Wer Mathe blickt, Bio checkt und Franz parliert, der ist begabt, aber wer Lage analysiert, Hilfe programmiert und Zukunft organisiert, der ist klug. - Predigt zum Gleichnis vom unehrlichen Verwalter im “Jugo” (Jugendgottesdienst Stuttgart)


Es war auf dem Turm der Ruine Teck. Als junger Mann, rank und schlank, blond und g’sond, stand ich meinen Brüdern und Vettern auf der Aussichtsplatte. Der ganze Familienclan befand sich auf Sonntags-Action. Wir falteten aus Vesperbrotpapieren aerodynamische Fluggeräte und veranstalteten einen Großflugtag. Bald war alles Papier im Auf- oder Abwind verteilt und wir sannen krampfhaft nach Materialnachschub. Schließlich fiel meinem Vetter sein Testament in der Hosentasche ein. Ein paar Seiten weniger kann der frohen Botschaft nicht schaden, wenn Buben damit froh werden. Und so segelten bald Starfighter vom Typ “Lukas” und Tor­nados vom Typ “Korinther” über die Alb. Als aber mein Onkel, seines Zeichens Pfarrer und Evangelist, das spitz kriegte, wurde er knall­rot wie die Sonne über Capri und machte uns Esel zur Schnecke. Nur unserem Papierlieferanten hatte es ob solchem Sommergewitter nicht die Stimme verschlagen: “Aber Onkel Wilhelm, wir treiben doch nur Flugblattmission.”

Nun stelle ich mir einen Kirchheimer Jungbürger vor, der am Wegrand einen solchen Evangeliumsclipper gefunden hat. Noch nie hat er in die Bibel geguckt, aber jetzt liest er im Schatten eines Kirschbaumes ausgerechnet Lukas 16. Unser Kirchheimer schüttelt den Kopf: “Ein übler Korruptionsfall als leuchtendes Beispiel soll Evangelium sein. Nein danke!” Kaiser Julian hat auch schon den Kopf geschüttelt: “Ein schlimmes Gaunerstück als lehrhafte Predigt. Nein danke!” Mathilde Ludendorff hat schon den Kopf geschüttelt: “Eine grauenhafte Unterschlagungsgeschichte. Nein danke!”

Vielleicht gehörst du auch zu den Kopfschüttlern, deshalb sage ich dir: Du solltest deinen Kopf nicht zum Schütteln benützen, denn dann findest du immer ein Haar in der Suppe. Du solltest deinen Kopf zum Denken einsetzen und mit mir über diese Story nachdenken. Dann nämlich kann dir die Pointe der Geschichte aufgehen, der Clou des Gleichnisses, der springende Punkt.

Der springende Punkt aber ist nicht der Betrug. Der Verwalter ist und bleibt ein Schuft. Gott erklärt seine Wahrheiten eben nicht nur an Personen mit Heiligenschein, sondern auch an Scheinheiligen und aufgelegten Spitzbuben. Der springende Punkt ist nicht der Betrug, sondern die Klugheit. “Er lobte ihn, weil er so klug war.” Und wenn du auch klug sein willst, kein Gscheidle, und wenn du auch klug sein willst, kein Cleverle, und wenn du auch klug sein willst, kein Käpsele, dann merke dir von diesem Schlaumeier folgendes:

1. Lage analysieren, das ist klug

Der Mann hatte einen tollen Job. Er war nicht der Assi vom Dienst, der nur Kippen sammelte und Mülltonnen entsorgte. Verwalter beim Chef war er, Boss über viele Güter. Alles stimmte, aber er war nicht high. Der Typ wollte mehr. Mehr Kohle, mehr Pulver, mehr Bewegungsfreiheit, mehr Unabhängigkeit, immer mehr, so wie die Mäuse vorhin, die auf mehr Käse standen. Deshalb kassierte er manche Märker, fri­sierte manche Rechnung und buchte hübsche Sümmchen auf sein Girokonto um. Kurzum, er betrog seinen Chef. Der aber kam hinter die Schliche und ließ seinem Verwalter eine Vorladung auf den Schreibtisch legen. Als der am nächsten Morgen ins Büro stolperte und nichtsahnend seine Thermoskanne und Knoblauchwurst auspackte, entdeckte er das Papier: “Alles Käse”, stammelte er und sackte auf dem Sessel zusammen. “Jetzt bin ich dran. Jetzt bin ich out. Jetzt bin ich freistehend k.o. Meine Lage ist tödlich.”

Und in dieser Lagebeurteilung ist dieser Pfiffikus viel klüger als viele Pfeifen unter uns. Jeder hat nämlich einen tollen Job. Keiner ist Assi oder Ossi oder Bubi vom Dienst, der nur als Müllmann der Schöpfung angeheuert hat. Verwalter beim höchsten Chef bist du, Boss über viele Güter, wie Kraft, Gesundheit, Denkvermögen, Urteilsfähigkeit. Alles stimmt, aber du bist nicht high. Du willst mehr. Mehr Zaster, mehr Liebe, mehr Zärtlichkeit, mehr Unabhängigkeit, immer mehr, so wie die Mäuse, die sich zu mausig machten. Deshalb kassieren wir ein bisschen ab, fri­sieren ein bisschen um, buchen hübsch auf unser Konto.

Ich glaub’s keinem mehr, dass bei ihm alles proper und suwa-weiß ist, oder kannst du an alles denken, ohne rot zu werden? Wir betrügen damit nicht nur unsere Mutter, unsere Freundin, unseren Lehrer. Wir betrügen unseren höchsten Chef, das ist der heiße Punkt. Der aber kommt uns auf die Schliche. Jedem gibt er es schriftlich auf den Schreibtisch. Zwischen allem Gruscht ist diese Vorladung nicht zu übersehen: “Wir müssen alle offenbar werden vor dem Richtstuhl Christi.” Wiegeln wir nicht ab und sagen: “Alles Romadur und Ziegenkäse! Gott drückt ein Auge zu und zwinkert mit dem andern, wenn ich Unschuldsengel anrausche. ‘Pardonnez c’est son metier’, Vergeben, das ist sein Handwerk.” Genau dieses Geschwätz ist hirnrissig. Einmal muss jeder seine Karten auf den Tisch legen, aber die verdrückten. Einmal muss jeder seine Bilanz offen­ legen, auch die roten Zahlen. Einmal muss jeder seine Maske ablegen. Wer dann sagt “Jetzt bin ich dran. Jetzt bin ich out. Jetzt bin ich freistehend k.o. Meine Lage ist tödlich!”, der hat einen klugen Kopf.

Lage analysieren, das ist klug.

2. Hilfe programmieren, das ist klug.

Der Mann hatte eine tolle Idee. Am Schreibtisch berappelte er sich wieder und fasste an die hohe Denkerstirn. Wie kann ich meinen Kopf aus der Schlinge ziehen? Vielleicht dachte er zuerst an ein alternatives Lebensprogramm: “Ich könnte mir doch bei C&A einen blauen Anton besorgen, bei Deichmann ein paar Rubber Boots und dann als Handlanger zur IGA¹ gehen. Aber wenn ich meine samtweichen Pfötchen angucke und dann den Spaten, nein: Graben kann ich nicht, nein, kein alternatives Lebensprogramm.” Vielleicht dachte er dann an ein attraktives Beschäftigungsprogramm: “Ich könnte mir doch einen Schal um die Augen binden, meine Prinz-Heinrich-Mütze umstülpen und dann als Penner in die obere Königstraße sitzen. Aber wenn mich dann der Stiftspfarrer erkennt und sagt: ‘So, Herr Pfennig­verwalter, jetzt zwitschern Sie also vor der Lerche²?’ Nein, zu betteln schäme ich mich, nein, kein attraktives Beschäftigungs­programm.” Vielleicht denkt er sogar an ein konstruktives Verteidigungsprogramm: “Ich könnte doch zum Psychodoktor gehen, dummblöd aus der Wäsche gucken und mir amtlich bescheinigen lassen: ‘Nicht zurechnungsfähig, total ausgeflippt, kompletter Depp.’ Aber wenn dieses amtsärztliche Zeugnis meinen Kindern in die Hände kommt? Nein, das geht erst recht nicht, nein, kein konstruktives Verteidiungsprogramm.” Er machte sich an ein kongeniales Hilfsprogramm: “Ich werde noch die Prokura ausnützen und mir die Schuldner meines Chefs einzeln vorknöpfen. Den ersten Burschen frage ich: ‘Wieviel schuldest du? 100 Eimer Öl? Schreibe flugs 50, sonst bist du im Eimer.’ Den zweiten Burschen frage: ‘Wieviel schuldest du? 100 Sack Weizen? Schreibe flugs 80, sonst bleibst du ein armer Sack.’ Den dritten und vierten werde ich fragen und jeden beschenk­en. Glaubste, die werden Augen machen, die werden Maulsperre kriegen, die werden mich nicht im Regen stehen lassen, wenn es mir dreckig geht.”

Liebe Freunde, das ist Lumperei und wir sollen diesen Betrug bei diesem Schlauberger mit der Spendier­hose nicht abgucken. Aber sein Hilfsprogramm bestand doch ganz schlicht darin, dass er in die Tasche seines Herrn griff und sich daraus bediente. Das ist die Klugheit, die Jesus meint: nicht sich verlassen auf alternative Lebensprogramme, nicht sich verlieben in attraktive Beschaffungsprogramme, nicht sich verschanzen hinter konstruktiven Verteidigungsprogrammen, sondern sich bedienen aus Gottes Tasche, das ist das konsequente Hilfs­programm, auch für dich. Verstehe, du darfst Gott auf der Tasche liegen, du darfst Gott in die Tasche greifen, du darfst Gottes Tasche leeren, du darfst geradezu ein Taschendieb Gottes sein.

Du brauchst Glaube, sonst fressen dich die Zweifel kaputt. Vergreif dich nicht an den Sonderangeboten der Gurus, die dir nur das Geld aus der Tasche ziehen. Greif in Gottes Tasche, ich meine die Taschenbibel, die randvoll Glaube an Jesus ist. Du brauchst Liebe, sonst stirbst du den Kältetod. Vergreif dich nicht an dem nächstbesten Mädchen, das du nur im Vorbeigehen benützen willst. Greif in die Tasche Gottes, ich meine die Taschenbibel, die randvoll Liebe von Jesus ist. Du brauchst Hoffnung, sonst wirst du in dieser hoffnungslosen Welt verrückt. Vergreif dich nicht an den Drogen, die dich nur auf den Todestrip mitnehmen. Greif in die Tasche Gottes, ich meine die Taschenbibel, die randvoll Hoffnung auf Jesus ist. Du brauchst Power, Vergebung, Friede. Alles, was du brauchst. hält diese Tasche für dich bereit. Greif zu, nimm zwei, help yourself! Gott mag seine Taschendiebe.

Hilfe programmieren, das ist klug.

3. Zukunft organisieren, das ist klug

Der Mann hatte ein tolles Auge. Er sah glasklar, dass er seinen Job verlieren wird. Nichts hatte er mit jenem blauäugigen Ami zu tun, der aus dem 80. Stockwerk des Empire-State-Building in New York sprang. Als er am 50. Stock vorbeistürzte, winkte er Hallo und sagte sich: “Es ist bisher gut gegangen, es wird auch weiterhin gutgehen!” Nein, unser Mann war vif³, war auf Draht, war auf dem Deckel und sah messerscharf: Es wird weiterhin nicht gutgehen. Ich fliege aus dem Amt. Ich verliere das Haus. Ich brauche eine neue Bleibe. Er schaut nach vorne. Er denkt an morgen. Er sorgt für die Zukunft.

Du auch? Du wirst eines Tages aus dem Amt fliegen. Du wirst eines Tages das Haus verlieren. Du wirst eines Tages eine neue Bleibe brauchen. “This day is the first day of the rest of your life.” Der Tod ist todsicher. Schaust du nach vorne? Dankst du an morgen? Sorgst du für die Zukunft? Warum nicht?

Ein König schenkte seinem Hofnarren einen goldenen Stab mit der Bemerkung, ihn dem weiterzuschenken, der närrischer sei als er. Da wurde der König todkrank. Der Narr kam an sein Bett: “König, ich höre, du willst eine große Reise antreten?” “Ich will nicht, ich muss”, sagte der König. “Du wirst sicher bald wiederkommen, Herr König?” “Nein”, war die Antwort: “Von dieser Reise kehrt niemand zurück.” “So, dann hast du sicher Quartiermacher vorausgeschickt und für Wohnung gesorgt?” “Nein, dazu bin ich nicht gekommen”, musste der König zugeben. “Aber hast du denn nicht gewusst, dass du diese Reise antreten musst?” “Doch, gewusst habe ich es von Kind auf.” Da legte ihm der Narr den goldenen Stab aufs Bett: “Majestät, dann gehört dieser Stab dir.

Müsste der Narr dir auch diesen Stab aufs Kissen legen? Lieber Freund, wer Mathe blickt, Bio checkt und Franz parliert, der ist begabt, aber wer Lage analysiert, Hilfe programmiert und Zukunft organisiert, der ist klug.

Amen


¹ Internationale Gartenbauausstellung (1993 in Stuttgart)
² bekanntes Schallplattengeschäft in der oberen Königstraße
³ aufgeweckt, voller Elan