Die Bedeutung der Kindertaufe und der Glaube daran
Es fällt auf, dass die Reformatoren an der Kindertaufe festgehalten haben. Ebenso ist bemerkenswert, dass die Väter der Erweckungsbewegung an der Kindertaufe festhielten. Dies geschah jedoch ganz bestimmt nicht, weil sie glaubten, dass man durch das Werk der Taufe automatisch ein wiedergeborener Christ sei, als ob dies sakramental über einen vollzogen werden könnte.
Vielmehr wussten diese Menschen, dass man sich bekehren muss. Gerade weil sie dies so deutlich verkündeten, konnten sie das andere bestehen lassen. Sie sagten: Man muss diese Gabe natürlich ergreifen.
Es war unser schwäbischer Glaubensvater Philipp Friedrich Hiller, der sagen konnte: „Meine Taufe freut mich mehr als mein natürliches Leben.“ Er wurde damals als Kind getauft. Später hat er den Glauben ergriffen, und ihm war wichtig, dass nur der Glaube es macht.
Dennoch konnte er sagen: „Ich lasse mich immer wieder zurückfallen auf diese große Entscheidung Gottes, der mir seine Gnade anbietet.“ Wie groß ist dies in unseren Anfechtungen, in der Dunkelheit, im Zweifeln, wenn ich sagen kann: „Aber du, Herr, du hast das gesagt, dass du mir ein gnädiger Gott sein willst. Und das hast du mir zugesagt, als ich noch viel zu schwach war, um es mit meinem Verstand nachzuvollziehen.“
Also keine Missverständnisse: Nicht die Taufe macht mich zum Christen, sondern ich muss sie annehmen – so wie unsere Kinder das ganz genau wissen. Die kleinsten Babys wissen, dass nicht das Fläschchen, das neben dem Bett steht, sie sättigt, sondern erst, wenn sie es in den Mund nehmen und daraus trinken.
So ist es auch mit meiner Taufe: Erst wenn ich sie lebe, erst wenn ich in diesem Bund drinstehe. Darum bitte ich euch, ihr Eltern und Paten, und Sie, liebe Gemeinde, die Sie Verantwortung für junge Menschen tragen: Verkündigen Sie das immer wieder!
Die Taufe macht auch nicht unsere Glaubensentscheidung, sondern die Glaubensentscheidung nimmt die Taufe an. Sie nimmt nur dieses Fläschchen in den Mund, sie sorgt nur für das Trinken. Es ist der erbarmende Gott, der es schon in unseren Kindertagen über unser Leben festmachen wollte: Du gehörst mir.
Wenn wir es doch ergreifen wollten, wenn wir es doch ganz leben, wenn wir doch diese große Gabe erkennen und annehmen würden! Dazu gebe euch Gott Weisheit und Klugheit, auch in der Erziehung eurer Kinder.
So möchte ich euch nun fragen, ihr Eltern und Paten: Wollt ihr, dass diese Kinder auf den dreieinigen Gott getauft werden? Und wollt ihr dazu beitragen, diese Kinder auf diesen Herrn hin zu erziehen? So antwortet gemeinsam: Ja, und Gott helfe mir!
Die Herausforderung der Verkündigung des Evangeliums heute
Sehen wir von dem Reformationslied 207 die Verse zwei bis vier an.
Vor vielen Jahren, es ist sicher zwanzig Jahre her, begann in unserer Kirche eine Diskussion über eine moderne Verkündigung, die den Mythos abschaffen sollte. Ein bekannter Prediger sagte damals, die Nagelprobe sei, einmal zu fragen, wie man Römer 3,21-31 auslegen würde, wenn all die Theologen um Rudolf Bultmann und andere hier wären, um zu zeigen, wie sie es sagen wollen.
Nun haben wir heute diesen Predigttext. Ich möchte Sie bitten, ihn mitzulesen, da er schwer ist und zum Fundament unseres Glaubens gehört.
In den meisten roten Gesangbüchern ist der Anhang enthalten. In der fünften und sechsten Reihe, unter dem Reformationsfest, das vor dem 24. Sonntag nach Dreieinigkeitsfest liegt, finden Sie die Seitenzahlen. Dort steht oben an der Seite Römer 3,21-31.
Nun aber ist unabhängig vom Gesetz die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, offenbart worden, bezeugt durch das Gesetz und die Propheten. Ich rede aber von der Gerechtigkeit vor Gott, die aus dem Glauben an Jesus Christus kommt und allen zuteilwird, die glauben. Denn es gibt hier keinen Unterschied.
Alle haben gesündigt und die Herrlichkeit verloren, die Gott ihnen zugedacht hatte. Sie werden ohne Verdienst gerecht aus seiner Gnade durch die Erlösung, die durch Christus Jesus geschehen ist.
Ich lese den neuesten Revisionstext. Lassen Sie sich nicht durcheinanderbringen. Gott hat den Glauben als Sühne hingestellt in seinem Blut zum Erweis seiner Gerechtigkeit, indem er die Sünden vergibt, die früher in der Zeit seiner Geduld begangen wurden. Nun aber in dieser Zeit zeigt er seine Gerechtigkeit, dass er selbst gerecht ist und den gerecht macht, der aus dem Glauben an Jesus lebt.
Wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen. Durch welches Gesetz? Durch das Gesetz der Werke, das heißt das Gesetz der Leistung, das Gesetz der Taten? Nein, sondern durch das Gesetz des Glaubens. Denn wir sind überzeugt, dass der Mensch gerecht wird ohne die Werke des Gesetzes, allein durch den Glauben.
Oder ist Gott allein der Gott der Juden? Ist er nicht auch der Gott der Heiden? Ja, sicher auch der Gott der Heiden, denn es ist der eine Gott, der die Juden gerecht macht aus dem Glauben und die Heiden durch den Glauben.
Wie, heben wir denn das Gesetz durch den Glauben auf? Keineswegs, sondern wir richten das Gesetz auf.
Herr, dein Wort ist wahr und trüget nicht. Erklär du es uns. Amen.
Die Lage des Christentums und die Notwendigkeit der Umkehr
In unseren Tagen erschrecken viele, denn das Christentum befindet sich auf breiter Front im Rückzug. Die Weltgeschichte wird gegenwärtig von ganz anderen Mächten gestaltet. Wer zählt denn noch die Millionen, die den kommunistischen Ideologien folgen? Wer kennt heute noch all die Völker, die sich nach und nach dieser Meinung verschrieben haben? Aber welches Volk lässt sich denn vom Evangelium leiten?
Wir erleben in diesen Tagen, dass selbst der reaktionärste und zeitfeindlichste Islam eine Weltmacht wie den Iran in Atem hält und die Massen beherrscht. Revolution und Befreiung verstehen die Menschen. Ich habe in Neuguinea erlebt, wie ein uraltes magisches Heidentum, geprägt von Furcht und Angst, Dorf um Dorf mit sich reißt und Menschen vom christlichen Glauben abwendet.
Und wie ist es bei uns in Europa, in Deutschland? Der Abfall vom christlichen Glauben schreitet so rasch voran, dass man kaum noch weiß, wo man eigentlich steht. Wenn man die Menschen fragt, weiß denn überhaupt noch jemand, warum er Christ ist?
Es gibt einflussreiche Leute, von denen ich einmal einen gehört habe, der in der Verantwortung der Kirche stand. Er sagte: „Nun, alles nicht so schlimm, es gibt ein Auf und Ab in der Kirchengeschichte, eine Wellenbewegung, mal oben und mal unten. Wir haben die Sache ganz gut im Griff, man muss nur Vertrauen und Geduld haben. Es gilt jetzt, alle Kräfte zu vereinen. Jeder soll seine Privatinteressen zurücktreten lassen und begraben, alle Streitigkeiten. Wenn wir nur Geschlossenheit demonstrieren, dann wird es auch wieder aus der Talsohle herausgehen. Gas geben, und dann wird es gehen.“
Das wäre schön, wenn wir heute so das Reformationsfest feiern könnten. Das wäre prima. Wir würden sagen: „Lasst uns zusammenstehen, lasst uns Einheit demonstrieren, lasst uns Programme entwerfen. Wir wollen für unsere Welt etwas tun, alle Mann auf Deck, und die Sache des Evangeliums ist noch nicht verloren.“ Das wäre nett, aber es entspräche nicht der Kirchengeschichte und auch nicht dem Neuen Testament.
Denn wo wirklich die Gemeinde Jesu aus der Talsohle herausgeführt wurde, waren es nie die vereinten Kräfte der Christen. Im Gegenteil: Es waren einzelne, kleine Leute. Und das stimmt auch gar nicht mit der Vorstellung einer Wellenbewegung überein, denn die Geschichte der Kirche verläuft ganz anders. Es gab Irrwege. Wo man einen Irrweg eingeschlagen hat, muss man umkehren und zurückgehen. Man muss an den Ausgangspunkt zurück, und das ist der Weg der Buße und der Umkehr.
Die Reformation 1517 begann mit Thesen zur Buße, zur Umkehr zu Gott hin, mit der Bekehrung. Das kann man durch die ganze Reformationsgeschichte hindurch studieren. Es wäre falsch, irrig und verführerisch, heute so zu denken, wie manche es tun. Gerade in unserer Zeit heißt es: Umkehren.
Paulus als Vorbild für das Zeugnis des Evangeliums
Ich möchte es Ihnen heute nicht an den Reformationsgestalten zeigen, sondern am Apostel Paulus. Paulus hatte zeitlebens nur einen Wunsch: Er wollte einmal in Rom das Evangelium verkünden. Rom war damals der Inbegriff der antiken Welt. Der Kaiser ließ sich dort in orientalischer Pracht als Gott verehren. Zu Paulus’ Zeiten gab es nur noch in Britannien und Germanien ein paar Kriege. Sonst herrschte Frieden in der Welt, und man glaubte, alle Probleme gelöst zu haben.
Es war eine Welt der Wissenschaft, der Kunst, der Pracht und der Machtausübung. Paulus sagt: „Ich will in diese Stadt hinein.“ Aber wie wollte er hineingehen? Nicht in der Kraft eines vereinten Protestantismus, auch nicht, damit die Kirche ein machtvolles Zeugnis ablegt. Nein, er wollte als Bote des gekreuzigten Jesus eintreten.
Als Paulus dann nach Rom kam, war das der Anfang des Evangeliums in dieser Stadt. Er wurde als Gefangener mit Handschellen gebunden die Via Appia hinaufgeführt, begleitet von einer Gruppe Krimineller. Der große Bote des Evangeliums! So hat Gott seine Schlachten geschlagen und seine Gemeinde gebaut: auf einem ganz schwachen Fundament. Paulus war körperlich am Ende seiner Kräfte, gezeichnet von einer schweren Krankheit. Er wusste nicht einmal, wie er überhaupt noch durchhalten sollte.
Doch er sagte: „Wenn ich dann nach Rom hineinkomme und vor diesen gewaltigen Bauwerken stehe, vor den Siegesportalen der Kaiser, dann geniere ich mich nicht, das Evangelium vom gekreuzigten Jesus zu verkünden.“ Denn darin liegt die einzige Kraft, die diese Welt rettet und erneuert.
Für mich ist das nicht schlimm. Ich habe mich noch nie aufgeregt, wenn es die größten kommunistischen oder atheistischen Bewegungen unserer Tage gibt, die Gott vom Thron stürzen wollen. Manchmal denke ich, ob nicht der Islam die große antichristliche Macht ist, von der die Bibel spricht, die ihr Heiligtum an der Stelle des Tempels aufgebaut hat, wovon auch die Bibel erzählt.
Aber das ist alles gar nicht so wichtig, wenn nur die Christenheit weiß, wo sie ihre Kraft hat – und zwar allein in ihrem Zeugnis. Nicht in großen Aufmärschen oder Programmen, sondern in dem Zeugnis, das sie von Jesus dem Gekreuzigten verkündet.
Das könnte ich Ihnen genauso bei Hus in Prag, bei Calvin in Genf, bei Wycliffe in England oder bei den Hugenotten in Frankreich zeigen. Oder wo immer Sie hinschauen wollen: in Italien bei Petrus Valdus oder bei Melanchthon. Es war immer die Botschaft des ergriffenen Evangeliums.
Dann bekomme ich Angst, ob wir als Christen das Evangelium überhaupt noch kennen – dieses Evangelium, das Menschen rettet. Ob wir es noch kennen und sagen können: „Ich geniere mich nicht.“ Ich möchte es vor meinen Arbeitskollegen erzählen, ich möchte es weitergeben, und es ist der Stolz meines Lebens.
Drei Fragen zum Verständnis des Evangeliums
Nun möchte ich an diesem Bibelwort drei Fragen stellen. Eigentlich sind es Fragen, die Paulus selbst betreffen.
Wie kannst du also so reden, Paulus? Ich möchte, dass wir das Wort dadurch ein wenig besser verstehen können.
Meine erste Frage lautet: Wollen die Leute das überhaupt hören, Paulus?
Wollen das die Leute überhaupt hören?
Wollen die Leute das überhaupt hören? Paulus würde sagen: Nein, das wollen die Leute nicht hören. Das ist doch sonnenklar. Das Evangelium, das ich in Rom predige, will niemand hören. Die Leute wollen Siegesberichte hören, sie wollen Frieden haben. Wie hieß es doch so schön: Brot und Spiele – pane et circenses. Brot und Spiele wollen sie haben.
Aber die Botschaft vom Gekreuzigten will niemand hören. So dumm kann man nur im zwanzigsten Jahrhundert sein zu glauben, die Menschen hätten das jemals hören wollen. Das hat noch nie jemand hören wollen. Denn das Thema, das Paulus bringt, wird aus unserem menschlichen Denken ausgeklammert. Wir sagen, es wird verdrängt, tabuisiert, auf die Seite geschoben.
Warum? Weil wir alle nicht von unserer Sünde reden wollen. Und wenn wir von der Sünde reden, dann so läppisch, dass wir die ernste Lage gar nicht erfassen. Wenn Paulus sagt: Der Mensch ist ein Sünder, der unter dem Zorn Gottes steht, dann hat er das in eine Welt hineingesprochen, in der der stolze römische Legionär vor den Portalen Wache stand – eine Welt, in der man sagte, so groß ist der Mensch.
Und in unserer Zeit ist dieses dumme Wort umgegangen, dass man im zwanzigsten Jahrhundert nicht mehr nach dem gnädigen Gott frage. Meinen Sie, die Römer hätten nach dem gnädigen Gott gefragt? Sie hatten mit ihrer Religion schon lange Gott manipuliert. Und meinen Sie, in der Reformationszeit wäre das eine Frage der Massen gewesen? Meinen Sie, das hätte Kaiser Karl V. nur eine Stunde bewegt, seine Sünde? Das hat ihn doch nicht interessiert. Ihn haben seine Kriege mit Frankreich interessiert, die Festigung seiner Macht.
Meinen Sie, das hätte damals die Kirchenoberen interessiert, den Papst, der die wunderbare Peterskirche erbauen ließ? Das war doch genau in der Reformationszeit dieser prachtvolle Bau der Machtentfaltung des Menschen. Da hat man doch nicht von Sünde gesprochen. Das war genau die Zeit, als Michelangelo seine wunderbaren Statuen gemeißelt hat. Sehen Sie doch den schönen Renaissance-Menschen an!
Das war die Zeit, als Ulrich von Hutten rief: „O Jahrhundert, o Wissenschaften, es ist eine Lust zu leben!“ Da gab es einen Menschen und ein paar andere, die sich vor Gott gefragt haben: Wie kriege ich mein Leben mit Gott in Ordnung? Und ich darf Ihnen sagen, darin liegt die größte Lösung aller Fragen, wenn Sie sich dieser Frage widmen.
Paulus sagt: Das wollen Menschen nie hören. Wir müssen es ihnen sagen. Wir müssen ihnen diese Nachricht bringen, denn die Menschen haben die Herrlichkeit verloren, die Gott ihnen zugedacht hatte. Und wenn Michelangelo noch so wunderbare Statuen aus Stein von ihnen abbildet, sie sind es nicht mehr, diese schönen Menschen.
Ich hatte ganz andere Themen in meiner Jugend. Und ich danke heute noch denen, die immer wieder an diese Wunde gerührt haben und mich dort erreicht haben, wo ich als junger Mensch den Traum meines Lebens geträumt habe, wie schön alles werden muss. Und das war doch alles nicht wahr, weil in meinem Leben diese dunkle Macht der Finsternis sitzt, die mein Leben zeichnet, von Gott herausreißt und mit Schmutz bedeckt.
Und da dürfen wir hier an dieser Stelle unter dem Evangelium immer wieder davon reden und sagen: Sünde – das ist jene Macht meines Lebens, von der ich nicht loskomme. Wenn ich mich befreien will, schaffe ich es nicht. Ich habe dagegen anzukämpfen versucht, aber ich habe es nicht geschafft.
Paulus sagt: Darum sprechen wir die Menschen darauf an. Bitte kein Missverständnis: Niemand will das hören. Das schreibt keiner auf einen Fragenzettel. Da fragt keiner danach. Aber wir gehen in die Welt hinein und sprechen die Menschen auf ihre tiefste Not an.
Wir wissen doch, dass hinter den Menschen, die in ihren Wohnungen sitzen, eine geheime Not steckt: Dass ihr Leben zerbrochen ist, dass sie sich ihre Ehe ganz anders vorgestellt haben, ihre Familie, ihr Leben, ihr Schaffen und Arbeiten – und es ist zerbrochen durch die Macht der Sünde.
Paulus sagt: Nicht die Sünde verkünde ich, sondern dass nun Gott gerecht macht, dass Gott in Ordnung bringt. Ich habe mich an meinem Schreibtisch so gerieben und gedacht: Wie kann ich Ihnen das Wort „Gerechten“ besser erklären? Da war ich zwischendurch im Krankenhaus und habe Besuche gemacht. Das war mir ein gutes Gleichnis dafür.
Ach, ein Jammerbild an jedem Bett: „Wie geht es?“ – „Es geht nicht mehr.“ „Was denn?“ – „Der Arm geht nicht mehr hoch.“ „Was ist denn los?“ – „Irgendetwas ist krank, irgendeine kleine Ursache.“ „Was ist denn mit Ihnen los?“ Am nächsten Bett: „Ich kann nicht mehr.“ „Was ist denn?“ – „Die Galle, Steine, es geht nicht mehr, ich kann nichts mehr essen, bloß wegen so einem Organ.“ Am nächsten Bett: „Was ist denn los?“ – „Ich kann nicht mehr laufen.“ „Warum denn?“ – „Das Herz ist krank, der Kreislauf ist krank.“ Immer nur ein Organ ist krank, ist nicht in Ordnung. Und ein Mensch kann nicht mehr gehen, kann nicht mehr essen, kann nicht mehr arbeiten – ist ein Todeskandidat.
Warum ist unser Leben bloß so mühselig, so beladen, so schwer? Weil eine Sache in Unordnung ist. Das legt sich lähmend über alles: über unsere Freude, über unseren Spaß, über unsere Freizeit, über unsere Gedanken, über alles, was wir tun wollen. Wir sind mit Gott nicht in Ordnung.
Das ist wie eine Krankheit, die sich über den ganzen Leib, über unser ganzes Leben ausbreitet. Und darum verkündigt Paulus diese Botschaft: Gott hat eine Sühne geschaffen. Es gibt Vergebung im gekreuzigten Jesus. Das ist eine Tatsache, das ist passiert. Und du darfst auf diese Sühne Jesu hin jetzt Vergebung annehmen.
In dem Augenblick bist du vollständig in Ordnung. Dort wird dein Eheleben eingerenkt, dort kommt dein Familienleben in Ordnung, dort kommt deine kranke Fantasie zur Ruhe, dort kommt dein Reden in Ordnung, dort kommt dein Freuen wieder dazu, sodass du dich an den schönen Dingen freuen kannst.
Denn Gott heil macht. Das breitet sich über dein ganzes Leben wieder so aus. Ach, das war Paulus so wichtig, das zu erzählen. Das war ihm ganz unwichtig, ob die Leute das hören wollen. Ich muss es ihnen predigen. Das muss dieses Rom hören, das muss unsere Welt hören.
Ob das die kommunistischen Ideologen sind oder ob das heute die vom Islam beherrschten Massen sind – das müssen sie hören. Denn das kennen sie nicht. Weder die marxistischen Atheisten kennen das, noch die Moslems kennen das.
Sie alle kennen nicht, dass es Vergebung, Versöhnung gibt, Erneuerung des Lebens, dass die heilenden Kräfte Gottes wieder ganz in unser Leben einfliessen können und dass ich Gott zum Freund haben kann, ja zum Vater.
Dass sie von hier weggehen und sagen: Ich habe zum ersten Mal begriffen, was Paulus will. Dass ich mit Gott ein ganz neues, freies und reines Leben habe. Ich habe keine Angst mehr, denn er ist ja da. Ich bin unter seinem mächtigen Schutz. Ich bin von ihm behütet und bewahrt.
Wir sind gerecht. Wir sind gerecht. Wir sind mit Gott in Ordnung. Es muss alles gut werden. Das ist egal, ob die Leute das hören wollen. Wir müssen es ihnen sagen.
Können das die Leute verstehen?
Um die zweite Frage: Können das die Leute verstehen? Nein, ganz bestimmt nicht.
Warum kann man das nicht verstehen? Das liegt nicht an den Worten. Das ist ein Irrtum, dem man immer wieder erliegt: Man kann es nicht verstehen. Nicht die Sprache ist das Problem. Ich habe es in der neuesten Revisionsübersetzung von 1975 gelesen, und es ist immer wieder schwierig.
Und wenn es dann darum geht, dass wir es praktizieren, klappt es immer noch nicht. Selbst nach der Bekehrung funktioniert es mit diesem Evangelium oft nicht. Wir Menschen haben einen Grundirrtum, den wir alle nacheinander fortwährend begehen. Wir scheitern nicht einmal an diesem Irrtum, denn wir meinen immer wieder, wir könnten es mit unserer netten Persönlichkeit irgendwo hinkriegen.
Kaum sind wir zum Glauben gekommen, sagen wir: Es war ja ganz schön, was uns Jesus gegeben hat, aber jetzt wollen wir mal anfangen und Jesus beweisen, dass es auch prima ohne ihn geht. Und dann kommt das mit den Taten.
Jetzt achten Sie einmal darauf: Blättern Sie einmal durch christliche Zeitschriften. Hören Sie einmal die Verkündigung an. Wie viel wird immer von den Taten gesprochen! Es ist auch wichtig, dass wir etwas tun in dieser Welt, in der so viel Böses geschieht. Aber es wird immer von den Taten gesprochen, und keiner fragt: Können wir das überhaupt?
Wir wären alle ganz gerührt, wenn ich Ihnen heute sagen würde, Sie sollen einmal pro Woche fasten; das würde unserem Leib sehr guttun. Sie sollten mehr opfern, sich mehr für die Armen einsetzen, netter sein zu Ihren Familienmitgliedern. Überhaupt sollte man sich ein bisschen mehr an einen fröhlichen Umgang gewöhnen, sich der Armen annehmen und für die Unterdrückten einsetzen. Das ist doch bewegend.
Aber wer sagt mir, ob ich das kann? Ja, wir Christen können das doch besser als die Gottlosen. Wirklich? Können wir Christen das besser? Wer hat uns denn diesen Hochmut in den Kopf eingepflanzt?
Paulus sagt: Wir werden gerecht aus Gnade, und wir Christen bleiben ein Leben lang diejenigen, die das Geheimnis kennen. Es geht nicht durch unser Können, sondern durch das Können Jesu. Und wir sind immer wieder die Beschämten.
Es sitzen so viele da, die entmutigt sind, weil sie in ihrem Christenleben Enttäuschungen erleben. Sie wollten, dass alles viel besser, viel strahlender und leuchtender wird. Paulus sagt: Wenn nur in deinem Leben das Erbarmen Gottes immer größer wird, wenn nur die Gnade immer mächtiger wird, dann bist du auf der richtigen Spur.
Es geht nicht anders als allein durch Gnade. Es geht nicht durch Werke, nicht durch Tun, nicht durch Können. Und das ist das Wunder, das wir rühmen: Dass Gott gestrandete, schwache Leute annimmt, gerecht macht und in Ordnung bringt.
Und das bleibt, solange wir leben, die Botschaft, die wir verkündigen: Mir ist Erbarmen widerfahren, Erbarmen, dessen ich nicht wert bin. Das seelisch zu begreifen ist das Wunderbare. Mein stolzes Herz hat es nie begehrt. Ich habe immer nur die Leistungsordnung der Welt verstanden, ich habe immer nur auch das fromme Tun verstanden, aber nie die Gnadenordnung.
Machen Sie nie mehr mit, wenn andere sagen, das Wort Gnade wäre in unserer Zeit altmodisch. Die Sache ist altmodisch, die Sache geht nicht in unseren Kopf hinein. Manchmal muss Gott auch seine stolze Kirche demütigen.
Wenn heute unsere Kirchen leer stehen, wenn so viel nicht mehr gelingt und wir merken, dass die Menschen nicht mehr von unserem Wort erreicht werden, dann demütigt uns das. Ach Herr, durch deine Gnade kannst du es wieder schaffen.
Das war doch die Kraft der Reformation: Es waren nicht die Fürsten und Landesherren und nicht die Macht der Kirche, sondern das Wort ein paar evangelischer Prediger von den Kanzeln. Das Bibelwort war es, das Menschen dorthin geführt hat und eine Erweckung verursacht hat.
Der Mensch wird durch Glauben gerecht. Alle anderen Fragen ihres Lebens, die großen Lebensfragen, die sie jetzt bekümmern – auch die Frage, wie unsere Welt neu wird – kommen aus dem Glauben. Und aus Menschen, die im Glauben leben, kommt diese große Kraft in die Welt.
Es ist mir so wichtig, dass wir davon reden, wie unser Leben neu wird. Das ist die Eingangstür zum Glauben: dass ich aus Gnaden angenommen werde, allein durch Glauben, allein durch Gnade.
Und da sagt Paulus in diesem wichtigen Abschnitt: Es steht ja nicht, dass man noch ein bisschen selbst mithelfen muss. Es bleibt die überwältigende Erbarmung Gottes.
Wenn jetzt andere kommen und Ihnen Lasten auf den Rücken binden und sagen, was man auch noch tun muss, um glaubwürdig Christ zu sein, weisen Sie diese Menschen ab. Denn sie zerstören Ihren Glaubensfrieden.
Allein aus Gnaden, allein aus Glauben werde ich gerecht. Allein dadurch kommt das Neue in die Welt. Allein dadurch werde ich ein neuer Mensch.
Es gibt keinen höheren Christenstand, auch nicht dort, wo man einige Dinge besser kann. Es gibt nur den einen Christenstand, in dem ich aus Erbarmen angenommen werde als sein Kind – allein aus Glauben, allein aus Gnaden.
Nichts anderes macht mich gerecht.
Die Auswirkungen des Glaubens auf das Leben und die Welt
So bleibt nur noch eine Frage offen, die Ihnen sicher schon auf der Zunge liegt, hoffe ich jedenfalls: Was ändert sich jetzt in der Welt? Was wird neu?
Das Erste war: Wollen die Menschen das überhaupt hören? Können sie es verstehen? Die letzte Frage lautet: Was ändert sich denn wirklich?
Damals sagten die Leute schon: Paulus, du machst das praktische Leben ganz unwichtig. Du zerstörst doch das Gesetz, und das Gesetz regelt doch unsere Ehe, die Wahrheit und das öffentliche Leben. Ist es denn unwichtig, wie ein Christ draußen in der Welt lebt?
Paulus antwortet am Ende dieses Abschnitts: Heben wir denn das Gesetz durch den Glauben auf? Keineswegs, sondern wir richten das Gesetz auf.
Er sagt: Jetzt gilt gerade das Gesetz Gottes. Jetzt sind die Gebote Gottes erst recht in Kraft gesetzt. Denn jetzt ist doch klar: Menschen, die von Gott gerecht gemacht wurden, haben eine Spur, der sie nachgehen können. Sie haben einen Weg, den Gott ihnen zeigt, nämlich seine Gebote.
Aber wie kannst du das tun? Wie kannst du das leben? Wie kannst du eine neue Ehe führen? Wie bekommen die Kinder einen besseren Vater? Wie denn?
Aus Glauben, aus Gnade allein. Ist jemand in Christus, dann ist er eine völlig neue Schöpfung. Das Alte ist vergangen, siehe, es ist alles neu geworden.
Paulus sagt: Mir geht es ja gerade um das Tun der Christen. Aber lasst euch doch nicht betrügen! Man wird doch nicht durch Gesetzespredigen oder durch Moralpredigen ein anderer Mensch. Und da ändert sich in der Welt nichts, obwohl man das immer glaubt. Das ist der Betrug des Menschen.
In der Welt sind doch die großen Auswirkungen erst durch Menschen geschehen, die diese Gnade immer ergriffen haben und sie festgehalten haben bis zur Todesstunde.
Jetzt tut es mir leid, dass unsere Zeit schon lange um ist. Ich bin sowieso schon über der Zeit.
Ich hätte Ihnen gern erzählt, wie das war bei den großen Zeugen der Nächstenliebe. Das waren nicht die Redner, die dauernd von der Liebe gepredigt haben. Sondern das waren Leute, die fortwährend vom Erbarmen Gottes über ihr sündiges Leben gesprochen haben.
Es waren ganz demütige Menschen, die immer wieder die Bereinigung ihrer Schuld vor Gott brauchten. Aber sie waren überwältigt von der Liebe Gottes. Und sie haben weiter geliebt und mehr getan als all die Tausenden Moralprediger im frommen Gewand.
Das ist doch die Botschaft der Rechtfertigung: dass wir allein dadurch neu werden. Und diese Welt wird neu, und ihr Leben wird neu, und ihre Taten werden anders. Nicht indem sie sich verzwingen und verkrampfen, nicht durch ihre Anstrengung, sondern indem sie ihr Leben heiligen lassen, unter die Gegenwart Jesu stellen.
Wir heiligen unser Leben, unsere Häuser, unsere Familien nicht, indem wir einen frommen Schein darüber breiten oder ein paar fromme Sprüche aussprechen. Sondern indem wir unser Leben vor dem heiligen Herrn stellen, der unsere Sühne ist, der die Macht des Bösen in unserem Leben zurückdrängt und uns Vergebung zuspricht.
Dadurch wird es neu. Darum richtet Paulus das Gesetz erst recht auf. Darum geht es ums Tun, aber um ein Tun, das wie selbstverständlich aus dem Glauben und aus der Gnade herauskommt.
Ich darf es noch einmal sagen: Die größten Impulse der Kirchengeschichte wurden nicht aus menschlicher Anstrengung vollbracht, sondern aus der Gnade Jesu in schwachen Menschen.
Dazu sind Sie berufen. Ich möchte Sie bitten: Leben Sie diese Versöhnung und diese Rechtfertigung jetzt in Ihrer Familie, in Ihren Berufsschwierigkeiten, draußen in der Welt.
Praktizieren Sie das! Dort werden Sie in die Buße und in die Vergebung hineingetrieben. Dort wird es kontinuierlich weitergehen, von Sonntag zu Sonntag, durch die ganze Woche hindurch, Tag und Nacht.
Das Christenleben ist eine große Einheit, aber seine Mitte hat es im gekreuzigten Jesus, der für unsere Schuld starb.
Abschlusslied und Gebet
Wir singen so gern mit unseren jungen Leuten das Lied: Alles hat er mir erlassen, alles, kaum kann ich es fassen. Alle meine Schuld und Sünde trug er dort für mich auf Golgatha.
Immer will er mit mir gehen, immer mir zur Seite stehen, immer mich in Händen halten, bis ich dort bei ihm am Ziele bin.
Darum will ich treu ihm bleiben, darum mich nur ihm verschreiben, darum alle Sünde hassen und für ihn nur leben ganz allein. Amen!
Und beten!
Herr, wir bringen dir jetzt all unsere Belastungen und Verkrampfungen, die ganze Not auch unseres christlichen Lebens. Oft tun wir so, als ob wir mit dir in Ordnung wären, doch unter der Oberfläche ist so viel Not, so viel Halbheit, so viel Lauheit, so viel Ungehorsam, so viele schädliche Kompromisse mit der Sünde.
Wir danken dir, dass wir jetzt bei dir ganz frei werden können, weil wir alles unter dein Kreuz niederlegen dürfen und du uns ganz gerecht machst. Wir werden neue Menschen durch deine Vergebung und durch deine Gnade.
Wo du uns frei machst, da ist alles gut geworden. Dann sendest du uns wieder hinein in die Aufgaben der Welt. Wir brauchen nicht mehr jenes halbe Christenleben zu leben, sondern dürfen es in der ganzen Nachfolge, im ganzen Gehorsam auf dein Wort hin wagen.
Wir dürfen dir ganz glauben und es dir zutrauen, dass es ein reiches und gesegnetes Leben wird, wenn wir nichts von deinen Befehlen abstreichen. Und wenn wir es auch in unserer Umwelt wagen, von dir weiterzusagen, was du uns geschenkt hast und wie du uns herausreißt aus der Angst, aus der Not, aus der Dunkelheit, aus der Traurigkeit.
Du gibst unserem Leben Würde, Sinn, Freude und Hoffnung. Herr, gebrauche uns so auch zum Zeugnis für viele. Wir wollen dich bitten, dass dein Wort des Evangeliums auch in unserer Kirche und in unserer Christenheit wieder von den Menschen gehört wird.
Wir bitten dich für all die Mission, wo sie geschieht – durch Hauptamtliche oder durch deine treuen Zeugen im Alltag, in allen Ländern. Auch in den Ländern der atheistischen Ideologie und in den Ländern der feindlichen Religionen, die dein Evangelium bekämpfen.
Herr, du kannst deinem Wort Durchschlagskraft geben, weil es durchbricht, Menschen erreicht in ihrer großen Not und ihnen Frieden schenkt.
Herr, lass uns das auch so weitersagen, damit unsere Freunde und die Menschen, die uns anvertraut sind in der Familie, sich ganz dir zu eigen geben und deine Nachfolger werden.
Lasst uns gemeinsam beten:
Vater unser im Himmel,
geheiligt werde dein Name,
dein Reich komme,
dein Wille geschehe, wie im Himmel so auf Erden.
Unser tägliches Brot gib uns heute,
und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unseren Schuldigern.
Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen.
Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Geht unter dem Segen des Herrn:
Herr segne uns und behüte uns,
Herr lasse dein Angesicht leuchten über uns und sei uns gnädig,
Herr erhebe dein Angesicht auf uns und gib uns deinen Frieden.
