Für alle, die mich noch nicht kennen: Mein Name ist Jürgen Fischer, und ich darf heute an diesem wunderschönen Tag die Weihnachtspredigt halten.
Ich freue mich wirklich von ganzem Herzen darauf. Es ist etwas ganz Besonderes, hier vorne zu stehen. Wir haben eben gemeinsam das Lied „Die Engel auf dem Feld“ gesungen. Die Engel freuen sich.
Wenn die Engelchöre fertig sind, tritt ein Engel nach vorne. Er singt nicht, sondern spricht. Er sagt: „Denn siehe, ich verkündige euch große Freude, denn euch ist heute ein Retter geboren.“
Das wird mein Thema sein. Ich möchte darüber nachdenken, was es eigentlich bedeutet, dass Jesus, wenn er geboren wird und auf diese Welt kommt, als Retter erscheint.
Ein kindgerechtes Anspiel zur Vorbereitung
Und bevor ich mehr dazu sage, ein Anspiel – ein Anspiel von mir selbst. Das ist jetzt für die Kinder.
Es ist ja immer schwierig, an Weihnachten eine Predigt zu halten, bei der die Kinder nicht denken: „Hoffentlich ist das bald vorbei.“ Ich habe euch deshalb etwas mitgebracht. Ich habe euch die Geschichte vom kleinen Narren mitgebracht. Ihr wisst ja – genau, jetzt ärgern sich alle, die keine Kamera dabei haben. Ich weiß, das ist immer so an der Stelle.
Ja, ja, das ist die Geschichte vom kleinen Narren, die ich euch erzählen möchte.
Der kleine Narr lebt an einem Königshof, da, wo halt Narren hingehören. An diesem Königshof gibt es einen König, und vor dem König macht der Narr seine Faxen. Der König sagt: „Narr, ich habe dich ganz doll lieb. Du bist wirklich der Dümmste, der hier herumläuft. Und es ist so lustig, dich zu sehen. Weißt du was? Ich habe da eine Aufgabe für dich. Komm doch mal her!“
Dann geht der Narr zum König und fragt: „Was hast du denn für mich?“
Der König antwortet: „Ich habe für dich einen goldenen Stab. Ich möchte, dass du den goldenen Stab nimmst und durch mein ganzes Königreich läufst. Such jemanden, der noch dümmer ist als du.“
Der Narr läuft also durch das ganze Königreich und fragt: „Na, möchtest du? Bist du dümmer als ich?“
Die Antwort ist immer: „Nein, tut mir leid, ich bin viel dümmer als du.“
So geht das weiter: „Möchtest du? Nein, tut mir leid.“ Und so weiter. „Wo finde ich bloß jemanden, der noch dümmer ist als ich? Ich würde gern den goldenen Stab loswerden, aber wo ist da bloß jemand?“
Ein Jahr vergeht, zwei Jahre vergehen. Das hört gar nicht auf, und der kleine Narr findet einfach niemanden.
Plötzlich kommt die Botschaft vom Schloss: „Kleiner Narr, komm nach Hause, der König liegt im Sterben.“
Der kleine Narr ist ganz betroffen: „Na gut.“ Er macht sich auf den Weg nach Hause.
Er tritt ein in das Schlafzimmer des Königs. Dort liegt der König grau und eingefallen auf dem Bett. Der Narr steht da mit dem goldenen Stab in der Hand und ist ganz traurig, weil er seine Aufgabe nicht geschafft hat.
Er fragt den König: „Sag mal, König, du musst doch jetzt sterben, oder?“
Der König sagt: „Ja, ich gehe auf eine lange, lange Reise.“
Der kleine Narr fragt ihn: „Sag mal, hast du dich darauf vorbereitet auf diese Reise?“
Der König reißt die Augen auf und sagt: „Nein.“
Da nimmt der kleine Narr den goldenen Stab, gibt ihn dem König und sagt: „Wenn du wusstest, dass du auf diese lange Reise gehen musst und dich nicht vorbereitet hast, dann bist du noch dümmer.“
Das war etwas zum Schmunzeln für die Kinder – ja, nur für die Kinder. Logisch, für niemanden sonst.
Und ich möchte mit euch nun über das Thema Vorbereitung nachdenken: Vorbereitung.
Die Bedeutung von Vorbereitung im Leben
Ja, ich habe ein Buch gelesen beziehungsweise gehört, das Männer sich ja anschauen sollen: "One Second After".
Stellt euch vor, in der Stratosphäre explodiert eine Atombombe. Ein gigantischer elektromagnetischer Impuls rast auf die Vereinigten Staaten zu und macht alles, was nach Computer aussieht, platt. Von jetzt auf gleich ist alles weg. Die Stromversorgung fällt aus, es gibt kein Telefon, keine Heizung, kein fließendes Wasser, kein Einkaufen und keinen Nachschub an Medikamenten. Innerhalb von Tagen wird jeder sich selbst der Nächste sein.
Es gibt ein ähnliches Buch auf Deutsch, das heißt "Blackout". Dort geht es um einen Terroranschlag gegen die europäische Stromversorgung. Ich gebe zu, ich höre diese Bücher nur zum Spaß. Beim Sport mache ich das meistens, und dann höre ich so etwas. Ja, okay, da geht die Welt so halb unter. Obwohl das eigentlich Fiktion ist, bleibt am Ende doch ein ganz flaues Gefühl in der Magengegend zurück. Das ist ganz merkwürdig.
Könnte das sein? Macht es vielleicht Sinn, sich auf solche Szenarien vorzubereiten? Der Wert einer guten Vorbereitung, wenn der Strom wirklich weg wäre? Dann könnte ich ja nicht mehr bei mir um die Ecke bei Rewe einkaufen, denn die Kassen würden nicht mehr funktionieren, und niemand würde die Tür öffnen. Ich könnte auch nicht mit meiner Karte bezahlen, weil das Gerät das ja nicht annehmen würde. Ich weiß nicht, wie es bei anderen Männern hier ist, aber ich habe nie Bargeld dabei, zumindest nicht in größeren Mengen. Ich bin immer der Typ, der ab zehn Euro mit Karte bezahlt. Das würde in dem Moment einfach nicht mehr gehen.
Und jetzt im Winter ist es zum Glück nicht zu kalt, aber stellt euch vor, der Strom ist weg und eure Mietwohnung fängt langsam an auszukühlen. Ich muss ehrlich sagen, ich höre das und denke: Stimmt, dann machen die Apotheken nicht mehr auf. Ich denke sofort an meine Tochter und stelle mir die Frage: Hat sie genug von ihrem Asthmamittel? Habe ich wenigstens für zwei Wochen Vorrat zu Hause?
Es gibt einen Ratgeber für Notfallvorsorge vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz. Ja, ihr denkt alle, wir kennen Pläne, ist mir schon klar. Aber nochmal zurück: Es gibt diesen Ratgeber für Notfallvorsorge vom Bundesamt für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe. Keine Ahnung, ob ihr davon jemals etwas gehört habt. Dort heißt es, dass wir als gute Bürger eigentlich darauf vorbereitet sein müssten, mal zwei Wochen so alleine durchzukommen – inklusive Wasservorrat, Lebensmittel, einer Kurbeltaschenlampe, einem batteriebetriebenen Radio, damit man noch mitbekommt, was draußen gerade passiert, und natürlich einer fertigen Dokumentenmappe, nur für den Fall, dass man mal wirklich schnell von zu Hause aufbrechen muss.
Ich lese das und dann stelle ich mir die Frage: Glaube ich, dass der Strom ausfallen kann? Ehrlich gesagt, ja. Glaube ich, dass es in Kernkraftwerken Störfälle gibt? Ehrlich gesagt, ja. Ich bin mir nicht einmal sicher, ob die Standards der Kraftwerke, die gar nicht so weit von uns entfernt sind, ausreichend sind. Da gab es mal so einen japanischen Vorfall, wenn ihr euch erinnert, das war vor einigen Monaten. Also eigentlich muss ich sagen, es macht schon Sinn, darüber nachzudenken.
Macht es Sinn, sich darauf vorzubereiten, auf den Moment, in dem das Licht ausgeht? Eigentlich schon. Damit mich jetzt niemand falsch versteht: Ich bin nicht der Typ, der sagt, kauf dir einen Bauernhof, werde Selbstversorger, besorge dir ein Stück Wald, einen Dieselgenerator und eine Schrotflinte. Das meine ich nicht.
Aber was ich denke, ist: Es gibt so ein Stück gesunde Vorsorge. Ich kann mich wahrscheinlich nicht gegen einen Krieg wappnen oder gegen eine Ebola-Epidemie, aber ich kann sicherstellen, dass zwei Tage Stromausfall nicht dazu führen, dass meine Frau eine Erkältung bekommt. Das geht.
Und was für einen Stromausfall gilt, das gilt einfach auch für mein Leben: Irgendwann geht das Licht aus. Das ist logisch, das wissen wir alle. Und in diesem Moment müssen wir vorbereitet sein. Ich glaube, dass Weihnachten uns diese Tatsache warnend vor Augen führt.
Die wahre Bedeutung des Retters an Weihnachten
Nochmal: Was sagt der Engel auf dem Feld? Er sagt: „Denn siehe, ich verkündige euch große Freude. Denn euch ist heute ein Retter geboren.“
Der Engel sagt nicht: „Euch ist heute ein Stück Kulturgut geboren“ oder „Euch ist heute der Grund dafür geboren, dass ihr euch einmal im Jahr mehr oder weniger sinnvoll beschenken dürft“. Er sagt auch nicht: „Euch ist heute geboren ein Zeichen für Mitmenschlichkeit und die Güte im Menschen.“
Der Engel sagt: „Euch ist heute ein Retter geboren.“ Und der Clou ist: Ein Retter kommt, um zu retten.
Wir haben ein älteres Ehepaar neben uns wohnen, echt süß, also wirklich ein ganz liebes, aber halt schon älteres Ehepaar. Vor zwei, drei Tagen höre ich draußen im Flur Stimmen. Dann geht man natürlich nachsehen, denn wir wohnen ganz oben. Wer ist denn da so weit oben? Und dann stand der Notarzt vor der Tür.
Weißt du, wenn der Notarzt bei deiner alten Nachbarin vor der Tür steht, dann kommt er nicht, um eine Tasse Kaffee zu trinken und über ihre Puppensammlung zu sprechen. Er kommt, weil etwas vorgefallen ist.
Ein Retter kommt, um zu retten. Und die Frage ist: Wovor will Jesus mich retten? Die Antwort ist gar nicht so nett. Sie lautet: Gott möchte mich retten vor dem Gericht Gottes.
Wir leben nämlich nicht im Paradies. Wir leben auf einer Welt, die Gott verflucht hat, einer Welt, die sich hemmungslos um sich selbst dreht, die meiner Meinung nach jede Orientierung verloren hat und die jedes Jahr ein Stückchen böser wird – zumindest ist das mein Eindruck, wenn ich Zeitungen lese.
Wir leben in einer Welt der Flüchtlingslager, der Slums, der Zwangsprostitution, der Nahrungsmittelspekulation, der Sklaverei und all der großen und kleinen Gemeinheiten, für die der Mensch verantwortlich ist.
Wir leben nicht im Paradies. Wir leben auf einem blutigen Planeten, der tatsächlich nur eines zu erwarten hat: nämlich Gottes Gericht.
Gründe für die Gewissheit des göttlichen Gerichts
Und wenn mich jemand fragen würde: „Woher nimmst du das, Jürgen?“ Dann hätte ich drei Gründe.
Der erste Grund – bitte lacht mich nicht aus, der klingt ein bisschen komisch – ist die Sintflut. Wir können darüber diskutieren, ob die Bibel das Ereignis der Sintflut eher mythologisch oder wissenschaftlich beschreibt. Das ist mir völlig egal, denn ich habe euch eine Karte mitgebracht, die zeigt, wie sich Sintflutberichte weltweit verbreiten. Jeder schwarze Punkt steht für einen Sintflutbericht, eine Legende darüber, dass Menschen sich daran erinnern, dass Gott einmal diese Welt durch Wasser hat untergehen lassen.
Jedes Kreuz auf der Karte steht für eine Regenbogenlegende, eine Regenbogensage, die wir auch aus der Bibel kennen. Wenn ich mir das ansehe, merke ich, dass – egal wie ernst ich die Bibel Wort für Wort nehme, denn darum geht es mir gar nicht – im kollektiven Bewusstsein der Menschheit dieser Gedanke steckt: Gott hat uns schon einmal einen Schuss vor den Bug gesetzt. Da ist schon einmal die Bosheit des Menschen gerichtet worden, als Warnung, dass man mit Gott nicht spaßen kann. Gott ist ein Gott, der das Böse richten wird. Das Gericht hat es also nicht zum ersten Mal gegeben.
Ein zweiter Punkt, der mich immer wieder davon überzeugt, dass Gott wirklich richten wird, ist, dass ich ein Gewissen habe. Das Gewissen ist doch irgendwie interessant. Ich kann – und das kann jeder hier – gut zwischen Gut und Böse unterscheiden. Spannend, oder? Wozu eigentlich das Gewissen? Wozu diese Fähigkeit, ein moralisches Urteil fällen zu können? Wozu Gewissensbisse oder der Ärger, den man manchmal spürt, wenn man denkt: „Was die da macht, das war nicht richtig!“? Das kommt ja irgendwo her. Wozu das?
Die Antwort lautet: Damit ich mich richte. Ich habe das Gewissen, damit ich mich richte. Ich habe das Gewissen, damit ich merke, dass mit mir etwas nicht stimmt. Das Gewissen ist für die Seele das, was die Körpertemperatur für den Körper ist. Wenn ich irgendwo hingehe und spüre, wie warm es ist, und merke, da glüht jemand, dann sage ich ihm: „Hey, deine Körpertemperatur ist erhöht.“ Erhöhte Körpertemperatur, Fieber – Fieber warnt mich vor dem Tod. Und ein schlechtes Gewissen warnt mich vor Gottes Gericht.
Das heißt: Diese Welt wartet darauf, dass Gott sie richtet. Und Gott gibt uns genug Wissen in unsere Herzen hinein, damit wir genau wissen, dass wir natürlich ehrlich sein müssen. Aber wenn wir ehrlich sind, erkennen wir auch, dass Gott damit Recht hat.
Weihnachten als Hoffnung und Rettung
Das Verrückte ist: Diese zwei Punkte sind für mich noch lange nicht das Dramatischste. Wirklich dramatisch, wirklich zu wissen, dass es um mich hoffnungslos steht, dass ich überhaupt keine Chance habe – das weiß ich erst seit Weihnachten. Ist das nicht irre? Weihnachten – warum gerade da?
Weil an Weihnachten ein Retter kommt, um zu retten. Wenn ich das so einfach sagen darf: Jesus ist der Notarzt Gottes, der auf diese Erde kommt, zu Menschen, die hoffnungslos krank sind, um sie zu retten. Jesus ist Gottes Antwort auf meinen Anteil am Leid in der Welt. Jesus kam, um mich zu retten. Jesus kam für deine Sünde.
Deshalb heißt es hier in Markus 2,17: Jesus bringt seine Mission auf den Punkt, wenn er sagt: „Nicht die Gesunden brauchen den Arzt, sondern die Kranken. Ich bin nicht gekommen, Gerechte zu rufen, sondern Sünder.“
Weihnachten als Einladung zur Vorbereitung und Ehrlichkeit
Wofür, für wen ist Weihnachten? Darf ich das noch einmal zeigen?
Weihnachten ist für die Menschen, die sagen: „Ich möchte kein Narr sein.“ Weihnachten ist für die Menschen, die sich vorbereiten wollen – vorbereiten auf das Gericht.
Weihnachten ist für die mit einem schlechten Gewissen, für die, die nicht stark sind, sondern krank. Für die, die sich nicht hinstellen und sagen: „Schau, wie gerecht ich bin“, sondern die zugeben können und sagen: „Ich bin es nicht. Ich wäre es gerne. Ich wäre gerne gerechter, weiser und klüger. Ich würde gerne mehr Dinge richtig machen, aber ich bin es einfach nicht.“
Und jetzt möchte ich euch am Ende dieser Predigt sagen: Weihnachten ist wunderbar. Weihnachten ist wunderbar, weil wir schwach sein dürfen, weil wir ehrlich werden dürfen.
Weihnachten ist wunderbar, weil Gott uns mit offenen Armen als ein liebender Vater einlädt, ihm zu begegnen – mit unserer ganzen Schuld, mit unserer ganzen Scham, mit unserem schlechten Gewissen. Mit dem, was wir am liebsten wegschieben, verdrängen oder verstecken würden, dürfen wir direkt zu ihm gehen.
Weihnachten ist wunderbar, weil es heute nicht darum geht – das vergisst man leicht, aber ich will es trotzdem sagen – weil es heute nicht darum geht, wer du bist oder, noch schlimmer, was du geben kannst.
Es kommt nicht darauf an, wie toll deine Geschenke sind, die du heute weiterschenkst. Weihnachten ist wunderbar, weil heute der Tag ist, an dem du dich beschenken lassen kannst.
Weihnachten ist Zeit für einen Neuanfang. Und deswegen: Lass dich einladen, sei kein Narr.
Amen.
