteidigungsministerien. Und David sagte sich: „Und das ist es – Berufssoldat werde ich.“ Mensch, der unbekannte philisterische Soldat, nicht gar alles in den Wind geschrieben, aber so ein militärischer Beamter beim König Achis, mit Pension, so zwölf Taler oder so etwas. Und das wollte er werden: eine ruhige Philisterexistenz wollte er sich aufbauen.
Mensch, was ist das für ein David? Was ist das für ein David? Den kennt man nicht mehr wieder, oder? Die Angst hat ihn mürbe gemacht. Nichts mehr zu spüren von jenem David, der im Vertrauen auf Gottes Berufung und seine Wegweisung mit einer Fröhlichkeit etwas gewahrt hat und damit ein Volk anstecken konnte – mit der Gewissheit, dass Gott lebt und es sich lohnt, auf ihn zu vertrauen und rauszukommen aus dem engen Horizont des Spießbürger-Daseins, das immer nur mit den eigenen Möglichkeiten rechnet.
Was war das für ein David, der Nachteile für seine eigene Existenz in Kauf nahm, um seinem Herrn und Gott gehorsam zu sein? Der in Gefahrensituationen lebte und sich geborgen wusste: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln.“ Nichts mehr wiederzuerkennen.
Hier ist die panische Angst sein Ratgeber. Jetzt plant er selber. Die Angst hat ihn mürbe gemacht. Furcht und Eigensinn treiben ihn nach Gad, und jetzt ist es Leid. Er will raus aus dem Volk Gottes, aus dieser gefährlichen Existenz, und will sich in aller Ruhe eine Philisterexistenz aufbauen – eine ruhige Existenz bei den Feinden des Volkes Gottes.
Menschlich verstehen kann man es ja. Er hat ja eine Menge durchgemacht am Königshof Sauls. Da bleibt einem ja nicht in Kleidern stecken, der Speer sollte ja auch nicht in Kleidern stecken bleiben, den Saul nach ihm schmiss. Und so hat er zwar nicht getroffen, aber psychologisch war die Wirkung ähnlich: Er war mürbe. Man kann nicht dauernd in Lebensgefahr leben, sagt er sich.
Denn hier spiegelt sich im Lebensweg Davids der Weg vieler, vieler Jesusleute, vieler Christen, die gewagt haben, mit Jesus zu leben. Die dafür Preise gezahlt haben, die einen fröhlichen Mut hatten, sein Wort ernst genommen und angefangen haben, neu zu leben. Aber dann sind sie mürbe geworden. Mürbe gemacht durch die Angst und die Sorge um die Sicherung ihrer Existenz.
Und dann hat sie die große Sehnsucht gepackt nach einem ruhigen, gesicherten Philisterleben. Lebenssicherung spielt sich nach wie vor eigentlich immer vor allen Dingen in finanzieller Hinsicht ab. Eine Existenzsicherheit heißt für uns in der Regel, man muss wirtschaftlich endlich abgesichert sein. Und um das zu erreichen, tut man manches.
David sucht eine Philisterexistenz. Bitte, wir sollten dann wenigstens auf eines achten: David geht seine eigensinnigen, furchtsamen Wege, aber Gott schlägt ihm die Tür zu. Seine Wege werden ihm zur Sackgasse. Der Plan in Gad geht nicht auf – vom unbekannten Soldaten mit dem kleinen Sold, mit dem er aber leben kann. Schrebergarten, Feuer, Toren und so.
Man erkennt ihn, und er wird Angst und Schrecken haben, muss fürchten, dass sie ihn hinrichten. Er kommt in schlimmere Lebensgefahr, als er je am Königshof Sauls gewesen ist.
Da sollten wir wenigstens zur Kenntnis nehmen, dass wir empfindsam sind dafür, wenn Gott uns unsere eigenmächtigen und aus Furcht gewählten Wege durchkreuzt und daraus Sackgassen macht. Besser noch, dass wir seine wahren Signale verstehen und sagen: „Mensch, wer hat hier jemals gefragt, ob dieser Weg richtig ist? Wer sagt denn, dass es von Natur aus so gehen muss, wie sie es planen?“
Die Philister waren – lassen Sie mich nur noch ein Wort sagen – damals eigentlich eine dauernde Versuchung für das Volk Israel. Sie lebten so dick und fett in ihren Städten in wohlhabender Umgebung, bis an die Zähne bewaffnet. Ihre Religion war eine richtige, waschechte Karnevalsreligion, total lust- und trieborientiert. Sie hatten ganz clevere Götter dafür eingerichtet.
Die Religion bediente die elementaren Bedürfnisse des Menschen. Sex und Saufen waren immer irgendwie mit dem Glauben verbunden, wie in jeder Form von Volksreligion, auch im Christentum. Eine gesunde Kirchengemeinde kann es sich nicht leisten, die Karnevalsväter auszulassen, sonst kommen die Leute nicht weg. Nur mit Bibelstunde kann doch kein Mensch leben. Der Mensch braucht auch etwas für den Bauch, nicht nur für das Gewissen.
Das wussten die Philister gut und haben das clever in ihrer Religion organisiert. Und so war die Philisterexistenz: in dieser Lustorientierung zu tun, wozu man Spaß hat. Und in dieser satten Versorgung und Sicherheit, bis an die Zähne bewaffnet. Die waren damals bekannt und gefürchtet für ihre schwere Bewaffnung. Sie waren pausenlos eine Verlockung für das Volk Gottes.
Mensch, so, dann hetzt er endlich Ruhe. Es ist interessant, dass der Ausdruck „Philister“ für uns zum Symbolwort geworden ist für den Spießbürger, der mit engem, egoistischem Horizont seine Bequemlichkeit und die Sicherung seines eigenen Lebens sucht und sonst sagt: „Der Rest der Welt kann mit dem Puckel runterrutschen.“ Das ist die Philisterexistenz.
Von Bequemlichkeit und Vorurteil geprägt, auf sich selbst und die eigenen Vorteile bestens bedacht – so ist das Leben. Die Verführung, sich als unbekannter Philister einzurichten, ist eine dauernde Verführung, die die Jesusleute begleitet, die gefährlichste. Heute so aktuell wie damals bei David.
Sackgasse, sagt uns die Bibel. Sackgasse hat David erfahren, wir werden es auch erfahren. Und…
Trauriger Trick: Die Maskerade des Wahnsinns
Drittens und zuletzt ein trauriger Trick: David stellt sich wahnsinnig und tobsüchtig. Ich weiß gar nicht, wie man das gehört hat und wie man darauf reagieren soll. Es ist fast schon eine Schmunzelgeschichte, wenn man sich vorstellt, wie er da lief. Das wäre ein richtiges Programm für eine gemütliche Unterhaltung bei uns. Ich würde das machen. Mir fehlt zwar der Bart, um den entsprechenden Eindruck zu erwecken, aber ansonsten – König David! Andere haben diese Möglichkeit, sie können das. Man muss sich nur vorstellen, wie dieser sonst so clevere Bursche plötzlich anfängt, Grimassen zu schneiden, mit dem Kopf zu wackeln und vor den Augen des Königs Achis und der anderen vor den Türpfosten hin- und herzulaufen. Er stößt dagegen, trommelt mit den Fäusten, als wäre er in einer Gummizelle.
Dann dieses Bild: Er seibert den Bart, alles läuft so ab. Das ist schon ein tolles Ding. Ich kann mir vorstellen, dass das Volk Gottes in Israel, als es diese Geschichte später gelesen und gehört hat, ganz schön geschmunzelt hat. Ich fand es auch sympathisch, wie König David in seiner Frühgeschichte so lustige Clownstricks gemacht hat.
Doch das Eigentliche an dieser Geschichte ist nicht, dass für den Leser ein humorvoller Akzent gesetzt wird. Vielmehr geht es um die Erniedrigung des Wesentlichen. Was ist das für ein Mann? Die Gestalt, die Gott erwählt hat, um eine der entscheidenden Schlüsselfiguren seiner Geschichte zu sein, tobt herum wie ein Hanswurst. Ich muss mir vorstellen, dass es derselbe Mann ist, aus dessen Herzen und Munde Worte kamen, die vielleicht zu den gewaltigsten der Weltgeschichte gehören – zum Beispiel: „Der Herr ist mein Hirte, mir wird nichts mangeln“ (Psalm 23).
Es ist der gleiche Typ, der hier durchdreht, verrückt spielt, betrunken wirkt und einen Tobsuchtsanfall hat. Das ist ein Tiefpunkt, ein trauriger Tiefpunkt im Lebensweg Davids. Hier wird deutlich, dass Menschen, sobald sie Gott als Urquelle des Gehorsams und Vertrauens verlassen, zu lächerlichen Karikaturen ihrer selbst werden.
Das Paradoxe daran ist, dass David sich in diesem Moment noch als cleveren Trickser sieht. Mit Bauernschläue zieht er sich aus dieser gefährlichen Situation heraus – und wird dabei zur Fratze. Das Entwürdigende daran ist, dass wir im Augenblick, in dem wir Gott verlassen, aus der Ebenbildlichkeit Gottes herausfallen und zur Karikatur werden, zum Zerrbild des geliebten Geschöpfes.
Wenn wir Gott nicht mehr zulassen, die Gestalt unseres Lebens zu formen, sondern selbst anfangen, daran herumzudrehen, herumzukneten und herumzubiegen, werden wir zu entsetzlichen, lächerlichen Figuren. Wirklich lächerlichen Figuren, die niemand mehr ernst nehmen kann.
Der Trick klappt. Damals in der ganzen alten Welt galten Verrückte als tabu. Sie standen unter dem besonderen Schutz der Gottheit – das galt auch für David. Der Trick gelingt, der traurige Trick. David wird nicht getötet, weil er glaubwürdig den Wahnsinn und die Tobsucht spielt.
Ich bin sicher, als David abzieht, wackelt er immer noch mit dem Kopf, spuckt Bart und schreit herum wie ein Verrückter, damit ihm hinten nicht die Fassung auffällt. Da trickst er. Aber als er abzieht, ist kein Triumphgefühl in seinem Leben. Da ist nur die tiefe Niedergeschlagenheit eines Menschen, der begreift: „Ich bin eigene Wege gegangen und habe gemeint, ich könnte mir eine gesicherte Existenz aufbauen, wenn ich aus dem Einflussbereich des Volkes Gottes herausgehe, mir eine philisterhafte Existenz baue und mein Schäfchen ins Trockene bringe.“
Gott hat alles durchkreuzt. David ist zur Schande geworden, zur Fratze, und in eine schlimmere Gefahr geraten als zuvor. Ein trauriger Trick.
Über dieser Geschichte schimmert jedoch Barmherzigkeit. Gott nutzt den Tiefpunkt, die Erniedrigung und die entsetzliche Schande Davids in seiner Barmherzigkeit, um ihn aus der Lebensgefahr herauszuholen. Das ist das Widersprüchliche in den Wegführungen Gottes: Er verwendet die Stunden der Schande, des Ungehorsams und die unmöglichsten Situationen in seiner bewahrenden, fürsorgenden Macht, um uns neu zu führen und mit uns neu anzuknüpfen.
Gott sei Lob und Dank, dass es oft so ist. David konnte neu beginnen, und wir dürfen das auch. Viele haben es erlebt, dass ihre Wege in Schande, traurigen Tricks, Entwürdigung und Pleiten geendet sind – und Gott sie doch wieder herausgeführt und neu mit ihnen begonnen hat.
Gott sei Lob und Dank. Angesichts dieser Geschichte, dieses Spiegelbilds unserer traurigen Existenz, möchte Gott unser Gewissen anrühren und uns bitten, gleich zu fragen: „Herr, was willst du, dass ich tun soll?“
Schlussgebet
Wir wollen beten.
Du kennst unsere Wege, Herr. Du weißt, wo wir eigenmächtig und aus Besserwisserei unsere eigenen Pfade gesucht haben. Dabei haben wir alles nur noch schlimmer gemacht.
Wir haben auch dich und deine Ehre vor allen Menschen in den Dreck gezogen und lächerlich gemacht.
Erbarme dich über uns, wie du dich über David erbarmt hast. Führe uns auf deinen geraden Weg und setze unsere Füße auf den Weg des Friedens.
Amen.