Einführung in die Verantwortung der Ältesten
Und dann schlagen Sie bitte 1. Petrus 5,1-4 im Neuen Testament auf, Seite 232 in den ausgelegten Bibeln. Ist da irgendein Dampfkessel los oder was?
Die Ältesten unter euch ermahne ich als Mitältester und Zeuge der Leiden Christi, der ich auch an der Herrlichkeit teilhabe, die offenbart werden soll: Weidet die Herde Gottes, die euch anvertraut ist.
Achtet auf sie nicht gezwungen, sondern freiwillig, wie es Gott gefällt; nicht aus Gewinnsucht, sondern von Herzensgrund. Nicht als Herrscher über die Gemeinden, sondern als Vorbilder der Herde.
Dann werdet ihr, wenn der Erzhirte erscheint, die unvergängliche Krone der Herrlichkeit empfangen.
Herr, stell uns dieses Hirtenamt so deutlich vor Augen. Amen.
Das moderne Verständnis von Führung und Verantwortung
Es gibt ganz verschiedene Arten von Fremdwörtern: lateinische, griechische und heute vor allem amerikanische, wie man so sagt. Ein Wort, das heutzutage häufig gebraucht wird, ist „Management“.
Das sind Leute, die ganz oben in der Verantwortung stehen. Wenn sie Erfolg haben, bekommen sie ein sehr hohes Gehalt. Läuft es im Betrieb nicht gut, werden sie von heute auf morgen entlassen und erhalten nichts mehr. Das ist die Tücke dieses Berufs.
Karriere ist das Wichtigste. Man muss ganz oben sein und trägt eine große Verantwortung. Wer mitmischen will, muss sich wirklich anstrengen und kämpfen, um an die Spitze zu gelangen.
Das Wort „Management“ ist neu für unsere Zeit, aber die Sache selbst ist sehr alt. Schon bei den Jüngern Jesu sehen wir, dass sie von ähnlichen Fragen bewegt waren, wenn es um ihre Arbeit im Reich Gottes ging.
Sie kamen zu Jesus und sagten: „Wir interessieren uns dafür und sind bereit, hohe Verantwortung zu tragen.“ Dabei wollten sie nicht abgewertet werden.
Ich habe immer wieder die Sorge, dass wir das vorschnell kritisieren. Es gibt ja auch viele Menschen, die keine Verantwortung übernehmen wollen und sich sogar noch darauf etwas einbilden, weil sie meinen, sehr fromm zu sein.
Die Haltung der Jünger und Jesu Antwort
Es war gut, dass die Jünger sagten: „Wir wollen für dich etwas Großes in der Welt bewirken.“ Was sollte daran schlecht sein?
Sie baten: „Gib uns einen Platz gleich neben dir am Schreibtisch in der Herrlichkeit, damit wir wirken können. Es gibt so viele Aufgaben in der Welt, packen wir sie an! Es gibt so viel Ungerechtigkeit, so viel Böses, so viel Leid, so viele Kranke, so viele Arme – da muss man doch handeln!“
Das Engagement der Jünger ist nur zu begrüßen. Warum hat Jesus sie dann so hart zurückgewiesen?
Nicht, dass sie dienen wollen, kritisierte er an ihnen, sondern wie sie es tun. Es ist nicht schlimm, dass wir uns gegen das Unrecht in der Welt stellen, sondern wie wir dies tun.
Jesus hat für seine Mitarbeiter eine einfache und verständliche Anweisung gegeben, wie dieser Dienst zu tun ist: Als Hirten.
Die Verantwortung jedes Christen als Hirte
Jeder Christ, der zum Glauben gekommen ist und eine Verbindung mit Jesus Christus hat, ist in die Verantwortung gerufen. Jesus spricht niemals von einer Verantwortung, die uns erdrückt. Er spricht auch nicht von einer weltumspannenden Verantwortung, die man gar nicht wahrnehmen kann.
Jesus hat seine Jünger stets in eine Beziehung zu seiner Herde gestellt – das ist seine Gemeinde. Es rächt sich bitter, wenn wir diese Grundordnung des Reiches Gottes nicht mehr beherzigen oder nicht mehr verstehen.
Ich weiß nicht, wie viele von Ihnen heute hier in dieser Kirche keine lebendige Verbindung zu einer Gemeinde Gottes haben. Es kann sein, dass diese Gemeinde abgestorben ist. Dafür mögen viele schuldhafte Ursachen vorliegen. Doch in diesem Fall hätten Sie etwas vom Schönsten und Größten verloren, wenn Sie jetzt nur Predigten hören würden, sich aber nicht in die Verantwortung einverleiben lassen, in die Jesus Sie stellt.
Diese Verantwortung besteht darin, dass Sie als Hirte an der Gemeinde Jesu mittragen. Es geht um Menschen, die Jesus gehören, und zu denen Sie dazugehören – sei es in einem Hauskreis, in einer Gemeinschaft oder in einer Kirchengemeinde. Dort wird die Verantwortung für die Herde wahrgenommen, die seelsorgerliche Aufgabe, die Jesus uns hier stellt.
In der Gemeinde Gottes gibt es keine Wanderartisten, die hier und da mal einen Vertrag unterschreiben. Es gibt auch keine freischaffenden Künstler, die sagen: „Ich bin mit meinem Herrn schon einig“, ohne von Anfang an fest mit der Gemeinde verbunden zu sein. Diese Verbindung ist in einem Amt verankert, das niemand von sich wegweisen kann.
Ein Wort für angeschlagene Mitarbeiter
Zuerst möchte ich ein Wort an die angeschlagenen Mitarbeiter richten. Ich möchte den Text ein wenig ordnen, damit wir ihn besser behalten und unsere Gedanken klarer fassen können. Über diesen Abschnitt gäbe es viel zu sagen, doch ich will mich beschränken und zunächst für die angeschlagenen Mitarbeiter sprechen.
Auch jetzt unter uns gibt es viele, die in ihrem Dienst müde geworden sind. Bei uns Pfarrern ist das nicht anders als in all den anderen Diensten in der Gemeinde. Man startet mit großen Hoffnungen und hat hohe Erwartungen daran, was man alles tun will. Doch dann werden einem die Flügel gestutzt, und man ist traurig über sich selbst. Allmählich schraubt man die Erwartungen zurück und wird bitter.
Ich habe große Sorge um unsere Kirche. Heute spricht man von vielen Aufgaben. Wenn man genau hinhört, hört man, was eine Gemeinde der Christen heute alles leisten soll. Sie muss das wegweisende Wort in allen politischen Konflikten haben. Sie muss das Wort zum Frieden sprechen, obwohl es oft in ihrer eigenen Mitte kriselt. Sie soll die sozialen und wirtschaftlichen Nöte heilen.
Doch Jesus hat uns das Hirtenamt als wichtig gegeben. Ich freue mich, wenn Sie auch die anderen Nöte bewältigen können. Aber fangen Sie beim Hirtenamt an und konzentrieren Sie sich darauf, Verantwortung für Menschen in der Gemeinde zu tragen.
Seit zehn Jahren ringen wir in unseren Gottesdiensten darum, dass ich sage: Wenn Sie hinausgehen, reden Sie mit dem, der neben Ihnen sitzt. Sprechen Sie ein paar nette, menschliche Worte. Vielleicht schöpft der andere Vertrauen. Es gibt viele Menschen, die heute, vielleicht zum ersten Mal oder nach Jahren wieder, in eine Kirche kommen. Sie warten darauf, dass jemand ihre Sorgen teilt und ihnen zuhört. In dieser tiefen Vertrautheit, wo man weiß, dass der andere mit niemandem darüber spricht, dass es ins Grab gesprochen ist, was man ihm sagt – das ist das Hirtenamt.
Wie oft haben Sie nach einem Hirten gesucht und gedacht: „Ich habe immer gewartet, dass jemand auf mich zukommt.“ So hat mir gestern ein Vater gesagt, den ich besucht habe: „Jetzt wohne ich vier Jahre in der Gemeinde, ich habe gewartet, dass sie mal kommen, aber sie kamen nicht.“ Die Erwartung an uns ist noch so groß – und am Hirtenamt versagen wir.
Das Bild des Hirten als Vorbild und Autorität
Es ist ein wunderbares Bild: das Bild vom Hirten. Dieses Bild ist uns seit den frühesten Kindertagen lieb geworden. Sicher hat man es uns schon damals erzählt, als wir Jesus am liebsten so verstanden haben, wie er als Hirte ist. Die Eigenschaften, die auf Jesus selbst zutreffen, sollen uns in unserem Dienst prägen und bestimmen.
Jesus denkt so groß von unserer Mitarbeit in seiner Gemeinde, in seinem Volk, dass er diese wunderbare Aufgabe zum Vorbild für uns macht. Ich will jetzt nicht alle Aspekte dieses Hirtenbildes herausgreifen, sondern mich nur auf einen Punkt beschränken.
Wenn uns Jesus das Hirtenamt wichtig macht, dann bedeutet das, dass wir Autorität ausüben müssen. Ich will dieses bewusst anstößige Wort heute wieder verwenden, weil es bis hinein in unsere Gemeinden umstritten ist. Ich habe genügend Mitarbeiter erlebt, sogar Hauptamtliche, die sagen: „Ich will gar keinen Einfluss nehmen.“
Vor Jahren habe ich mit Jugendreferenten gesprochen, die sagten: „Ich sitze nur da mit den jungen Leuten und warte darauf, bis sie mich fragen.“ Wer junge Leute ein wenig kennt und die Schlagfertigkeit der Jugend erlebt hat, weiß, wie sie das dann auf eine wunderbare Weise missbrauchen, über die man sich amüsieren kann.
Ein Hirte muss wissen, wohin er die Herde treibt. Natürlich kann es sein, dass wir selbst noch viele Fragen haben. Aber ich kann nur Hirte sein, Mitarbeiter, wenn ich die erste und wichtigste Entdeckung gemacht habe: Wo es Weide gibt, wo man satt wird. Wenn ich die erste Beziehung im Glauben zu Jesus Christus aufgenommen habe.
Darum ermahnt Petrus die Mitarbeiter damals in den ersten Gemeinden. Schon dieses Wort deutet darauf hin, dass das kein schüchterner Dienst ist. Daran fehlt es heute ganz arg in unseren Gemeinden. Wo sind noch solche Persönlichkeiten, die sich ein mahnendes Wort erlauben?
Man erwartet ja auch von unseren Predigten, dass sie nur noch irgendwie ein Gefühl geben, eine Stimmung widerspiegeln. Nein, Ermahnung! Das muss ein deutliches, klares und richtungsgebendes Wort sein. Ein Wort, das scheidet, das trennt und Falsches aufzeigt.
Kein Missverständnis darf hier sein: Es geht nicht darum, jemanden zu pressen, ihm die Freiheit zu rauben oder Gewalt anzuwenden. Darum geht es nicht. Es geht um die Gewalt des Wortes – mit dem Wort ermahnen.
Die Bedeutung der Ermahnung in der Gemeinde
Einige unserer jungen Leute waren erst vor kurzem zu einem stillen Wochenende beieinander. Dort haben sie nur darüber nachgedacht, was das Wort „ermahnen“ bedeutet. „Ermahnt euch untereinander!“
Ich habe ja gerade vom anderen eine große Meinung. Darum lasse ich ihn nicht absinken in irgendwelche Tiefen, und ich lasse ihn nicht abirren. Wenn wir das Bild vom Hirten gebrauchen, dann wissen wir, dass das eine autoritäre Figur ist. Gott sei Dank hat ein Hirte einen Hund, damit er die Herde zusammenhält. Sonst wäre schon manches Schaf irgendwo fehlgelaufen und hätte sich verirrt.
Wir tragen Verantwortung für viele. Jetzt kommen bei Ihnen doch auch Gedanken auf. Manchmal denke ich, dass unser Herr so schenkt, dass wir sagen: „Du, jetzt hätte ich doch einen Brief schreiben sollen.“ Ich habe schon länger nicht mehr nach dem geschaut. Da war doch auch einmal einer dabei bei uns. Wo ist der jetzt geblieben?
Wir denken an unsere jungen Konfirmanten und fragen uns, wo sie heute stehen mögen. Als sie einmal eingesegnet wurden, da waren wir sicher. Wir haben sie schon oft besucht. Sollten wir nicht noch einmal nachgehen in Liebe und Güte und doch mit dem mahnenden Wort, das Leben nicht zu vergeuden?
Paulus spricht diese Ermahnung aus: „Ich ermahne euch als Mitältester.“ Er stellt sich mit ihnen hinein, als einer, der am gleichen Amt teilhat. In der Bibel ist nichts von einem angeblichen Petrusanspruch zu finden, der heute so oft in Verbindung mit dem Papstamt ausgesprochen wird. Er will der Mitbruder unter den Mitarbeitern sein.
Er erinnert an die Leiden Christi und sagt: „Ich war doch der Zeuge der Leiden Christi.“ Wenn er dieses Wort ausspricht, dann erinnert er sich auch an die dunklen Geschehnisse jener Nacht in der Passion Jesu. Dort hat er selbst nicht blamabel, das ist nicht blamabel, das ist noch viel schlimmer, das ist erschütternd, die eigene Unzuverlässigkeit erfahren.
Er hat ja auch immer gemeint, als ob er für Jesus ein belastbarer und tauglicher Mitarbeiter wäre. Das gibt es bei uns auch, dass wir denken: „Ich bin da schon geeignet, und ich kann zur Ehre des Herrn leben.“ Darum hält Petrus die Ermahnung für so wichtig, weil er doch selber versagt hat in dieser Passionsnacht.
„Ich ermahne euch als Zeuge der Leiden Christi.“ Damals, als er hinausging in jener Nacht und über seine eigene Untreue weinte, da kam Jesus selbst nach der Auferstehung auf ihn zu und sagte: „Hast du mich lieb?“
Das ist die Voraussetzung für Mitarbeiter: „Dann weide meine Lämmer, weide meine Schafe.“
Möchte das den angeschlagenen Mitarbeitern sagen: Es gibt viele Gründe, die uns zu angeschlagenen Mitarbeitern machen, zu Untreuen. Ich bin oft sehr betrübt über das Viele, was ich nicht tue, was ich versäume.
„Hast du mich lieb?“, sagt Jesus. „Dann weide meine Schafe.“ Damit stellt er uns neu in die Verantwortung hinein – der Zeuge der Leiden Christi.
Das Hirtenamt als Dienst und nicht als Management
Er erinnert uns daran, dass dieser Dienst nur dann richtig ausgeübt werden kann, wenn er vor dem Bild des gekreuzigten Jesus geschieht. Was wir als Hirten tun, ist kein Amt des Managements. Selbst wenn Brüder und Schwestern kirchenleitende Funktionen übernehmen, bleibt es immer ein Hirtenamt, kein Managementamt – und das gilt bis in die größte Verantwortung hinein.
Sorgt dafür, dass die Kraft der Erlösung Jesu jetzt bei den Menschen sichtbar wird. Was ist diese Kraft der Erlösung, das Zeugnis der Leiden Christi? Es ist, dass seine Vergebung in unserem Leben wirksam wird. Dass wir aus den Bindungen der Sünde heraustreten, dass wir uns von unguten Dingen lösen, die uns prägen.
Darum ermahnen wir die Schwestern und Brüder um uns herum und fragen: Stehst du noch in der ersten Liebe? Kannst du noch ungebrochen mit deinem ganzen Leben dem Herrn dienen? Steht nichts zwischen ihm und dir?
Dann sollte dieser Hirtendienst nicht nur im gemeinsamen Gebet münden, sondern auch in der Beichte und im Zuspruch der Vergebung. Dazu hat Jesus ihnen als Hirten über andere Vollmacht gegeben.
Ich weiß, dass dieses Seelsorgeamt von manchen hier wahrgenommen wird. Sie tun diesen Dienst hin und her in der Gemeinde Jesu und wissen, wie sehr viele Menschen darunter leiden, dass kein Priester da ist. Ja, der Priester, der sie sein dürfen – nicht der am schwarzen Talar, sondern der Priester im Namen Jesu, der Sünden vergibt und gerecht spricht, der in ihm als Zeuge der Leiden dient.
Darum ermahnt Petrus diese Christen so eindringlich, dieses Amt wahrzunehmen.
Gefahren und Herausforderungen im Hirtenamt
Den zweiten Gedanken, den ich ansprechen möchte – das erste war mir wichtig – ist, dass dieses Wort ein Wort für angeschlagene Mitarbeiter ist. Dieses Bild oder dieses Amt ist von Jesus geprägt. Mir gefällt das Wort Pastor viel mehr als das Wort Pfarrherr.
Das Wort Pastor ist bei uns nicht gebräuchlich, aber es ist ein lateinisches Wort und möchte zeigen, dass auch unser Amt nur ein Hirtenamt sein soll. Es soll eben nicht so sein, dass Pfarrherrliche über andere herrschen, was sich leicht einschleicht durch die Struktur unserer Pfarrämter.
Aber das ist sicher nicht die einzige Gefahr am Pfarramt. Es ist gut, wenn man bei sich selbst anfängt und erkennt, wie leicht man beginnt, andere zu beherrschen. Petrus erinnert daran, dass dieses Hirtenamt am meisten leidet. Er nennt drei Gründe dafür.
Der erste Grund ist die Herrschsucht der Amtsinhaber. Wenn das schon in der urchristlichen Zeit so war, vermute ich, dass es heute kaum weniger geworden ist, dass Menschen in einem geistlichen Amt herrschsüchtig regieren.
Der zweite Grund, den er nennt, ist die Selbstsucht – dass sie es um des Gewinns willen tun. Es kann auch sein, dass es um eines Lustgewinns willen geschieht.
Der dritte Grund ist der Zwang. Das sind alles drei ganz konkrete und aktuelle Gefahren, die wir gegenwärtig wahrscheinlich an uns selbst immer wieder erfahren und erleben können.
Wir haben das vorher auch gehört in dem Wort des Propheten Hesekiel, der im Namen Gottes spricht: „Weh den Hirten, die sich selbst weiden“, die nur darauf achten, wie sie selbst zur Befriedigung kommen. Das spielt ja zuweilen auch eine große Rolle bei der Berufung in ein Amt.
Das fängt schon bei der Besetzung von Mitarbeiterposten in unserer Jugend an. Da ist ja keiner davon frei. Wer das nicht sieht, hat die Gefahr noch gar nicht erkannt und steckt wahrscheinlich selbst tief darin.
Erst derjenige, der sie wach sieht und sagt: „Damit kämpfe ich“, kann überhaupt den Weg finden, wie er davon frei wird. Und darum wird die Gemeinde Jesus so sehr irregeführt von vielen, die nur sich selbst suchen.
Dabei ist dies ein Dienst, und nun wage ich es kaum, ihn in den Linien auszuziehen – so wie Jesus sein Leben gegeben hat für seine Gemeinde. Er hat das bewusst im Blick auf seinen Opfertod ausgesprochen, auch dort im großen Hirtenkapitel Johannes 10.
Wenn Sie einen anderen Abschnitt lesen wollen, dann müssen Sie Apostelgeschichte 20 aufschlagen, wo Paulus sich von den Ältesten in Milet verabschiedet. Dort erinnert er im Vers 28 an das Hirtenamt und sagt, dass er sogar nachts nicht geschlafen hat, weil er so gerungen und gekämpft hat um sie.
Wir machen uns oft eine falsche Vorstellung von den urchristlichen Gemeinden. Dabei waren doch dieselben Nöte da wie bei uns: Schläfrigkeit, Müdigkeit, Lüge, Falschheit, Sünde. Aber es gab Seelsorger, die mit den Christen gerungen haben, die sie nicht losgelassen haben und die ihnen nachgegangen sind. Dann saßen sie zusammen und rangen darum, was recht ist.
Wir sind es auch den jungen Menschen schuldig, sie mit – wenn es sein muss – Tränen zu ermahnen und klar zu sagen, dass wir nicht einwilligen können, wenn sie meinen, unsere Zeit hätte einen neuen Lebensstil. Denn dann trennen sie sich von Jesus.
Das wissen unsere jungen Leute oft gar nicht. Wir sind dann ganz fertig, wenn wir zum Schluss sagen müssen: „Dann kannst du nicht mehr Mitarbeiter bei uns sein.“ Andere mögen später fragen, warum wir uns so leicht getrennt haben.
Das macht uns körperlich bis in die Gesundheit krank, weil wir Verantwortung tragen für die, die aus dem Gehorsam Jesu ausbrechen wollen und aus seinen klaren Ordnungen. Gerade heute, in den konkreten Notstellen unserer Zeit, fordert Jesus von seiner Gemeinde Eindeutigkeit – auch zum Zeugnis vor der Welt, gerade dort, wo es um Wahrheit, Liebe und Gerechtigkeit geht.
Wir sprechen das immer im Blick auf unser eigenes sündiges Herz, wo wir vor Augen haben, wie wir selbst fehlen. Wir wollen frei werden von dem, was uns dabei Befriedigung schafft, und stattdessen dem dienen, was der Herr will.
Das mit der Herzsucht – das will ich nur all den ehrenamtlichen Mitarbeitern zum Danke sagen. Auch mit der Selbstsucht – das ist oft ein besonderer Segen, der auf den ehrenamtlichen Diensten liegt. Ich will sie nicht abwerten gegenüber den anderen und niemandem wehtun. Ich darf das selbst sagen, als einer, der Profi ist und sein Gehalt dafür bezieht.
Aber es ist merkwürdig, dass der Herr besonders segnet, wo jemand frei von jedem Blick auf Gewinn dient. Ich weiß, wie viele Gruppen auch in unserer Gemeinde darüber wachen und achten, dass das nicht einreißt, dass man nur etwas tut, wenn man dafür bezahlt wird.
Und dann nicht aus Zwang. Der Zwang zerstört. Niemand soll zur Mitarbeit genötigt werden. Ich hoffe, dass Sie diesen Grundsatz auch bei uns entdeckt haben. Ich habe noch niemanden genötigt, in der Kinderkirche zu sein oder im Chor mitzusingen.
Das ist Ihre freie Entscheidung. Niemand wird aus Zwang gehalten. Denn damit wird die Freude an der Mitarbeit zerstört. Das muss freiwillig sein, von Herzen. Das sagt Paulus aus Herzensgrund.
Bei uns ist dieses Wort „von Herzen“ ein wenig in Verruf geraten, weil es so oft unüberlegt gebraucht wird. Aber es meint ja Petrus, dass es aus der Tiefe unseres Innersten aufrichtig gesucht wird – wo man den anderen liebt, um seines Willens, weil man ihn retten will.
Das Vorbild sein und die persönliche Prägung
Wenn ich Sie einlade, heute Mittag noch einmal mitzugehen, dann geht es darum, dass wir dort unten in den Parkanlagen versuchen, ungläubige Menschen unserer Zeit einzuladen. Aus Herzensgrund sollen wir im Mittragen hinausgehen, um Herde Christi zu weiden und versprengte sowie verlorene Schafe heimzuholen – zur Gemeinde, zum Volk Gottes.
Petrus macht den Vorschlag, dass wir Vorbilder der Herde werden sollten. Auch das mit dem Vorbild hat Gefahren in sich, wie wir schon oft besprochen haben. Ich nehme hier das griechische Wort: Werdet Typen der Herde, werdet typische Hirten. Bezieht euch in eurem Amt auf Jesus, so wie er euch entgegengekommen ist, und lasst diese Liebe weitersprechen!
An dieser Stelle möchte ich nur ein Erlebnis erzählen, das mein Leben lang mit mir geht. Ich bin im Stuttgarter Westen aufgewachsen, in der größten Kinderkirche, die es damals in unserer württembergischen Landeskirche gab. Sie stand unter der Leitung des Stadtmissionars Fritz Vogelgesang, der heute im Alter im Stuttgarter Westen lebt. Hunderte von Kindern kamen sonntags in den Saal der Feuerversicherung am Feuersee.
Ich habe diesen Mann erst richtig erlebt, warum diese Kinderkirche so viele Kinder hatte, als ich monatelang als Neunjähriger mit einem komplizierten Fußbruch im Bett lag. Er hat mich besucht. Da saß er an meinem Bett. Er hat nicht viel von Alltäglichkeiten geredet, sondern mir zwei Geschichten erzählt, die ich beide noch genau weiß – es waren Jesusgeschichten. Danach hat er mit mir gebetet.
Heute frage ich mich oft, ob mein ganzer geistlicher Lebensweg nicht entscheidend von diesem Stadtmissionar im Stuttgarter Westen geprägt ist. Er hat schon an Kindern Seelsorge betrieben, war Hirte, weil er wusste, wo das geistliche Leben beginnt. Das Hirtenamt nimmt Maß an Jesus und orientiert sich an ihm.
Der Lohn im Dienst und die Verheißung der Krone
Und noch ein drittes: Wir werden beschenkt.
Es gibt Stimmen in der Gemeinde, die sagen, dass die Vorstellung vom Lohn falsch ist. Diese Ansichten sind oft geprägt von der kantischen Pflichtethik und behaupten, es sei unmoralisch, im Dienst für Jesus auf einen Lohn zu hoffen.
Erlauben Sie mir einen spitzigen Satz: Es ist unglaubwürdig, wenn diese Kritik gerade von denen kommt, die selbst ein Gehalt dafür beziehen. Jesus hat sich nicht gescheut, sehr klar vom Lohn zu sprechen.
Sie sollen wissen, dass kein Dienst für Jesus getan wird, den er nicht vielfach vergelten wird. Schieben Sie die Vorstellung vom Lohn also nicht so leicht beiseite! Wir sind alle sehr berechnende Menschen. Jesus will uns nur anspornen und sagen: Wenn du deine Lebenskraft in Bleibendes und Wichtiges investieren willst – wir waren ja ganz am Anfang der Predigt beim Auftrag der Gemeinde – dann sagt Jesus: Wenn du dein Leben mit ewigen Gütern füllen willst, arbeite mit an dem heiligen Auftrag meiner Herde, meiner Gemeinde, und kümmere dich um diese Gemeinde.
Das muss in unserer Zeit neu entdeckt und neu gewonnen werden: Wie wir hier einen Auftrag haben an dem Volk Gottes. Ob sie nun mitarbeiten in einem Hauskreis, an einer Kinderstunde teilnehmen, in einem Mitarbeiterkreis mitwirken oder Mitverantwortung beim missionarischen Einsatz tragen – wo auch immer das geschieht. Sie werden eine unvergängliche Krone empfangen.
Uns kommt das oft fremd vor: „Ich will doch keine Kronen haben.“ Doch Jesus spricht im Blick auf sein Gericht davon, dass vieles, was wir heute schaffen, vergeblich sein wird und Gottes Nein fallen kann. Das muss man vor dem Hintergrund hören, dass Jesus auch die „Böcke“ auf die Seite stellt und sagt: „Du gehörst mir nicht“ (vgl. Matthäus 25,31-46).
Darum ist die entscheidende Frage, ob ich Lob und Anerkennung von Jesus für meinen Dienst bekomme – sei es für die Jugendgruppe, für meinen Besuch oder für mein Nachgehen. Dieser Dienst wird von Jesus so wichtig genommen, dass er noch in der Ewigkeit Bedeutung hat. Das kann man sich nicht erarbeiten; es steht nicht geschrieben, dass wir die Krone selbst produzieren.
Die Krone ist ein Gnadengeschenk, das uns unverdient zuteilwird. Aber es ist doch ein Gnadengeschenk, das der Herr Jesus an seinem Tag über unser Leben legen will, um zu sagen: „Nicht vergeblich gelebt. Es hat sich gelohnt, du frommer und getreuer Knecht.“
Der Herr will uns noch viel treuer machen in diesem Hirtendienst – auch in den kleinen Dingen. Amen.