
Herr Präsident! Ja, ich habe heute Vormittag das Thema genannt: Knackpunkte der Seelsorge.
Ich möchte mit Ihnen 15 Einwände und Hindernisse in der Seelsorge einmal durchgehen. Ich denke, dass wir darüber dann auch ins Gespräch kommen können.
Wie angekündigt wollen wir nach einer Pause zwischendurch an zwei Bibeltexten erarbeiten, wie der Herr Jesus mit Menschen umgegangen ist.
Ein erster Einwand, der vielleicht nicht immer direkt ausgesprochen wird, aber oft im Raum steht, lautet: Eigentlich möchte ich gar nicht gesund werden.
Es gibt viele Menschen, die ihre Krankheit brauchen, um im Mittelpunkt zu stehen, um ein Gesprächsthema zu haben oder um andere dazu zu bringen, sich um sie zu kümmern. Manchmal steht man sich dabei selbst im Weg. Viele, die so denken, äußern das nicht offen. Meiner Einschätzung nach machen sie sich das selbst oft gar nicht bewusst.
Ich habe bereits erwähnt, dass mein Vater viel in Gemeinden unterwegs war. Er erzählte mir einmal von einem Besuch bei Geschwistern in einer Gemeinde. Dabei besuchte er eine Schwester, die, so glaube ich, aufgrund von Diabetes oder einer anderen Krankheit ein Bein amputiert bekommen hatte. Sie klagte Gott an und fragte: „Warum ich? Warum hat Gott das zugelassen?“ Mein Vater versuchte, sie zu trösten, ihr ein Wort Gottes zu geben, mit ihr zu beten und sie auf den Herrn hinzuweisen.
Als er ein Jahr später wieder in die Gemeinde kam und die Schwester erneut besuchte, klagte sie genauso wie im vergangenen Jahr. Wieder versuchte er, sie zu trösten und sie auf den Herrn hinzuweisen. Im dritten Jahr war es dasselbe Bild: Die Schwester klagte wieder das gleiche Lied.
Da sagte mein Vater etwas zu ihr, das sie offensichtlich schockierte. Er fragte sie: „Schwester, was erwartest du von Gott? Erwartest du, dass dein Bein wieder nachwächst?“ Sie schaute ihn völlig entgeistert an. Offensichtlich war in diesem Moment der Groschen gefallen. Sie hatte verstanden, dass ihr Klagen nichts nützt und dass sie sich mit der Tatsache abfinden muss. Mein Vater berichtete, dass es von da an besser wurde.
Die Frage ist also: Wo bleibe ich hängen? Mache ich Gott einen Vorwurf oder brauche ich die Krankheit?
Ich erwähnte gestern schon den Mann am Teich Bethesda. Er sagt auf der einen Seite: „Ich habe keinen Menschen, ich kann das nicht allein, ich kann nicht alleine in das Wasser.“ Wobei ich durchaus denke, dass er Menschen hatte, denn er wurde ja irgendwann versorgt.
Viele, die seelische Nöte haben, sagen: „Ich habe keinen Menschen.“ Jesus fragt: „Willst du gesund werden?“
Ihr kennt das Beispiel des blind Geborenen aus Johannes 9. Er saß sein Leben lang an der Pforte des Tempels, bettelte und musste sich anhören, was die Leute, die vorbeigingen, sagten. Die Frage war: Hat er gesündigt oder seine Eltern? Als er durch den Herrn Jesus sehend wurde, konnte er nicht mehr weiter dort sitzen bleiben. Sein Leben veränderte sich total. Er bekam sogar Ärger, wurde aus der Synagoge hinausgeworfen.
Wenn Jesus einem Menschen hilft, verändert sich das Leben. Mein Leben wird anders verlaufen.
Ich habe oft den Eindruck, dass viele Geschwister mit seelischen Problemen sich an diesen Zustand gewöhnt haben. Sie haben sich daran gewöhnt, zu klagen, Gott einen Vorwurf zu machen oder den Geschwistern Vorwürfe zu machen. Manche Geschwister haben sogar das Talent, anderen ein schlechtes Gewissen zu machen.
Ihr müsst euch um mich kümmern, heißt es dann. Das war zeitweise bei unserer Pflegetochter so, die nie „Danke“ gesagt hat. Warum? Weil sie dachte: Ihr seid ja Christen, ihr müsst mir helfen.
Solche Dinge kommen auch oft im Geschwisterkreis vor. Man hat manchmal den Eindruck, dass jemand gar nicht aus dieser Ecke herauskommen will.
Wir trauen uns in der Regel kaum, so zu fragen wie der Herr Jesus: „Willst du gesund werden?“ Wahrscheinlich, weil wir vermuten, dass dann jemand sagt: „Unmöglich, wie der sich benimmt!“ So etwas ist ja nicht nur unhöflich, sondern provozierend.
Natürlich wird jeder sagen: „Ich will gesund werden.“ Aber ich glaube, das ist ein wichtiger Punkt: Wie kann ich jemandem helfen, aus dieser Ecke herauszukommen?
Ich habe keinen Menschen. Das kennt ihr sicherlich auch. Es gibt Menschen, die kommen in die Gemeinde, und es sind ja viele Geschwister drumherum, aber sie sagen: Ich bin einsam.
Da gibt es Kranke, die jahrelang im Bett liegen. Wenn man sie besucht, sind sie zufrieden und Gott dankbar. Da frage ich mich: Woran liegt das? Es ist eine grundsätzliche Einstellung.
Ich sage meinem Herrn oft: Bitte schenke mir, dass ich im Alter nicht missmutig und grantig werde, sondern dankbar bleibe. Das muss man sicherlich üben, schon frühzeitig einüben, dankbar zu sein.
Spörtchen hat einmal gesagt: Wer am Tag Lieder singt, braucht in der Nacht nicht nach Noten zu suchen. Ich finde das eine schöne Umschreibung für so etwas.
Kann ich in gesunden Tagen dem Herrn wirklich danken, oder sehe ich immer nur das Schlechte? Bin ich dankbar? Ich glaube, das ist ein Punkt, den wir auch in den Gemeinden vermitteln müssen. Christsein heißt dankbar sein.
Ich denke, das ist eine wichtige Vorbildfunktion, besonders wenn jemand Angst vor Veränderung hat. Da muss ich mich zumindest fragen: Was lebe ich ihm vor? Wenn Gott in die Verantwortung ruft, muss man dann gebeugt und gebückt sein, oder sehe ich, dass dahinter etwas ganz anderes steckt?
Wenn man jemanden fragt, wie gesund er sich fühlt, möchte man gerne die Frage stellen: Wie konkret willst du sein? Vielleicht ist es dann leichter, mit so jemandem einen Bibeltext zu lesen und gemeinsam über die Geschichte nachzudenken. Das ist an so einem Punkt sicherlich leichter.
Ich habe öfter festgestellt, dass es gut ist, ein biblisches Beispiel zu nehmen, darüber nachzudenken und dann erst die Anwendung zu machen. So gehe ich in der Regel auch bei Ehe- oder Erziehungsthemen vor. Ihr werdet wissen, dass ich dazu Bücher geschrieben habe.
Ich habe immer ein biblisches Beispiel genommen und dann die Anwendung gemacht, weil ich gemerkt habe, dass die Geschwister es leichter nachvollziehen, wenn ich über ein biblisches Beispiel nachdenke. Das ist erst einmal außerhalb von mir, und ich kann zu einem Ergebnis kommen. Dann wird klar: Du bist der Mann.
Ich glaube, das ist eine gute Möglichkeit, auch in solchen Fällen mit einer biblischen Geschichte zu beginnen, miteinander darüber nachzudenken und dann zu sagen: Was können wir daraus lernen?
Ein zweiter Knackpunkt ist die Warum-Frage: Warum lässt Gott das zu? Woher kommt diese Frage?
Meistens geht man davon aus, dass Gott Liebe ist und nur Gutes bewirken möchte oder soll. So denkt man zumindest. „Gott sieht mich nicht. Er hat mich vergessen.“ Was für ein Gottesbild steckt dahinter? Es ist das Bild, dass ich Gott Willkür unterstelle. Dass er das machen soll, was ich gern will, damit es mir gut geht.
Im Grunde ist das das alttestamentliche Gottesbild: Wenn du, dann. Wenn du fleißig auf meine Stimme hörst, dann werde ich keine Krankheit kommen lassen, keine der Krankheiten Ägyptens. Das war Israel verheißen – ein Wenn-Dann-Schema. Häufig hört man diese Frage bei Geschwistern: „Was habe ich denn getan, dass Gott mich so bestraft?“ Das ist im Grunde altes, männliches Denken.
Wenn jemand so fragt, hilft es nicht, sofort zu sagen: „Diese Antwort, die wir meistens haben, heißt nicht Warum, sondern Weshalb.“ Klar, Weshalb stellt die Frage aufs Ziel hin. Aber der Grund dieser Frage liegt tiefer. Ich kann dem anderen diese Frage Weshalb nicht einfach stellen, weil er über Gott anders nachdenkt. Er meint, eigentlich müsste Gott mich ja belohnen, so schlimm bin ich ja nicht.
Das muss man dann erst bearbeiten und darauf eingehen. Wie ich gestern und vorgestern schon sagte: Wir müssen in der Seelsorge immer versuchen, auf den Grund zu kommen, auf die Ursache, und nicht nur die Folge behandeln.
Wir haben das eben im Alten Testament an vielen Stellen so, dass Israel so fragt und Gott dann auch den Grund gibt. Ich bearbeite gerade eine Bibelarbeit für die Jugendstunde, die ich am Mittwoch halten soll, über das Buch der Richter. Dort ist das ja ganz augenfällig: Wenn sie abgewichen sind, zack, kriegen sie eins drauf. Dann kommen sie zur Buße, und Gott hilft ihnen wieder. Dann vergessen sie Gott wieder, zack, kriegen sie wieder eines drauf. Das ist ein einfaches Schema sozusagen.
Viele Geschwister leben in diesem Gedankenschema: Wenn ich artig bin, geht es mir gut; wenn ich schlecht bin, bestraft mich Gott. Aber das ist uns ja im 9. Sermon so nicht verheißen. Wir haben das Beste bekommen: dass wir gerettet worden sind. Und das ist unverdient, nicht weil wir gut waren.
Es ist uns nicht verheißen im Neuen Testament, dass es uns immer gut geht. Aber wir können sehen: Auch wenn Gott Dinge zulässt, meint Gott es gut mit mir, nach Römer 8. Das darf man als Zuspruch durchaus mitgeben.
Ein anderes alttestamentliches Beispiel, bei dem es nicht um die Warum-Frage geht, ist das Lebensbild von Hiob. Er verzweifelt daran. Seine Freunde handeln und antworten nach diesem Gedankenschema: „Irgendetwas muss bei dir sein, dass es so bei dir ist.“
Gott macht schon da deutlich: Nein, so handle ich nicht. Das hat er zwar bei Israel getan, aber Hiob ist ja außerhalb von Israel. Ich glaube, dass wir heute das sehr deutlich machen können: Wir leben in einer anderen Heilszeit. Gott handelt mit uns anders als mit Israel.
Dritter Knopf. Wenn ich eine Antwort auf die Warum-Frage bekommen habe, und wenn die Frage sich wirklich bei mir stellt, dann kann ich anderen erheblich sein. Zum Beispiel: "Seid der Gott allen Trostes, der euch tröstet, damit ihr die anderen tröstet."
Das ist aber dann nicht eine Warum-Antwort, sondern eine Weshalb-Antwort. Die Warum-Frage fragt danach, was die Ursache ist, warum es mir schlecht geht. Die Weshalb-Frage stellt dagegen, was die Folge davon ist, dass es mir jetzt vermutlich schlecht geht. Gott möchte etwas Gutes damit erzielen.
Diesen Gedanken kann ich erst ausführen, wenn ich ihn von dem anderen Gedanken abgegrenzt habe. Betroffen sind – Gott handelt ja manchmal auch wirklich so, dass er sagt: "Hier, weil du das gemacht hast, passiert jetzt das." Das gibt es ja. Die Freiheit hat Gott ja auch.
Gut, es gibt Folgen von Sünden. Ja, genau, das ist schon so. Raucherbeine sind eine klare Folge, oder Leberzirrhose ist eine klare Folge, oder ein uneheliches Kind ist eine Folge, klar. Aber nicht immer ist es eben so.
Ja, der Blick zurück ist ein weiterer Knackpunkt. Israel hat das immer wieder gehabt. Sie schauten immer wieder zurück nach Ägypten und sehnten sich nach den Fleischtöpfen Ägyptens. Die Vergangenheit war für sie immer besser, obwohl sie damals geklagt hatten.
Auch solche Geschwister gibt es in unseren Kreisen: Früher war alles besser, in meiner Kindheit war die Jugend noch anders.
Ja, aber ich denke, das ist auch ein wichtiger Satz, den Jesus da sagt in Lukas 9,32. Weil er seine Hand an den Pflug legt und zurückschaut, ist er unbrauchbar für das Reich Gottes. Selbst wenn man heute nicht mehr den Pflug in der Hand hat, sondern hinter dem Traktor herzieht, ist das Prinzip dasselbe. Wenn jemand auf dem Traktor sitzt und pflügt und dabei zurückschaut, was passiert dann? Es entstehen Furchen, die nicht gerade sind.
Und das ist schon so. Ich habe das schon in Bezug auf die Psychotherapie gesagt, auch die christliche Psychotherapie, die dann animiert, in die Vergangenheit hineinzutauchen, sie hervorzuholen und zu bearbeiten. Jesus sagt aber: Guck nach vorne. Wenn ich meine Sünde, die ich an Jesus gebracht habe, abgegeben habe, dann brauche ich nicht mehr zurückzuschauen. Dann darf ich nach vorne schauen. Gott ist ein Gott, der nach vorne schaut.
Hiskia sagt das ja auch, wo steht das? In Jesaja 38, als er wieder gesund geworden ist, sagt er: Gott hat alle meine Sünden hinter seinen Rücken geworfen. Was will er damit sagen? Was müsste Gott tun, um meine Sünde wieder zu sehen? Er müsste sich umdrehen. Aber nirgendwo in der Bibel steht, dass Gott sich umdreht. Gott schaut nach vorne.
Das ist im Grunde das, was Jesus hier sagt: Nicht zurückschauen, sondern du darfst nach vorne schauen. Wenn du deine Sünden zu Jesus gebracht hast, darfst du nach vorne schauen.
Ich denke dabei immer an ein junges Mädchen, meine Freundin, unsere Pflegetochter. Nach einem Jahr, nachdem sie bei uns war, kam sie zu uns und sagte: „Ich habe euch beobachtet, ich habe gesehen, wie das Leben von Claudie sich verändert hat, und ich möchte das auch haben.“ Dann habe ich sie gefragt: „Weißt du, wie das geht?“ Sie sagte ja. Claudie hatte ihr erklärt, wie man zu Jesus kommt.
Ich fragte weiter: „Und wann möchtest du das tun?“ Sie sagte: „Jetzt.“ Ich kam gar nicht so schnell auf die Knie, wie sie schon auf den Knien war. Sie hatte ihr Leben dem Herrn Jesus gegeben. Als wir dann wieder aufstanden, stand sie vor mir und fragte: „Bist du jetzt auch mein Papa?“ Ich muss sagen, ich habe sie wirklich liebgewonnen.
Sie kam aus einem ganz katastrophalen Hintergrund: Mutter Prostituierte, Vater Alkoholiker, Bruder heroinabhängig. Wenn man das Mädchen heute sieht: Sie ist verheiratet, hat fünf Kinder und leitet mit ihrem Mann eine Gefährdetenhilfe im Sauerland. Und wenn man sie mit ihren Kindern sieht, strahlt sie.
Wenn ich sie frage, „Katja, warum strahlst du?“ sagt sie: „Ich habe doch allen Grund zum Strahlen. Ich habe keine Vergangenheit mehr, ich habe nur noch eine herrliche Zukunft.“ Da schaut jemand nach vorne und weiß: Meine Vergangenheit ist weg.
Viele laufen im Grunde rückwärts, weil sie immer nach hinten schauen und die Vergangenheit nicht loswerden. Jesus sagt: Dreh dich nicht um, schau nach vorne! Wenn man rückwärts läuft, kann man höchstens einmal ins Buch der Rekorde kommen beim Rückwärtslaufen, aber sonst ist das nicht nutzbringend.
Manchen muss man auch sagen: Mit den Folgen der Sünde oder deines sündigen Lebens, was das für Folgen hatte in der Vergangenheit, musst du leben. Die hast du nicht genommen. Richtig, das ist richtig. Aber ich muss mit den Folgen nach vorne schauen.
Ich muss sagen: Ja, das ist die Folge, und das ziehe ich jetzt durch. Gott hat mir vergeben, er lässt mir die Folgen, und das muss man sehr wohl unterscheiden. Folgen von Sünden sind nicht Strafe. Das ist ein großer Unterschied. Viele empfinden die Folgen von Sünden als Strafe.
Wir müssen sehr deutlich sagen: Die Strafe der Sünde ist nach Römer 6 der Tod, und die Strafe hat Gott weggenommen. Aber manchmal lässt er die Folgen noch da.
Einige Christen berichten, dass sie durch einen Unfall, etwa einen Motorradunfall oder einen anderen schlimmen Vorfall, der ihr Leben einschränkte, „wach geworden“ sind. An diesem Wendepunkt ihres Lebens haben sie sich entschieden, Christ zu werden. Viele bezeugen, dass sie gerade an dieser Stelle dankbar für die Einschränkung sind, obwohl sie schwere Schäden davongetragen haben. Es ist also nicht der Schaden selbst, sondern das Erlebnis, das zum Wendepunkt wurde.
Allerdings gibt es auch Geschwister, die immer nur bitter sind. Man hat fast Angst, wenn sie den Mund aufmachen. Was ist Bitterkeit? Bitterkeit ist eine Kombination aus Unzufriedenheit und Verhärtung. Unzufriedenheit, die verhärtet ist, trifft es gut.
Naomi sagt das sogar in Rut 1, der Herr hat mich bitter gemacht. Sie schiebt die Bitterkeit sogar auf Gott. Natürlich stimmt es nicht, dass Gott sie bitter gemacht hat. Vielmehr macht man sein eigenes Herz bitter, indem man einem Gedanken nachgibt, der sich im Denken verfestigt – etwa einem Vorwurf gegen Gott oder gegen andere Menschen. Man lässt zu, dass dieser Gedanke sich festsetzt.
Paulus schreibt in Epheser 4, dass Bitterkeit Sünde ist. Das ist eine sehr wichtige Aussage. Wenn jemand in seinem Herzen bitter ist, stellt sich die Frage: Wie wird man das los?
Ich habe eine Predigt gehalten, in der ich unter anderem schrieb, dass immer dann, wenn der Gegensatz vom Endlichen eintritt, Bitterkeit aufkommt. Das sind unerfüllte Wünsche, die nicht eingetreten sind, oder selbstverschuldete, verpasste Möglichkeiten. Darüber wird man bitter, zum Beispiel.
Wenn der Gegensatz eintritt, kann man sehr schnell verbittert werden. Meine Frage war, ob wir Bitterkeit hinnehmen müssen wie eine Karotte, die bitter wird, oder ob man dagegen etwas tun kann. Und was kann man dagegen tun?
Kann man Dankbarkeit befehlen? Man kann etwas anderes befehlen als Dankbarkeit, aber man sagt: Dankbarkeit. Das ist, denke ich, ein Schritt weg von der Bitterkeit. Dabei muss es nicht darum gehen, dass wir Gott von Herzen dankbar sind. Es reicht, dass wir das Erste tun, was wir können, nämlich sagen: Danke.
Aber eins kommt vorher: Wenn die Bibel sagt, Bitterkeit ist Sünde, dann muss ich erst Buße tun. Sonst hilft es nicht, einfach nur eine Technik anzuwenden und zu sagen: Ich will jetzt dankbar sein. Ich muss erkennen, dass Bitterkeit Sünde ist.
Man kann Bitterkeit umgehen, wenn man seine Wertmaßstäbe ganz anders setzt. Das ist vorbeugend. Man sollte nicht ständig denken: „Was wäre wenn?“ oder „Hätte ich doch…“. Solche Gedanken machen bitter. Das ist aber ein Lernprozess.
Wenn jemand bitter ist, muss er zuerst Buße tun und dann lernen, umzudenken. Das Einfachste, um Bitterkeit vorzubeugen, ist die Haltung, Gott zu erlauben, in das eigene Leben einzugreifen, so wie er es für richtig hält. Egal, was passiert, sage ich: Ich entscheide mich jetzt, Gott, du darfst das.
Dazu sind viele wenigstens bereit. Man mag es zwar schwierig finden, besonders im Umgang mit anderen Christen oder Leitern. Vielleicht denkt man, ein Leiter dürfe das eigentlich nicht zulassen. Doch gerade da kann man sich oft erweitern. Manchmal sagt man: Nein, da muss Buße sein, der darf das nicht. Dabei kann man sich leicht erwischen.
Im Grunde ist Bitterkeit Sünde, weil sie im Kern Bitterkeit gegen Gott ist. Man macht Gott einen Vorwurf. Denken wir an Jona: Er sitzt unter dem Baum, und Gott lässt den Baum vertrocknen. Jona ist stinkig und fragt: „Ist es recht, dass du zürnst?“ Er zeigt seine Bitterkeit.
Ist das nur eine Feststellung oder ein Vorwurf? Im Grunde ist jede Äußerung von Bitterkeit ein Vorwurf gegen Gott. Naomi sagt sogar, Gott habe sie bitter gemacht. Gott verhärtet die Herzen, zum Beispiel beim Pharao. Aber die vorherige Verhärtung kam von ihm selbst, aus seiner Haltung gegenüber Gott.
Bei der Verhärtung des Herzens von Pharao muss man genau hinschauen: Sechsmal heißt es, der Pharao verhärtete sein Herz, dann heißt es, Gott verhärtete es. Beim achten Mal heißt es wieder, der Pharao verhärtete sein Herz, und bei den letzten beiden Malen heißt es, Gott verhärtete es.
Das ist hochinteressant: Zuerst verhärtet Pharao sein Herz selbst. Dann gibt Gott ihm einen Warnschuss und verhärtet es, gibt ihm noch eine Chance. Pharao verhärtet sein Herz erneut. Am Ende ist es vorbei, und er kann nicht mehr zurück.
Das zeigt, wie Gott bei einem solchen Mann vorgeht: Nicht einfach „Jetzt ist Schluss“, sondern er gibt ihm zwischendurch noch eine Chance. Doch Pharaos Herz verändert sich nicht.
Ja, zum nächsten Punkt, den kreisenden Gedanken, habe ich ein Büchlein geschrieben: „Pult verfasste Gedanken“. Die Bibel unterscheidet zwei Arten des Denkens: einmal Grübeln und einmal wirkliches Nachdenken. Grübeln ist ein Denken im Kreis. Das kennen wir alle, zum Beispiel wenn wir nicht schlafen können. Man denkt über eine Sache nach, kommt aber nicht zu einem Ende. Grübelndes Denken ist wie ein Kreisel, und irgendwann wird einem schwindelig.
Ein sehr gutes Beispiel dafür ist Psalm 73 von Asaf. In den ersten 15 Versen schildert er, wie er die anderen Menschen sieht und anfängt zu grübeln. Er sagt, es fehle nur wenig, und seine Füße würden ausrutschen. Er kommt bis zu dem Punkt, an dem er fragt: „Wofür habe ich denn überhaupt mein Herz gereinigt?“ In Vers 16 heißt es dann: „Da dachte ich nach, eine mühevolle Arbeit war es in meinem Herzen und in meinen Augen.“ Man könnte fragen: „Ah, das hast du vorher nicht gedacht?“ Doch er sagt, dass er zuvor gegrübelt hat. Und Grübeln kann man nur durchbrechen, indem man einen sogenannten Gedankenstopp macht.
Wie Asaf dann sagt: „Da dachte ich, na, ich muss mit dem Kreiseldenken aufhören“, und zwar ganz bewusst. Danach denkt Asaf praktisch aus der Perspektive Gottes nach: „Bis ich hineinging in die Heiligtümer Gottes und deren Ende gewahrte.“ Das heißt, er schaut aus der Perspektive Gottes, mit der Brille Gottes, und erhält dadurch eine völlig andere Sicht. Daraufhin kommt er zum Danken: „Wen habe ich im Himmel und nichts anderes habe ich auf der Erde.“
Meines Erachtens ist das die einzige Möglichkeit, aus dem Grübeln herauszukommen. Grübeln kann ganz unterschiedliche Ursachen haben: Entweder durch Misserfolg, durch Sünde, durch Verletzungen oder durch Überlegungen, wie es weitergehen wird – also Zukunftsangst und Ähnliches. Ich komme nur heraus, wenn ich einen ganz bewussten Schritt tue: Ich will über Gott nachdenken.
Ein weiteres typisches Beispiel in dieser Hinsicht ist das Buch der Klagelieder. Es heißt ja nicht umsonst so. Die ersten drei Kapitel sind nur Klage, sehr pessimistisch. Im dritten Kapitel heißt es dann aber auch: „Ich will danken, ich will der Gütigkeit des Herrn gedenken. Seine Güte ist jeden Morgen neu.“ Das ist im Grunde der entscheidende Schnitt, an dem das Denken verändert wird. „Ich will gedenken“ ist ein ganz bewusster Willensakt.
Ich komme nur aus dem Grübeln heraus, wenn ich ganz bewusst sage: „Nein, ich will nicht mehr grübeln, ich will über Gott nachdenken.“ Und das ist schwer. Man muss das immer wieder neu einüben. Auch bei Geschwistern, die immer wieder nur grübeln, kann ich sie nur herausführen, indem ich ihnen den Herrn vorstelle. Sie sollen sich Gedanken über den Herrn machen und aus seiner Perspektive schauen.
Mir geht es so, und das hat sicherlich jeder: Es ist eine Eigeninitiative. Man will selbst irgendwo herauskommen, wenn einem etwas zu hoch oder zu viel wird. Deswegen findet man nicht die Ausfahrt aus dem Verkehr. Nur so ist es eine egoistische Sache.
Mir fällt dazu noch eine Stelle ein, die ich im 2. Korintherbrief gefunden habe: „Wir führen jeden hohen Gedanken gefangen“ (2. Korinther 10,8). Das heißt, auch meine Gedanken sind nicht selbstständig, sie müssen nicht selbstständig bleiben. Das ist auch eine Frage des Schrittes. Ich kann nicht einfach tun, was ich will, sondern ich werde die Gedanken beherrschen.
Wenn es gerade um Versuchungen geht, muss ich mir selbst verbieten, weiterzudenken. Wenn Gedanken kommen, kann ich sagen: „Bevor Jesus kommt, möchte ich ihn festbinden.“ Solche Dinge habe ich in dem Buch „Pulverfasser Gedanken – Leben auf dem Pulverfass“ beschrieben.
Ich bin durch die Beschäftigung mit unseren Gefährdeten und durch die Seelsorge auf viele meiner Bücher gekommen. Dabei habe ich über Themen wie Vergebung, Gedanken und „Füttere den Adler“ nachgedacht. Römer 7 und Römer 8 sind alles Dinge, die aus dieser Beschäftigung entstanden sind.
Ja, das hatten wir uns gestern schon vorgenommen: Ich kann mir selbst nicht vergeben. Das wird oft gesagt. Wer so etwas sagt, hat meist schon Kontakt zu Psychotherapeuten gehabt.
Die Frage ist: Gegen wen habe ich gesündigt? Nur der kann vergeben, gegen den ich gesündigt habe. Es geht also nicht darum, dass ich nicht gegen mich selbst gesündigt habe, sondern dass ich gegen Gott gesündigt habe.
Deshalb kann ich mir nicht selbst vergeben. Stattdessen muss ich mir eingestehen – ähnlich wie Judas, der sich dann aufgehängt hat –, dass er sich, wie viele sagen, selbst nicht vergeben konnte. Das ist aber keine Frage der Vergebung gewesen, sondern einfach Stolz.
Im Grunde traut er sich nicht, zu Jesus zu gehen und zu sagen: „Das war falsch.“ Diese Äußerung findet man sogar in christlichen Therapien, und ich halte das für sehr gefährlich, weil es ein falsches Bild von Vergebung vermittelt.
Siebtens: Der andere hat mich so verletzt – wie überwinde ich Verletzung?
Im Grunde finden wir diese Formulierung in der Bibel eigentlich gar nicht, dass ich verletzt wäre. Das ist ein eher neuer Begriff aus der Psychologie, den die Bibel so nicht kennt. Natürlich kann man das so anwenden oder sagen: Ein Mensch, der als Kind missbraucht worden ist, hat in seiner Seele wirklich Schaden genommen. Trotzdem muss man nicht daran zerbrechen.
Als Beispiel nehme ich das Leben von Josef. Was Josef erlebt, sind zunächst eine Reihe von Verletzungen, wenn man es so nennen will, die von seinen Brüdern ausgehen. Ein anderer Mensch wäre daran zerbrochen. Dann kommt die Ungerechtigkeit im Hause Potiphar hinzu: Josef kommt ohne Gerichtsurteil ins Gefängnis. Das wäre ein Fall für den Psychiater gewesen, oder?
Woher kommt es, dass Josef selbst im Gefängnis nicht verbittert ist und nicht zerbricht? Es heißt sogar dreimal, dass der Herr mit Josef war. Ich glaube, das wird erst am Ende seines Lebens deutlich, als er seinen Brüdern sagt: „Ihr hattet Böses im Sinn, aber Gott hat es so gemacht, wie es heute ist.“ Das heißt, Josef sieht nicht die Verletzung durch seine Brüder, nicht die Verletzung durch Potiphar, sondern er sieht über allem Gott.
Er weiß, selbst wenn er eine Sache nicht versteht – und er hat es garantiert nicht verstanden, als er im Gefängnis saß –, wofür das gut sein soll. Er konnte damals noch nicht einmal sehen, wie er da wieder herauskommen würde. Der Bäcker hatte ihn vergessen. Das sind Dinge, bei denen man merkt, dass eine Grundeinstellung anders ist. Zu einer solchen Grundeinstellung müssen wir kommen.
Josef sieht über allem die Führung und Hand Gottes, auch wenn er seine gegenwärtige Situation nicht versteht. Dadurch wird er innerlich durch die Situation getragen. Am Ende seines Lebens sieht er die Auflösung.
Wir möchten heute oft sofort die Auflösung haben. Es ist uns noch nicht verheißen, dass wir die Auflösung schon im Leben finden. Aber im Himmel werden wir sie auf jeden Fall finden. Das ist so.
Der Geber, er meint, es ist eine Frau, ist verheiratet. Diese Frau wird ständig von ihrem Mann verletzt – nicht körperlich, zumindest meistens nicht. Es gab zwar einmal einen Fall mit Schlägen, aber hauptsächlich wird sie verbal verletzt und von ihm verachtet.
Er selbst sagt, dass er das nicht will. Allerdings weiß er auch nicht, ob es eine Krankheit bei ihm ist. Er sieht diese Sünde bei sich, ist sich aber unsicher, ob er sich wirklich bekehrt hat. Denn die Flucht, die manchmal auftritt, lässt daran zweifeln.
Die Frau sagt, sie kann bald nicht mehr. Wenn sie ausziehen würde, bittet sie darum, dass das akzeptiert wird. Das Problem besteht schon seit über zwanzig Jahren und wird immer heftiger.
Man muss mit so einem Mann reden, oder? Wenn jemand sagt, er sei bekehrt, dann muss man ihn auch so behandeln – als wäre er wirklich bekehrt. Dann muss man sehr deutliche Worte finden.
Wenn es ein Ungläubiger ist, kann man nicht viel erwarten, obwohl man ihm moralisch auch etwas sagen könnte. Aber wenn jemand behauptet, er sei bekehrt – selbst wenn man daran Zweifel hat – dann muss man ihm auf dieser Ebene begegnen und sagen: So nicht! Was du tust, ist Sünde. Dann muss man auch Zucht an ihm üben, wenn er das nicht ändert.
Ich glaube, man muss einem solchen Mann sehr deutliche Dinge sagen. An solchen Punkten nehme ich kein Blatt vor den Mund.
Die Frau ist noch nicht bitter, aber man merkt, dass sie es langsam wird. Man spürt es mit jedem Nagelstich, den sie bekommt. Sie dankt Gott, weil sie für ihren Mann betet. Sie nimmt die Nachfrage wirklich ernst und fängt an, für ihn zu beten.
Kommt er denn zur Gemeinde? In den letzten ein, zwei Monaten konnten sie nicht gemeinsam kommen. Man hat schon gemerkt, dass die Spannung so zugenommen hat, dass er dann wegbleibt. Er kommt nicht regelmäßig, und wenn er dann doch kommt, zuckt er aus.
Besuche machen und mit ihm sehr deutlich reden – das kann man nicht einfach laufen lassen.
Angenommen, er ist kein Christ – in der gleichen Situation würde er sich von den Brüdern der Gemeinde nichts sagen lassen. Die Schwester würde sagen, sie hält es nicht aus.
In der Seelsorge kann man dann nicht sagen: Wir bleiben bei deinem Mann, oder? Nein, das kann man nicht sagen. Dabei rate ich nicht zu einer Scheidung, aber zu einer Trennung durchaus.
Das ist sicherlich auch deshalb so, weil ja auch Kinder darunter leiden können. Ich weiß nicht, ob Kinder da sind, aber man muss auf jeden Fall versuchen, mit so einem Mann zu reden – selbst wenn er nicht gläubig ist.
Wenn er sich weigert und verschließt, ist das eine andere Sache. Aber der Versuch muss auf jeden Fall gemacht werden.
Gottes Ziel ist immer Versöhnung. Trennung ist immer nur eine Notlösung. Das ist kein Idealzustand.
Ich habe Angst vor Gott – das deutet darauf hin, dass derjenige, der so etwas sagt, ein falsches Gottesbild hat. Denken wir an den verlorenen Sohn, von dem Jesus in Lukas 15 erzählt. Wie unterschiedlich sind die Reaktionen von Menschen, wenn sie von zu Hause weggelaufen sind, das heißt von Gott weggelaufen sind, und nun wissen: Ein Leben endet im Mist. Sie stehen in der Sackgasse. Eigentlich müssten sie zurück, aber sie haben Angst.
Der verlorene Sohn hätte es auch so sagen können. Aus Stolz: Wie stehe ich dann da vor dem Vater? Wie stehe ich dann da vor meinem Bruder und den anderen zu Hause, wenn ich jetzt heruntergekommen zurückkomme? Lieber gehe ich jetzt zugrunde. So nehmen sie ihren Kopf unter den Arm.
Da ist es wichtig, einem solchen Menschen deutlich zu machen, wie Gott ist.
Ich kann mich gut daran erinnern, vor vielen Jahren, als ich Jugendarbeit in unserer Gemeinde gemacht habe. Da wollte ich den Jugendlichen erklären, wie Gott als Vater ist. Und da saß mir ein Junge gegenüber. Ich habe überlegt, wie ich das erklären kann. Der hatte einen Vater, der war – wir würden sagen – ein Waschlappen, eine Memme. Also die Mutter hatte das Sagen. Der Vater war im Grunde ein Kind.
Wie erklärt man so einem Jungen, wie Gott ist? Denn die meisten Menschen projizieren das Vaterbild, das sie von ihrem eigenen Vater haben, auf Gott.
Als wir damals dieses Mädchen aufgenommen haben, habe ich ihr erklärt, dass Gott wie ein Vater ist. Da guckte sie mich ganz entgeistert an und sagte: „Wieso? Ist er immer besoffen?“
Das ist schwer, glaube ich, manchen Menschen das Vaterbild Gottes deutlich zu machen, weil sie es nicht kennen. Dieses „Aber Vater“, „Daddy“, „Papi“, weil sie Angst vor ihrem Vater hatten oder weil er eben ein Softie war.
Man könnte meinen, einer, der keinen vernünftigen Vater gehabt hat, kann auch gar keine richtige Beziehung zu Gott bekommen. Aber damit gibt Jesus uns eigentlich die Möglichkeit. Er sagte das in Johannes 14 bis 16 in der letzten Nacht vor seinem Sterben, als er seine Jünger bei sich hatte. Man kann mal zählen, wie oft er in diesen drei Kapiteln vom Vater spricht. Es hat den Eindruck, als hätte er Heimweh.
Dann sagt Philippus: „Herr, zeige uns den Vater.“ Offensichtlich hat ihn fasziniert, wie der Herr Jesus von seinem Vater erzählt. Philippus sagt: „Herr, zeige uns den Vater.“
Und dann sagt der Herr Jesus: „Philippus, so lange bist du bei mir, und du hast mich nicht erkannt? Wer mich gesehen hat, hat den Vater gesehen.“ Wer also wissen will, wie Gott als Vater ist, der muss zu Jesus kommen.
Das ist im Grunde die Chance für Menschen, die keinen guten Vater gehabt haben. An Jesus können sie erkennen, wie Gott als Vater ist. Und darin sehe ich die größte Chance.
Wir merken das oft bei unseren Gefährdeten. Die kommen aus chaotischen Verhältnissen. Manche kennen ihren Vater überhaupt nicht. Ein Junge hatte einen Vater, der Türke war. Der Vater war verschwunden. Er machte sich auf die Suche, wollte seinen Vater kennenlernen. Dann fand er ihn, reiste hin und klingelte an der Tür. Der Vater machte auf und sagte: „Verschwinde! Ich will mit dir nichts zu tun haben.“
Könnt ihr euch vorstellen, wie der Junge zurückkam? Menschlich gesprochen kann man sagen: Es ist doch logisch, dass so jemand dann Drogen nimmt, oder?
Man könnte fragen: Wie kann man so einem Menschen deutlich machen, wie Gott ist?
Wenn so ein Junge dann begreift, Jesus annimmt und lernt, wie der Herr Jesus ist, finde ich das immer faszinierend. Wenn so ein Junge in der Gemeinde sagt: „Ihr seid meine Familie geworden“, oder so ein Junge dann zu mir sagt: „Papi“, und man versucht, ihm ein bisschen etwas zu geben.
Ich halte es für sehr wichtig, dass wir in unseren Gemeinden das Vaterbild Gottes verkündigen, weil das Auswirkungen hat – auch auf die seelische Gesundheit der Geschwister. Das haben wir eben schon mitbehandelt, diesen Knackpunkt.
Das ist Gottes Strafe gegen mich. Wir haben bereits gesagt, dass wir zwischen den Folgen der Sünde und dem Lohn der Sünde unterscheiden müssen.
Ein Beispiel dafür finden wir bei Davids Ehebruch. Nachdem Nathan ihn überführt hatte, schrieb David Psalm 51 und Psalm 34. Er erhielt Vergebung, doch die Folgen seiner Sünde musste er tragen. Der Junge, der geboren wurde, starb, und Gott sagte: In deinem Haus wird weiterhin das Schwert sein.
David verstand jedoch, dass die Folgen nicht die Strafe sind. Er hatte Vergebung.
Zehnter Punkt
Vielleicht kennt ihr solche Aussagen auch: „Es hat alles keinen Sinn, ich bin ein hoffnungsloser Fall.“ Wir sagen das oft so schnell. Doch bei Gott gibt es keine hoffnungslosen Fälle. Es ist immer gut, wenn wir biblische Beispiele dafür finden.
Mich macht so etwas froh, wie es im 1. Korinther 6 steht. Paulus zählt dort auf, was für Menschen in der Gemeinde in Korinth waren. Wenn man das liest, möchte man vielleicht sagen: „In der Gemeinde von Korinth möchte ich nicht gewesen sein. Herr, bewahre mich vor korinthischen Verhältnissen!“ Aber Paulus sagt: „Solche sind etliche von euch gewesen, aber ihr seid abgewaschen, ihr seid gereinigt.“ Das finde ich schon schön.
Wenn ich so in die Gemeinde schaue und da sitzen unsere ehemaligen Junkies zwischen den anderen Geschwistern, und man sieht heute keinen Unterschied – da bin ich schon sehr dankbar.
Eine Frage dazu: Wenn das für dich bedeutet, dass deine Krankheit geheilt ist und du reingewaschen und geheiligt bist – manche Gemeinden machen da doch Unterschiede. Sie setzen solche Menschen nicht als Älteste ein, wenn ihr Lebenswandel nicht wirklich verändert ist. Oder man sagt, jeder Verheiratete darf nicht in Leitungsverantwortung, und so weiter.
Ich will es einfach mal so sagen: Das habe ich also erfahren. Es kommt immer darauf an, ob jemand wirklich Buße getan hat und das auch in dieser Welt deutlich macht.
Ich finde es gut, bei uns ist vor Jahren ein Paar zu mir gekommen. Sie waren nicht verlobt. Sie kam zu mir und sagte: „Wir haben miteinander geschlafen, die Folgen sind da, und wir müssen heiraten. Aber es tut uns leid, wir haben Gott um Vergebung gebeten und möchten auch die Gemeinde um Vergebung bitten.“
Am nächsten Sonntag haben sie das der Gemeinde gesagt. Die Gemeinde war sehr betroffen, aber so jemanden muss man dann nicht ausschließen. Jemand, der Buße getan hat und das bekennt, der hat Gott und die Gemeinde um Vergebung gebeten.
Ich fand es bemerkenswert, dass sie, als sie geheiratet haben, von sich aus sagten: „Nein, wir möchten nicht in der Gemeinde die Feierstunde machen, damit nicht unsere Verwandtschaft meint, die Gemeinde würde das tolerieren, was wir getan haben.“
Sie haben also einen Saal gemietet, dort geheiratet und einen Bruder gebeten, der ein Wort sagt. Auf dieser Hochzeitsfeier haben sie vor ihren ungläubigen Verwandten ihre Sünde bekannt. Da muss ich sagen: Aller Achtung!
In der Gemeinde wurde nie mehr darüber gesprochen, weil es geregelt war.
Ich glaube, es ist wichtig, klare Grenzen zu ziehen und klar zu bekennen: Wenn eure Sünden blutrot sind, sollen sie weiß werden. Die Vergebung ist total.
Mir ist dabei wichtig geworden: Versöhnung ist noch ein Schritt weiter als Vergebung. Wir denken oft, Vergebung sei das Größte. Aber so wie ich die Bibel verstehe, ist Versöhnung ein weiterer Schritt.
Wir vergeben gerne oder zwangsläufig. Doch dann lassen wir den anderen sozusagen auf der Bewährungsbank sitzen und schauen, wie er sich bewährt.
Versöhnung aber bedeutet: Ich setze wieder Vertrauen in ihn. So wie der Herr Jesus das bei Petrus macht, in Johannes 21. Offensichtlich hat der Herr Jesus ihm bei dem Einzelgespräch am Ostermorgen vergeben. Aber das, was er in Johannes 21 tut, ist Versöhnung.
Er rehabilitiert ihn und setzt Vertrauen wieder in ihn.
Das ist sicherlich auch für uns eine wichtige Sache: Dass wir in der Gemeinde untereinander nicht nur vergeben, sondern zur Versöhnung kommen. Dass man sich wieder in die Augen gucken kann und sich wieder Vertrauen entgegenbringen kann. Da habe ich oft den Eindruck, da hapert es.
Ich hätte jetzt zwar noch fünf Punkte, aber ich würde mit euch gerne das andere noch machen. Wenn wir euch noch etwas an die R-Wert stellen, verzichten wir auf die weiteren fünf Knackpunkte. Vielleicht machen wir zwischendurch fünf Minuten Pause.
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