Es ist Ferienzeit, und ich habe für euch eine vierteilige Reihe zum Thema Gebet vorbereitet.
Theologie, die dich im Glauben wachsen lässt. Nachfolge praktisch – dein geistlicher Impuls für den Tag.
Mein Name ist Jürgen Fischer, und heute geht es um Antworten auf Fragen zum Gebet.
Ein persönlicher Einstieg ins Thema Gebet
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen!
Das Thema hat sich nun thematisch ein kleines bisschen anders entwickelt als ursprünglich geplant. Wie hast du das so schön formuliert? Wir haben die Soße immer weiter reduziert. Ich hoffe, sie ist dadurch geschmackvoller und gehaltreicher geworden.
Ich möchte noch einmal sagen, was mich an diesem Thema Gebet wirklich begeistert. Mich begeistert, dass man es lernen kann. Mich begeistert auch, dass wir als Christen, wenn wir darüber nachdenken, was es heißt, Christus ähnlicher zu werden – wir sprechen ja manchmal von Christusebenbildlichkeit – und dass der Geist Gottes uns in das Bild Jesu Christi verwandeln will.
Das lesen wir in 2. Korinther 3,18. Das ist das große Ziel von Heiligung: nicht, dass wir irgendwie mehr so werden, wie wir schon sind, sondern dass wir mehr werden wie Jesus.
Die Bedeutung von Gebet im Prozess der Christusebenbildlichkeit
Wenn wir uns die Frage stellen: Was bedeutet es eigentlich, Christus ähnlicher zu werden, dann denken wir oft zuerst daran, Sünde zu überwinden. Und ich glaube, das ist auch richtig.
Doch wir dürfen auch darüber nachdenken, wie wir gute Gewohnheiten entwickeln können. Wenn wir das im Blick haben, kommen wir zum Gebet. Es war mir wichtig, euch das zu zeigen.
Wenn ihr Christus nachahmen wollt, wenn ihr diese Sehnsucht habt, Menschen zu werden, wie Gott sie sich vorstellt, und wenn ihr glaubt, dass Jesus so ein Mensch war, wie Gott ihn sich vorgestellt hat, dann gehört das Gebet unbedingt dazu.
Dabei geht es nicht einfach um eine Pflichtübung. Vielleicht beginnt man so: Man denkt, ein Christ muss beten, ein Christ sollte beten, ein Christ darf beten, ein Christ ist einfach ein Beter.
Ihr merkt, das ist eine Entwicklung. Am Anfang liest man vielleicht: „Betet unablässig“ (1. Thessalonicher 5,17) und „Übt euch in der Gottseligkeit“ (1. Timotheus 4,7). Dann stellt man irgendwann fest: Wenn ich bete, will etwas in mir beten.
Gebet als Mittel zur Beziehung und Transformation
Und dann kommt dieser Moment, in dem etwas in mir nicht nur beten will, sondern auch merkt, dass das Gebet mich formt und prägt. Das Gebet wird zu einem Mittelwirt in meinem Leben. Ich darf das so sagen: Es ist der Mittelwirt in meinem Leben, um die Nähe zu Gott zu fördern, um meine Begeisterung für Gott nicht zu verlieren und um eine ehrliche Beziehung zu leben.
Denn Gebet ist wahrscheinlich die ehrlichste Form der Begegnung mit Gott. Hier im Gottesdienst machen wir uns immer etwas vor, das ist uns ja klar. Du bist nicht du. Das, was du hier abgibst an geistlicher Show, ist nicht dein geistliches Leben. Das ist ja logisch, das wissen wir alle.
Aber wenn du alleine bist mit Gott, da, wo niemand zuschaut, kannst du dich selbst erleben. Dort kannst du sehen, wer du wirklich bist. Und das ist ein ganz, ganz wertvoller Blick. Dieser Blick darf kein Blick der Verurteilung sein, sondern ein Blick der Gnade.
Ich darf mir selbst im Spiegel begegnen und sagen: Wow, da ist noch wirklich viel zu tun. Halleluja, packen wir es an!
Leben aus Gnade und der fortwährende Transformationsprozess
Versteht ihr, das ist die Chance des wahren Christseins: dass wir aus Gnade leben und dass dieser Transformationsprozess bis zum letzten Atemzug andauert. Wir werden als gebrochene Menschen in die Ewigkeit eingehen.
Jeder von uns wird in dem Moment, in dem wir dem Herrn Jesus gegenüberstehen, ihm begegnen als einem Retter, der uns mit Gnade entgegenkommt. Ihr könnt das im 1. Petrus 1,13-21 nachlesen.
Warum bringt der Herr Jesus Gnade mit? Weil wir sie brauchen. Wir werden bis zum Schluss auf einem Weg sein, und trotzdem ist dieser Weg Schritt für Schritt von Gnade geprägt.
Es ist eine Chance, und dazu gehört nun mal Gebet einfach mit dazu.
Die Gefahr des geistlichen Aktionismus und die Bedeutung von Echtheit
Gebet, damit wir uns in diesem Leben als Christen, gerade wenn man so unterwegs ist wie ihr – ich meine damit Deutschland, Mittelschicht, fleißig, irgendwie gebildet –, nicht verirren. Ihr könnt alle lesen, und das macht etwas mit euch.
Ich verspreche euch, dass das, was es zuerst bewirkt, wahrscheinlich ist, dass ihr Aktionismus mit Geistlichkeit verwechselt. Das passiert ganz schnell. Ihr denkt: „Ich mache ja viel in der Gemeinde, deswegen ist es gut.“ Versteht ihr diesen Gedanken?
Das ist eine Lüge, um es ganz deutlich zu sagen. Du kannst viel in der Gemeinde machen und trotzdem strunzdumm im Glauben sein. Das ist ganz einfach möglich.
In Matthäus 7, am Ende der Bergpredigt, trifft der Herr Jesus auf Leute, die sagen: „Haben wir nicht in deinem Namen…“ und dann zählen sie auf, was sie alles getan haben. Aber der Herr Jesus sagt nicht: „Ja, super, habt ihr toll gemacht.“ Stattdessen sagt er: „Sorry, mag sein, dass ihr das alles gemacht habt, aber ich kenne euch nicht.“
Deshalb müssen wir, denke ich, in unserer Zeit und mit unserer Herkunft ganz besonders darauf achten, dass wir uns nicht in geistlichem Aktionismus verlieren und uns darüber definieren. Wir sollten uns immer wieder vor Augen halten: Du bist genau das, was du bist, wenn du alleine mit Gott bist.
Die Herausforderung, echte Begeisterung für Gott zu leben
Und dafür wollte ich euch ein Stück gewinnen, gewinnen, weil es so leicht passiert, dass man ein Lied singt, eine Strophe hat, und ich lese euch einfach die erste Strophe des Liedes, das wir eben gesungen haben, noch einmal vor:
„Du großer Gott, wenn ich die Welt betrachte,
die du geschaffen durch dein Allmachtswort,
wenn ich auf alle jene Wesen achte,
die du regierest und nährest fort und fort,
dann jauchzt mein Herz.“
Ganz ehrlich, wann hast du das letzte Mal gejauchzt? Ich meine das ehrlich. Du hast das gerade irgendwie sechs Strophen lang gesungen, dass du ständig jauchzt. Und ganz ehrlich, es ist eine Lüge, oder? Die meisten von euch haben wahrscheinlich Monate, wenn nicht jahrelang nicht mehr vor Gott gejauchzt.
Vielleicht weiß der ein oder andere gar nicht, was es heißt, vor Gott zu jauchzen. Also ich hoffe, du weißt, was das Wort bedeutet, ja? Wisst ihr, was jauchzen ist? Ja, das ist jauchzen, so ungefähr, oder ein bisschen lauter. Das ist Jauchzen: so restlos von innen heraus begeistert zu sein über Gott.
Ich möchte euch unglaublich gerne gewinnen für einen Lebensstil, in dem Jauchzen tatsächlich Platz findet. Meine Sorge, meine ganz, ganz große Sorge ist, dass wir diese Lieder singen und durch die Lieder eine Qualität von geistlichem Leben transportieren.
Die Diskrepanz zwischen gesungenem Lobpreis und gelebter Wirklichkeit
Wenn ich euch frage: Wann hast du wirklich das letzte Mal über etwas, ich weiß nicht genau was, diese kleinen Lebewesen zum Beispiel, nachgedacht? Wann hast du dir das letzte Mal ein Lebewesen angeschaut, vielleicht in einer Tierdokumentation? Und danach lagst du quasi vor deinem Rechner oder Fernseher und konntest nicht anders, als vor Begeisterung zu jauchzen?
Entschuldigt, ihr singt das zwar, aber das tut keiner wirklich.
Und warum tut ihr das nicht? Weil ihr überhaupt keinen Raum für Jauchzen in eurem Leben habt. Jauchzen ist nämlich etwas, das aus einer Anbetung entsteht, die total reif geworden ist. Jauchzen ist reife Anbetung.
Versteht ihr, ich merke das daran, wenn ich so begeistert bin, so begeistert, dass ich jauchzen möchte. Ich möchte euch gerne für so etwas gewinnen.
Das soll jetzt nicht die Anklage des Vormittags sein, sondern einfach nur zeigen, wie leicht es passiert, dass wir etwas behaupten zu haben, ohne dass es tatsächlich in unserem Leben vorhanden ist. Man kann übers Jauchzen singen, und das schon jahrelang, ohne es vielleicht jemals wirklich getan zu haben.
Die Gefahr einer oberflächlichen Geistlichkeit und die Bedeutung von Gebet
Und damit das nicht passiert, damit man nicht auf der einen Seite eine Geistlichkeit vorgibt durch das, was man lebt, durch das Erscheinen im Gottesdienst, durch die Mitarbeit in der Gemeinde oder durch eine gewisse Treue, die man in den Aufgaben zeigt, die man zugewiesen bekommt.
Auf der anderen Seite kann jedoch womöglich gar nichts sein. Vielleicht ist der Glaube noch nicht wirklich vorhanden. Es kann sogar sein, dass Menschen Gemeindemitglied sind oder irgendwann eine Entscheidung für Gott getroffen haben. Diese Entscheidung war vielleicht ein Schritt auf Gott hin. Doch wenn man sich das Leben dieser Menschen anschaut, muss man sagen: Da fehlt etwas.
Ich glaube, man erkennt es besonders daran, wie es mit dem Gebet aussieht, wie es ist, wenn jemand alleine ist. Wenn man eine Ehe betrachtet und wissen will, wann sie langsam den Bach runtergeht, dann fängt es damit an, dass die beiden einander nicht mehr bewundern. Dass sie nicht mehr gerne Zeit miteinander verbringen und dass das gemeinsame Tun zur Last wird.
Bei Gott ist es ganz genauso. Wann geht ein geistliches Leben langsam vor die Hunde? Wenn die Bewunderung aufhört, wenn die Zeit, die ich alleine mit Gott verbringen will, weniger wird. Dann geht das langsam den Bach runter.
Einladung, Gebet als Lebensstil zu integrieren
Deshalb möchte ich euch ermutigen, in eurem eigenen geistlichen Leben einen Schalter umzulegen und einfach zu sagen: Ich gebe Gott den Raum für Gebet in meinem Leben, den es braucht, um die Liebe in meinem Herzen hervorzubringen, die ich für ihn gerne hätte.
Vielleicht beginnt das damit, dass man noch einmal zerbricht und sagt: Vater im Himmel, ich bin noch nicht da, wo ich gerne wäre. Ich bin tatsächlich noch nicht dort, wo ich für mich entschieden habe, dass ich sein möchte. Aber ich möchte mich auf den Weg machen.
Nach einer solchen Freizeit bietet sich die Chance, genau das zu wagen. Aber ihr müsst diesen Schritt selbst tun, das kann ich nicht für euch übernehmen.
Abschließende Ermutigung und Ausblick
Ich möchte es noch ein letztes Mal sagen, bevor wir uns den Fragen zuwenden: Ich kann die Entscheidung in eurem Leben, eine tiefere Beziehung mit Gott zu führen, nicht für euch treffen. Alle Informationen, die ihr habt, werden euch nicht verändern.
Du kannst mit einem ganz dicken Kopf und mit viel theologisches Wissen leider nichts in deinem Leben ändern. Das kann passieren. Aber wenn du wirklich etwas ändern möchtest, dann rate ich dir, einfach eine gute, intelligente und lange Gebetszeit in dein Leben zu integrieren – zum Beispiel für ein Vierteljahr. Schau dann, wohin dich das führt.
Was macht das mit dir? Was passiert in deinem Inneren? Was erlebst du dabei? Was kommt hoch? Was macht Gott mit dir? Dafür möchte ich euch ein Stück weit gewinnen.
So, das war eine zehnminütige Vorrede. Welche Fragen habt ihr? Das war's für heute. Die Predigt wird in der nächsten Episode fortgesetzt.
Der Herr segne dich, erfahre seine Gnade und lebe in seinem Frieden. Amen.
