Herr, wir sind überzeugt, dass du auch in den großen Abläufen der Weltgeschichte das gewichtigste Wort noch zu reden hast. Aber auch in unserem Leben möchtest du mitsprechen.
Heute, an diesem Tag, an dem wir dich oft vergessen oder zur Seite geschoben haben, wird alles erst richtig ermutigend und schön, wenn wir auf dich blicken. Hilf uns heute Abend durch dein Wort, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Vergib uns, was heute nicht recht war, wo wir gegen dich gehandelt haben, und zeig uns, was morgen dran ist. Amen!
Psalmen wollen wir gerade lesen. Ich habe für Sie heute den Psalm 108 ausgesucht. Mich hat Psalm 108 deshalb angesprochen, weil ich noch nie eine Bibelarbeit darüber gemacht habe. Das zieht manchmal auch an. Vielleicht ist er Ihnen auch gar nicht bekannt.
Interessant ist, dass Psalm 108 aus zwei anderen Psalmteilen zusammengesetzt ist. Für diejenigen, die ein Blatt Papier dabei haben, können das mal verfolgen: aus Psalm 57, Verse 8 bis 12, und aus Psalm 60, Verse 7 bis 14, wurden fast wortwörtlich übernommen.
Ich sage Ihnen nachher, warum das auch gar nicht so dumm ist. Das hat manche Bibelausleger dazu geführt, zu meinen, man müsse über diesen Psalm gar nichts sagen, da man ihn ja im Psalm 57 und im Psalm 60 nachlesen könne. Ich bin jedoch ganz anderer Meinung und denke, dass das trotzdem eine Bedeutung hat.
Lob und Zuversicht in Zeiten der Bedrängnis
Lob Gottes und Zuversicht in Kriegsnot
Die schönsten Psalmen sind oft in Bedrängnis entstanden. Wenn Sie das Wort „Bedrängnis“ hören, dann stellen Sie sich vor, jemand hält Ihnen den Hals zu. Nun wissen Sie, was Bedrängnis bedeutet: Sie können nicht mehr atmen, sondern ersticken. Das ist die Situation.
Jemand ist verzweifelt in auswegloser Not, die ihm den Raum nimmt. Er kann nicht mehr durchhalten und schreit aus Verzweiflung. Erstaunlich ist, dass in dieser Lage ein ganz wunderbares Lob entstehen kann.
Mir wäre jetzt wichtig, dass Sie heute Abend sagen: „Schade, dass ich den Tag heute verstreichen ließ und nicht mehr gelobt und gedankt habe.“ Ich kann Sie nur immer wieder bitten: Loben Sie Gott, singen Sie ihm! Es macht doch nichts aus, wenn Sie nicht singen können. Im schönen Kinderlied heißt es: „Wer nicht singen kann, der Brummhalt.“ So kann man turnen oder einfach mitsummen, wenn man irgendwo ein Lied hört.
Aber wichtig ist, dass das Lob Ihnen durch den Kopf geht, den Tag über. Die Freude entsteht, weil wir nicht eingeschnürt werden. Der Herr ist da, er gibt uns Raum, er beschützt unser Leben. Und Sie werden erleben, wie er Sie führt.
Gott, mein Herz ist bereit, ich will singen und spielen. Wach auf, meine Seele, wach auf, Psalter und Harfe! Ich will das Morgenrot wecken, ich will dir danken, Herr, unter den Völkern. Ich will dir Lob singen unter den Leuten, denn deine Gnade reicht, soweit der Himmel ist, und deine Treue, soweit die Wolken gehen.
Erhebe dich, Gott, über den Himmel, und deine Herrlichkeit über alle Länder. Lass deine Freunde errettet werden, dazu hilf mit deiner Rechten und erhöre uns!
Gott hat in seinem Heiligtum geredet: „Ich will Frologgen, ich will Sichem verteilen und das Tal Sukkot ausmessen. Gilead ist mein, Manasse ist auch mein, Ephraim ist der Schutz meines Hauptes. Juda ist mein Zepter, Moab ist mein Waschbecken.“
Haben Sie diesen Vers schon einmal beachtet? Das ist ein schöner Vers. Ich will meinen Schuh auf Edom werfen, über die Philister will ich jauchzen.
Die Bedeutung der Psalmkomposition und das Lob trotz Not
Manche Leute meinen, sie kennen ihre Bibel, aber ich habe den Eindruck, sie kennen sie noch gar nicht.
Wer wird mich führen in die feste Stadt? Wer wird mich nach Edom leiten? Wirst du es nicht tun, Gott, der du uns verstoßen hast, und nicht mit unserem Heer ausziehst? Schaff uns Beistand vor dem Feind, denn Menschenhilfe ist nichts nütze. Mit Gott wollen wir Taten tun, er wird unsere Feinde niedertreten.
Ich muss zuerst ein Wort sagen, warum es ganz besonders schön ist, dass David hier noch einmal Teile aus Psalm 57 und Psalm 60 genommen und zu einem neuen Psalm geformt hat. Im Psalm 57 geht es um Klage und Anfechtung, und im Psalm 60 ebenfalls. Beide sind Klagelieder, Jammerlieder, die große Not beschreiben. Das Lob kommt erst im Vers 8.
Genau so ist es auch im Psalm 60. Dort steht wieder die Anfechtung am Anfang. David erzählt Gott, wie schlimm die Lage ist. Und jetzt sagt David eigentlich: Das ist ja falsch. Nein, das ist nicht falsch. Man darf das tun.
Es ist wirklich schlimm, wenn wir daraus Gesetze machen und sagen, man dürfe überhaupt nicht bitten. Heute gibt es viele Gruppen, die behaupten, man dürfe überhaupt nicht bitten und müsse ein halbes Jahr nur Gott loben. Das ist Quatsch. Ich kann mir nicht vorschreiben, was ich tun darf. Ich darf Gott so anreden, wie mir der Schnabel gewachsen ist, so wie es mir ums Herz ist.
Aber David war so ums Herz, dass er sagt: Ich möchte mit dem Lob beginnen, mit der Freude und mit dem Dank. Am Ende sieht man, wie kritisch die Lage war. Es geht um Leben und Tod, ums Überleben. Er spricht in großer Bedrängnis und Angst.
Doch es ist etwas Wunderbares, wenn man so lobt und singt. Wir hatten diese Tage bei uns im Büro morgens das Lied wieder gesungen. Irgendjemand hat es vorgeschlagen: "Wunderbarer König, Herrscher von uns allen, lasst unser Lob gefallen" von Joachim Neander.
Joachim Neander starb schon mit dreißig Jahren, sein Leben kam nie richtig zur Entfaltung. Er konnte damals nicht einmal richtig ins Theologenamt eintreten, weil es eine Theologenschwemme gab und er kein Amt bekam. Er wurde Schullehrer in Düsseldorf. Nach ihm ist das Neandertal benannt, wo der Neandertaler gefunden wurde.
Später kam er nach Bremen und bekam dort nur eine Frühpredigerstelle, morgens um fünf Uhr. Wer ging denn morgens um fünf Uhr schon in die Kirche? Wenn da eine Marktfrau war, musste sie auch auf den Markt, konnte nicht so früh raus. Nicht mal unsere Frühaufsteher schaffen das. Doch ein paar vielleicht unter Ihnen – es gibt schon so wackere Leute.
Aber soweit ich weiß, waren es immer unter zehn Prediger zu dieser Zeit. Joachim Neander hatte den Wahlspruch: "Ich will lieber zu Tode hoffen, als durch Unglauben verlorengehen."
Das ist so schön, wenn man diese Freude hat. Gerade Indianer, die uns auch das andere Lied geschenkt haben, loben den Herren, den mächtigen König der Ehren, und viele, viele schöne Lieder, auch das herrliche Sommerlied "Erde, Himmel, Luft und Meer".
Es ist etwas Schönes, wenn man so loben kann, auch in der Bedrängnis. Und zwar einfach, weil man den Blick hat und sagt: Da ist doch Gott der Herr. Das ist ja in diesen Liedern so herrlich: "Wunderbarer König, Herrscher von uns allen", wo dann heißt:
"Großes Licht der Sonne, schieße deine Strahlen, das große Rund bemalen."
Ich sehe doch hinter diesen machtvollen Ereignissen der Natur die Hand des Gottes, der mich liebt und der mich führt.
Der Glaube als Quelle von Lob und Zuversicht
Ich habe ja oft den weiten Blick des Glaubens gar nicht. Gerade da, wo ich die Menschen sehe, die mir so viel Not bereiten, wo ich die Gefahr und die Bedrohung wahrnehme, muss ich doch loben.
Das Schöne an Psalm 108 ist, dass er die Macht Gottes rühmt – Gott, der da ist. Wir hatten uns eigentlich den Floh ins Ohr gesetzt, als ob wir die Macher wären. Wir hatten uns eingebildet, dass wir irgendetwas drehen können. Dabei sind wir doch bloß die kleinen Dienstboten Gottes.
Wir sollten hinhören und sagen: Gott, was hast du heute für Kommandos für uns? Wo schickst du uns hin? Wo können wir etwas tun, das Sinn hat? Nur aus dem Hören entsteht das richtige Tun. Nur aus dem Blick auf den Herrn, der das Kommando und die Strategie hat, kann unser Leben fruchtbar sein.
Wir können uns vorstellen, dass dieses Psalmlied von David auch in dieser schweren Wüstenzeit gesungen wurde. In einem dieser Psalmen, zum Beispiel Psalm 57 oder 60, spielt das eine Rolle. Jawohl, als er vor Saul in die Höhle floh – das ist Psalm 57. Dort hat er ein Loblied gesungen, in der Höhle Adullam.
Sie wissen noch, wie das war: Saul hat ihn mit einer großen Zahl Soldaten gejagt. Ich glaube, in dieser Situation ging es erstmals um Leben und Tod. David hat sich versteckt – das ist Psalm 57. Es war so gefährlich, dass er sich hinten in der Höhle versteckte. Jetzt konnte es passieren, dass man nur husten musste und verraten wurde.
Er wartete, bis Saul schlief, und dann ging er vor und schnitt ihm den Zipfel des Mantels ab. Aber schon vorher, in der großen Not, sang er sein Lob: Du bist Herr, und alles untersteht deinem Kommando.
Wir sagen uns das viel zu wenig. Wir erinnern uns viel zu wenig daran, dass Gott alles in seiner Kontrolle hat. Und denen, die Gott lieben, müssen alle Dinge zum Besten dienen.
Das, was Sie heute Abend auch bekümmert, sollen Sie einfach vor Gott ausbreiten und sagen: Ich lege das in die Hand Gottes hinein. Ich weiß, dass das menschlich nicht gelöst werden kann, aber Gott, der Herr, ist mächtig, und er kann das lösen.
Die persönliche Beziehung zu Gott als Quelle von Stärke
Es ist schön, wenn man sich Verse zusammenstellt. Viele von Ihnen, unsere Leute, die das auswendig lernen und gerade studiert haben, machen das auch. Es ist doch schön, wenn man sich Verse aus dem Liedertext und von anderen Stellen zusammenstellt. Man darf sogar Lieder nach einer anderen Melodie singen, wenn einem die ursprüngliche Melodie nicht gefällt. Manche meinen, das sei etwas ganz Schlimmes.
So hat auch David die schönsten Lobteile aus zwei Psalmen zusammengestellt. Für uns ist das eine Anregung, wie man sich das Lob Gottes vergegenwärtigen kann.
Jetzt fangen wir bei Vers 2 an: „Gott, mein Herz ist bereit.“ Warum spricht er vom Herzen? Was meint er mit Herz? Wir verstehen darunter meist das Gefühl, und das ist auch wichtig. Wenn ich das Wunschkonzert beim Autofahren höre, morgen zwischen elf und zwölf, merke ich, wie vielen Leuten das auch wichtig ist. Sie suchen etwas, das ihr Gemüt anspricht – Musik, die sie berührt. So etwas wie bayerische Holzhackerbuben oder Ähnliches wird da gewünscht. Das geht mir auch unter die Haut. Da ist etwas Schönes drin, Fischer, Chöre, großes Gottlob. Und dann habe ich gesagt: Genau, da ist doch etwas von der Größe und Macht Gottes drin. Das ist wunderbar.
Beim Herzen ist hier in der Bibel aber nicht das Gefühl gemeint, sondern das innerste Ich. Es heißt ja auch später: „Meine Seele soll bereit sein, wache auf, meine Seele!“ Gerade dort, wo große Traurigkeiten liegen. Unsere Seele ist oft so belastet, und das kommt kaum zum Vorschein. Heute brauchen viele Menschen Medizin, Seelenbetreuung und psychiatrische Hilfe – also Arbeit an der Seele. Ich kann mir vorstellen, dass schon durch das Singen und das innere Öffnen für Gott manches Befreiende geschieht.
Es ist wichtig, vor dem Singen nicht in Bitterkeit zu leben. Man sollte nicht dauernd im Gefühl sein, dass einem im Leben alles schiefgelaufen ist. Stattdessen soll man Gott lieben und ihm von Herzen danken können. Das muss wirklich von innen heraus kommen, mit dem Bejahen: „Herr, du hast mein Leben in deiner Hand.“
Wir haben bei uns viele traurige und verzagte Leute. Man muss sich bewusst machen, wie unermesslich groß unser Wohlstand ist. Ich habe das heute meinen Senioren in der Bibelstunde gesagt: Die meisten Menschen auf der Welt können sich nie einen Arztbesuch leisten. Sie können sich nie Medikamente kaufen. Sie haben keine Hoffnung, aus dem Elend herauszukommen. Die Slums der Großstädte wachsen rapide weiter. Wir leben in einem solchen Überfluss, und trotzdem sind viele Menschen wahnsinnig unglücklich.
Sicher, ich möchte jetzt nicht in die ÖTV-Verhandlungen heute Abend eingreifen. Es ist maßlos ungerecht, wie wir alle behandelt werden. Es ist wirklich schlimm, wie wir alle gedrückt werden. Es geht jetzt gar nicht um Geld, verstehen Sie? Es geht nicht um Aktien. Wir haben alle das Gefühl, dass es uns irgendwo ganz arg schwierig geht. Und ich glaube, uns fehlt das Wissen: Gott ist der Herr.
Mich hat das auf meiner Afrikareise sehr gestärkt. Ich habe Ihnen ja schon ein paarmal davon erzählt. Ich war sehr besorgt um unseren Simon, der bei unserer Johanna noch nicht geboren war. Eine Frau in Ghana sagte: „Gott hat es in seiner Kontrolle.“ Ich hätte das nicht gedacht, nachdem die Befunde der Ärzte so schlimm waren. Aber es ist wirklich wahr.
Seitdem denke ich: Man will es viel kindlicher sagen – Gott hat es in seiner Hand. Ich hätte keine fünf Pfennig darauf gegeben, dass das ein gesundes Kind sein könnte. Und so tut Gott das wunderbar in seiner Hand. Er führt uns durch schwere Dinge und lässt uns auch viel Schweres erleben. Aber wir können einfach sagen: „Gott, du bist der Chef und der Herr, ich lege es in deine Hand.“ Dann will ich singen, spielen und mich freuen – wie ein Kind, das sich unter Mutter oder Vater keine Sorgen macht, wie es weitergeht.
Vielleicht ist das heute auch ein Blödsinn, wenn man beobachtet, wie viele Leute mitten in der Golfkrise ihren Kindern Fernsehnachrichten zeigen, um die ganze Problematik eines Krieges zu besprechen. Danach sagen sie, die Kinder könnten nachts nicht mehr schlafen und bräuchten psychotherapeutische Behandlung, weil sie von Ängsten heimgesucht werden.
Das Schöne ist doch, dass ein Kind normalerweise aufwächst, ohne sich Sorgen zu machen. Wir haben kaum etwas erlebt, abgesehen von den Bomben, die wir nachts im Krieg gehört haben. Aber die Eltern haben uns Frieden und Geborgenheit geschenkt. So wachsen Kinder auf. Und das ist eigentlich die Art des Glaubens: Nicht blind zu sein, aber in der Geborgenheit Gottes zu leben. Es kann mir nichts geschehen, außer dem, was er vorhergesehen hat und was mir nützlich ist.
Ein schönes Lied von Paul Fleming sagt: „Gottvertrauen, Kreuz und Trost, ich habe diesen Schutz und ich will singen und spielen.“
„Wach auf, meine Seele, bringt das doch Gott als Lob dar! Mein Herz ist fest, mein Herz ist entschlossen.“ So ist im Urtext gemeint: Mein Herz ist bereit, mein Herz ist fest. Mein Herz meint es ernst und will dich loben.
Mein Herz ist das, was sonst den Knieschlotter auslöst, wenn Angst kommt. Es gibt Situationen, in denen wir sagen: „In Prüfungen zittere ich.“ Aber ich will aus der Tiefe heraus fest im Loben bleiben. Darum können mich Gefahren nicht mehr bedrücken.
Welche Art Melodie wir bei unseren Liedern verwenden, wechselt in jeder Generation. Die Lieder dürfen wir so wählen, wie wir sie lieben. Hier wird von den Begleitinstrumenten gesprochen: Psalter und Harfe. „Wach auf, Psalter und Harfe!“
Es ist so schön, wenn jemand die Gabe hat, wie unsere Frau Rieker, die Töne wirklich dem Instrument zu entlocken. Es ist herrlich, wenn junge Leute das so tun, wie am Sonntag. Dabei mag es unterschiedliche Geschmäcker geben, aber jeder darf tun, wie er will.
Mir hat ein erfahrener Oberstudiendirektor im Ruhestand kürzlich erzählt, wie sein Mentor in der Pädagogik, der unvergessliche Herr Griesinger, der in der Neffstraße wohnte, sagte: „Kitsch ist das, was einem am meisten gefällt.“ Vielleicht wird man dadurch toleranter und zwingt nicht immer anderen seine Kunstrichtung auf.
Ich will jetzt nicht über diese Frage streiten, sondern sagen, dass das auch mit der Harfe, mit den Psalmen und mit den Liedern geschehen kann. Ich merke immer wieder, dass es ein Liedgut geben darf, in dem man immer wieder die Größe Gottes neu entdeckt.
Heute haben wir auch den Vorteil, an viel internationalem Liedgut teilzuhaben. Das ist schön.
Die Kraft des Lobes im Alltag und im Glauben
Ich will das Morgenrot wecken, ich will schon in der Nacht singen, wenn der Morgen anbricht. Das ist eine wunderbare dichterische Aussage. Ich möchte das gleichsam herbeilocken, auch über unsere dunklen Städte hinweg.
In meiner Studentenzeit habe ich längere Zeit bei Daimler gearbeitet, in der Gesenkschmiede und im Automatensaal. Dort haben wir auch die Zwölfstundenschicht mitgemacht. Es war immer besonders schön, wenn man im Oktober, wenn es so kalt war, um fünf Uhr mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr.
Für uns Schüler war es völlig neu, eine Stadt so zu erleben. Man hat natürlich gespart, um das Straßenbahngeld nicht zu brauchen. Doch wenn man dann sah, wie die Obdachlosen aus ihren Zeitungen herauskrochen – das waren die ersten Gestalten, die sich regten – dann fuhren wir noch die Königstraße hinunter, am Schlossplatz vorbei und so weiter. Es war beeindruckend, wie eine Stadt zum Leben erwacht. Die letzten Gestalten verschwinden, aber wenn man in diesen Morgen hinein das Lob Gottes singt, ist es wichtig, auch bei ihnen, wenn sie aufstehen.
Der erste Blick soll nicht der Morgenzeitung gelten, sondern dem Gotteslob und dem Wort Gottes. So bekommt man einen anderen Blick auf die Realitäten dieser Welt. Ich will das Morgenrot wecken, ich will dir danken, Herr, unter den Völkern. Ich will dir das Lob singen unter den Leuten. Ich will das in die Welt hinaussingen, damit es jeder weiß.
Das schönste Kennzeichen eines gläubigen Menschen ist seine Freude. Man kann Gott nicht missmutig dienen. Das müssen die anderen spüren: dass wir geborgen und ohne Sorge sind. Vielleicht geht es manchen auf den Wecker – oder wie sagt man – auf den Keks. Trotzdem muss man sagen: Ich bin unbesorgt und ohne Angst, denn deine Gnade reicht so weit der Himmel ist, und deine Treue so weit die Wolken gehen.
Wenn Sie einmal auf dem Rücken liegen, im Liegestuhl, vielleicht im Urlaub eine Ruhepause machen, dann sehen Sie den Wolken nach, wie sie an der Weite des Himmels vorüberziehen. Diese Aussagen sind viel schöner als unsere Zehntausende von Kilometern, die wir sonst haben – der Erdumfang mit vierzigtausend Kilometern. Man denkt einfach so: Die Weite der Welt ist Gottes Raum.
Es ist immer wieder schwer für unsere Mitarbeiter bei christlichen Fachkräften international, wenn sie hinausgehen und sich von den Eltern lösen. Ich habe großen Respekt vor all den Eltern. Manche Mitarbeiter haben todkranke Eltern mit unheilbarer Krankheit. Dann lässt man sie ziehen und weiß, sie sind in der Hand Gottes draußen. Man weiß ja nicht, was an Bedrohungen geschieht.
Diese Sorge, die wir oft haben, ist eine Sorge des kleinen Glaubens: Was könnte da alles passieren? Schon in der Hohenheimer Straße kann einem viel passieren. Deshalb sollten wir mehr davon leben: Deine Gnade reicht so weit der Himmel ist. Das ist diese unverdiente Güte Gottes, die mich hält. Gnade bedeutet, dass mir unverdient etwas zufällt, dass Gottes Liebe mich trägt, dass er mich kennt und ein Auge auf mich hat.
Und deine Treue reicht so weit die Wolken gehen. Wir hatten das schon verschiedentlich besprochen: Das Wort Treue ist ein Wort, das Gott vor allem anderen hat. Wir, die wir heute das Wort Treue kaum noch benutzen, leider, sollten wissen, dass es zu den edelsten Bezeichnungen der Menschlichkeit gehört, treu zu sein.
Das Wort der Treue darf niemals aufgelöst werden. Wir könnten uns viele Probleme im zwischenmenschlichen Zusammenleben ersparen, wenn Treue bei uns gelebt würde und wenn sie uns als Lebensziel wieder wichtig wäre. Ich glaube, das ist eine Sache, die uns wichtig wird.
Ich will treu sein in meinen Aufgaben, im Kleinen treu, im Drandenken treu. Sie sind sicher auch ganz verletzt, wenn sie denken: Da hat jemand nicht an den Todestag gedacht. Wo Treue ist, ist etwas Wunderbares. Sie lieben. Gott ist treu. Gott lässt sie nicht allein. Er kennt seine Leute, er geht ihnen nach – so weit die Wolken gehen. Überall in der Welt und weit darüber hinaus hält Gott seine Leute.
Gottes Herrlichkeit und die Bitte um Rettung
Erhebe dich, Gott, über den Himmel, und deine Herrlichkeit über alle Länder. Rufe doch noch einmal aus: Herr, lass deine ganze Macht noch einmal über dieser Erde sichtbar werden. Zeige deine Größe über dieser Welt, deine Herrlichkeit.
Ich möchte dieses Wort auch noch einmal übersetzen. Man muss ja immer den biblischen Zusammenhang sehen. Das hilft Ihnen schon, wenn Sie eine Konkordanz, also ein biblisches Nachschlagewerk, zur Hand nehmen. Herrlichkeit ist der Lichtglanz Gottes. In der Weihnachtsgeschichte heißt es die Klarheit des Herrn – das ist genau dasselbe.
Das heißt auf Hebräisch, was man kaum umschreiben kann. Oft wird es auch mit Ehre oder Macht übersetzt, die Erscheinung Gottes. Wenn nur ein Lichtstrahl, der Morgenglanz der Ewigkeit, in unsere dunkle Welt fällt, wenn etwas von der Nähe Gottes spürbar wird, wenn man etwas von der Größe Gottes ahnt, dann schauen Menschen auf, sehen und staunen.
Herr, lass deine Herrlichkeit, lass uns deine Herrlichkeit ferner noch sehen in dieser Zeit. Da singt man so herunter: die Herrlichkeit Gottes. Das ist natürlich – er ist der Herr, und das ist die dem Herrscher angemessene Größe. Aber es ist noch viel, viel mehr damit gemeint. Es ist das, was man gar nicht sehen kann.
Das ist das, was Jesaja sah, als er den Herrn sah und die Engel, die Cherubim, die diese Herrlichkeit umgeben. Der Saum seines Gewandes füllte den Raum. Das war die Größe und Macht.
„Herr, lass uns doch etwas sehen in dieser Welt von deiner Macht und deiner Größe!“
Und dann bittet er darum, dass die Freunde Gottes errettet werden. Es gehört dazu, dass wir alle unter diesen Bindungen leiden – ob das Bindungen des Bösen sind oder Bindungen durch Menschen.
Hilf mit deiner rechten Hand! Das ist die Hand, die wir letztes Mal schon erwähnt haben – die Hand, die die Taten tut und eingreift.
Gottes Verheißung für das Land Israel und die Realität des Krieges
Und nun hat Gott etwas gesprochen. Was hat er denn gesprochen? Es betrifft das Land Israel. Gott hat verfügt, dass dieses Land den Nachkommen Abrahams gehört.
Es gibt Leute, die sagen, man könne in der Zeitung lesen, die Israelis könnten doch nicht auf Besitzansprüche aus der Zeit vor dreitausend Jahren bestehen. Warum eigentlich nicht? Das einzige Volk, das je in dieser Welt ohne Land und Raum weitergelebt hat, sind die Juden. Das werden wir noch ausführlich besprechen.
Wo sind die Goten? Wo sind die Sueben? Wo sind die Hunnen? Wo sind all die Völker, von denen man einst sprach? Wo sind die Galater? Sie sind verschwunden! Die Juden aber sind da – ohne Land.
Der Herr hat gesagt: „Ich werde euch dieses Land geben.“ Er hat es zugesagt. Vor David war das schwer, denn er musste viele Kriege führen. Es ist mir ein Rätsel, wie Christen behaupten können, Krieg dürfe nach dem Willen Gottes nicht sein. Weiß man, ob sie überhaupt die Bibel gelesen haben? Vielleicht haben sie ein ganz anderes Buch gelesen.
Ich fürchte, dass Krieg und Kriegsgeschrei sein werden, wie Jesus es gesagt hat – leider, solange Menschen existieren. So kennen wir es ja auch aus unserer Stadt. Es ist ja nicht nur der Krieg schlimm, sondern alles, was Menschen gegeneinander ausrichtet.
Aber Unrecht ist auch schlimm, und Unterdrückung ist schlimm – nicht nur Krieg. Eigentlich ist alles schlimm, was gegen Gottes Willen ist. Und da sagt Gott seinem Volk: „Ich will dir Raum geben und Frieden schaffen.“
David hat das schon erlebt, als er gegen die Philister kämpfte, besonders als er gegen Goliath zog. Sie müssen sich vorstellen, was der Angriff der Philister bedeutete. Die Philister waren ein zugezogenes Volk durch eine Völkerwanderung aus dem Norden. Niemand weiß bis heute, woher sie kamen. Sie plünderten diesen schmalen, fruchtbaren Landstrich leer. Die Menschen hungerten, sie hatten keinen Lebensraum mehr.
Dann stand dieser Einzelkämpfer Goliath da und lästerte den Gott Israels. David ging hinaus und sagte: „Gott wird für mich streiten. Du kommst zu mir mit Speer und Schild, ich komme zu dir im Namen des Herrn Zebaoth. Ich fürchte mich nicht vor dir.“ So erlebte er, wie er Israel befreien durfte.
Es geht mir nicht darum, dass wir einen Befreiungskrieg führen, sondern darum, dass wir in unseren Bedrängnissen erleben, dass wir keinen Ausweg mehr sehen. Doch der Herr hat gesprochen. Sein Wort wird erfüllt. Der Plan Gottes wird in diesen Tagen zum Ziel kommen, darauf verlasse ich mich.
Dann wird es schön gesagt: „Ich will Sichem verteilen und das Tal Sukkot ausmessen.“ Gilead – das Gebiet jenseits des Jordan – gehört heute zu Jordanien. Manasse gehört auch dazu, so viel ich weiß.
Wenn heute Abend jemand in der Klagemauer, der Westmauer Jerusalems, liest, findet er dort Gottes Wort über die Westbank. Wie das genau geht, weiß ich auch nicht. Aber Gott wird es klären.
Judah ist mein Zepter, Moab das Gebiet jenseits des Toten Meeres, wo Naomi herstammte – Ruth und Naomi, die Moabiterin. Moab ist mein Waschbecken. Was heißt das in der Gemeinde?
Ein Waschbecken stammt aus dem Sanitärbereich. Damals hatte man Waschschüsseln, und das war nicht sehr appetitlich. In der Waschschüssel wusch man nicht etwa Salat, sondern die Füße. Es diente der Hygiene, nicht zum Essen.
Und da wird gesagt: „Sind Sie die Moabiter, die immer wieder gegen Israel standen mit ihrer Heeresmacht? Lass sie doch!“ Das ist bloß Gottes Waschschüssel. Gott hat da irgendeine Funktion für sie. Bei Gott hat jedes Volk seinen Platz nach seiner Einteilung.
„Ich will meinen Schuh über Edom werfen.“ Edom, die Berge von Edom, liegen weiter im Süden und gehören heute ebenfalls zu Jordanien. Dort liegt die Stadt Petra.
Schauen Sie mal, ob das nicht auf die Stadt Petra hinweist. Das ist nur meine Vermutung. Manche Ausleger sagen zu Vers 11: „Wer wird mich führen in die feste Stadt?“ Das haben wir ja noch nie geschafft, als wir nach Petra kamen.
Es wäre schade, viele Tage in Jordanien zu verbringen. Petra ist eine beeindruckende Felsenstadt mit nur einem vier Meter breiten Eingang. Dahinter erstrecken sich kilometerweit riesige Felshöhlen, die wunderbar ausgehauen sind – heute, nach zweitausend Jahren.
Sie haben die Bilder gesehen von diesen riesigen Felswänden, wo die Leute wohnten, die Nabatäer. War das nicht von ihnen? „Wer wird mich leiten? Wer wird mich führen in die feste Stadt? Wer wird mich nach Edom führen?“ Das ist eigentlich die größte Stadt im Edomiterland.
Ganz egal, was damit gemeint ist: Wenn das alles so schwierig ist, wird Gott mich führen und leiten. Ich darf meinen Schuh darüberwerfen, so wie ein junger Bursche es in der Freude am Leben tut. Er sagt: „Ach was, das ist doch alles nicht wichtig.“ Er lässt sich von den Tagesereignissen nicht bekümmern.
Wirst du es nicht tun, Gott, der du uns verlassen hast? Gerade dort, wo man meint, man sei von Gott verstossen und ins Leiden geführt, wird Gott eingreifen.
Die Hoffnung auf Gottes Eingreifen und die Aufforderung zum Handeln
Sehen Sie, wir können dieses Lob auch ganz anders singen, wenn wir an die herrlichen Zukunftsblicke in der Offenbarung denken. Dort heißt es: Ich sah die Schar vor dem Thron Gottes, die stand und ihre Loblieder sang mit Palmen in den Händen. Ich darf heute schon in dieses Loblied einstimmen.
Ich sage: Das Heil ist bei dem, der auf dem Thron sitzt. Ehre und Preis und Macht sei Gott von Ewigkeit zu Ewigkeit. Das Einzige, was Gott nicht untertan ist, ist diese Welt mit ihren Völkern und mit unserem eigenen störrischen Herzen.
Oder ich darf das schöne Lied singen, das Paulus uns im Römerbrief gegeben hat: Ist Gott für uns, wer kann jetzt noch gegen uns sein? Er hat ja seinen eigenen Sohn nicht verschont. Wie sollte er uns nun nicht alles schenken?
Soll ich denn nicht fröhlich sein? Soll ich nicht auftrumpfen und singen? Dann fügt David noch hinzu: Schaff uns Beistand, schaff uns Beistand.
Ich darf Gott auch die Not noch einmal nennen. Er weiß sie, ehe wir rufen. Darum bin ich eigentlich froh, dass mir dieser Psalm 108 gar nicht bekannt war, er mir jetzt aber so lieb geworden ist und dass wir das miteinander praktizieren dürfen – in manchen Engpässen und Nöten und mit dem Ausblick: Wir wollen Taten tun, wir wollen etwas mit Gott erleben, wir wollen große Dinge tun. Wir wollen erleben, wie Gott die Werke des Teufels zertritt und zerstört, sodass er nichts mehr tun kann.
Ich wünsche mir wieder so eine junge Generation, die mit ihrem Herrn auch wirklich etwas wagt. Heute wird sehr wenig evangelisiert, es wird sehr wenig mit den Gottlosen unserer Zeit gerungen. Die Taten Gottes werden ausgerufen, erwartet, dass Gott auch heute, mittendrin in den schlimmsten Zentren des Unglaubens, sein Reich baut.
William Booth war in den schlimmsten Nachtlokalen und Seufzerlokalen unterwegs, wo man heute sagen würde, es sei ein Ort der Verhandlungen mit dem Bösen. Er hat gesagt, das müssen Stätten des Reiches Gottes werden. Und er hat es erlebt – mit Gott, nichts weiter als mit dem Vertrauen auf Gottes Macht und Sieg.
Wir haben uns so angewöhnt, dass wir dann sagen: Naja, jetzt lassen wir das alles so laufen. Wir sollten wieder mit Gott Taten tun, weil Gott sich auch in unseren Tagen mächtig erweisen will – und zwar nicht bloß auf dem Missionsfeld, sondern auch bei uns, in unserem Lebenskreis und dort, wo wir stehen.
Jetzt können Sie es für sich nehmen, jetzt können Sie es auch für die Dienste nehmen und dann fröhlich dieses Lob singen.
