Einführung: Überraschung durch Liebe und das doppelte Anliegen Jesu
Guten Abend, meine Lieben. Funktioniert das? Hört ihr mich alle? Ja, sehr gut. Ich habe noch ein paar Reste vom Radieschenfieber, die sind hier herumgeflogen, aber das ist okay. Gott hat mich trotzdem lieb, hat er gesagt.
Das passt eigentlich sehr gut zu dem, was ich heute sagen möchte, denn das Thema ist – unbeabsichtigt – „Überrascht von Liebe“. Der Text, den ich für heute Abend bekommen habe, ist genau derselbe wie vor zwei Jahren. Damals habe ich gedacht: Wie kann ich dasselbe nochmal predigen? Also habe ich versucht, etwas Neues zu erfinden. Aber eigentlich muss ich das gar nicht erfinden, denn die Geschichte ist ja schon da.
Es ist die Geschichte, in der Jesus Petrus dreimal fragt: „Hast du mich lieb?“ Nachdem Petrus Jesus dreimal verraten hatte, fragt Jesus ihn dreimal: „Hast du mich lieb?“ Und Petrus antwortet dreimal: „Du weißt, Herr, dass ich dich lieb habe.“ Und jedes Mal sagt Jesus dasselbe: „Weide meine Lämmer“, „Weide meine Lämmer“, also: Tu, was ich dir sage.
In diesen zwei Dingen – „Du weißt, ich habe dich lieb“ und dann „Tu, was ich sage, weide meine Lämmer“ – sehe ich für mich einen Gegensatz. Ich als Christ bin einerseits aufgerufen, Gott zu lieben, und andererseits aufgerufen, das zu tun, was er sagt, also gehorsam zu sein. Diesen Zusammenhang findet man eigentlich überall in der Bibel.
Liebe und Gehorsam als untrennbare Einheit
Ich lese euch nur ein paar Verse vor, in denen ganz klar zum Vorschein kommt, wie es im ersten Johannesbrief dargestellt wird. Zum Beispiel in Kapitel 2, die Verse 3 bis 6. Dort heißt es: Hieran erkennen wir, dass wir ihn erkannt haben, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt, ich habe ihn erkannt, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner. Wer aber sein Wort hält, in dem ist wahrhaftig die Liebe Gottes. Hieran erkennen wir, dass wir in ihm sind. Wer sagt, dass er in Jesus bleibt, ist schuldig, selbst zu wandeln, wie er gewandelt ist.
Dann lesen wir im ersten Johannesbrief, Kapitel 5, die Verse 2 und 3: Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten.
Und Jesus sagt einmal in Johannes 14, Vers 15: Wenn ihr mich liebt, so werdet ihr meine Gebote halten. Zu Petrus sagte er: Liebst du mich? Ja, du weißt es. Dann halte meine Gebote. Beides gehört zusammen. Das eine geht nicht ohne das andere.
Ich muss ehrlich sagen, dass ich das lange nicht auf die Reihe gebracht habe. Einerseits soll ich mit Gott leben und ihn lieben. Das ist für mich positiv. Das klingt für mich nach Miteinander, nach Freundschaft, nach Gemeinschaft. Freundschaften sind für mich sehr positiv. Ich habe einen besten Freund, ich habe eine ganz liebe Frau, wir haben eine gute Gemeinschaft. All diese Beziehungen sind für mich positiv belegt, auch mit meinen Kindern und Eltern. Gute Beziehungen sind für mich nicht einengend, sondern sie geben mir Freiheit.
Natürlich gibt es auch negative Beziehungen, aber das ist ein anderes Kapitel. Diese sind zerstörend.
Andererseits sagt Jesus, dass es nicht genügt, nur mit ihm zu leben und ihn zu lieben. Du musst auch seine Gebote halten. Das klingt für mich eher nach einem Dienstverhältnis, nach Gesetz. Ich muss immer etwas tun, damit Gott mit mir zufrieden ist.
Da ich ein sehr freiheitsliebender Mensch bin, habe ich immer Probleme mit Geboten und Gesetzen, egal ob sie sinnvoll sind oder nicht. Sie sind für mich meistens einengend.
So war für mich dieses In-Beziehung-Leben einerseits und das Gebote-Halten andererseits immer ein Widerspruch.
Die Zehn Gebote als Beziehungsregeln
Ich habe vor kurzem, eigentlich letztes Jahr, wieder einmal die zehn Gebote neu studiert. Es sind ja im Grunde zehn Gebote, zehn Regeln: Halte dich daran, dann bist du okay; wenn nicht, dann bist du nicht okay. Im 2. Mose 20 kannst du sie nachlesen, und eigentlich sollte jeder sie mehr oder weniger kennen.
Die ersten vier Gebote beziehen sich auf unsere Beziehung zu Gott, die nächsten sechs auf unsere Beziehung zu den Mitmenschen. Dabei habe ich etwas Neues entdeckt: Mir ist noch nie so bewusst geworden, dass jedes Gebot nur um Beziehung geht. Ich möchte das zeigen, denn das hat mich wirklich begeistert.
Erstes Gebot: Ich weiß nicht, ob ihr das kennt. Ich bin Gott, der Herr, dein Gott. Du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Warum sagt Gott das? Weil, wenn wir jemanden anderen anbeten außer dem wahren Gott, der uns das Leben gegeben hat, dann zerstören wir die Beziehung zu unserem Schöpfer, der uns gemacht hat. Als unser Schöpfer hat er uns geschaffen. Wenn ich mich von ihm trenne, der mein Leben ist, dann trenne ich mich vom Leben.
Ich verwende jetzt einen Vergleich mit der Ehe, was legitim ist, denn Jesus Christus bezeichnet sich als Bräutigam und die Gemeinde als Braut. Es ist so: Ich habe meine Frau Hannelore seit 25 Jahren. Wenn ich sie verlasse und eine andere anbetete, dann zerbreche ich die Beziehung zu meiner Frau. Darum sagt Gott: Ich bin der Herr, dein Gott, du sollst keine anderen Götter neben mir haben. Das ist nicht einengend, sondern fördert die Beziehung – wie wenn meine Frau sagt: Ich bin deine Frau, du sollst keine anderen Frauen neben mir haben. Manche sagen vielleicht, das sei eng. Nein, es ist die einzige Möglichkeit, wie ich mit ihr in Beziehung bleiben kann.
Zweites Gebot: Du sollst dir kein Gottesbild machen, keine Darstellung in irgendetwas im Himmel, auf der Erde oder unter der Erde. Warum sollen wir uns kein Gottesbild machen? Weil, wenn wir anfangen, die Schöpfung anstelle des Schöpfers anzubeten, zerstören wir ebenfalls die Beziehung zum Schöpfer. Es ist so: Wenn ich morgen nach Hause fahre und meiner Frau, weil ich sie liebe, einen schönen Blumenstrauß mitbringe, um ihr meine Liebe zu zeigen, und sie nimmt den Strauß, trinkt Kaffee mit den Blumen und geht mit ihnen ins Bett, dann hätte ich ein Problem. Denn ich will mit ihr Kaffee trinken, ich will mit ihr ins Bett gehen – nicht mit dem Blumenstrauß. Darum sagt Gott: Wenn ihr die Beziehung behalten wollt, macht kein Götterbild, sondern bleibt bei mir, bei Gott. Das ist eigentlich ganz logisch.
Drittes Gebot: Du sollst den Namen des Herrn, deines Gottes, nicht missbrauchen. Denn der Herr wird den nicht ungestraft lassen, der seinen Namen missbraucht. Warum? Wenn ich den Namen Gottes missbrauche, verletze ich damit die Beziehung zu ihm. Es ist so, als würde ich den Namen meiner Frau Hannelore als Schimpf- oder Fluchwort benutzen. Das fördert unsere Beziehung nicht, sondern verletzt ihre Gefühle. Auch das dritte Gebot zielt darauf ab, die Beziehung zwischen Gott und Mensch zu bewahren.
Viertes Gebot: Gedenke des Sabbats, des Feiertags, und halte ihn heilig. Denn in sechs Tagen hat der Herr Himmel, Erde und Meer gemacht und alles, was dazugehört; am siebten Tag ruhte er. Warum sollten wir einmal die Woche innehalten? Weil, wenn wir uns keine Zeit nehmen, bewusst an unseren Schöpfer und Retter zu denken und in unsere Beziehung zu investieren, diese Beziehung erkalten wird. Wenn ich mir als Ehemann nicht bewusst Zeit nehme, mit meiner Frau mal auszugehen oder etwas gemeinsam zu tun, wird unsere Beziehung erkalten. Es wird ein Nebeneinander, kein Miteinander.
Die nächsten Gebote betreffen die Beziehung zum Nächsten.
Fünftes Gebot: Ehre deinen Vater und deine Mutter. Warum? Wenn du das nicht tust, zerstörst oder verletzt du die Beziehung zu deinen Eltern.
Sechstes Gebot: Du sollst nicht morden. Warum nicht? Wer das tut, beendet eine Beziehung. Das klingt vielleicht merkwürdig, aber ich war schon bei vielen Beerdigungen. Bei uns sind manchmal die Särge offen, so dass man den Leichnam sehen kann. Wenn du vor dem Leichnam stehst, besonders wenn du der Person nahegestanden hast, dann spürst du etwas, das mich immer tief berührt: Da ist der Leib, aber ich kann keine Beziehung mehr zu dem Menschen haben. Eine Beziehung zerbricht, wenn ein Mensch stirbt. Darum hat Gott im Garten Eden gesagt: Wenn du von der Frucht isst, wirst du des Todes sterben. Körperlich lebte der Mensch zwar weiter, aber die Beziehung war tot. Der Tod ist das Ende einer Beziehung.
Siebtes Gebot: Du sollst die Ehe nicht brechen. Warum? Wenn du die Ehe brichst, zerstörst du nicht nur die Beziehung zu deiner eigenen Frau, sondern auch die der anderen Familie.
Achtes Gebot: Du sollst nicht stehlen. Warum nicht? Wenn du das tust, zerstörst oder verletzt du eine Beziehung. Versuch mal, nachts deinem Zimmernachbarn ein bisschen Geld zu klauen, und schau, wie er dir morgen beim Frühstück begegnet. Es wird etwas zwischen euch stehen, wenn er es erfährt. Diebstahl zerstört Beziehungen.
Neuntes Gebot: Du sollst nicht falsch gegen deinen Nächsten aussagen. Wann immer du etwas Falsches oder Gemeines über deinen Nächsten sagst, verletzt du eine Beziehung. Das wird oft weiter erzählt und macht große Kreise. Es ist wie eine Lawine: Es beginnt ganz klein, und am Ende steht man da und fragt sich: Was habe ich da nur angestellt? Was habe ich da nur gesagt? Darum sollen wir das nicht tun.
Zehntes Gebot: Du sollst nicht nach dem Haus deines Nächsten verlangen, nicht nach seiner Frau, seinen Sklaven oder seinem ganzen Eigentum. Warum nicht? Weil, wenn ich neidisch und habgierig das will, was der andere hat, werde ich keine gute Beziehung zu ihm pflegen können.
Was ich gelernt habe, ist, dass alle zehn Gebote ausschließlich positiv sind, weil sie meine Beziehung zu Gott und zu meinem Nächsten schützen und fördern. Es sind keine kleinlichen Gebote und Verbote von einem kleinkarierten Gott. Nein, sie sind die einzige Möglichkeit, um überhaupt in einem guten, liebenden Miteinander zu leben.
Wer Gott und seinen Nächsten liebt, der wird die Gebote halten, sagt Jesus. Er sagt übrigens nicht: Wenn du mich liebst, dann musst du die Gebote halten, sondern: Wenn du mich liebst, dann wirst du die Gebote halten. Wenn ich meine Frau liebe, warum sollte ich dann fremdgehen? Weil ich nie in Versuchung käme? Natürlich komme ich in Versuchung. Aber weil ich meine Frau liebe, bleibe ich treu.
Liebe als Motivation für das Einhalten der Gebote
Vor ein paar Jahren, als unsere Jüngste, Eva, zwölf Jahre alt war, saßen wir alle zusammen in der Küche. Plötzlich kam sie zu uns und sagte, dass sie in der Schule etwas gefragt wurde: „Papa, bist du eigentlich schon mal fremdgegangen?“ Eine gute Frage! Und Kinder beschäftigen solche Themen.
Ich erinnere mich auch gut an Lukas, der jetzt zwanzig Jahre alt ist. Als er zehn war, haben wir über eine Familie gesprochen, die sich leider scheiden ließ. Die Kinder mussten entscheiden, ob sie bei ihrem Vater oder bei ihrer Mutter leben wollten. Lukas hörte aufmerksam zu und sagte dann: „Wenn ich mich entscheiden müsste, bei wem ich leben soll, bei Vater oder bei Mama, würde ich in 90 Jahren immer noch auf dieser Bank sitzen und nicht wissen, was ich tun soll.“
Kinder beschäftigen solche Fragen, weil es um Beziehungen geht. Wenn ich meine Eltern liebe, warum ehre ich sie dann? Ist es, weil sie immer perfekt waren? Nein, sie haben auch viele Fehler gemacht – so wie wir alle. Ich ehre sie, weil ich sie liebe und das Beste für sie will.
Warum stehle ich nicht? Nicht nur, weil es als Christ nicht erlaubt ist, sondern weil ich die Beziehung zu meinem Nächsten nicht zerstören möchte. Warum spreche ich nicht schlecht über andere? Natürlich kommen einem solche Gedanken manchmal in den Sinn, aber ich will die Beziehung nicht kaputt machen.
Warum benutze ich den Namen Jesu nicht als Fluchwort? Nicht, weil ich ein besonders sensibles Gewissen habe, sondern weil ich ihn liebe. Warum nehme ich mir Zeit, um die Bibel zu lesen und mit Gott allein zu sein? Nicht, weil es sich als Christ so gehört, sondern weil ich ihn liebe.
Liebe und das Halten von Geboten gehören immer zusammen. Sie widersprechen sich nicht.
Die Liebe als Erfüllung des Gesetzes
Im Römerbrief Kapitel 13, Verse 8 bis 10, ist es wunderbar formuliert. Ich lese euch diese Stelle vor:
Römer 13,8: „Seid niemand etwas schuldig, außer dass ihr einander liebt. Denn wer den anderen liebt, der hat das Gesetz erfüllt.“
Dann führt der Apostel weiter aus: „Du sollst nicht Ehe brechen, du sollst nicht töten, du sollst nicht stehlen, du sollst nicht begehren. Und wenn es irgendein anderes Gebot gibt, so ist es in diesem Wort zusammengefasst: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst.“
Die Liebe tut dem Nächsten nichts Böses. So ist nun die Liebe die Erfüllung des Gesetzes.
Das bedeutet: Es ist nicht so, dass ich Gott lieben soll und dann zusätzlich noch die Gebote halten muss. Nein, wenn du Gott liebst, dann wirst du die Gebote halten.
Einer meiner Lieblingsverse, den ich lange nicht gesehen habe, steht im ersten Johannesbrief, Kapitel 5, Vers 3. Dort sagt Johannes: „Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer.“
Wusstest du das? Wusstest du, dass die Gebote Gottes nicht schwer sind? Sie sind ganz leicht, wenn du ihn liebst.
Liebe als natürliche Folge des Glaubens im Alltag
Ein Beispiel nur: Ich bin ja oft unterwegs, etwa hundert Tage im Jahr auf Reisedienst, öfter auch über See, und dann fliege ich halt. Meistens bin ich dann eine Woche oder zwei unterwegs.
Ich komme dann nach Hause, sehr oft nach Salzburg zum Flughafen. Meine Frau holt mich ab und zu ab. Immer komme ich nach Hause, aber sie hat nicht immer Zeit. Oder wir haben gerade gestritten und sie will mich nicht abholen – was auch immer. Nein, sie holt mich ab.
Angenommen, ich überlege dann so: Jetzt war ich zwei Wochen unterwegs, ich soll meine Frau lieben, bin ja ein guter Ehemann. Was tut man? Dann kaufe ich mir ein Buch „Ein guter Ehemann“. Und da steht: Wenn du deine Frau zwei Wochen nicht siehst, dann sollst du ihr einen Kuss geben. Dann denke ich mir, okay, das schaffe ich, das werde ich machen, das ist angebracht. Wenn du deine Frau wieder siehst, dann sollst du sie auch umarmen, das gehört sich so. Okay, mache ich auch. Und etwas Nettes sagen und vielleicht fragen, wie es ihr geht.
So treffe ich sie und gehe dann nach den Regeln durch, wie ein guter Ehemann sich benehmen soll. Ich halte die Gebote. Aber wisst ihr, wie es wirklich ist? Wenn ich die Anne Lore dann treffe, dann umarme ich sie, ich gebe ihr einen Kuss, ich frage, wie es ihr geht und höre ihr zu. Warum? Es ist nicht schwer, weil ich sie liebe.
Wisst ihr, was interessant ist? Da ist es ganz offenbar, als Christ: Wie soll ein guter Christ leben? Ja, ein guter Christ liest schon einmal am Tag die Bibel. Ja, das wäre angebracht. Ich werde mich zusammenreißen, das bringe ich schon noch hin, bin ja ein guter Christ.
Ein guter Christ soll auch ab und zu mal beten. Ja, das klingt schwierig, aber ich werde mich zusammenreißen, das schaffe ich auch noch. Ein ganz guter Christ gibt auch mal Geld für den, der ärmer ist und der weniger hat oder es braucht. Ja, das ist zwar ein bisschen unangenehm, aber das tue ich auch noch. Und als guter Christ sollst du nach Gottes Willen fragen.
Und so tun wir halt, was wir tun sollten. Aber es ist ein bisschen schwer. Weißt du was? Wenn wir Jesus lieben, dann will ich mit ihm reden. Das ist nicht schwer. Dann will ich immer wieder wissen: Gott, was willst du eigentlich von mir? Was ist dein Wille für mein Leben? Dann will ich gerne auch helfen. Das ist nicht schwer. Es ist zwar eine Übung, man muss es lernen, das schon, aber es ist nicht schwer.
Dann sind die Gebote, das Halten der Gebote, eine Konsequenz – nicht umgekehrt. Manchmal kann es zwar sein, dass wir auch diszipliniert leben müssen und dann erfahren, welch ein Segen es ist. Das kann auch sein. Aber in der Regel ist die Liebe das Bestimmende in einer Beziehung.
Herausforderungen im Alltag und die richtige Sicht auf Jesus
Jetzt stellt sich die Frage: Wie sieht das im Alltag wirklich aus? Ich möchte das ganz praktisch betrachten.
Das mit dem Lieben und dem Halten der Gebote stimmt, es ist biblisch und logisch. Aber entspricht das wirklich dem, was ich jeden Tag erlebe? Freue ich mich tatsächlich jeden Tag darauf, die Bibel zu lesen, von Gott zu lernen und von ihm zu hören? Ist es wirklich so, dass ich immer gerne Geld gebe, den Schwächeren helfe und mich um diejenigen bemühe, die mir nicht besonders sympathisch sind? Freue ich mich wirklich immer, die Hannelore zu sehen?
Die Antwort ist: Nein, nicht jeden Tag. Manchmal sage ich nicht: „Herr, ich kann gar nicht warten, die Bibel zu lesen. Was hast du mir heute zu sagen?“ Nicht jeden Tag frage ich: „Wer braucht heute Geld? Zeige es mir, ich will etwas geben.“ Und manchmal komme ich nach Hause und alles, was ich will, ist meine Ruhe, ein Kaffee oder ein Bier und einfach nur Ruhe – ohne Hannelore. Auch das gibt es.
So sieht der Alltag als Christ manchmal aus. Durch Gespräche stelle ich das immer wieder fest. Du wirst dich wahrscheinlich darin wiederfinden oder zumindest einige von euch. Es klingt so: Der Christ, also ein Mensch, der gerne Christ ist, sagt im Prinzip: „Ich weiß, dass ich Christ bin und ich bin froh, zu Jesus zu gehören, gerettet zu sein, meine Sünden vergeben zu haben und für immer bei Gott zu sein. Darum möchte ich auch aus Dankbarkeit ein guter Christ sein. Ich will mit Gott leben und anderen Menschen von ihm erzählen. Aber das fällt mir so schwer.“
Wenn ich ehrlich bin, würden viele Christen sagen: „Die einzige Zeit, in der ich über Gott rede, ist im Bibelkreis, und sonst nirgends.“ Dann schleicht sich ein permanentes schlechtes Gewissen ein, weil ich weiß, dass ich Gott dienen soll. Ich weiß, dass ich anderen Menschen von ihm erzählen soll. Ich weiß, dass ich so und so leben soll. Aber es wird mir einfach zu viel.
Ich bin so eingespannt in meinem Beruf, meiner Karriere oder meinem Studium an der Uni. Ich bin so eingespannt mit meiner Frau, die mich braucht, mit den Kindern, die mich brauchen. Ich habe nicht einmal genug Zeit für mein Hobby oder meinen Sport. Und jetzt will Gott auch noch etwas von mir. Er will, dass ich mich in der Gemeinde einbringe, dass ich sogar mal predige und dann auch noch Geld gebe, obwohl ich selbst zu wenig habe. Jetzt soll ich Gott auch noch zufriedenstellen – es wird mir einfach zu viel.
Viele Christen befinden sich in genau diesem Zustand. Andere sagen: „Mein Leben als Christ, so wie sie das predigen, so wie es in der Bibel steht, das schaffe ich sowieso nicht.“ Darum wollen sie Christ bleiben, aber sie halten Sicherheitsabstand von Gott und auch zu den meisten Christen. Sie sind ein bisschen enttäuscht von Gott, weil er ihnen nicht gegeben hat, was sie wollten. Sie sind enttäuscht von anderen Christen, die nicht so sind, wie sie es sich vorgestellt haben. Sie sind zwar okay damit, gläubig zu sein, aber sie halten Abstand.
Diese Christen zeigen meistens großes Desinteresse und werden ziemlich gleichgültig. Das ist der Preis, den man dafür bezahlt.
Jesus als Kraftquelle und Begleiter im Alltag
Und darum: Hier ist etwas, das mir sehr am Herzen liegt. Wenn Christsein für dich oder für mich zu einer zusätzlichen Belastung geworden ist, dann habe ich das Evangelium völlig missverstanden.
Jesus ruft Menschen nicht zu sich, um ihnen noch mehr Aufgaben aufzubürden – zusätzlich zu denen, die sie ohnehin schon haben. Er hat kein Interesse daran, mein Leben noch schwerer zu machen, als es ohnehin schon ist. Ebenso wenig möchte Jesus die Nummer fünf in deinem Leben sein. Und genauso wenig hat er Interesse daran, die Nummer eins zu sein. Beides will er nicht.
Es ist nicht so, dass du sagst: Bei mir ist Jesus Nummer eins, Familie Nummer zwei, Beruf Nummer drei. Dann machst du morgens deine stille Zeit, streichst Nummer eins ab, und denkst: „Okay, jetzt kommt die Familie dran“, und streichst sie ab. Wenn du so lebst, wirst du ganz sicher früher oder später einen Burnout bekommen.
Jesus ist keine zusätzliche Aufgabe, die du erfüllen musst. Er ist die Kraft für dein Alltagsleben. Er will mit dir gemeinsam in die Familie gehen. Er will dir Kraft geben für die Kindererziehung. Er will mit dir an die Uni gehen. Er will mit dir ins Kino gehen und mit dir auf die Party. Er will nicht die Priorität Nummer eins sein, sondern alles sein in allen Bereichen deines Lebens. Das ist Christsein.
Ich erinnere mich gut an eine Situation in Österreich, als ich einen Vortrag hielt. Nach dem Vortrag kam ein Mann zu mir – ein Skilehrer und Holzhacker – und sagte: „Im Winter ist es schwer, Holzhacken ist so kalt, das muss ich im Sommer tun.“ Dann erzählte er: „Weißt du, Hans-Peter, ich gehe oft mit Jesus spazieren. Das liebe ich. Ich gehe gern in den Wald.“
Aber er fügte hinzu: „Ich kann mich schwer konzentrieren, weil ich mit Jesus rede und dann höre ich eine Motorsäge. Ich liebe Motorsägen.“ Dann sagte er: „Ich werde unterbrochen. Ich muss hingehen und herausfinden, ob es eine Husqvarna oder eine Stihl ist, oder eine andere. Dann sind wir wieder zusammen, ich gehe wieder spazieren mit ihm und rede mit ihm – und dann höre ich einen Traktor. Ich liebe Traktoren. Wieder werde ich unterbrochen. Ich muss hingehen und herausfinden, ob es ein Steirer oder ein Fergus ist oder etwas anderes.“
Ich antwortete: „Lieber Freund, wenn das dein Problem ist, dann hast du kein Problem.“ Denn das nächste Mal, wenn du im Wald spazieren gehst und eine Motorsäge hörst, dann sagst du: „Herr Jesus, hörst du die Motorsäge?“ Dann sagt er: „Ja, ich bin nicht taub.“ Und dann sagst du: „Herr Jesus, gehen wir hin und schauen uns die Motorsäge gemeinsam an.“
Wisst ihr, ich sage das jetzt ein bisschen so, ich will es gar nicht so hart formulieren, aber manchmal glauben wir, Gott sei entweder völlig desinteressiert oder er sei dumm, weil er nichts von Motorsägen versteht. Dabei versteht er viel mehr. Er hat uns geschaffen.
Du kannst Gott gerne mitnehmen zu der Motorsäge. Dann schaust du sie dir an, zerlegst sie vielleicht oder auch nicht, und besprichst mit Gott, was du tust. Er versteht davon. Dann gehst du spazieren und redest über die Dinge des Lebens. Wenn du den Traktor hörst, sagst du: „Hörst du den Traktor?“ Er sagt: „Ja.“ Dann geht ihr hin und schaut ihn euch an.
Nimm Jesus mit in alle Bereiche deines Lebens. Das ist es, was er will. Nicht, dass er Nummer eins auf deiner To-do-Liste ist. Das führt dich nur in die Erschöpfung. Das schaffst du nie.
Schlussgebet: Dankbarkeit für die Gebote und die Kraft der Liebe
Eins noch: Wie viel Zeit haben wir noch? Es ist vorbei, oder? Okay, ich bete. Nein, es geht also schnell. Beten wir noch gemeinsam.
Lieber Vater, ich möchte dir danken für die Gebote, die du uns gegeben hast, insbesondere die zehn Gebote. Sie dienen einzig und allein dazu, unsere Beziehung zu dir und zu unserem Nächsten zu bewahren, zu behüten und aufrechtzuerhalten. Es sind keine pingeligen Gesetze, sondern die einzige Möglichkeit, um in Liebe zu leben.
Danke, Vater, dass wir nicht mit dem Gesetz beginnen, sondern mit der Liebe. Wenn wir deine Liebe jeden Tag neu empfangen, so wie du uns geliebt hast und heute noch liebst, und diese Liebe reflektieren, dann sind deine Gebote nicht schwer. Denn ein Mensch, der liebt, tut seinem Nächsten nichts Böses. Er wird ihn nicht bestehlen, er wird nicht eine Ehe kaputtmachen, er wird nicht jeden Tag gierig auf das schauen, was der andere hat.
Vater, danke, dass dein Wort so praktisch, so logisch und so klar ist. Danke, Vater, für die jungen Leute hier. Ich danke dir für jeden Einzelnen, der da ist. Danke für das Interesse an dir, das sie zeigen, allein dadurch, dass sie hier sind.
Mögest du sie segnen. Mögen sie entdecken, dass du nicht eine zusätzliche Belastung im Leben bist, sondern die Kraft für das Leben. Du bist die Kraft für den Alltag, die Liebe, um mit Menschen zu leben – nicht eine weitere Sache auf der To-do-Liste.
Danke, Herr, für dich selbst, für deine Geliebten und für die Gemeinschaft, die wir auch dieses Wochenende erleben dürfen. Amen.
