Einführung in das Thema Gottvertrauen in schwierigen Zeiten
Wie ausgeprägt ist in diesen Tagen dein Gottvertrauen? In solch angespannten Zeiten kann es passieren, dass unser Gottvertrauen ins Wanken gerät. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir zugeben, dass uns das immer mal wieder geschieht.
Wie tröstlich ist es da zu wissen, dass auch der große Erzvater Jakob sehr wankelmütig war. Und wie viel tröstlicher ist es noch zu wissen, dass er trotz seines Wankelmuts Gnade fand im Angesicht Gottes.
Das ist auch der Predigtitel der heutigen Predigt, mit der wir die Predigtserie durch das erste Buch Mose fortführen wollen. In der FG München Mitte haben wir in den letzten Wochen und Monaten die Kapitel 25 bis inzwischen 32 im ersten Buch Mose betrachtet und dabei das Leben des Erzvaters Jakob in den Blick genommen. Wer die vergangenen Predigten nachvollziehen möchte, kann sie auf YouTube finden.
Wir haben uns nun vorgenommen, auch die letzten drei Predigten dieser geplanten Serie noch zu predigen und zur Verfügung zu stellen. So möchte ich uns heute das Wort Gottes predigen aus dem ersten Buch Mose, Kapitel 33.
Vielleicht ist es gut, uns noch einmal vor Augen zu führen, was bisher geschehen ist.
Überblick über die Geschichte Jakobs und Gottes Verheißungen
Die große Geschichte begann eigentlich schon in Kapitel zwölf des ersten Buchs Mose. Dort hatte Gott Abraham herausgerufen. Aus Haran gab er ihm eine große Zusage, eine Verheißung. Er versprach Abraham, dass er eines Tages an einem bestimmten Ort, einem gelobten Land, seine Heimat finden würde. Dort sollte er unter dem Segen Gottes leben. Aus ihm würde ein großes Volk entstehen, das letztendlich den Segen Gottes an alle Völker weitergeben würde.
Das Problem war nur, dass Abraham und seine Frau damals, die noch Abraham und Sarai hießen, schon sehr alt und kinderlos waren. Für Gott war das jedoch kein Problem. So schenkte Gott ihnen letztendlich den Sohn Isaak. Isaak fand eine Frau in Rebekka. Doch auch sie standen vor der gleichen Herausforderung: Rebekka konnte keine Kinder bekommen. Wieder griff Gott ein und schenkte ihr eine Schwangerschaft. Sie wurde schwanger mit den Zwillingen Jakob und Esau.
Jakob und Esau waren schon vor ihrer Geburt im Blick Gottes. Gott sagte, dass der Jüngere, Jakob, letztendlich derjenige sein sollte, der die Segenslinie weiterführen würde. Diese Segenslinie hatte bei Abraham begonnen und ging über Isaak weiter. Sie sollte nun auf Jakob übergehen.
Jakob und Esau waren von Anfang an in einem Kampf miteinander. Dieser begann bereits im Mutterleib, setzte sich bei der Geburt fort und nahm seinen weiteren Verlauf, als sie größer wurden. Jakob betrog zuerst seinen Bruder Esau und dann auch seinen Vater Isaak. Er log und betrog sie, um sich zuerst das Erstgeburtsrecht und später den väterlichen Segen zu ergaunern.
Esau, der ältere Bruder, war voller Zorn und plante, Jakob umzubringen. Deshalb musste Jakob fliehen. Er floh zu seinem Onkel Laban, der in Mesopotamien lebte, weit im Norden des gelobten Landes.
Gleich zu Beginn seiner Flucht, noch im gelobten Land, in einem Ort, der später Bethel heißen sollte, hatte Jakob einen Traum. In diesem Traum begegneten ihm die Engel Gottes und gaben ihm eine Zusage. Gott selbst sagte ihm zu, dass er mit ihm gehen, ihn behüten und segnen würde. Letztendlich würde Gott ihn sicher wieder nach Hause bringen.
Daraufhin gab Jakob an dieser Stelle ein Gelübde ab: Sollte es so kommen, würde dieser Gott sein Gott sein. Er würde ihm sein Leben geben, für ihn leben und ihm einen Tempel, ein Haus Gottes, bauen.
In Mesopotamien heiratete Jakob aufgrund einer List seines Onkels Laban gleich zwei seiner Töchter. Mit diesen beiden Frauen und den beiden Mägden der Frauen bekam er letztendlich zwölf Kinder.
Wiederum stand Gott Jakob bei. So konnte er schließlich Mesopotamien, Haran, verlassen und zurückkehren Richtung gelobtes Land – mit seinen zwei Frauen, den zwölf Kindern und einem großen Reichtum, den Gott ihm geschenkt hatte.
Jakobs Vorbereitung auf die Begegnung mit Esau
In Kapitel 32, in der letzten Predigt, haben wir betrachtet, wie Jakob auf seine Begegnung mit Esau, auf dieses Wiedersehen, vorbereitet wurde.
Das begann damit, dass zu Beginn von Kapitel 32 die Engel Gottes Jakob erschienen. Sie erschienen quasi, um ihn daran zu erinnern, dass Gott wirklich treu ist und ihm zur Seite steht.
Wir hatten jedoch auch gesehen, dass Jakob trotz allem Gott noch nicht vollständig vertrauen konnte. Er zweifelte an den Zusagen Gottes und schmiedete Pläne, wie er seinem Bruder gütlich stimmen könnte. Außerdem überlegte er, wie er letztendlich vielleicht entkommen könnte, falls die Begegnung nicht gut ausgehen sollte.
So schickte er all sein Hab und Gut vor sich her. Er selbst blieb allein zurück, in einer dunklen Nacht, auf der anderen Seite des Flusses Jabok. Dort kam plötzlich ein mysteriöser Fremder und begann einen Ringkampf mit ihm.
In diesem Ringkampf erkannte Jakob schließlich, wer dieser Fremde war: Es war Gott selbst, der mit ihm gerungen hatte. Dieser Ringkampf mit Gott veränderte Jakob. Nun war er bereit für das Wiedersehen mit seinem Zwillingsbruder Esau.
Einleitung zum Predigttext und Betrachtungsweise
Und damit kommen wir zum heutigen Predigttext. Wir wollen diesen Text in vier kurzen Abschnitten betrachten. Dabei werden wir sehen, dass Jakob zwar durch die Begegnung mit Gott verändert war, doch in manchem, ja vielleicht in vielem, auch noch der Alte blieb.
Jakobs Leben und sein Handeln waren geprägt von Wankelmut. Ich möchte uns einladen, die Betrachtung des wankelmütigen Jakobs dazu zu nutzen, auch uns selbst zu prüfen. Wo finden wir diesen Wankelmut vielleicht auch in uns? Wo will Gott uns zeigen, dass unser Vertrauen auf ihn noch zu wankelmütig ist?
Abschließend wollen wir darüber nachdenken, wie es sein kann, dass Menschen mit wankelmütigem Glauben Gnade finden im Angesicht Gottes.
Bevor wir uns dem Predigttext zuwenden, möchte ich mit uns beten:
Himmlischer Vater, ich bitte dich, hilf mir, dein Wort klar und deutlich zu predigen. Herr, schenke, dass dein Wort jeden erreicht, der diese Predigt hört. Sprich zu ihnen, öffne ihre Herzen, damit wir auf das achten, was du jedem von uns durch dein heiliges Wort sagen möchtest.
Herr, das erbitten wir in Jesu Namen. Amen.
Der veränderte Jakob tritt Esau entgegen (Verse 1-3)
Wir wollen 1. Mose 33 in vier Abschnitten betrachten und dabei sowohl den veränderten als auch den alten Jakob sehen.
Zunächst zeigen uns die ersten Verse den veränderten Jakob. Im langen Mittelteil, den wir in zwei Abschnitten betrachten wollen, sehen wir, dass Jakob immer noch der Alte ist: Er ist weiterhin ängstlich, vertraut Gott nicht wirklich und bleibt ein Lügner und Betrüger. Am Ende jedoch erkennen wir, dass Jakob auch verändert ist und Gott als seinen Gott anerkennt.
Kommen wir zu den ersten drei Versen. Ich möchte uns die ersten drei Verse aus 1. Mose 33 vorlesen:
Jakob hob seine Augen auf und sah seinen Bruder Esau kommen mit vierhundert Mann. Er verteilte seine Kinder auf Lea, auf Rahel und auf die beiden Leibmägde. Die Mägde stellte er mit ihren Kindern vorne an, Lea mit ihren Kindern dahinter und Rahel mit ihren Kindern ganz hinten. Jakob ging vor ihnen her und neigte sich siebenmal zur Erde, bis er zu seinem Bruder kam.
Jakob hatte bereits gehört, dass sein Bruder ihm entgegenzog. Esau kam aus dem Süden, aus Edom, Jakob aus dem Norden, aus Mesopotamien, und sie zogen aufeinander zu. Der Grenzfluss Jabok lag dazwischen, und die Familie mit allem Hab und Gut war schon auf der Südseite des Jabok. Jakob selbst war noch nördlich davon über Nacht geblieben und hatte dort diesen Ringkampf mit Gott erlebt.
Nun kommt der nächste Tag. Während Jakob bisher nur in Panik war, weil er die Botschaft erhalten hatte, dass sein Bruder kommt und alles vorausgeschickt hatte, sehen wir hier eine Veränderung. Das große Echo in Kapitel 32 war: „Er schickte alles voraus, er ging hinterher, er ging hinterher, all sein Hab und Gut schickte er vor sich her.“
Doch nun, am nächsten Morgen, nach diesem Ringkampf mit Gott, geht Jakob mutig voran – vor seinen Frauen, vor den Leibmägden und vor den Kindern. Er geht voran. So sollte es sein: Ein Familienoberhaupt soll mutig vorangehen und sich vor seine Familie stellen.
Nun steigt die Spannung: Was würde geschehen? Würde Esau tatsächlich versuchen, Jakob zu töten, so wie er es zwanzig Jahre zuvor angekündigt hatte?
Die überraschende Versöhnung und Jakobs Angst (Verse 4-11)
Ich lese uns die Verse 4 bis 11 vor:
Esau aber lief ihm entgegen, umarmte ihn, fiel ihm um den Hals und küsste ihn. Sie weinten beide. Dann hob Esau seine Augen auf, sah die Frauen mit den Kindern und fragte: „Wer sind diese bei dir?“ Jakob antwortete: „Das sind die Kinder, die Gott deinem Knecht geschenkt hat.“
Die Mägde traten mit ihren Kindern herzu und verbeugten sich vor Esau. Auch Lea trat mit ihren Kindern herzu und verbeugte sich vor ihm. Danach kamen Josef und Rahel herzu und verbeugten sich ebenfalls vor ihm.
Esau fragte: „Was willst du mit all den Herden, denen ich begegnet bin?“ Jakob antwortete: „Ich hoffe, Gnade vor meinem Herrn zu finden.“ Esau sagte: „Ich habe genug, mein Bruder, behalte, was du hast.“ Doch Jakob entgegnete: „Ach nein, wenn ich Gnade vor dir gefunden habe, dann nimm bitte mein Geschenk aus meiner Hand. Denn ich sah dein Angesicht, als sähe ich Gottes Angesicht, und du hast mich freundlich angesehen. Nimm diese Gabe von mir, die ich dir gebracht habe, denn Gott hat sie mir geschenkt, und ich habe genug von allem.“ So drängte er ihn, das Geschenk anzunehmen.
Wir sehen hier, dass Jakob trotz seiner Begegnung mit Gott offensichtlich noch nicht ganz den Zusagen Gottes vertraut. Er handelt noch sehr ängstlich. Einerseits geht der veränderte Jakob voran, aber dann sehen wir Dinge, die Fragen aufwerfen.
Zuerst wirft er sich siebenmal vor seinem Bruder auf den Boden. Er fürchtet ihn, nennt ihn „Herr“ und erlebt dann, wie sein Bruder ihm entgegenkommt, ihn in die Arme schließt, ihn herzlich umarmt, mit Tränen in den Augen ihm um den Hals fällt und ihn küsst.
Esau wundert sich über das ungewöhnliche Gefolge, das Jakob in drei Gruppen aufgeteilt hat: die Mägde mit ihren vier Kindern, dann Lea mit ihren sieben Kindern und später Rahel mit Josef. Auch diese Aufteilung zeigt letztlich Jakobs Angst. Obwohl er jetzt bereit ist, selbst voranzugehen, schützt er immer noch seine Lieblingsfrau und seinen besonders geliebten Sohn, indem er sie ganz hinten anstellt. So will er sie in Sicherheit wissen, falls etwas passiert.
Esau wundert sich außerdem über die Herden, die Jakob vorausgeschickt hatte. Das hatten wir bereits in Kapitel 32 betrachtet: Jakob hatte fünf Herden von verschiedenen Tieren vorausgeschickt, um Esau zu besänftigen. Genau das gibt Jakob auch zu. Er sagt im Prinzip: „Ich habe versucht, dich irgendwie zu besänftigen. Ich glaube, ich muss deine Stimmung noch verändern, weil ich nicht darauf vertraue, dass du mir einfach liebevoll entgegenkommst.“
Selbst als Esau das Geschenk ablehnt und sagt: „Ich habe genug“ und ihn „mein Bruder“ nennt, bleibt Jakob sehr zurückhaltend. Er nennt ihn weiterhin „mein Herr“ und drängt ihn, das Geschenk anzunehmen – quasi, um sagen zu können, dass jetzt wirklich Frieden zwischen ihnen geschlossen ist.
Jakobs Misstrauen und die Trennung der Wege (Verse 12-17)
Im Folgenden sehen wir noch deutlicher, wie sehr Jakob weiterhin von seinem alten Leben geprägt ist. Ich lese die Verse 12 bis 17 vor:
Und Esau sprach: „Lass uns aufbrechen und vorziehen, ich will mit dir ziehen.“
Er aber antwortete ihm: „Mein Herr weiß, dass ich zarte Kinder bei mir habe, dazu säugende Schafe und Kühe. Wenn sie auch nur einen Tag überanstrengt würden, würde mir die ganze Herde sterben. Mein Herr ziehe vor seinem Knecht her, ich will gemächlich hintentreiben, wie das Vieh und die Kinder gehen können, bis ich zu meinem Herrn komme, nach Seir.“
Esau sagte: „So will ich doch bei dir lassen etliche von meinen Leuten.“
Jakob antwortete: „Ist das denn nötig? Lass mich nur Gnade vor meinem Herrn finden.“
So zog Esau an jenem Tag wiederum seines Weges nach Seir. Und Jakob zog nach Sukkot, baute sich ein Haus und machte seinem Vieh Hütten. Darum heißt die Stätte Sukkot.
Hier verstehen wir nun, warum Esau mit 400 Mann kam und warum er ihm so entgegengezogen war. Das war keine Kriegstruppe, um Jakob abzuschlachten. Nein, es war eine Truppe, die gesandt wurde, um ihn zu beschützen und sicher nach Hause zu bringen.
Aber Jakob ist immer noch voller Furcht. Er traut seinem Bruder ganz offensichtlich noch nicht. Deshalb will er nicht mit ihm gehen. Er möchte schnell wieder Distanz schaffen, nach dieser Begegnung und Versöhnung rasch getrennte Wege gehen.
Daher bringt er eine nicht sonderlich glaubwürdige Erklärung vor. Wir müssen bedenken: Jakob war mit seiner Familie und den ganzen Herden schon über achthundert Kilometer gekommen – von Haran im Gebiet des heutigen Syrien bis an die Grenze des gelobten Landes, noch östlich des Jordans, über den Jabokfluss. Gut achthundert Kilometer.
Und jetzt sagt er, das letzte Stück Weg nach Seir schaffen die Tiere nicht mehr. Sie brauchen erst mal Pause, nur einen Tag. Nur ein bisschen weiter gehen, und sie sind alle tot. Diese Erklärung wirkt auf mich nicht sehr glaubwürdig.
Ich glaube, Jakob ist immer noch der alte Betrüger. Er lügt seinen Bruder an, indem er ihm sagt, dass er ihm nach einiger Zeit nach Seir folgen würde.
So zieht Esau voran nach Seir. Seir liegt südlich vom Jabok. Und was macht Jakob? Er geht nicht nach Süden zu seinem Bruder, sondern gleich in die andere Richtung, nach Westen. Er biegt ab, macht die Kurve und geht nach Sukkot.
Es ist wie bei der letzten Begegnung der beiden Brüder vor zwanzig Jahren: Jakob lügt und betrügt seinen Bruder. Damals hatte Jakob gelogen und betrogen, um sich das Erstgeburtsrecht und den Segen zu ergaunern, anstatt darauf zu vertrauen, dass der Herr ihm dies zu seiner Zeit geben würde – so wie Gott es ja verheißen hatte.
Und nun lügt und betrügt er wieder. Diesmal aus Angst, obwohl Gott ihm doch zugesagt hatte, dass er ihn sicher nach Hause bringen würde. Das Gottvertrauen Jakobs war offensichtlich nicht sehr groß. Er vertraute mehr seinen eigenen Strategien, seinen eigenen Tricksereien, seinem Lügen und Betrügen, als sich auf Gott und seine Zusagen zu verlassen.
Jakobs Anerkennung Gottes und Rückkehr ins gelobte Land (Verse 18-20)
In den letzten drei Versen sehen wir, dass Jakob sich tatsächlich verändert hat. Er nimmt seinen neuen Namen an und erkennt Gott als seinen Gott an.
Ich lese die hoffnungsvollen letzten drei Verse, 18-20:
Danach kam Jakob wohlbehalten zu der Stadt Sichem, die in Kanaan liegt. Nachdem er aus Mesopotamien geflohen war oder gekommen war, lagerte er vor der Stadt und kaufte das Land, wo er sein Zelt aufgeschlagen hatte, von den Söhnen Hamos, des Vaters Sichems, um hundert Goldstücke. Dort errichtete er einen Altar und nannte ihn „Gott ist der Gott Israels“.
Zunächst war Jakob nur nach Sukkot gezogen, das noch außerhalb des gelobten Landes liegt. Nun sehen wir, dass er schließlich tatsächlich ins gelobte Land zurückkehrt. Zwar ist er noch nicht wieder ganz in Bethel, wie er es versprochen hatte, und es ist auch noch nicht so weit, dass er das Gotteshaus dort baut, das er versprochen hatte. Aber immerhin geht er ins gelobte Land, nach Sichem.
Vor allem errichtet er dort einen Altar. Diesem Altar gibt er einen Namen: „Gott ist der Gott Israels“. Das ist bedeutend. Jakob benennt sich nun selbst mit dem Namen, den Gott ihm nach dem Ringkampf am Jabok gegeben hatte. Gott hatte ihm gesagt: Du sollst nicht mehr dieser Lügner und Betrüger Jakob sein. Du sollst nun Israel sein, der mit Gott und den Menschen gerungen hat.
Jetzt nennt sich Jakob Israel. Er sagt: Ja, ich bin Israel, und der Herr, Gott, ist mein Gott. Das ist die Bedeutung des Altars „Gott ist der Gott Israels“.
Reflexion über Jakobs Wankelmut und unser eigenes Gottvertrauen
Was machen wir jetzt mit all dem? Was machen wir mit diesem Hin und Her, mit dem Wankelmut in Jakob? Als Prediger und sicher auch als Leser und Zuhörer dieses Kapitels, dieser Predigt, würden wir uns wünschen, dass das Ganze ein bisschen geradliniger verläuft. Dass wir sagen können: Ah, hier kommt jetzt die entscheidende Wendung, jetzt ist er ganz verändert und alles ist gut.
Aber wenn wir weiterlesen, im nächsten Kapitel, sehen wir: Da ist immer noch kein Happy End. Es ist ein ständiges Hin und Her. Doch als Christen kommt uns dieses wankelmütige Hin und Her bei Jakob vielleicht recht bekannt vor. Sind nicht auch wir oft ganz ähnlich wankelmütig? Ist nicht auch unser Christenleben oft geprägt von dem, was wir hier sehen: zwei Schritte vor, ein Schritt zurück, ein Auf und Ab?
Deshalb ist die ganze Bibel voller Aufrufe, in denen immer wieder gesagt wird: Lasst das Alte hinter euch, legt das Alte ab, strebt nach dem Neuen, zieht das Neue an. Diesen beständigen Aufruf brauchen wir, weil wir immer wieder zum Alten zurückgehen und immer wieder den Ruf zum Neuen brauchen.
Wie ist es bei dir? In welchen Lebensbereichen ist dein Gottvertrauen gerade schwach? Wo verlässt du dich vielleicht mehr auf deine eigenen Strategien, auf das, was du kannst, vielleicht auf Tricksereien? Und wo in deinem Leben hat die Sünde Raum? Sünde ist immer Ausdruck von Wankelmut, von Unglauben letztendlich.
Denn wenn wir wirklich Gott vertrauen, wenn wir darauf vertrauen, dass er gut ist, weise ist und allmächtig, dann tun wir, was er sagt. Aber da, wo wir wankelmütig werden, wo unser Glaube schwach wird, fangen wir an, Gott nicht mehr ganz zu vertrauen und machen ein bisschen selbst.
Deshalb sind auch wir Christen nicht frei von Lug und Betrug. Deshalb geben sich auch Christen sexuellen Versuchungen hin, deshalb suchen Christen ihr Glück in den Dingen dieser Welt. Deshalb handeln Christen oft egoistisch. Wir tun all das, anstatt in allen Dingen so zu leben, wie Gott es uns sagt und wie es gut für uns wäre – weil wir wankelmütig sind.
Ich möchte dir einen Moment Zeit geben, in dein Herz hineinzuschauen. Bitte den Herrn, dir zu zeigen: Wo ist in meinem Leben Wankelmut? Wo hat Unglaube Raum eingenommen? Wo gehe ich nicht den Weg, den der Herr für mich hat? Nimm dir einen Moment.
Herr Präsident, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich denke, wenn wir ehrlich mit uns selbst und vor Gott sind, dann müssen wir anerkennen, dass wir gar nicht so ganz anders sind als Jakob. Und deswegen brauchen wir die Gnade Gottes.
Die rettende Gnade im Angesicht Gottes
Ihr Lieben, deshalb sollten wir bedenken und betrachten, dass der wankelmütige Jakob Gnade im Angesicht Gottes fand. Das sehen wir hier in diesem Predigttext. Tatsächlich haben wir das schon in Kapitel 32 gesehen, ganz am Ende des Kapitels, als Jakob diesen Ringkampf mit Gott hatte.
Durch diesen Ringkampf wurde Jakob von Gott verändert. Nicht nur äußerlich, denn er war danach geschlagen und hinkte. Deshalb bekam er einen neuen Namen und sollte Israel heißen. Nein, wir sehen auch, dass sich seine Haltung gegenüber Gott verändert hatte. Zuvor hatte er Esau über alles gefürchtet und gemeint, die Rettung, die er bräuchte, wäre die Rettung vor Esau. Nach dem Ringkampf erkennt er jedoch an, dass die Rettung, die er wirklich braucht, die Rettung von Gott ist. Die Rettung muss von Gott kommen. Er erkennt, dass man Gott mehr fürchten muss als alles andere.
So nennt er den Ort des Kampfes Penuel. Dann heißt es dort in Kapitel 32, Vers 31: „Denn er sprach: Ich habe Gott von Angesicht gesehen, und doch wurde mein Leben gerettet.“ Jakob hatte also das Angesicht Gottes gesehen und Gnade im Angesicht Gottes gefunden. Das war seine Erfahrung nach dem Ringkampf.
Genau das Gleiche erleben wir nun hier noch einmal in Kapitel 33: die rettende Gnade im Angesicht Gottes, die Jakob an einem erstaunlichen Ort findet. Er findet sie dort, wo er sie nicht erwartet hätte – bei seinem Bruder Esau. Jakob wusste, dass Esau guten Grund hatte, zornig auf ihn zu sein. Deshalb war er so ängstlich, log und betrog, versuchte alle möglichen Strategien und handelte so, wie er handelte. Er war so unterwürfig und nannte Esau die ganze Zeit „Herr, Herr, Herr“.
Doch Esau entgegnete ihm in ungeheuchelter Liebe und nennt ihn „Mein Bruder“. Esaus Hass gegen Jakob war gewichen, und er empfing seinen Bruder voller Liebe. Tatsächlich erinnern die Worte und die Beschreibung hier sehr an das Gleichnis vom verlorenen Sohn, das wir im Neuen Testament finden. So wie der Vater im Gleichnis vom verlorenen Sohn nichts von seinem Sohn verlangt, sondern großzügig gibt, so erwartet auch Esau hier keine Gegenleistung. Er will sie gar nicht haben.
Im Gegenteil: Er zeigt Jakob Gnade und will ihn sogar beschenken, indem er ihm helfen will, sicher ins gelobte Land zu kommen. Er bietet ihm seine Männer an, die ihn schützen sollen. Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher, wie wir Jakobs Worte verstehen müssen, die er dann spricht – ob das eher Teil seiner Strategie war, Esau gütlich zu stimmen, oder ob er hier tatsächlich eine tiefe Erkenntnis hat.
Auf jeden Fall lesen wir in Kapitel 33, Vers 10 diese Worte: „Ich sah dein Angesicht“, sagt Jakob zu Esau, „als sehe ich Gottes Angesicht, und du hast mich freundlich angesehen.“ Jakob erkennt also wiederum die Gnade Gottes im Angesicht Gottes.
Und ihr Lieben, das ist doch nur ein blasser Abglanz dessen, was wir wankelmütige Gläubige bei Gott finden können. Denn so wie Esau einst dem Jakob entgegenkam, gegen den sich Jakob so versündigt hatte, so kommt uns Gott in Jesus Christus entgegen, gegen den wir uns versündigt haben.
In Jesus Christus kommt Gott uns nun entgegen – nicht um uns zu bekriegen, nicht um uns plattzumachen, nicht um uns zu strafen für all unser Böses, das wir verdient hätten. Nein, so wie Esau Jakob in Liebe annahm und ihm Gnade zeigte, so kam Jesus zu uns, um uns in Liebe anzunehmen und uns Gnade zu zeigen.
Deshalb nahm er unsere Strafe auf sich – die gerechte Strafe, die wir verdient hätten, die Schläge, die wir verdient hätten, das Gericht, das wir verdient hätten für all unser Lügen und Betrügen, für all unseren Wankelmut, für all unser Ablehnen und Ignorieren unseres Schöpfers und heiligen Gottes.
Jesus starb am Kreuz von Golgatha, um dort die gerechte Strafe zu bezahlen, die du und ich verdient gehabt hätten. So ist unsere Schuld abgegolten, und wir sind mit Gott versöhnt, wenn wir auf ihn vertrauen.
Wir dürfen wissen, dass wir, wenn wir in Demut zu unserem Herrn kommen, von ihm in seiner Gnade als seine Brüder und Schwestern angenommen werden – so wie Jakob zu Esau kam, ihn seinen Herrn nannte und von ihm als Bruder angenommen wurde.
Ihr Lieben, wenn wir so zum Herrn Jesus Christus kommen, wenn wir ihn als das Abbild des heiligen Gottes erkennen und sagen: „In ihm sehe ich das Angesicht Gottes“, dann dürfen wir wissen, dass wir in diesem Angesicht Gottes Gnade finden.
Wir schauen im Glauben auf Jesus und finden gerade dort die Gnade Gottes. Unser himmlischer Vater möchte, dass wir zu ihm kommen. Er möchte, dass wir unseren Wankelmut hinter uns lassen und neu lernen, ihm zu vertrauen – seiner Gnade zu vertrauen.
Das haben wir so nötig. Denn wir merken doch, dass unsere eigenen Strategien und unsere eigenen Wege letztendlich nicht funktionieren. Gerade diese Zeit führt uns das in aller Deutlichkeit vor Augen: Wir haben nichts im Griff.
Wir Christen tendieren leicht dazu, unsere Sicherheit in unseren eigenen Fähigkeiten und in den Dingen dieser Welt zu suchen. Wir sind nicht frei davon – ich bin nicht frei davon. Ich weiß, wie oft ich mich auf das verlasse, was ich habe und kann. Ich schaue auf mein Bankkonto, denke, da ist ja genug, und dann kann ich damit planen. Die Zukunftsprognosen sind so und so, und dann ist alles gut.
Doch dann merken wir: Da kommt ein kleines Virus, und alles ist anders. Wir haben nichts im Griff. Es ist eine gefährliche Illusion zu denken, dass wir Sicherheit finden können in den Dingen dieser Welt oder in unseren eigenen Fähigkeiten.
Nein, wir sind letztendlich machtlos und abhängig. Deshalb tun wir gut daran, im Gebet zum Gnadenthron Gottes zu kommen. Bei ihm finden wir Vergebung für unseren viel zu oft wankelmütigen Glauben.
Einladung zum Vertrauen und Gebet
Ich möchte uns ermutigen, die Worte der Jahreslosung aus Markus 9,24 vielleicht zu unserem Gebet zu machen. Diese Worte sind zugleich Bekenntnis, Sündenbekenntnis und Bitte. Dort sagt der Vater zu Jesus, der zu ihm kommt: „Ich glaube, hilf meinem Unglauben!“ Mit anderen Worten: „Hilf meinem Wankelmut!“
Lasst uns so zum Herrn kommen, denn er hat alles im Griff. Zu ihm dürfen wir kommen.
Jakob hätte wohl daran getan, mit all seinen Ängsten und Nöten vor dem Wiedersehen mit Esau zu Gott zu kommen und zu sagen: „Herr, auf dich vertraue ich. Und wenn du sagst, du bringst mich sicher nach Hause, dann vertraue ich darauf. So wird es sein.“
So können auch wir zu unserem Herrn kommen und sagen: „Wir vertrauen dir, dass du uns sicher nach Hause bringst, und wir gehen an deiner Hand.“ Wir müssen nicht lügen oder betrügen. Wir können unseren Weg durch dieses Leben gehen, weil wir an deiner Hand gehen. Du hast uns zugesagt, dass alle, die auf dich vertrauen, von dir sicher nach Hause gebracht werden.
Denn wer auf ihn vertraut, findet Gnade im Angesicht Gottes.
Wenn du feststellst, dass du noch gar nicht wirklich angefangen hast, Gott zu vertrauen, wenn du bisher noch versucht hast, Herr deines Lebens zu sein, anstatt dich in Demut vor Gott zu beugen und ihn als den allmächtigen Herrn anzuerkennen – den Herrn, den du brauchst, den Retter, den du brauchst –, dann möchte ich dir Mut machen, heute ein neues Kapitel in deinem Leben aufzuschlagen.
Erkenne gerade in dieser Zeit, wie sehr du einen Retter brauchst. Jemanden, der wirklich alles im Griff hat, der dir wirklich helfen kann und dich sicher ans Ziel deines Lebens bringen kann. Das gilt für dein Leben und erst recht für den Tod. Denn eines Tages werden wir alle vor dem Angesicht Gottes erscheinen.
Gnade, Gnade im Angesicht Gottes finden nur die, die sich zuvor ihm zugewandt haben.
So wende dich dem Angesicht Gottes zu. Schau auf Jesus Christus, der gekommen ist, damit du mit Gott versöhnt sein kannst. Er ist gekommen, um deine Schuld zu bezahlen und dir Wegweisung für dein Leben zu geben.
Er will nicht nur Berater sein, der an deiner Seite geht und dem du manchmal zuhörst. Entweder ist er dein Herr, auf den du vertraust, indem du ihm nachfolgst, oder er ist nicht für dich.
Komm zu Jesus und erkenne ihn als deinen Herrn an. Höre auf, deine Sicherheit in anderen Dingen zu suchen – in Dingen, die dir keine Sicherheit geben können.
Denk an deine Gesundheit – wie fragil sie ist! Und wenn du denkst: „Das Coronavirus wird mir nichts anhaben, ich bin noch jung“, dann bedenke: Wer weiß, was als Nächstes kommt? Gib dich nicht der falschen Illusion hin, sicher zu sein.
Auch dein Wohlstand ist keine Sicherheit. Gerade jetzt sind viele Unternehmen pleite, viele Arbeitsplätze gehen verloren. Sicherheit finden wir nicht im Job, nicht auf dem Bankkonto.
Und wir finden die Sicherheit auch nicht in unseren Familien. Eines Tages wird all das nicht mehr sein. Diese Dinge sind so fragil und vergänglich.
Halt finden wir nur bei dem Gott, der ewig ist, der schon vor Beginn der Zeit da war und für alle Ewigkeit sein wird.
Deshalb kehre um – so wie der jüngere Sohn im Gleichnis vom verlorenen Sohn. Er hatte sich weit entfernt von Gott. Doch in seiner Not wurde ihm deutlich, dass es bei Gott, in seinem Fall bei seinem Vater, doch besser ist.
Er wagt die Umkehr. Er wagt es nicht einmal, zu ihm als zu seinem Vater zu kommen, sondern will nur als Knecht kommen.
Aber wir lernen in diesem Gleichnis: Es ist nie zu spät.
Der himmlische Vater wird das mit uns tun, was Esau mit seinem Bruder tat. Er wird uns nicht ablehnen, keine Bedingungen stellen, uns nicht zurückweisen. Er breitet seine Arme aus, fällt uns um den Hals, küsst uns und nimmt uns an.
So ist unser Gott ein Gott voller Gnade.
So möchte ich uns Mut machen: Lasst uns kommen zu diesem Gott der Gnade. Lasst uns Gnade finden, gerade im Schauen auf ihn, im Angesicht Gottes – so wie Jakob es fand nach seinem Ringkampf am Jabok und wie er es fand bei seinem Bruder Esau.
Ich möchte uns mit den Worten aus Hebräer 4,16 einladen: Lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.
Schlussgebet und Segen
Ich bete mit uns. Himmlischer Vater, wir wollen dir danken für dein heiliges Wort. Wir danken dir auch für diese Geschichte, für den Bericht der Wiedervereinigung von Jakob und Esau.
In Jakob erkennen wir viel von uns selbst: diesen Wankelmut, diese Unsicherheit, das teilweise Vertrauen auf Gott, das aber nicht immer fest ist. Es ist, als würden wir ein bisschen so leben, wie Gott es will, und doch auch unsere eigenen Wege gehen und unsere eigenen Dinge tun.
Herr, wir bekennen dir, dass wir oft ganz ähnlich sind. Einerseits erkennen wir dich als unseren Gott an, andererseits gehen wir doch unsere eigenen Wege – manchmal mit Lug und Betrug und gegen deinen Willen. Herr, vergib uns.
Du siehst unseren Unglauben. Wir wollen dir zurufen: Ich glaube, hilf meinem Unglauben! Wir danken dir, dass wir zu deinem Thron der Gnade kommen dürfen und dort Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden können, genau dann, wenn wir sie brauchen.
Herr, wir brauchen diese Gnade jeden Tag. Deshalb bitten wir dich voll Vertrauen, dass wir bei dir tatsächlich Barmherzigkeit und Gnade finden werden. Dafür preisen wir dich und beten dich an, im Namen unseres Retters, des Herrn Jesus Christus. Amen.
Gottes Segen.