Einführung und Rückblick auf die Predigtreihe
Eine Reihe über den Römerbrief – das ist, rein rechnerisch, glaube ich, der elfte Vortrag. Ein, zwei, drei, vier, ja genau, der elfte Vortrag. Allen, die durchgehalten haben, gilt mein Applaus. Das war bestimmt nicht immer einfach, vor allem weil der Römerbrief am Anfang eine lange theoretische Sektion hat. Dort geht es erst einmal acht Kapitel lang um Grundlagen, bevor wir gestern Abend mit praktischen Gedanken begonnen haben.
Was heißt das jetzt für uns? Was sollen wir tun? Wir sind bei einem Gedanken stehen geblieben, den ich heute Morgen erst einmal fortführen möchte. Dieser Gedanke lautet: Ein Leben in Liebe ist das Opfer, das Gott in unserem Leben sehen möchte.
Gestern haben wir uns die Frage gestellt: Wenn ich begreife, wie sehr Gott mich liebt, was bedeutet das praktisch? Wir haben gesehen, dass es bedeutet, darüber nachzudenken und eine Entscheidung zu treffen. Diese Entscheidung besteht darin, auf die Liebe Gottes zu antworten – mit einem Leben der Dankbarkeit und der Hingabe.
Das hat damit zu tun, dass ich die Bereitschaft entwickle, den Willen Gottes für mein Leben zu erkennen. Ich setze einen Startpunkt und beginne tatsächlich, über Gott nachzudenken. Ich werde von innen heraus verändert, indem ich den Willen Gottes begreife und Gott durch sein Wort verstehe.
Wenn ich über Gott nachdenke, folgt daraus, dass ich mich selbst erkenne. Es fängt immer bei mir an – mit meinem Denken. Ich sehe, wie ich begabt bin, wer ich bin, und nehme das an. Damit steige ich ein, damit diene ich. So werde ich zu jemandem, der in seiner engsten Umgebung Liebe übt.
Von dort aus wächst das immer weiter – bis hinein in die Gesellschaft. Ich bringe mich aktiv in die Ordnung ein und werde zu jemandem, der die Gesellschaft, in der er lebt, durchdringt und prägt.
Wir tragen eine große Verantwortung: Diese Liebe, die Gott uns geschenkt hat, in uns selbst zu entwickeln und dann an andere weiterzugeben.
Die Herausforderung der Gemeinde in Rom: Unterschiedliche Hintergründe
Heute Morgen möchte ich uns darauf aufmerksam machen, dass Paulus jetzt wieder den Schwerpunkt verändert. Zuvor war er noch bei der ganzen Welt und dem römischen Staat und behandelte die Frage, wie wir uns als Staatsbürger verhalten. Nun kehrt er zurück zu einem anderen Thema, das ihm eigentlich wichtiger ist.
Er spricht zu einer Gemeinde in Rom, in der es zwei große Fraktionen gibt. Zum einen sind da die mit jüdischem Hintergrund. Diese sind vor kurzer Zeit erst zurückgekehrt. Sie waren zuvor ausgestoßen und durften eine Weile nicht in der Stadt wohnen. Im Jahr 54 nach Christus wird Nero Kaiser. Er hebt zunächst alle beschränkenden Gebote seines Vorgängers Claudius auf. Dadurch kommen die Judenchristen wieder zurück. Von heute auf morgen ist der Gottesdienst plötzlich doppelt so voll. Eben waren sie noch eine heidenchristliche Gemeinde, doch jetzt sind die Judenchristen wieder da.
Diese beiden schönen Fraktionen sind ein bisschen unterschiedlich. Warum? Wenn du jüdisch aufgewachsen bist, hast du ein bestimmtes Verhältnis zum Thema Frömmigkeit. Du bist mit bestimmten Regeln groß geworden: Zum Beispiel hast du dein Leben lang kein Schweinefleisch gegessen, hast am Sabbat nicht gearbeitet, und die Beschneidung war für dich völlig selbstverständlich. Du kennst den jüdischen Festkalender mit dem Passah und dem Laubhüttenfest in- und auswendig. Du bist geprägt.
Und diese Prägung, das gilt für jeden von euch, selbst wenn ihr vor eurer Bekehrung Atheisten wart, nimmst du erst einmal in dein geistliches Leben mit. So finden wir jetzt Leute, die diese jüdische Prägung und eine klare Frömmigkeitsvorstellung haben. Diese ist etwas enger; da darf man bestimmte Dinge nicht tun, die eigentlich keine Sünde sind. Aber im Verständnis dieser Leute kriegen sie das einfach noch nicht so richtig hin.
Die Heidenchristen hingegen haben damit gar kein Problem. Nun treffen diese Gruppen in der Gemeinde aufeinander.
Parallelen zur heutigen Gemeindesituation
Und eigentlich könnte man sagen: Na ja, das Thema belastet uns ja nun überhaupt nicht mehr in unserer Zeit.
Dann dachte ich mir: Ja, das stimmt. Wenn ich mir so die Situation in der Gemeinde anschaue, dann habt ihr nicht das Problem, dass Leute mit einem jüdischen und einem heidnischen Hintergrund aufeinanderprallen. Das ist nicht euer Thema.
Aber dann fiel mir auf, dass ihr eigentlich eine spannende Mischung seid. Bei euch – einfach nur, was ich so mitbekommen habe, ich schaue nur von außen drauf – gibt es verschiedene Gruppen. Ich nenne euch mal „Ex-Brüdergemeindler“. Das sind Leute, die in einer Tradition groß geworden sind, in der Themen wie Pünktlichkeit eine große Rolle spielten. Das ist eine Gemeinde, in der man um Punkt zehn anfängt, wie es vorhin im Vergleich zu einer anderen Gemeinde erwähnt wurde.
Ich denke, das sind bestimmte Merkmale, wenn ich an Brüdergemeinden denke – klassische, alte Brüdergemeinden. Dort gibt es bestimmte Ordnungen. Ich erinnere mich noch, als ich das erste Mal bei so einer Gemeinde war und nichts dabei dachte. Ich wollte predigen, hatte aber mein Jackett vergessen. Da wurde mir als Prediger noch ein Jackett geliehen. Das ist dann gar nicht so selbstverständlich. Dort gibt es die Vorstellung, dass man vor Gott selbstverständlich im Anzug auftritt. Wenn du mit Jeans im Gottesdienst sitzt, dann geht das einfach nicht. Wir lächeln darüber, aber das ist ein Hintergrund.
Mit diesem Hintergrund starten Leute in der Gemeinde. Dann weiß ich, es gibt bei euch Ex-Baptisten. Ich weiß, es gibt Leute unter euch, die einen eher charismatischen Hintergrund haben. Dann gibt es diejenigen, die – so wie ich – vielleicht lieber beim Singen sitzen bleiben und das ganz ehrlich meinen, während andere lieber aufstehen.
Auch bei der Gebetshaltung gibt es Unterschiede. Biblisch betrachtet ist das lustig, denn die Gebetshaltung reicht von „ich werfe mich auf den Boden“ bis zu „ich hebe meine Hände“. Dazwischen ist alles vertreten. Unsere Traditionen sind unterschiedlich. Ich kenne niemanden, der sich auf den Boden wirft, aber ich kenne diejenigen, die die Hände hochheben, die Hände falten, die eher nach unten bedächtig sind oder eher nach oben schauen. Es gibt einfach alles.
Ihr seid eine lustige Gemeinde, weil unter euch tatsächlich diese verschiedenen Strömungen zusammenkommen. Deswegen ist das, was wir heute Morgen miteinander betrachten wollen, vielleicht doch etwas, worüber ihr nachdenken müsst.
Verschiedene geistliche Prägungen und ihre Auswirkungen
Es gibt Leute von euch, die einen landeskirchlichen Hintergrund haben. Diese haben oft eine ganz andere Vorstellung. Sie kommen vielleicht in einen Raum und denken: „Na ja, ein bisschen nüchtern.“ Das kann ich gut verstehen, denn mir ging es ähnlich.
Ich habe zum ersten Mal einen Gottesdienst in einer evangelischen Freikirche besucht und dachte ebenfalls: „Na ja, ein bisschen nüchtern.“ Es war ein Haus, vorne hing ein Kreuz, und das war es. Ich dachte mir als jemand aus der Landeskirche: In so einer Kirche muss zumindest eine Kanzel stehen, die etwas erhöht ist. Es müsste ein bisschen Gold vorhanden sein. Ich war zwar evangelisch und habe nicht unbedingt viele kleine Engelchen oder viel Gold erwartet, aber ein bisschen mehr hätte es schon sein dürfen.
Bis heute hängt mir das nach. Wenn ich mir meinen idealen Gottesdienstraum vorstellen dürfte, dann hätte er immer etwas Sakrales, ein kleines bisschen mehr, als es derzeit zumindest in unserer Gemeinde umgesetzt wird. Ich komme aus dieser Tradition, das kann ich nicht verleugnen, und ich bringe mich damit ein.
Jetzt müssen wir uns überlegen: Wenn wir so ein Sammelsurium von verschiedenen Typen sind, die Gemeinde bilden, und die sich oft nicht ausgesucht haben, dass Gott sie in einer Gemeinde zusammenstellt – und wenn wir das Thema Sünde einmal außen vorlassen, denn ich möchte jetzt nicht über Sünde reden – dann möchte ich über das sprechen, was man theologisch „Mitteldinge“ nennt. Ihr könnt das Wort gleich wieder vergessen. Es bezeichnet einfach das, was uns voneinander unterscheidet, aber keine Sünde ist.
Wo müssen wir da aufpassen im Umgang miteinander?
Die Herausforderung von "Schwachen" und "Starken" im Glauben
Es gibt generell zwei Arten von Christen, und diese Unterscheidung gibt es tatsächlich. Die einen werden in der Bibel als „schwach“ bezeichnet. Der Begriff „schwach“ ist nicht zwingend biblisch, denn schon Cicero verwendet ihn. Er beschreibt einen schwachen Menschen als jemanden, der im Hinblick auf moralische Entscheidungen das starke Gefühl hat, eine Sache vermeiden zu müssen, obwohl sie eigentlich nicht vermieden werden muss.
Es gibt Christen, die sagen: „Das darf man nicht.“ Wenn man das ein wenig untersucht und in die Bibel schaut, stellt man fest, dass dort eigentlich nicht steht, dass man das nicht darf. Meist sind solche Verbote in der Geschichte entstanden, durch bestimmte Traditionen oder Stile, bei denen bestimmte Betonungen gesetzt wurden. Plötzlich wurden zweitklassige Fragen wichtig und erhielten den Rang eines Gesetzes. Weil die Gemeinde so groß geworden ist, geht man einfach davon aus, dass das, was eigentlich zweitrangig ist, erstrangig sei. Dadurch hat man an dieser Stelle keine Freiheit, anders zu handeln.
Das wird immer wieder passieren: Menschen, die eine Vorprägung haben, tun Dinge, die eigentlich erlaubt sind, nicht. Ihr Gewissen ist in solchen Fragen enger. Auf der anderen Seite gibt es Christen, die sind da sehr weit, sie haben mit solchen Fragen überhaupt kein Problem.
Ein Beispiel ist die Kleidung: Es geht um Krawatte und Jackett. Ich habe einen Freund, der ist da am äußersten Rand. Er stand einmal vorne mit zerrissenen Jeans. Eine ältere Schwester kam zum ersten Mal zu unserem Gottesdienst und meinte Jahre später: „Als ich ihn da predigen hörte, konnte ich meinen Augen kaum trauen. Aber das, was er gesagt hat, war richtig.“ Da merkt man, wie man den Prediger sieht und denkt: „Das kann doch nicht sein.“ Ein Mann Mitte dreißig, offenes Hemd, zerrissene Jeans – da muss man sich bewusst umstellen, um ihm zuzuhören.
In manchen anderen Gemeinden ist das mit der zerrissenen Jeans Standard. Dort ist man froh, wenn der Prediger eine zerrissene Jeans anhat. In unserer Gemeinde gibt es ein Sammelsurium verschiedener Stile.
Paulus' Ratschläge an die Römer: Umgang mit unterschiedlichen Überzeugungen
Und jetzt schauen wir uns an, welche Ratschläge Paulus den Römern in ihrer Problematik gibt. Danach könnt ihr das selbst auf eure Situation übertragen. Wir sind bei Kapitel 14, Vers 1 angekommen. Dort heißt es: „Den Schwachen im Glauben aber nehmt auf.“
Das bedeutet, wenn jemand eine zu enge Sicht auf Fragen hat, die keine Sünde sind, und sagt: „Nein, da kann ich nicht mitgehen“, dann sagt Paulus: „Nehmt ihn auf!“ Es geht hier nicht darum, über zweifelhafte Fragen zu entscheiden. Die Übersetzung „zur Entscheidung zweifelhafter Fragen“ ist etwas unglücklich. Ich würde lieber sagen: „Nehmt ihn auf, ohne mit ihm über seine Ansichten oder Skrupel zu streiten.“
Denn es geht um Folgendes: Man kann Leute aufnehmen und dabei im Hinterkopf immer den Gedanken haben, dass man sie erst einmal kennenlernt und dann versucht, ihnen die Wahrheit nahezubringen. Gerade wenn du stark im Glauben bist und deine Position gut beschreiben kannst, besteht die Gefahr, dass du denkst: „Der andere muss es doch endlich mal begreifen.“ Vorsicht! Das muss er nicht.
Paulus sagt, es gibt Schwache und es gibt Starke. Wir sollen die Schwachen aufnehmen und nicht sagen: „Was hast du denn für einen komischen Glauben? Du hast bei uns keinen Platz.“ So etwas gibt es nicht. Aber wir sollen uns auch nicht hinstellen und sagen: „Meine erste Christenpflicht besteht darin, dem anderen zu sagen, was er falsch macht.“ Das ist falsch.
Jetzt bringt Paulus ein Beispiel: Einer glaubt, er dürfe alles essen, der Schwache aber isst nur Gemüse. Ihr merkt, hier ist ein starker jüdischer Hintergrund. Das Fleisch, das damals auf dem Markt verkauft wurde, war größtenteils Götzen geopfert. Die von ihrer Frömmigkeit stark jüdisch geprägten Christen sagten: „Damit wollen wir nichts zu tun haben!“ Sie konnten eine Reihe von Bibelstellen aus dem Alten Testament zitieren.
Da sie kein koscheres Fleisch bekamen – die jüdischen Märkte wurden 49 nach Christus geschlossen, logischerweise mit der Ausweisung der Juden – wussten sie auf den heidnischen Märkten nicht, ob das Fleisch in Ordnung war. Deshalb aßen sie einfach nur Gemüse.
In der Gemeinde gibt es also Leute, die denken, es sei richtig, als Christ vor Gott nur Gemüse zu essen. Denn wenn sie das Fleisch essen, das auf dem Markt verkauft wird, verunreinigen sie sich. Andere sagen: „Ach, weißt du, Markus 7,19? Damit erklärte er alles für rein. Game over, ich mache mir keinen Kopf.“
Jetzt treffen diese beiden Fraktionen im realen Leben aufeinander. Das ist keine hypothetische Sache. Vielleicht gibt es irgendwo in Afrika jemanden, der kein Fleisch isst, sondern in meiner Gemeinde. Ich muss jetzt überlegen, wie ich die beiden Gruppen miteinander versöhne.
Grundsätze für das Zusammenleben in der Gemeinde
Und das Prinzip in Vers drei lautet: Der erste Grundsatz an dieser Stelle ist, dass jeder sein ganz spezielles, persönliches Leben für den Herrn Jesus lebt. Das müssen wir uns merken. Unser geistliches Leben ist zuerst einmal kein Leben, das ich für die Gemeinde lebe. Es geht nicht darum, was du über mein Leben denkst und wie du mein Leben beurteilst. Es geht auch nicht darum, ob ich mich wohlfühle, wenn ich so lebe, wie ich will, im Blick auf dich.
Es geht immer um die Frage: Wie ist mein persönliches Leben im Blick auf den Herrn Jesus? In Vers drei heißt es deshalb: Wer isst – das sind jetzt die Starken –, die sagen: „Na, so ein Steak am Abend, medium durch auf dem Grill, weißt du, mit einer fetten Soße drüber, ja? Boah, das ist schon okay.“ Und dann laden wir unsere Freunde ein und machen ein richtiges Barbecue.
Also, wenn du so ein Typ bist, der sagt: „Ich habe da null Probleme damit, wer isst“, dann sagt Paulus: „Pass auf, verachte den nicht, der nicht isst.“ Wisst ihr, wenn du so ein bisschen freier bist und verstanden hast, dass das Evangelium an einigen Stellen Türen aufreißt, die es dir erlauben, die guten Gaben Gottes in ihrer ganzen Fülle zu genießen, ohne sie in Sünde zu verkehren, dann passiert es ganz leicht, dass du Leute, die deutlich enger sind in bestimmten Teilfragen, für „Korinthenkacke“ hältst. Weil du einfach denkst: „Wie kann man so verbohrt sein, ey! Das ist nur ein Stück Fleisch. Jetzt hab dich nicht so, ja? Jetzt probier wenigstens mal!“
Das wäre die eine Seite: Ich verachte den anderen, ich schaue auf ihn herab. Paulus sagt: Falsch. Das möchte ich nicht. Wenn du ein Starker bist, wenn du verstanden hast, dass du im Blick auf Glaubensfragen eine breite Sicht hast, die die richtige Sicht ist – Paulus streicht das an keiner Stelle durch –, dann bitte verachte den nicht, der eine engere Sicht hat.
Ein Beispiel, und das glaube ich, ist etwas, was die Jüngeren lernen müssen: Da kommt der ältere Bruder tatsächlich jeden Sonntag mit Anzug und Krawatte, und die Jungen denken: „Das muss man doch nicht.“ Und sie haben ja recht, natürlich muss man das nicht. Man kann es, es hat vielleicht seine Berechtigung, aber man muss es nicht. Und sie lernen, dass dieser alte Bruder in so einem Traditionsdenken gefangen ist. Und wie leicht passiert es, dass man auf ihn herabsieht, dass man ihn verachtet, dass man sagt: „Ja, was ist denn das für ein Glaube?“
Paulus verbietet das. Umgekehrt gilt dasselbe: Wer nicht isst – also wer in seinem Gewissen gefangen ist, wer an bestimmten Punkten sagt: „Nee, das darf man doch als Christ eigentlich nicht“ –, wer nicht isst, richte den nicht, der isst. Also der Schwache darf dem Starken nicht den Vorwurf machen: „Du bist viel zu lax in deinem Glaubensleben.“ Warum? Denn Gott hat ihn angenommen.
Und das bezieht sich erst einmal auf den Starken, aber wahrscheinlich auf beide, denn Gott hat ihn angenommen. Der Grundsatz lautet: Da, wo Gott einen Menschen in seiner Unterschiedlichkeit annimmt – und wir reden jetzt nicht über Sünde, wir reden über Frömmigkeitsstile, über enge Gewissen –, da sagt Gott ja zu einem Menschen. Da dürfen wir zu dem Menschen nicht Nein sagen.
Wir dürfen ihn weder verachten – und das fängt im Kopf an, es ist die Frage, wie ich über jemanden denke –, noch im umgekehrten Fall richten. Beides ist falsch. Und ihr werdet im Zusammenleben, auch hier in der Gemeinde, auch wenn die Fronten vielleicht nicht so starr und hart sind wie in Rom, merken, dass es ganz leicht passiert, dass man einander verachtet oder richtet über zweitklassige Fragen.
Und das ist hier verboten. Wenn ihr euch etwas richtig Gutes tun wollt für euch als Gemeinde, dann lasst das gelten. Und wann immer ihr mitbekommt, dass jemand verachtend oder richtend über einen anderen urteilt in zweitklassigen Fragen, in Mitteldingen, dann haut ihm echt auf die Finger, denn das macht Gemeinde kaputt.
Die Spannung in der Gemeinde als bleibende Realität
Auf der anderen Seite steckt natürlich auch ein Potenzial darin, wenn ich es schaffe, darüber nachzudenken: Wir werden immer in der Gemeinde mit dieser Spannung leben müssen. Gemeinde ist sogar—es geht gar nicht anders—zwingend dieser Spannung unterworfen. Das gilt von der Zeit des Neuen Testaments an wahrscheinlich bis in alle Ewigkeit.
Jeder muss sein eigenes Leben vor Gott leben, das ist ein Grundsatz. Ein weiterer Grundsatz steht in Vers 10: Jeder muss Gott selbst Rechenschaft ablegen. Du aber, was richtest du deinen Bruder? Was richtest du deine Geschwister? Oder du, was verachtest du deinen Bruder? Hier haben wir die beiden Gruppen wieder.
Wir werden alle vor dem Richterstuhl Gottes gestellt werden. Wir werden alle einmal selbst mit unserem Leben beurteilt werden. Gott wird uns vor seinen Richterstuhl stellen. Dabei geht es nicht darum, ob wir ewiges Leben bekommen, sondern um die Frage, wie wir unser Leben gelebt haben.
Gott wird unser Leben beurteilen, aber es ist Gott, der unser Leben beurteilen will. Deshalb geht es nicht darum, dass wir uns gegenseitig schon verurteilen in solchen Fragen. Wenn jemand kein Fleisch isst, dann halt den Mund und denk nicht darüber nach. Das ist sein Thema. Du brauchst ihn nicht zu verurteilen.
Wenn das richtig ist, wird Gott ihn dafür loben. Wenn es aus einer falschen Motivation heraus geschieht, wird Gott sich darum kümmern. Sei eher vorsichtig, denn wir werden alle beurteilt werden. Du wirst für dein Verhalten von Gott beurteilt.
Du bist erst einmal nur dafür verantwortlich, dass du den anderen nicht verachtest und nicht richtest. Mehr ist erst einmal gar nicht Thema, das steht gar nicht zur Diskussion. Das ist dein Part, und darum kümmere dich bitte.
Rücksichtnahme der Starken auf die Schwachen
Und wenn du schon dabei bist, dich um dein Verhältnis zu kümmern – gerade jetzt, wenn du ein Starker bist, der ein breites Verständnis hat – dann achte auch auf dein Verhältnis zu den Schwachen. Pass auf, dass du an der Stelle, wo du Freiheit hast und sagst: „Die Dinge sind erlaubt“, den Schwachen nicht zum Anstoß wirst.
In Römer 14,13 heißt es: „Lasst uns nun nicht mehr einander richten.“ Das sind die beiden Richtungen. „Richtet vielmehr darüber, dass dem Bruder kein Anstoß oder Ärgernis gegeben wird.“
Ich muss etwas zu diesem Begriff Anstoß sagen, weil er sehr gerne falsch verstanden wird. Der Begriff Anstoß oder Ärgernis ist ein extrem starker Begriff. Es ist ein Anstoß zur Sünde, bei dem der andere einen nachhaltigen Schaden an seinem geistlichen Leben erfährt.
Es geht hier also nicht darum, dass ich irgendetwas tue, das den anderen irritiert. Vielleicht irritiert es dich, wenn du hörst: Jürgen raucht ab und zu eine Zigarre. Das mag dich irritieren, aber ich verspreche dir, ich kann dir das sagen, ohne dass du einen bleibenden Schaden an deinem geistlichen Leben hast.
Das mag dich nicht nur irritieren, es mag dich vielleicht sogar ein Stückchen abstoßen, weil du sagst: „Wie kann man nur?“ Dann kannst du dich mit mir darüber unterhalten. Aber es wird dein Glaubensleben nicht in den Grundfesten erschüttern. Du wirst am Ende nicht sagen: „Jetzt kann ich nicht mehr an Gott glauben.“
Du magst das nicht mögen, du magst mich an der Stelle nicht verstehen, aber es ist biblisch gesehen kein Anstoß oder Ärgernis, weil ich dich nicht an der Stelle zu einem Tun verleite, bei dem am Ende dein Glaube auf der Strecke bleibt.
Und das müssen wir verstehen. Man kann diesen Begriff oder diesen Vers nehmen, dass wir dem Bruder kein Anstoß oder Ärgernis geben sollen. Und man kann alles unter die Rubrik Anstoß und Ärgernis packen, was einen an dem anderen ärgert und stößt.
Also nach dem Motto: „Mir gefällt deine Haarfarbe nicht, du bist mir ein Anstoß und Ärgernis.“ Und hier steht: „Ja, wir sollen das sein lassen, also ändere deine Haarfarbe.“ Entschuldigung, das geht ja nicht, stimmt.
Was bei der Haarfarbe nicht geht, gilt bei allen Dingen, die genau diese Qualität haben, dass sie dein geistliches Leben nicht zerstören. Das ist wichtig. Denn wenn wir den Begriff Ärgernis und Anstoß anders füllen, kommen wir zu dem, was man eine Diktatur der Schwachen nennt.
Jeder, der an irgendeiner Stelle eine kleine Empfindlichkeit hat, sagt: „Hier fühle ich mich aber angestoßen, das ist mir ein Ärgernis.“ Und dann kriegen wir ein echtes Problem, wo ich dann sage: „Entschuldigung, dann können wir nicht mehr leben.“
Deswegen ist es wichtig. Wenn ihr das noch genauer studieren wollt: 1. Korinther 8 wären die Belegstellen dafür.
Das heißt, die Freiheit der Starken trägt in sich das Potenzial, die Glaubensbeziehung der Schwachen zu vergewaltigen. Es besteht die Möglichkeit, dass ich mit meiner Stärke so stark bin, dass ich dem Schwachen in seiner Glaubensbeziehung Gewalt antue.
Und Paulus sagt: Wo das passiert, sei vorsichtig.
Die Balance zwischen Freiheit und Rücksichtnahme
Jetzt kann man sich die Frage stellen: Wie kann so etwas passieren? Wo liegt für einen Starken die Grenze?
Auf der einen Seite dürfen wir nicht vom Pferd fallen und in die Diktatur der Schwachen geraten. Das heißt, wir sollten nicht alles ablehnen, nur weil jemand sagt: „Das mag ich nicht.“ Zum Beispiel Schlagzeug im Gottesdienst – manche sagen: „Das war früher so, aber heute geht das nicht mehr.“ Dabei sieht man in der Bibel, dass Rhythmusinstrumente verwendet werden dürfen. Warum also heute nicht? Das verstehe ich nicht. Hier müssen wir also vorsichtig sein.
Auf der anderen Seite dürfen die Starken nicht so weit gehen, dass sie an heiklen Stellen den Schwachen Anstoß und Ärgernis geben. Das ist eine Realität. Paulus spricht hier nicht über Dinge, die es nicht gibt. Die Frage ist: Wo beginnt Anstoß und Ärgernis? Wo vergewaltige ich den Glauben eines Schwachen?
Die Antwort will ich nicht an allen Versen vorlesen, aber sie ist klar: Wenn ich aus meiner Stärke heraus handle – und das Problem der Starken ist ihre unglaubliche Überzeugungskraft, die Wucht, mit der sie als Persönlichkeit auftreten können – dann kann das gefährlich werden. Es ist klar, ich bin einfach überzeugt von dem, was ich tue, ich bin begeistert.
Wenn ich mit dieser Überzeugung in das Leben eines anderen Menschen hineinwirke und ihn dazu bringe, etwas zu tun, von dem er selbst denkt, dass es falsch ist, wenn er gegen seine Glaubensüberzeugung handelt – und damit gegen das Heiligste, was es in seinem Leben gibt, nämlich seine persönliche Beziehung zu dem Herrn Jesus – dann tut er etwas, was nicht mehr aus Glauben geschieht.
Dann bringe ich ihn dazu zu sündigen und schädige ihn in seiner ureigensten Gottesbeziehung. Das darf ich nicht. Hier fängt Anstoß und Ärgernis an.
Das heißt: Als Starker muss ich überlegen, wo der Punkt ist, an dem ich mit meinem Verhalten jemanden dazu zwinge, etwas zu tun, was er niemals tun möchte.
Gemeindliche Auswirkungen und das Reich Gottes
Ein Dreifaches, so will ich das mal sagen. Erstens bedeutet es, dass ich durch diesen Umgang miteinander dafür sorge, dass wir als Gemeinde nach außen den richtigen Eindruck erwecken. Stell dir eine Gemeinde vor, die sich permanent darüber streitet, wie lang die Röcke der Frauen im Gottesdienst sein sollen.
Wenn das wirklich ein Streitthema wäre, das man durchkaut und das auch die Leute außenrum mitkriegen, was denken die dann über die wichtigen Dinge im Reich Gottes? Kapitel 14, Vers 16 sagt: Lasst nun euer Gut gemeint ist das Gute, das Evangelium davon, dass Gott Herzen verändert, nicht verlästert werden. Also wenn draußen Leute draufschauen, pass auf, dass das Eigentliche nicht verlästert wird.
Denn das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken. Wenn du das Reich Gottes auf Essen, Trinken und solche Fragen reduzierst, wenn du sagst, darum geht es eigentlich in der Gemeinde und das wird nach außen weitergegeben, dann werden die Leute sagen: Die Christen spinnen, die streiten sich über Fragen, auf die wäre ich noch gar nicht gekommen. Aber darum geht es nicht.
Das Reich Gottes ist Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist. Das sind die Kernelemente. Wenn Leute überlegen, was macht die EFG Schwante Schrägstrich Felefanz eigentlich aus, von draußen betrachtet, dann sollen sie mitbekommen: Denen geht es um Gerechtigkeit, also darum, wie ein Mensch mit Gott in Ordnung kommt. Denen geht es um Friede, und zwar untereinander. Die wollen lernen, so miteinander umzugehen, dass es da keinen Streit gibt.
Dieses ganze Ding, das wir gestern Abend betrachtet haben, dieses sich gegenseitig Auferbauen, das ist vielleicht heutzutage der wichtigste Punkt. Bei denen geht es um Freude. Also bei denen kann man auch mal lachen, da kann man auch mal einen Fehler machen. Das ist irgendwie nicht das, was in diese Zeit passt.
Aber es ist nicht irgendeine Gerechtigkeit, irgendein Friede und irgendeine Freude, sondern es ist Freude im Heiligen Geist. Das heißt, Gerechtigkeit, Friede und Freude werden durch den Heiligen Geist gewirkt, nichts Selbstgemachtes. Das steht im Zentrum vom Reich Gottesgedanken.
Das ist Gemeinschaft, das ist Gemeinde – und nicht diese ganzen zweitklassigen Fragen, die sich übrigens nur dann in den Vordergrund spielen, wenn ich das hier verloren habe. Wenn Heiligkeit, Miteinander und Freude plötzlich sekundär werden. Und deswegen arbeitet lieber daran, dass das unter euch stark bleibt.
Das Ziel: Frieden und gegenseitige Erbauung
Also erster Punkt. Zweiter Punkt: Wir müssen darauf achten, wenn wir uns schon anstrengen und zum anderen über andere nachdenken, dass wir einander erbauen.
Vers 19: So lasst uns nun dem nachstreben, was des Friedens ist, und dem, was zur gegenseitigen Erbauung dient.
So wie christliche Freiheit dort endet, wo ich für den Schwachen zur Gefahr werde, so darf ich natürlich im positiven Sinn überlegen: Wie kann ich den anderen unterstützen? Wie schaffe ich es, den anderen zu erbauen?
Und das gilt auch für die Schwachen: Wie kriegen wir das hin, dass wir einander erbauen?
Das ist ein bisschen das, was ich gestern Abend auch über die Bruderliebe gesagt habe. Wie schaffen wir es, dass wir hierher kommen, wieder nach Hause gehen und irgendwie motiviert, gekräftigt und gestärkt nach Hause gehen?
Das ist unsere Aufgabe – nicht dieses krittelige „Ach, das und das habe ich bei dem und dem im Leben gesehen“. Mann, wir Deutschen sind so, und die Berliner sowieso. Ich ziehe euch da einfach mit rein: Der Speckgürtel ist so ähnlich wie Berlin.
Mann, wir müssen über alles und jeden noch eine Meinung haben, ja, zu allem ein Urteil. Wozu denn? Warum musst du alles beurteilen, alles kritisieren, alles abwägen? Lass mich doch mein Leben leben. Es ist meins und nicht deins. Mach du deins.
Überleg dir, wenn du schon über mich nachdenken willst, wie du mir etwas Gutes tun kannst, und lass den Rest einfach unter den Tisch fallen.
Das ist das, was Paulus hier sagt: Lass uns nun dem nachstreben, was des Friedens ist, und dem, was zur gegenseitigen Erbauung dient (Römer 14,19).
Christliche Freiheit im privaten und gemeinschaftlichen Leben
Und noch etwas, und das ist jetzt für die…
Denn es klingt so nach: „Okay, wir sind frei, wir sollen niemandem zum Ärgernis sein.“ Aber dann gibt es ja doch praktische Situationen. Zum Beispiel habe ich eine Grillfete, die wir als Gemeinde ausrichten. Dann steht die Frage im Raum: Grillen wir oder grillen wir nicht? Na ja, ich meine, grillen wir Dinge außer Tofubuletten?
Dann wird natürlich jemand zu Recht sagen: „Ey, lass uns aufpassen, dass wir da jetzt niemanden irgendwie über den Tisch ziehen, mit so einem jüdischen Hintergrund usw.“ Am Ende wird es dann wahrscheinlich doch nur auf eine sehr überschaubare Anzahl von Steaks hinauslaufen. Es wird irgendwo eine Einschränkung sein, und sie wird aus Liebe ganz ehrlich gelebt werden.
Jetzt ist ein ganz wichtiger dritter Punkt: Christliche Freiheit darf im Privaten gelebt werden. Das ist ganz wichtig. Da heißt es im Vers 22: „Hast du Glauben?“ Hier spricht er zu den Starken. Verstehst du den christlichen Glauben mit seinen Folgen, mit der Weite dessen, was erlaubt ist? Verstehst du ihn richtig? Hast du Glauben? Habe ihn für dich selbst vor Gott.
Ja, es gibt dieses, dass ich in der Gemeinde nicht alles auslebe, was ich mir wünsche. Freunde von mir kommen mehr aus der Metal-Szene, und wenn ich ihnen überlassen würde, was sie am liebsten im Gottesdienst für Musik spielen, dann wäre das für uns restliche Gemeindebesucher schwer ertragbar. Das ist einfach so.
Das gilt übrigens manchmal auch für Lieder, die hundertfünfzig Jahre alt sind. Ja, das ist einfach so, man muss ehrlich sein. Finde einen Mittelweg, wo du Lieder spielst, an die jeder von uns emotional andocken kann. Und das heißt: Wenn es da mit hundertsechzig Beats per Minute durchgeht, habe ich Probleme, da reinzufinden, das gebe ich ehrlich zu.
Auf der anderen Seite weiß ich, dass andere Geschwister Probleme haben, an ein Lied anzudocken, das aus dem achtzehnten Jahrhundert stammt. Die kommen einfach gedanklich nicht mehr rein. Also lasst uns da einen Mittelweg finden, etwas, das zur gegenseitigen Erbauung dient.
Aber wenn ich alleine bin, also wenn keiner zuhört, wenn die, die kein Verständnis dafür haben, dass man bei „es geht noch viel schneller“ auch gemütlich entspannen kann, dann darf ich mich in meinen Sessel setzen, die Anlage auf zehn stellen, und die Nachbarn dürfen mithören. Aber bitteschön im Privaten!
Das heißt, geistliches Leben hat zwei Dimensionen: Es hat eine private Seite, wo du ganz du selbst sein darfst, und es hat eine gemeinschaftliche Seite, wo ich, weil ich ein Mensch bin, der lieben will, mich zurücknehme. Wo ich mir die Frage stelle: Muss ich das jetzt ausleben, diese Freiheit oder dieses Bedürfnis, das ich habe? Muss das jetzt wirklich als Trennung zwischen mir und dem anderen stehen?
Die Herausforderung der Generationen und das Vorbild Jesu
Ich stelle mir das manchmal vor, wenn ich diese Frage habe, besonders wenn ich sehe, wie schwierig das Verhältnis zwischen Älteren und Jüngeren in Gemeinden ist und wie sich die Jugendgruppe immer mehr abspaltet. Am liebsten würde ich beide ohrfeigen, weil beide Fehler machen. Beide schaffen es irgendwie nicht, mal einen Schritt zurückzugehen.
Es ist so schade, denn dieser Text ist eigentlich ganz einfach: Hey, lasst uns doch einfach unsere Freiheiten nutzen, um einander zu erbauen. Lasst uns einen Weg finden, auf dem wir gemeinsam eine Linie finden, wo Jung und Alt, Brüdergemeindler und Charismatiker, Intellektuelle und einfach gestrickte Menschen einfach miteinander ihren Glauben leben.
Es geht doch nicht darum, dass ich dein ganzes Leben bestimmen oder vergewaltigen will, sondern darum, dass wir dort, wo wir zusammen sind, Gottes Reich auf dieser Erde repräsentieren.
Wir haben ein großes Vorbild, nämlich Jesus und das, was er getan hat. Wenn wir Römer 15,1 lesen, heißt es: „Wir aber, die Starken, sind verpflichtet, die Schwachheiten der Kraftlosen zu tragen.“ Ja, du wirst an der einen oder anderen Stelle zurückgehen und sagen: „Jetzt ertrage ich.“ Wir sind verpflichtet, die Schwachheiten zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen.
Wenn das unsere Motivation ist, können wir uns die Frage stellen: Wo finden wir unser bestes Vorbild? Die Antwort ist ganz naheliegend: bei dem Herrn Jesus.
In Römer 15,7 heißt es: „Deshalb nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat, zu Gottes Herrlichkeit.“ Hier sehen wir wieder die Problematik: Judenchristen, die zurückkommen, und Heidenchristen, die sagen: „Wir sind schon hier, wir wollen euch eigentlich nicht mit eurer komischen Frömmigkeit und eurer engen Theologie.“ Sie sagen: „Wir waren so froh, dass ihr weg wart, wir konnten hier endlich Gemeinde leben, wie wir uns das immer vorgestellt haben. Und jetzt kommt ihr wieder. Mann, da gruselt es mich schon, wenn ich darüber nachdenke, wie die nächste Gemeindestunde abläuft.“
Das ist die Gefahr. Paulus sagt: Nehmt die Leute auf! Du brauchst ein Vorbild dafür. Deshalb heißt es: „Nehmt einander auf, wie auch der Christus euch aufgenommen hat.“ Das ist unser Vorbild.
Ein Christus, von dem es in Vers 8 heißt: „Denn ich sage, dass Christus ein Diener der Beschneidung geworden ist.“ Mit „Beschneidung“ ist hier das Judentum gemeint, also die Menschen, die im Neuen Testament unter dem jüdischen Glaubenssystem leben.
Da kommt der freieste aller Menschen und tritt hinein in ein Glaubenssystem, das so eng ist – viel enger, als das, was die Judenchristen hier denken. Jesus sagt: „Das ist kein Problem, ich mache mit, ich lasse mich beschneiden, ich werde den Sabbat heiligen, und ich werde das mit dem Essen so machen, ich werde das alles machen.“
Warum? Weil das sekundär ist. Wenn ich einmal verstanden habe, worum es bei Liebe geht, dann werde ich an dieser Stelle dem Vorbild Christi folgen und sagen: Wenn ich hier bin, in dieser Gemeinde, dann suche ich nicht nach der Gemeinde, die auf ideale Weise genau alles hat, was ich mir immer für mich gewünscht hätte – genau die Art von Atmosphäre, von Musik, von Predigt.
Sondern ich suche die Gemeinde, in die Gott mich hineinstellt. Ich nehme das mit, was mir gefällt. Logisch, es soll schon auch nicht abschreckend für mich sein, es muss lebbar bleiben. Aber ansonsten verstehe ich: Wie Christus ein Diener der Beschneidung geworden ist, so bin ich in eine Gemeinde hineingestellt, nicht um mir selbst zu gefallen, sondern um zum Frieden und zur Erbauung anderer Menschen da zu sein.
Das ist Liebe.
Abschluss der Ermahnungen und persönlicher Schluss
Und damit sind wir bei den Ermahnungen am Ende angekommen. Das ist das, was Paulus eigentlich wichtig ist: Rückt zusammen, versteht die Kapitel eins bis acht als das Evangelium, lebt das Evangelium, werdet eine Gemeinde und repräsentiert das Reich Gottes.
Der letzte Teil, Teil 6, umfasst Römer 15,15 bis Kapitel 16, Vers 27. Es ist ein persönlicher Schluss, der aus drei Teilen besteht.
Im ersten Teil schildert Paulus kurz, wo er gerade steht. Er stellt sich vor und blickt rückblickend auf seinen Dienst als Apostel. Dann wirft er einen Blick in die Zukunft: Er möchte nach Jerusalem reisen und, wenn er dort ist, weiterziehen Richtung Spanien. Dort würde er die Gemeinde gerne besuchen.
Paulus bittet auch um Gebet. Sein Gebetsanliegen lautet, dass er nicht genau weiß, wie sein Besuch in Jerusalem aufgenommen wird. Es gibt Kräfte in Jerusalem, die ihn ablehnen. Er bittet darum, dass, wenn er dorthin kommt, das gelingt, was er sich wünscht.
Interessanterweise ist sein Wunsch, oder das, was er tun will, eine Spende abzugeben. Die Heidenchristen haben nämlich für die Judenchristen gesammelt. Paulus möchte mit diesem Geld nach Jerusalem gehen und hofft, dass das Geld angenommen wird – als Ausdruck des einen Leibes Christi. Die Judenchristen sollen das Geld nehmen und sagen: "Stimmt, wir sind eigentlich näher beieinander, als wir immer gedacht haben." Paulus hofft außerdem, dass er vor den Anfeindungen, die ihn dort erwarten, bewahrt wird.
Kapitel 16 enthält eine lange Liste von Grüßen. Das ist der Teil, in dem Paulus viele Personen grüßt. Ich empfehle, diesen Abschnitt durchzulesen: "Ich grüße den und grüße den und grüße den." Insgesamt grüßt Paulus sechsundzwanzig Personen.
Man stellt sich die Frage: Warum? Das ist ein teures Papier, eine halbe Seite. Wäre es nicht schick gewesen, noch etwas zu einem theologischen Problem zu schreiben? Stattdessen Name über Name, 26 Personen.
Der Grund ist folgender: Paulus bindet zum Schluss noch einmal auf ganz praktischer Ebene etwas zusammen. Es geht darum, eine judenchristliche Fraktion und eine heidenchristliche Fraktion zu verbinden.
Das heißt, als Erstes sagt er: "Ich grüße jetzt mal 26 Leute." Nein, eigentlich grüßt er sie nicht nur, sondern bittet darum, dass die Heidenchristen diese Juden in den Arm nehmen. Das Wort "grüßen" bedeutet hier, auf jemanden zuzugehen und ihn in den Arm zu nehmen.
Paulus sagt also: "Ich möchte 26 Leute vorstellen, von denen aller Voraussicht nach die meisten Juden sind. Ich schreibe an die Heidenchristen und bitte euch, diese Juden herzlich in eure Gemeinschaft aufzunehmen und ihnen einen heiligen Kuss von mir zu geben."
An dieser Stelle wird spätestens klar, dass Paulus, wenn die Heidenchristen auf die Judenchristen herabblicken und mit ihnen nichts anfangen können, sagt: "Ich stelle euch 26 von ihnen vor, von denen ich persönlich denke, dass es erstklassige Christen sind. Wenn ihr euch erdreistet, diese nicht in eure Gemeinschaft aufzunehmen, dann werde ich als Apostel euch dahinterher bitten: Macht das jetzt mal."
Das ist die eine Seite: Die Starken sollen die Schwachen in ihre Gemeinschaft aufnehmen.
Dann gibt es noch einen letzten Punkt, bevor Paulus mit einem Lobpreis endet. Auch für die Schwachen hat er noch ein Wort. Er ermahnt sie: "Brüder, achtet auf die, welche entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt, Parteiungen und Ärgernisse anrichten" (Römer 16,17).
So wie die Starken die Schwachen aufnehmen sollen, so sollen die Schwachen auch aufpassen. Sie sollen sich vor denen in Acht nehmen, die durch die Gemeinde ziehen und Parteiungen und Ärgernisse verursachen. Das sind genau die Typen, die Spaltungen bringen wollen, die Gruppen auseinanderziehen wollen und auch diejenigen, die provokativ sind und nicht verstanden haben, wie sie sich verhalten sollen.
Die Schwachen müssen aufpassen, dass sie sich nicht von Irrlehre wegdrängen oder wegziehen lassen. Die Starken müssen darauf achten, keine eigene Clique zu bilden und die Schwachen außen vor zu lassen.
Dort, wo auf der Basis guter Lehre – denn gute Lehre verbindet, nur Irrlehre spaltet – acht Kapitel gutes Leben aufgebaut werden, schließt Paulus an dieser Stelle, Römer 16,25, ab.
Er sagt: "Dem aber, der euch zu befestigen vermag, nach meinem Evangelium, nach dem, was ich euch von einem barmherzigen Gott gesagt habe" (Römer 16,25).
Und in Vers 27 heißt es: "Dem allein weisen Gott, durch Jesus Christus, ihm sei die Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Amen."
Ich wünsche euch, dass ihr so eine Gemeinde wärt. Amen.