Einführung in das Thema Moral im postmodernen Denken
Gesellschaftlich akzeptierte Lügen entlarven und bewerten – Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt, Nachfolge praktisch: dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Moral. Lasst uns gedanklich dort fortsetzen, wo wir gestern aufgehört haben: Wir wenden postmodernes Denken auf Fragen des Moralischen und der Ethik an.
Wenn es keine absoluten Wahrheiten gibt, dann gibt es natürlich auch keine absolute Moral. Moral wird relativ, so sagt man. Und jetzt könnte man schon bei dieser Formulierung ein wenig schmunzeln. Denn auch wenn man gern davon spricht, dass Moral relativ ist, so ist sie eigentlich subjektiv.
Wäre sie nämlich wirklich relativ, dann hätten wir im Hintergrund einen Maßstab, an dem wir sie messen müssten. Versteht ihr mich? Relativ kann ich nur in Bezug auf etwas Absolutes sein. Eine krumme Linie kann ich nur dann zur krummen Linie erklären, wenn es einen Maßstab, etwas Absolutes, nämlich die gerade Linie gibt.
Und genau diesen Vergleichspunkt beim Thema Moral soll es nicht mehr geben. Wo kämen wir da hin, wenn ein Gott uns vorschreiben würde, wie wir zu leben haben?
Die heutige Lüge: Kein Recht auf Verurteilung
Und so stoßen wir auf die heutige Lüge: Lüge Nummer fünf – Du hast kein Recht, mich zu verurteilen.
Wenn unsere Moral nicht mehr eine Reflexion von gottgegebenen Normen für den richtigen Umgang der Menschen miteinander ist, sondern wenn Moral zu einer kulturellen oder sogar ganz persönlichen Angelegenheit wird, dann darf tatsächlich niemand mich für das verurteilen, was ich gerade tue.
Aber wie soll man in einer Gesellschaft miteinander leben, wenn jeder das tut, was ihm richtig erscheint? Die Lösung lautet Toleranz. Wir müssen tolerant miteinander umgehen.
Doch Vorsicht, Worte können täuschen. Wer auf seine eigene Moral besteht und gleichzeitig Toleranz predigt, kann sehr intolerant gegenüber Menschen sein, die seine Sicht der Dinge nicht teilen. Plötzlich skandiert der Tolerante: „Keine Toleranz für die Intoleranten.“
Hm, denke ich mir, wird der Tolerante dann nicht selbst zum Intoleranten, wenn er seine Toleranz gegenüber den – Achtung – in seinen Augen Intoleranten aufgibt? Irgendwie schon.
In der Praxis ist das allerdings nicht so schlimm, weil es heute leider nicht mehr um Logik geht. Deshalb erleben wir immer häufiger einen neuen Standard im Umgang miteinander: Niemand darf einem anderen mehr sagen, dass das, was er tut, falsch ist.
Du hast kein Recht, mich zu verurteilen. Wenn du es trotzdem tust, bist du raus und reif für den Shitstorm. Dann darf man dich an den Pranger stellen, und jeder kann in den sozialen Medien zu einem digitalen Kreuzzug gegen dich aufrufen – alles im Namen der Toleranz.
Sorry, wir leben in einer Irrenwelt. Die Logik ist verloren.
Die Rolle der Gefühle in moralischen Entscheidungen
Aber was ist an die Stelle der Wahrheit getreten? Warum schämen sich Menschen, die sich so sehr für Toleranz einsetzen, nicht für ihre Aggressivität und Unbarmherzigkeit im Umgang mit Andersdenkenden?
Die einfache Antwort lautet ungefähr so: Sie denken nicht über ihr Verhalten nach. Wenn es um moralische Wahrheiten geht, entscheidet heute das Gefühl. „Wahr ist, was sich wahr anfühlt.“ Und je mehr ich emotional von einer Sache überzeugt bin, desto richtiger erscheint sie mir.
Die Betonung der Gefühle macht in gewisser Weise Sinn. Wenn es keinen absoluten Standard mehr gibt, dann muss es eben nach meinen Gefühlen gehen – wonach denn sonst?
Als Christ muss ich an dieser Stelle warnend die Hand erheben, einfach weil ich weiß, dass Gefühl und Verstand nicht voneinander getrennt werden dürfen. Gefühle sind ein gottgegebenes Geschenk, aber sie sind sehr schlechte Ratgeber.
Wenn es darum geht, ein Leben zu führen, dann sind Gefühle keine verlässliche Quelle für Wahrheit. Das könnte jeder wissen, der ein wenig nachdenkt. Gefühle sind etwas, das sich von so simplen Dingen wie einer Tasse Kaffee, Hormonumstellungen, einer überraschend hohen Handyrechnung oder dem strengen Blick meiner Chefin beeinflussen lässt.
So etwas kann kein verlässlicher Ratgeber für wirklich wichtige Fragen des Lebens sein. Deshalb ist es für mich als Seelsorger gruselig zu sehen, wie heute nicht mehr dafür gesorgt wird, dass Gefühle sich mit der Realität versöhnen.
Stattdessen muss sich jetzt die Realität meinen Gefühlen beugen. Real ist, was ich fühle.
Gesellschaftliches Experiment und die Folgen moralischer Freiheit
Als Gesellschaft durchleben wir gerade ein Experiment: Wir testen, wohin es führt, wenn wir den Gefühlen die Führung überlassen.
Wenn jetzt jemand behauptet, es gehe uns seelisch als Gesellschaft besser als vorher, dann sehe ich das anders. Ich beobachte eine Zunahme an psychischen Erkrankungen. Zudem sehe ich immer mehr Menschen, vor allem Kinder, die unter den Sünden ihrer Eltern leiden.
Lasst uns also festhalten: Ein moralischer Relativismus, bei dem jeder tun darf, was er für richtig hält, ist nicht möglich.
Oder anders ausgedrückt: Moralischer Relativismus funktioniert nur, solange niemand feste Überzeugungen besitzt. Jeder darf so lange glauben, was er will, solange er nicht denkt, die Wahrheit zu kennen.
Wer jedoch glaubt, dass seine Sicht der Dinge wirklich wahr ist, der ist raus. Keine Toleranz den Intoleranten.
Moralischer Relativismus und gesellschaftlicher Frieden
Aber führt moralischer Relativismus nicht wenigstens dazu, dass es weniger Konflikte gibt?
Gute Frage. Ist das wirklich so? Ich würde das gern wissen. Haben wir tatsächlich den Eindruck, dass unsere Gesellschaft mit dem Aufkommen moralischer Freiheit friedlicher geworden ist?
Ich kann das nicht erkennen. Als Christ weiß ich, dass der Mensch für echten Frieden untereinander nicht eine neue Ideologie, sondern ein neues Herz braucht. Er braucht Jesus.
Mein Eindruck ist derzeit, dass mit der neuen Toleranz einfach nur neue Prügelknaben gefunden wurden, während das Streiten fröhlich weitergeht.
Ich denke an den Prediger: Es gibt nichts Neues unter der Sonne.
Weisheit und Barmherzigkeit als christliche Antwort
Was brauchen wir als Christen in einer Gesellschaft, die uns verbietet, sie zu verurteilen? Meine Antwort wäre Weisheit und Barmherzigkeit.
Weisheit bedeutet, die richtigen Worte und Taten zu finden, um unseren Glauben zu leben, ohne andere zu verletzen oder zu verurteilen. Sie hilft uns, Situationen richtig einzuschätzen und angemessen zu reagieren.
Barmherzigkeit zeigt sich darin, dass wir mit Mitgefühl und Verständnis auf die Fehler und Schwächen anderer Menschen eingehen. Sie erlaubt uns, Liebe zu zeigen, auch wenn wir nicht mit allem einverstanden sind.
Beides zusammen – Weisheit und Barmherzigkeit – befähigt uns, in einer herausfordernden Gesellschaft unseren Glauben authentisch und respektvoll zu leben. So können wir ein Zeugnis für Christus sein, ohne dabei andere zu verurteilen oder zu verachten.
Weisheit
Lasst uns moralische Probleme gründlich durchdenken, um kluge Antworten zu finden. Auch Christen laufen Gefahr, einfache Antworten zu erzwingen, indem sie ein Problem übermäßig vereinfachen.
Um das als Bibellehrer auszudrücken: Ganz selten ist ein einzelner Bibelvers allein die Antwort auf eine komplexe moralische Frage. Oft haben wir es mit Abwägungen verschiedener Schutzziele zu tun, die alles andere als einfach sind.
Es erfordert Weisheit, diese Herausforderungen angemessen zu beurteilen.
Barmherzigkeit
Der zweite Punkt ist Barmherzigkeit. Dabei müssen wir eines verstehen: Es gibt keinen Widerspruch zwischen Barmherzigkeit und Wahrheit. Wir müssen uns nicht zwischen ihnen entscheiden. Wir dürfen beides denken und fühlen.
So wie der Apostel Paulus es formuliert, heißt es im Epheser 4,15: „Lasst uns aber die Wahrheit reden in Liebe und in allem hinwachsend zu ihm, der das Haupt ist, Christus.“ Merkt ihr, Wahrheit und Liebe gehen Hand in Hand. Das liegt ganz einfach daran, dass Barmherzigkeit auf Kosten der Wahrheit Grausamkeit ist.
Wer wegen falsch verstandener Barmherzigkeit die Wahrheit verschweigt, wer nicht warnt, obwohl er die Gefahr kommen sieht, der wird schuldig. So drückt es Hesekiel in Kapitel 3,18 aus: „Wenn ich“, spricht Gott, „zu dem Gottlosen spreche: Du musst sterben, und du hast ihn nicht gewarnt und hast nicht geredet, um den Gottlosen vor seinem gottlosen Weg zu warnen, um ihn am Leben zu erhalten, dann wird er, der Gottlose, um seiner Schuld willen sterben. Aber sein Blut werde ich von deiner Hand fordern.“
Abschluss und praktische Anregung
Was könntest du jetzt tun? Du könntest dir überlegen, wo dir diese Lüge Nummer fünf schon begegnet ist.
Ist das alles für heute? Falls du Epheser 4,15 und Hesekiel 3,18 noch nicht auswendig gelernt hast, dann nimm dir heute die Zeit dafür.
Der Herr segne dich, schenke dir seine Gnade und lasse dich in seinem Frieden leben. Amen.
