Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Powileit. Unser Podcast möchte zum praktischen Christsein herausfordern und zum theologischen Denken anregen.
Wenn du uns regelmäßig hörst, hier vorab ein kleiner Hinweis: Nach dieser Folge machen wir eine kurze Pause über Weihnachten. Du kannst uns dann wieder ab Mittwoch, dem 11. Januar, hören – dann schon im Jahr 2023.
Jesus selbst sagt: „Ein neues Gebot gebe ich euch, dass ihr einander liebt, damit, wie ich euch geliebt habe, auch ihr einander liebt.“ Das steht in Johannes 13,34.
Thomas, das ist ja ein hoher Maßstab. Kann man das überhaupt leben? Und falls ja, wie kann man es leben?
Naja, es scheint so zu sein, dass ich diese Liebe leben kann, wenn Jesus hier davon redet. Sonst würde es ja gar keinen Sinn machen, dass Jesus sagt: „Liebt einander.“ Wenn wir mit Jesus unterwegs sind, dann ist das natürlich auch sein Gebot für uns. Er will, dass seine Liebe in unserem Leben sichtbar wird.
Wie kann so etwas sichtbar werden? Das wäre sofort meine Frage.
Ja, ich kann da jemand anderen zitieren, zum Beispiel Paulus. Der würde auf deine Frage mit 1. Korinther 13 antworten, zum Beispiel Vers 4. Dort heißt es: „Die Liebe ist geduldig, sie ist freundlich, sie kennt keinen Neid, sie spielt sich nicht auf, sie ist nicht eingebildet, sie verhält sich nicht taktlos. Sie sucht nicht den eigenen Vorteil, sie verliert nicht die Beherrschung, sie trägt keinem etwas nach, sie erträgt alles, sie glaubt in jeder Lage, sie hofft immer und sie hält allem stand.“
Also das sind ja Eigenschaften, die Paulus da nennt, und daran solltest du Gottes Liebe in meinem Leben erkennen. Aber es ist leider so, dass du wahrscheinlich manchmal ein ziemlich großes Vergrößerungsglas nehmen musst, um diese Liebe Gottes in Ansätzen in meinem Leben zu erkennen.
Ich bin gerade von der Übersetzung. Weißt du, welche Übersetzung du gerade zitierst?
Ich habe teilweise aus der Neuen Genfer Übersetzung (NGÜ) die Stellen genommen.
Ah, okay, weil ich fand, das mit dem „Beherrschung verlieren“ steht bei mir gar nicht. Man muss suchen, was das ist.
Was fällt dir besonders schwer im Leben?
Ich persönlich glaube, dass ich bei der Freundlichkeit noch einen echten Optimierungsbedarf habe. Immer wieder höre ich sinngemäß den Wunsch: Sei doch einfach mal mehr ein Gentleman. Das muss ich immer wieder üben und mir sehr bewusst machen. Sonst verfalle ich ganz schnell in ein altes Muster. So, wie Paulus es hier beschreibt: Ich suche meinen Vorteil. Das ist ja das Gegenteil von Liebe, denn dabei geht es mehr um mich und nicht so sehr um den anderen.
Das Wesen der Liebe ist es, zu geben. Das zeigt schon dieser bekannte Vers: "So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab." Es gibt Bereiche, in denen fällt es mir leicht zu geben, und andere Bereiche, da fällt es mir richtig schwer, Liebe praktisch zu leben. Das war ja deine Frage: Wo fällt es mir schwer?
Das heißt, Liebe ist durchaus auch ein Kampf. Das ist eine Spannung an sich, aber das dann auszuleben, ist ein Kampf in uns, der etwas auslöst.
Ja, richtig: Liebe zu leben ist natürlich nicht immer ein Kampf. Vor allem dann nicht, wenn ich Sympathie für einen Menschen habe oder verliebt bin. Dann läuft es von alleine. Es fällt mir leicht, Liebe zu verbreiten. Aber manchmal ist es eben auch ein Kampf, das stimmt.
Einen Kampf, den ich leider im Alltag oft verliere. Manchmal kommen gute Impulse in meinen Kopf. Zum Beispiel: "Ja, das könntest du jetzt tun, um Gottes Liebe praktisch zu zeigen." Aber dann bin ich manchmal zu faul, zu unbequem oder es ist mir zu peinlich, oder aus irgendeinem anderen Grund setze ich es nicht um.
Zum Glück ist es nicht immer so. Manchmal folge ich diesem Impuls auch. Dann merke ich, dass Gott durch meine Tat sogar meine Einstellung zum anderen verändert.
Das heißt, indem du das machst, verändert sich deine Einstellung. Ich würde das normalerweise immer andersherum sehen. Hast du da mal ein Beispiel?
Ja, es ist tatsächlich so: Wenn ich es tue, merke ich, dass sich meine Einstellung verändert. Es gibt manchmal ganz klassische Erfahrungen, die man gemacht hat. Ein gutes Beispiel ist vielleicht aus meiner Bibelschulzeit, auch wenn das schon länger her ist. Ich war in einem Praktikum in Alaska, in einem internationalen Team. Dort war eine Frau aus Kanada, die ebenfalls im Team war. Sie heißt Tara.
Tara war eine richtige Energiekanone. Nachts war sie mit den Kindern unterwegs, die wir mit dem Evangelium erreichen wollten. Morgens konnte sie dann kaum die Augen offen halten. Das hat mich aufgeregt. Ich dachte mir: „Hey, wenn du nachts eher ins Bett gehen würdest, wärst du morgens ausgeschlafener.“ Aber sie hatte ständig neue Ideen, was man tun könnte, und wollte mich in verschiedene Programme einspannen. Alles war schon fertig geplant: „Jetzt macht das, und dann das.“ Irgendwann habe ich mich innerlich gewehrt und gesagt: „Sorry, I'm not a native speaker.“ Also Englisch ist nicht meine Muttersprache, und deswegen wollte ich mich nicht einspannen lassen.
Das war vor allem bei Aktivitäten mit Kindern oder wenn sie Jünger waren. Ja, ich hätte sprechen können, das wäre kein Problem gewesen. Aber für mich war das immer mehr eine Schutzbehauptung, um mich nicht von Tara verplanen zu lassen. Sie machte die Pläne und sagte quasi: „Das und das hast du zu tun.“ Ich merkte, dass ich ein immer distanzierteres Verhältnis zu ihr bekam.
Am Ende dieser Zeit waren wir im Denali Park mit Übernachtung. Wir bestiegen als ganzes Team einen Berg, aber das reichte Tara nicht. Sie bestieg den Berg auch, stieg dann mit einigen Jungs schnell wieder ab, um einen noch größeren Berg zu besteigen. Es war schon richtig dunkel, als sie zurückkamen – die Jungs und Tara. Tara humpelte mit schmerzverzerrtem Gesicht. Wahrscheinlich hatte sie sich bei der Besteigung eine starke Zerrung zugezogen.
Ich muss ehrlich sagen: Als ich sie sah, war mein erster Gedanke: „Das geschieht ihr recht. Warum musst du immer so eine Extratour machen, immer voran sein?“ Vielleicht hat es den Jungs gefallen, das weiß ich nicht. Ich glaube, das war einfach ihre Art: Sie musste immer einen draufsetzen.
Am nächsten Tag war Abflug. Das war damals etwas anders als heute. Man konnte mit den einzelnen Gruppen bis zu den Maschinen gehen, die Leute stiegen ein, und man winkte ihnen zu. Tara musste natürlich mit, konnte kaum laufen. Später setzten wir sie in einen Rollstuhl, weil sie die Schmerzen nicht mehr aushielt.
Da dachte ich: „Ey, der ist nicht mehr zu helfen. Wenn sie jetzt noch laufen muss, kann sie doch hier sitzen bleiben.“ Dann kam ein Impuls, von dem ich vorhin schon sprach – so ein Impuls, der mich wirklich schockte. Mir fiel ein: „Thomas, du hast verschreibungspflichtige Schmerztropfen dabei.“ Diese Tropfen gibt man nach Operationen. Sie sind sehr wirksam und kann ich mir nicht einfach so besorgen, wenn ich zurückkomme.
Was ist, wenn ich selbst mal Schmerzen habe? Soll ich Tara jetzt etwas davon geben? Ich diskutierte eine Weile mit mir selbst und gab ihr schließlich einige Tropfen. Es wurde schlagartig besser. Das hatte ich auch erwartet, denn es ist richtig starkes Zeug.
Nach ein paar Stunden fragte sie mich: „Thomas, wie lange wirken die Tropfen?“ Ich wusste, dass die Wirkung bald nachlassen würde und sie wieder Schmerzen bekommen würde. Dann bekam ich einen weiteren Impuls, der mich wirklich schockierte. Ich hatte den Gedanken: „Thomas, lass ihr die Flasche da. Sie nimmt dann immer wieder so 30 Tropfen, und irgendwann wird die Zerrung nachlassen. Sie wird keine Schmerzen mehr haben.“
Ich kämpfte innerlich dagegen und sagte: „Hey, ich komme nicht an die Flasche, wenn ich wieder zurück bin in Deutschland.“ Genau so war es.
Während du diesen Impuls hattest, war deine Einstellung zu ihr dann schon besser, oder war da immer noch dieser Widerstand, dass du immer gedacht hast: Boah?
Absolute Widerpart, ja. Immer noch, okay. Also eindeutig nicht von dir, den Pulven das zu geben, und immer noch in dieser Spannung drin.
Dann habe ich wirklich diese Flasche gegeben. Das habe ich nicht gefeiert, ihr diese Flasche zu geben. Ich habe ihr schweren Herzens irgendwie diese Flasche gegeben, weil ich wusste, mein Flieger geht bald, ich muss jetzt eine Entscheidung treffen. Ich wusste, okay, damit kommt sie sicher über die Zeit, und dann soll sie es nach Kanada mitnehmen, alles gut.
Das war für mich ein besonderer Moment. Da bin ich ja geflogen, gehörte zu der Gruppe, die jetzt in den Flieger steigt, und ich habe mich von der Terra wirklich herzlich verabschiedet. Das war nicht gespielt, das war echt. Da habe ich gedacht: Hey, wie komme ich einfach zu dieser „Beziehung“ jetzt zu ihr? Die hatten wir nach Mitte des Einsatzes ja eigentlich gar nicht mehr von meiner Seite her.
Das war für mich wirklich sehr eindrücklich, dass Gott hier meine Einstellung verändert, weil ich einfach gehorsam bin, weil ich etwas tue, was Liebe ausdrückt. Aber wenn ich nach meinen Gefühlen gegangen wäre, dann wäre das ganz sicher keine Liebe ihr gegenüber gewesen.
Du hattest dann aber wahrscheinlich einen leisen Impuls innerlich, oder?
Ja, der war nicht so stein und so weiter. Ich hatte letzte Woche auch einen Impuls und habe dann überlegt: Gehst du dem nach, so innerlich? Und habe dann überlegt: Warum nicht, es ist keine schlechte Sache, also mach es doch einfach, da spricht nichts dagegen.
Ich habe festgestellt, wenn du diesen leisen Impuls übergehst, dann sind die Chancen weg, die bleiben leise. Aber wenn du es machst, dann macht Gott oft echt Großes daraus. Da habe ich es dann auch erleben dürfen im Laufe der Woche, dass ich dachte: Ja, war gut.
Aber da geht man so schnell drüber. Bei mir ist es so drin: Oh, das ist schwärmerisch, da kommst du so schnell in was Falsches. Aber ich denke, inzwischen wirkt der Geist dann teilweise durch dieses leise Reden, wie beim Elija mit diesem leisen Wehen und nicht dem Sturm.
Ich denke mir: Wenn es doch die Bibel gebietet oder eine gute Sache ist, was spricht dagegen, es zu machen?
Da bist du schon weiter als ich.
Na ja, ich übe da noch sehr. Ich bin schwärmerisch, aber das tut mir manchmal weh. Also so ein Impuls, nach dem Motto: Hey, wenn ich das mache, das kostet mich was. So könnte ich es besser formulieren.
Da ist mein Herz wahrscheinlich noch zu felsiger Boden, als dass es überhaupt wirkt, wenn es mich was kostet. Da musst du da wieder weiter.
Genug der Komplimente.
Was ist denn mit der Sympathie? Am Ende kam ja die Sympathie ins Spiel. Drehen wir das Ganze doch mal um. Was ist, wenn ein Christ – sagen wir mal ein Christ – mir nicht sympathisch ist? Darf das überhaupt sein, wenn Jesus doch sagt, ich soll jeden lieben?
Ich weiß nicht, wie es dir geht, Jörg, aber mir sind manche Leute sehr sympathisch und andere eben nicht. Ich glaube auch, dass sich daran nur bedingt etwas ändern kann. Für mich ist es wichtig zu begreifen, dass jemanden zu lieben nicht unbedingt bedeutet, dass er mir sympathisch sein muss.
Also, Tara war für mich garantiert nicht sympathisch. Johannes? Ja gut, ich habe mich dann von ihr verabschiedet, und wir hatten keinen Bezug mehr. Aber ich glaube, unser Verhältnis hätte sich wirklich geändert, wenn wir weiter zusammen im Team gewesen wären.
Johannes sagt es mal: „Lasst uns nicht lieben mit Worten noch mit der Zunge, sondern in Tat und Wahrheit.“ Wenn Jesus sagt, ich soll meinen Feind lieben, heißt das ja nicht, dass er mir sympathisch ist. Wie auch, wenn er mein Feind ist und mir Böses will?
Eben. Aber es heißt, ich bin für ihn da, ich tue ihm Gutes, auch wenn unsere Beziehung nicht besonders eng ist. Natürlich mag ich ihn nicht besonders, aber ich leihe ihm trotzdem zum Beispiel mein Auto oder setze Zeit für ihn ein. Obwohl ich lieber mit jemand anderem zusammen wäre.
Jemanden zu lieben heißt also nicht immer, dass er mir sympathisch ist. Und das ist auch in der Gemeinde so. Ich bin nicht mit allen Leuten gleich gerne zusammen. Da braucht man jetzt nicht überlegen, ob man dazugehört oder nicht. Es ist völlig egal, wenn mir manche Leute charakterlich schwerfallen und ich ihnen sicher auch, wenn sie denken: „Der Thomas kommt um die Ecke, was ist denn der?“
Wir sind beide Gottes Kinder, das müssen wir uns immer wieder bewusst machen. Wir sind Geschwister. Deshalb bin ich doch für den anderen da, ich bete für ihn, ich unterstütze ihn praktisch, wo und wie es mir eben möglich ist.
Für mich war es mal hilfreich, Liebe und Sympathie nicht miteinander zu verwechseln.
Und vielleicht, um das auch noch einmal zu sagen, was für mich ebenfalls ein Erlebnis war – denn wir sind ja alle Erlebnisse –, war eine Erfahrung mit unserem Sohn, die ich sehr hilfreich fand. Das ist schon lange her, damals war er noch ziemlich klein. Das heißt, er muss jetzt keine Erlaubnis für diese Geschichte geben.
Es ist mir im Gedächtnis geblieben: Wir waren auf einer Hochzeit und wollten nach Hause, aber er nicht. Dann hat er richtig Gas gegeben, ist also losgesprintet – nicht in meine Richtung, sondern in die andere. Dort stand jemand aus der Gemeinde, der das mitbekommen hatte. Er rief: „Soll ich ihn festhalten?“ Und ich sagte: „Ja, bitte.“
Der Bruder ist von der Statur her nicht zu übersehen. Ob er noch in unserer Gemeinde ist oder in der Schwestergemeinde, weiß ich nicht genau. Jedenfalls lief der kleine Micha auf ihn zu, und der Bruder griff ihn einfach und hielt ihn fest. Das hat den Kleinen so geschockt, dass das Verhältnis über Monate, wenn nicht über Jahre, kaputt war – ich weiß es nicht genau.
Könnte das ein Grund sein, warum dein Sohn deswegen nach Israel will? Nein, natürlich nicht. Lassen wir den Blödsinn.
Genau, dann saßen wir mal zusammen am Tisch mit Micha, und ich sagte ihm aus irgendeinem Zusammenhang heraus: „Jesus sagt, liebt eure Feinde.“ Für ihn war das der Witz des Tages. Er hat von Herzen gelacht, so dass ich mich kaum erinnern kann, dass er jemals so gelacht hätte. Er sagte: „Seine Feindlieben? Das geht doch überhaupt nicht, das meint Jesus nicht ernst.“
Ich antwortete: „Doch, ich glaube, nein, ich bin davon überzeugt, dass Jesus das ernst meint.“ Das hat ihn sehr nachdenklich gemacht. Dann verließ er eine Zeitlang den Raum, kam zurück und brachte Material mit – ich glaube, um irgendeine Karte zu malen. Ich weiß gar nicht, ob er sie groß beschriften konnte oder so. Ich begriff, dass er diese Karte für diese Person machte.
Ich fragte ihn: „Was machst du da jetzt?“ Er schaute mich an und sagte: „Ich liebe meinen Feind.“ Und ich dachte: Hey, der hat es kapiert!
Das war sehr praktisch, wie man das jetzt umsetzt. Das Verhältnis wurde dann immer besser. Ich glaube, heute könnten die beiden locker etwas miteinander unternehmen. Das drückt sehr gut aus, wie es aussehen kann, Gottes Liebe weiterzugeben.
Mir fällt als Nebengedanke noch ein, dass man aus der Geschichte auch lernen kann, wie sehr Dinge, die einem selbst gar nicht so auffallen, Kinder oder auch Teenager und Jugendliche doch verletzen können und wie das auf sie wirkt. Er wollte einfach nur sagen: „Ach, den stelle ich mir kurz in den Weg, halte ihn auf.“ Für Micha war das aber ein Feind.
Ja, richtig, er wurde in dem Moment zum Feind. Weil so ein Riese kam und ihn praktisch in Zwangshaft nahm. Wie stark das auf die Seele wirkt, auch in der Erziehung, oder wenn man ein scharfes Wort zur falschen Zeit sagt und denkt: „Ach, das ist ja nicht so wichtig.“ Aber wie tief das teilweise gehen kann.
Aber gut, wie schön, dass durch das gesprochene Wort dann auch eine Wendung kam.
Ja, auf jeden Fall. Das kommt ja daher. Manchmal ist es schwer, diese Liebe auch tatsächlich weiterzugeben. Man versucht es, man strengt sich an, dem anderen Gutes zu tun.
Kannst du dazu etwas sagen, wenn es vielleicht mal nicht so klappt? Es ist ja nicht so, dass es immer einfach fließt, nur weil man sich vornimmt, jetzt soll es klappen. Nein, so ist es überhaupt nicht.
Ich bete dafür, dass Gott mir hilft, dem anderen seine Liebe zu zeigen – also Gottes Liebe zu zeigen. Dass ich für den anderen da bin. Und ich bitte Gott auch, mir zu helfen, wenn da Bitterkeit, Hass oder Neid in meinem Herzen sind, dass er das herausnimmt.
Wie ich vorhin schon sagte: Ich sehe den anderen als Gottes Kind. Oder wenn er es noch nicht ist, dann ist er zumindest ein Mensch, den Gott liebt.
Du hast gesagt, man strengt sich an – das stimmt. Aber ich muss mir immer wieder bewusst machen, dass ich nicht nur mit mir rechnen darf. Wenn ich nur mit mir rechne, komme ich nicht weit.
Deshalb finde ich es so großartig, dass Paulus in Römer 5 sagt: Gottes Liebe ist in mein Herz ausgegossen durch den Heiligen Geist. Es ist dieser Geist, der mich befähigt, für den anderen da zu sein und Gottes Liebe weiterzugeben.
Dann ist es nicht nur meine Anstrengung. Mein Privileg ist es, von Situation zu Situation mit leeren Händen dazustehen und zu sagen: Herr, aus mir heraus habe ich keine Liebe. Aber ich danke dir, dass du deine Liebe durch mich lebst.
Deshalb kann ich zum Beispiel auf den anderen zugehen und ihn begrüßen, auch wenn ich ihn vielleicht nicht mag. Und das ist kein Heucheln. Ich rechne damit, dass der Herr Jesus in mir jetzt stärker ist als meine Antipathie oder welche Gefühle ich auch immer haben mag.
Wir hatten ja jetzt in dem Vers: „Daran werden alle erkennen, dass ihr meine Jünger seid, wenn ihr einander liebt.“ Umkehrschluss: Wenn ich Menschen erlebe, die viel Liebe zeigen, sind das dann automatisch Christen? Nein, das ist nicht unbedingt so. Oder man sagt nicht, dass sie „besonders christlich wirken“.
Der Gesamtzusammenhang der Bibel zeigt, dass das Liebesgebot ein Doppelgebot ist. Es geht darum, Gott zu lieben und den Nächsten wie sich selbst. Das sind zwei Seiten einer Medaille. Es gibt Menschen, die in ihrem Umfeld Liebe zu ihren Mitmenschen verbreiten, aber keine Beziehung zu Gott haben.
Ich habe das gerade gestern erlebt: In der Fußgängerzone sprach mich eine Frau an, weil sie einem anderen Mann helfen wollte. Wir haben kurz darüber geredet, ich konnte ihr keine Antwort geben. Sie ging dann weg. Ich dachte so bei mir: Wie kann man nur so freundlich sein? Sie strahlte wirklich Freundlichkeit aus – nicht wegen sich selbst, sondern weil sie jemand anderem helfen wollte.
Trotzdem sagt die Bibel, dass es Menschen gibt, die Gott nicht lieben, aber sich wie der barmherzige Samariter um andere kümmern. Sie setzen sich ein, auch wenn sie nichts davon haben. Manchmal haben sie sogar Nachteile, und trotzdem tun sie es. Das war für mich ein praktisches Beispiel gestern.
Wenn ich Gott dabei aber nicht liebe und die Liebe nicht aus Liebe zu Gott weitergebe, wird mir das in der Ewigkeit nichts bringen. Ich kann mir mit meiner Liebe den Himmel nicht erkaufen. In den Himmel komme ich nur, wenn ich glaube, dass Jesus für meine Sünde starb und ich das persönlich annehme. Das heißt: Ich muss kein Christ sein, um Liebe verbreiten zu können und meinen Nächsten zu lieben. Aber ohne die Verbindung zu Gott fehlt mir etwas Wesentliches.
Ich finde es immer wieder beeindruckend zu sehen, wenn Nichtchristen eine Atmosphäre der Liebe verbreiten, wie dieser barmherzige Samariter. Dabei steckt eine gewisse Spannung darin: Gott ist Liebe, und es steht auch in 2. Timotheus 3, dass in der Endzeit die Liebe vieler erkalten wird.
Dann gibt es Christen, die die Liebe nicht so verbreiten, und andere, die richtig vor Liebe sprühen. Was denkst du, was gibt ihnen die Kraft? Denn wenn die Verbindung zu Gott, der Liebe selbst, fehlt, woher kommt dann die Kraft? Ist das einfach in die Menschen hineingelegt? So eine philosophische Frage.
Ja, es gibt Fragen, bei denen ich gern die Antwort wüsste. Diese gehört definitiv dazu. Ich glaube, es ist in Menschen hineingelegt. Manche Menschen sehen die Not des Anderen viel stärker – das ist etwas, das ich mir sehr bewusst machen muss, weil es nicht in mir angelegt ist. Aber bei anderen ist das so.
Ich glaube, manche Menschen nehmen die Nöte anderer viel mehr wahr als andere. Sie machen sich die Nöte sogar zu ihren eigenen. Vielleicht ist das eine Veranlagung, vielleicht auch eine bewusste Entscheidung, für den anderen da zu sein.
Es gibt mir persönlich auch etwas zurück. Jemand sagte mir neulich, dass man ja auch etwas zurückbekommt, wenn man in Menschen investiert – selbst wenn man kein Christ ist.
Vielleicht haben unsere Hörer noch einige gute Gedanken dazu, warum Menschen ohne Jesus so viel Liebe verbreiten können und dazu offensichtlich gar nicht Gottes Kraft brauchen.
Ich finde das eine wirklich schwierige, aber auch spannende Frage. Ich kann sie dir nicht endgültig beantworten. Wie bei vielen philosophischen Fragen ist das immer etwas schwieriger.
Zum Beispiel hattest du innere Impulse, oder durch eine Tat wurden auch Einstellungen verändert – durch das Wort Gottes. Das war dann das Beispiel bei deinem Sohn.
Vielleicht, um das abzurunden, gehen wir mal in die negative Richtung. Man findet ja auch im christlichen Bereich Situationen, in denen die Liebe Gottes überhaupt nicht gelebt und erfüllt wird. Das ist nicht nur heute bei uns so, sondern es tröstet mich, dass ich das auch in der Bibel sehe.
Ich wollte es eher allgemein sagen, aber du hast es gleich bejaht. Ja, gut, das ist die Realität. Ich denke zum Beispiel an die Gemeinde in Galatien. Dort haben die Christen sich sogar „gebissen und gefressen“, wie es heißt. Heute gibt es auch in Gemeinden verdeckte oder offene Streitigkeiten. Gottes Liebe, wie du sagst, ist nicht offen erlebbar.
Aber ich glaube, wenn Christen Gottes Liebe nicht leben, dann leben sie unter ihren Möglichkeiten. Sie haben Gottes Geist, und dieser Geist Gottes will die Liebe im Leben sichtbar machen – nicht in Perfektion, aber so, dass die Grundelemente dieser Liebe wirklich erkennbar sind.
Die Bibel sagt das ja auch, wie wir durch unseren Leitvers gesehen haben: Wir sollen uns so lieben, wie Jesus uns geliebt hat. Er hat sein Leben für uns gegeben. Das sagt der berühmte Vers in 1. Johannes 3,16: „Hieran haben wir die Liebe erkannt, dass Jesus sein Leben hingegeben hat; und auch wir sind schuldig, für die Brüder unser Leben hinzugeben.“
Dabei ist nicht nur das physische Leben gemeint, das macht der Folgevers deutlich. Dort geht es zum Beispiel darum, den anderen finanziell zu unterstützen – extra erwähnt, finanziell. Genau, das ist der Folgevers. Das fiel mir auf, als ich diesen Vers nochmal angeschaut habe. Ganz praktisch also.
Das kann auch bedeuten, Zeit für den anderen einzusetzen, Kraft für ihn einzusetzen, irgendetwas zu tun, was dem anderen hilft. Und ich habe mit dem Geist Gottes die Kraft, Gottes Liebe in diese Welt zu tragen. Ich muss nur wollen. Ich muss diese Kraft dann auch nutzen.
Wie ich eben schon sagte: Ich kann Gott meine leeren Hände hinhalten und zu Herrn Jesus sagen, wenn ich morgens aufwache: „Herr, ich habe dich lieb“ – so als erstes Statement. „Ich freue mich, dass ich dein geliebtes Kind sein darf. Gib mir heute den Blick dafür, wie ich deine Liebe weitergeben kann, und die Kraft, es auch zu tun.“
Wenn ich das immer wieder so bete, dann glaube ich, ist die Chance groß, dass Gottes Liebe wirklich der Fokus in meinem Leben wird. Dann drehen sich meine Gedanken und Gebete um Gottes Liebe, und das wird auch mein Handeln bestimmen.
Ich glaube, das könnte so viel verändern – im eigenen Leben, aber auch im Umfeld. Das heißt aber, der Blick auf Jesus, wie er uns liebt, ist entscheidend. In Johannes steht ja auch, ich glaube, 1. Johannes 4,19: „Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat.“
Also letztendlich ist es immer das Erfahren seiner Liebe, das uns erfüllt. Und dann denke ich, ist es wichtig, ruhig darum zu beten, denn das fließt nicht automatisch weiter.
Deshalb ist es gut, dieses Gebet zu beginnen. Dann gibt es Gelegenheiten, wie zum Beispiel mit Terra – der Name war mir so fremd, den habe ich immer wieder gehört. Dort gibt Gott einfach Chancen, Schritt für Schritt zu wachsen.
Deswegen auch anzufangen mit dem Gebet: „Herr, ich habe dich lieb, danke, dass ich von dir geliebt bin.“ Wenn ich das wirklich begriffen habe, wird es anders. Denn sonst ist es ja immer so: „Oh, ich muss jetzt lieben.“ Das ist keine Motivation.
Vielmehr ist es so: „Wow, dieser Gott liebt mich, und dieser Gott will mich befähigen, seine Liebe weiterzugeben. Gib mir überhaupt mal den Blick dafür.“ Vielleicht müssen andere das nicht beten, die mehr Veranlagung dafür haben. Ich muss es beten.
Und dann gibt er mir auch die Kraft, nicht nur einen Impuls wahrzunehmen, sondern zu sagen: „Ich will den jetzt auch umsetzen.“
Das ist ein gutes Schlusswort für unseren Podcast heute von der evangelischen Freikirche Evangelium für alle in Stuttgart. Wir hoffen, ihr konntet neu erfahren, dass es darauf ankommt, Gott zu lieben und seine Liebe zu verbreiten. Das ist die Hauptsache, davon wollen wir uns nicht ablenken lassen.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen können, oder Anmerkungen zum Podcast, dann schreibt uns doch unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und viel Liebe – gerade für die Menschen, die euch nicht so sympathisch sind.