Einführung: Bücher verschenken und Lebensveränderung hinterfragen
Wenn wir mit einem Büchertisch auf der Straße stehen, teilen wir verschiedene Bücher aus. Manchmal verschenken wir einfach das Neue Testament oder Bibeln. Manchmal sind es Klassiker wie „Jesus unser Schicksal“. Das ist letztlich eher ein Sachbuch, auch wenn man das auf den ersten Blick nicht am Stil merkt. Oder wir verschenken Bücher wie „Wer ist dieser Mensch?“ oder andere Sachbücher. Außerdem geben wir Zeugnisbücher weiter.
Ich weiß nicht, ob ihr diese kennt: Der CLV hat in der Vergangenheit viele davon herausgegeben. Sie werden immer noch aufgelegt und lassen sich gut verschenken. Es handelt sich oft um Zeugnisbücher von Menschen. Besonders die ältesten Zeugnisbücher berichten von Leuten aus relativ extremen Situationen, mit einem teilweise kriminellen Hintergrund, Drogenproblemen und Ähnlichem. Sie erzählen, wie sich ihr Leben vollständig gewandelt hat, wie sie sich bekehrt haben und jetzt ganz andere Menschen sind. Das ist total beeindruckend.
Manchmal fragt man sich jedoch, ob man solche Bücher jedem geben sollte. Denn die meisten Leute, denen man die Bücher gibt, kommen nicht aus extremen Situationen. Sie fragen sich dann vielleicht, ob man nur Christ werden kann, wenn man vorher Drogen genommen hat. Ein weiterer Haken ist, dass man weiß, dass nicht alle, die ihr Zeugnis geben, heute noch mit dem Herrn leben. Manche sind zumindest teilweise wieder da, wo sie hergekommen sind.
Ihr kennt das sicherlich, und ich kenne das auch. Wir hatten auch schon Zeugnisse in unserem Gemeindeinfo von Menschen, die heute wieder dort sind, wo sie früher waren. Auf unserer Homepage gibt es ebenfalls solche Zeugnisse. Gerade wenn man sich persönlich bei jemandem investiert hat – und das macht man ja nicht bei 50 Leuten gleichzeitig – und den Eindruck hat, diese Person hat sich wirklich bekehrt, ist es frustrierend, wenn sie nach ein paar Jahren wieder ungefähr dort ist, wo sie hergekommen ist.
Das ist wirklich enttäuschend. Man fragt sich dann: Gibt es überhaupt echte Lebensveränderung? Gibt es wirklich tiefgreifende Veränderungen? Bleiben nur diejenigen dabei, die vorher aus einem eher bürgerlichen Hintergrund kommen oder vielleicht sogar in einer christlichen Familie aufgewachsen sind? Gibt es wirklich Lebensveränderung? Und lohnt es sich, sich in Menschen zu investieren? Lohnt es sich, auch in Menschen mit einem schwierigeren Hintergrund zu investieren? Nach einigen Erfahrungen ist man da manchmal etwas frustriert.
Ausgangspunkt: Der Kolosserbrief und die Einführung in den Philemonbrief
Na ja, ich möchte heute mit euch über jemanden sprechen, dessen Leben sich wirklich verändert hat. In den letzten zwei Jahren, wenn ich hier vorne stand und gepredigt habe, habe ich meistens über den Kolosserbrief gesprochen. Vielleicht ist es dem einen oder anderen sogar aufgefallen.
Ich weiß nicht, was am Kolosserbrief lustig sein soll, aber gut. Heute möchte ich den Kolosserbrief nur als Absprungbrett verwenden und drei Verse aus Kapitel 4 lesen. Ich lese zuerst die Verse vor und sage dann drei Sätze dazu. Dort steht in Kapitel 4, Vers 7: „Alles, was mich angeht, wird euch Tychikus kundtun, der geliebte Bruder und treue Diener und Mitknecht im Herrn.“ Das war derjenige, der den Brief gebracht hat. Übrigens hat er auch den Epheserbrief gebracht.
Weiter heißt es: „Den ich eben deshalb zu euch gesandt habe, damit er eure Umstände erfahre und eure Herzen tröste, mit Onesimus, dem treuen und geliebten Bruder, der von euch ist. Sie werden euch alles kundtun, was hier geschieht.“
Hier taucht ein Name auf, und wer öfter mal in der Bibel liest, dem kommt der Name vielleicht bekannt vor: Onesimus. Onesimus ist eine der zwei Hauptfiguren in einem biblischen Buch. Welchem? Dem Philemonbrief. Philemon ist übrigens die andere Hauptfigur. Naja, eigentlich gibt es drei Hauptfiguren in diesem Buch. Ich habe untertrieben, denn derjenige, der den Brief geschrieben hat, Paulus, ist natürlich auch eine ganz wesentliche Hauptfigur in diesem Buch.
Buch? Naja, eigentlich ist es ein Brief. Das wäre ein sehr dünnes Buch. Wir sagen immer, die Bibel hat so und so viele Bücher, aber das ist natürlich Quatsch. Die Bibel besteht aus so und so vielen Schriftstücken. Ein einseitiger Brief ist ja kein Buch.
Der Philemonbrief ist zusammen mit dem Kolosserbrief nach Kolosse gekommen, weil Onesimus, für den das quasi ein Empfehlungsschreiben war – oder wie man es auch nennen mag – aus Kolosse stammte. Ich glaube, der Brief an Philemon über Onesimus war wahrscheinlich der Anlass dafür, dass der Kolosserbrief zu diesem Zeitpunkt geschrieben wurde.
Du darfst daran glauben, dass die Reihenfolge der biblischen Bücher im Neuen Testament inspiriert ist. Ich will dir das nicht wegnehmen. Ich meine, ich denke, die Paulusbriefe sind einfach nach Länge sortiert. Keine Ahnung, ob das wirklich inspiriert ist.
Ich finde, der Philemonbrief sollte direkt an den Kolosserbrief angeschlossen sein. Ich finde, er steht an der falschen Stelle. Das ist meine Meinung, du darfst deine dazu haben, kein Problem. Auch der Epheserbrief sollte eigentlich direkt vor oder hinter dem Kolosserbrief stehen, und danach der Philipperbrief, finde ich. Aber gut, das kann man unterschiedlich sehen.
Den Philemonbrief haben die Leute, die die biblischen Bücher übersetzt und sortiert haben, ganz hinten als letzten der Paulusbriefe eingeordnet, weil er nur an eine Person geschrieben wurde. Vorne sind die Briefe, die Paulus an Gemeinden geschrieben hat, nach Größe sortiert, und dann sind die Briefe, die er an Personen geschrieben hat.
Vom zeitlichen Ablauf her macht das auch bei den Timotheusbriefen und dem Titusbrief Sinn, weil diese die letzten Briefe sind, die Paulus geschrieben hat. Aber wie gesagt, der Philemonbrief, der so ein ganz kurzer Brief ist, kommt hinten dran. Ich finde, der sollte beim Kolosserbrief stehen.
Heute möchte ich den Philemonbrief mit euch lesen. Man kann so einen ganzen Brief mal lesen, wenn er nicht so lang ist, so ein ganzes biblisches Buch. Aus zwei Gründen: Zum einen bin ich noch nicht ganz fertig mit dem Kolosserbrief, und man muss es einfach zusammen lesen. Zum anderen glaube ich, dass man, wenn man den Philemonbrief kennt, das eine oder andere aus dem Kolosserbrief vielleicht besser versteht.
Daher möchte ich gerne ein- oder zweimal über den Philemonbrief sprechen. Ich lese jetzt einfach mal von vorne ein paar Verse, und wir schauen uns diesen kurzen Brief gemeinsam an.
Ich dachte, das ist eine ganz gute Predigt für einen heißen Tag wie heute, denn eigentlich ist es eine Geschichte. Und eigentlich möchte ich euch heute einfach eine Geschichte erzählen. Das heißt, ihr müsst euch gar nicht anstrengen. Ihr könnt euch ganz gemütlich zurücklehnen und einfach nur zuhören, während ich euch eine Geschichte erzähle.
Begrüßung und Beziehung zwischen Paulus und Philemon
Fangen wir mal an. Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder, an Philemon, den Geliebten und unseren Mitarbeiter, sowie an Abja, die Schwester, und an unsere Mitkämpfer in der Versammlung und an die Versammlung in deinem Haus: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus.
Paulus schreibt an Philemon und nennt ihn hier „Geliebten“ sowie „unseren Mitarbeiter“. Später im Brief bezeichnet er ihn noch als seinen Partner oder Freund. Wenn man Vers 19 liest, sagt Paulus in der zweiten Hälfte, im Zusammenhang mit jemandem, der jemandem etwas schuldig ist oder etwas bezahlen muss: „Ich möchte nicht ausdrücklich sagen, dass du dich selbst mir schuldig bist.“ Ich habe mich gefragt, was das bedeutet.
Die beiden hatten offensichtlich ein ganz besonderes Verhältnis, obwohl ich nicht einmal sicher bin, ob sie sich persönlich sehr gut kannten. Paulus war für drei Jahre in Ephesus gewesen. Das ist keine Weltreise von Kolossä, nicht direkt um die Ecke, aber auch keine Weltreise. In der Apostelgeschichte lesen wir, dass viele Leute aus der ganzen Provinz gekommen sind, die sich bekehrt hatten, um von Paulus zu lernen. Sie nahmen sich eine Woche frei oder sogar länger, um von Paulus das Evangelium zu lernen und zu erfahren, was das Wort Gottes ist.
Es steht, dass sie sich täglich in der Schule des Tyrannos unterredeten. Keine Ahnung, es gibt Überlieferungen, die sagen, das war eine Schule, die mittags eine Pause hatte, weil es zu heiß war, um zu lernen. Paulus konnte diese Schule in der Zeit mieten und dort Bibelunterricht geben. Das haben sie jeden Tag gemacht. Ob es genau so war, wissen wir nicht, denn es steht nicht in der Bibel, es ist nur eine Überlieferung.
Wenn Paulus hier schreibt, „Philemon, du bist dich selbst mir schuldig“, klingt es so, als hätte sich Philemon vielleicht durch Paulus bekehrt, direkt oder indirekt. Ob er selbst in Ephesus war, bei seiner vielen Arbeit und Verantwortung, oder ob er sich durch jemanden, der dort war, bekehrt hat, wissen wir nicht. Aber sie hatten dadurch schon ein besonderes Verhältnis.
Paulus bezeichnet ihn als Mitarbeiter, als jemanden, den er liebt, als jemanden, der sich selbst mit Paulus schuldig ist. In Vers 2 steht „und Abja, der Schwester“. Die Vermutung liegt nahe, dass das die Frau von Philemon war. Warum sonst sollte sie in der Begrüßung erwähnt werden? Die meisten nehmen an, dass es seine Frau war.
Wenn dort „Abja, die Schwester“ steht, hatte Philemon das besondere Vorrecht, dass er nicht nur selbst bekehrt war, sondern auch eine gläubige Frau hatte. Das ist schon mal gut. Das kann ich allen nur empfehlen: einen gläubigen Ehepartner zu haben, wenn sich bei der Auswahl des Ehepartners noch etwas machen lässt.
Meine Güte, wenn ich mich bekehre, während ich schon lange verheiratet bin, kann ich nicht erzwingen, dass mein Ehepartner sich ebenfalls bekehrt. Dann kann ich nichts daran ändern. Aber wenn ich noch vor der Wahl stehe, wenn ich heirate, dann kann ich etwas beeinflussen. So ist das.
Wann auch immer Philemon sich bekehrt hat – ich vermute nach seiner Eheschließung, bin mir aber nicht sicher – er hatte auf jeden Fall eine gläubige Frau, und das ist schön.
Dann steht da: „und Archippus, unserem Mitkämpfer“. Die meisten nehmen an, dass, wenn das hier eine familiäre Aufzählung ist, Archippus vielleicht der Sohn ist. Kann ja sein. Archippus kommt übrigens auch im Kolosserbrief vor: „Sage Archippus, dass er auf den Dienst achtet, den er vom Herrn empfangen hat“, schreibt Paulus.
Hier schreibt Paulus nicht einfach nur „Mitarbeiter“, sondern „Mitkämpfer“. Das ist fast noch ein intensiveres Wort als bei Philemon. Ich lese jetzt ein bisschen zwischen den Zeilen, aber es wirkt fast so, als würde Paulus Archippus noch näher kennen. Auch weil er ihn im Kolosserbrief nochmal anspricht: Du hast eine Verantwortung, du hast eine Aufgabe bekommen für Kolossä. Mach das, tu deinen Dienst, den du hast, und häng dich rein.
Keine Ahnung, vielleicht war Archippus einfach länger in Ephesus, vielleicht hat er dort wirklich eine Ausbildung gemacht und viel von Paulus gelernt. Ich fände das eine interessante Konstellation, wenn sie so ist: Philemon, der sich direkt oder indirekt durch Paulus bekehrt hat, und Archippus, der vielleicht länger da war, von Paulus ausgebildet wurde und mit einem Auftrag nach Kolossä geschickt wurde.
Ich denke an Leute wie Peter Lühling, den manche von euch kennen. Er kennt mich schon, wenn wir uns begegnen, weiß er, wer ich bin. Aber ich habe einen Sohn, Jan, den kennt er besser. Wir haben ein viel längeres Verhältnis, als Peter zu mir hätte. So ähnlich stelle ich mir das hier vor.
Dann steht „und der Versammlung in deinem Haus“. In Philemons Haus traf sich offenbar eine Versammlung. Vielleicht war das die ganze Gemeinde, denn Philemon schien ein relativ großes Anwesen zu haben. Er hatte Angestellte und Sklaven, wie wir sehen werden. Onesimus war einer seiner Sklaven gewesen.
Vielleicht war es aber auch nur etwas, was wir heute als Hauskreis bezeichnen würden, der sich regelmäßig bei ihm traf. Ob es einen größeren Raum gab, in dem sich die Gemeinde als Ganzes traf, wissen wir nicht. Aber offensichtlich haben sich einige Geschwister regelmäßig bei Philemon in seinem Haus versammelt.
Jetzt wissen wir schon ein bisschen mehr über Philemon, an den dieser ganze Brief gerichtet ist.
Philemons Glauben und Liebe zu den Geschwistern
Lesen wir weiter, Vers 4:
Ich danke meinem Gott, dem ich allezeit deine Wähne in meinen Gebeten darbringe, da ich höre von deiner Liebe und von dem Glauben, den du an den Herrn Jesus hast, und die du zu allen Heiligen hast.
Er hat Glauben und Treue zu Jesus und vielleicht auch Treue zu den Geschwistern. Er hat Liebe zu Jesus und er hat Liebe zu den Geschwistern. Das ist übrigens etwas ganz Zentrales: Treue und Glauben zu dem Herrn Jesus zu haben und Liebe zu dem Herrn Jesus zu haben, aber auch Treue und Glaube zu den Geschwistern, zu den Heiligen, und Liebe zu den Geschwistern zu haben.
Wir sind manchmal so fokussiert darauf, Ungläubige zu erreichen, dass wir vergessen, dass es viel mehr Aufforderungen in der Bibel gibt, die Geschwister zu lieben als die Ungläubigen.
Ja, das noch einmal: Wir vergessen oft, dass es viel mehr Aufforderungen in der Bibel gibt, die Geschwister zu lieben als die Ungläubigen. Und wenn wir das nicht praktisch tun, wenn wir nicht praktisch die Gemeinschaft mit den Geschwistern suchen, wenn es für uns keine Priorität hat, dann machen wir vielleicht etwas ganz Tolles, aber nicht das, was in der Bibel steht.
Wir müssen ausgewogen sein. Wir können nicht auf der einen Seite sein und auf der anderen vom Pferd fallen. Wir können es auch nicht gegeneinander ausspielen: die Verantwortung, die wir für die Ungläubigen in unserer Umgebung haben, und die Liebe und die Treue zu den Geschwistern. Es ist ganz wichtig, dass wir da ausgewogen bleiben.
Ich sage das nur einmal an dieser Stelle, weil es eine direkte Aufforderung im Kolosserbrief, eine direkte Aufforderung im Epheserbrief und eine direkte Aufforderung im Philemonbrief ist. Es fällt einfach auf, wenn man diese drei Briefe, die gleichzeitig verschickt worden sind, mal nacheinander liest.
Paulus dankt dafür bei den Ephesern, er dankt dafür bei den Kolossern und er dankt dafür bei Philemon – für den Glauben an den Herrn Jesus und die Liebe zu den Heiligen.
Vers 6: Also er dankt dafür, weil er das von ihm hört, und in Vers 6 betet er, dass die Gemeinschaft seines Glaubens wirksam wäre, zur Anerkennung alles Guten, das in uns ist, Christus gegenüber.
Denn ich hatte große Freude und großen Trost durch deine Liebe, weil die Herzen der Heiligen durch dich, Bruder, erquickt worden sind.
Für Paulus war es ein Trost, von Philemon zu hören, Philemon aus der Ferne zu sehen, wie er für Geschwister sorgt. Ich weiß nicht, wie Philemon das gemacht hat, ob es hauptsächlich war, dass er sie ermutigt hat, dass er das Gespräch gesucht hat, dass er Mut zugesprochen hat in Nöten, in denen sie waren, in ihren praktischen Alltagsumständen. Ich weiß es nicht.
Vielleicht hat er auch dem einen oder anderen finanziell geholfen. Ich meine, mit so einem Haushalt bist du wahrscheinlich doch mehr bei denen, denen es materiell besser geht in der Gemeinde. Vielleicht hat er dem einen oder anderen, der materiell in Not war, geholfen. Ich weiß nicht, was das alles umfasst.
Aber Paulus sagt: Die Herzen der Heiligen sind durch dich, Bruder, erquickt worden, belebt worden. Das ist wirklich etwas, was durch ihn passiert ist in dieser Gemeinde oder vielleicht auch bei Geschwistern, die da durchgereist sind. Es war so eine Hauptreiseroute, die an Kolossae vorbeiging.
Die Herzen der Heiligen sind durch dich, Bruder, erquickt worden. Das ist auch schön, oder überleg mal: Würdest du einen Brief kriegen von jemandem – nicht von irgendjemand, sondern von jemandem, den du schon achtest, dessen Urteil dir wichtig ist – und da stünde drin: „Judith, die Herzen der Heiligen sind durch dich, Schwester, erquickt worden.“ Und das war mir ein Trost.
Das ist gewaltig. Da würden wir von Paulus so einen Brief kriegen. Das ist schon cool.
Und eigentlich war Paulus begeistert von der Liebe, die Philemon zu den Geschwistern hatte, und wie sie sich praktisch ausgewirkt hat. Aber dann steht da so ein kleiner Satz dazwischen, so zwischen den Zeilen. Ich weiß nicht, ob ich den überinterpretiere, aber es gibt etwas, für das Paulus hier in diesem Zusammenhang betet, wo er eigentlich von Dank spricht.
Er sagt in Vers 6, dass die Gemeinschaft deines Glaubens wirksam werde in der Anerkennung alles Guten, das in uns ist, Christus gegenüber.
Und ich habe das Gefühl, dass Paulus das Gefühl hat – ja, das hat viel Gefühl –, dass Philemon ein bisschen frustriert ist. Denn er betet darum, dass Philemon es schafft, all das Gute, was in den Christen ist, anzuerkennen.
Und es wirkt ja ein bisschen so, zumindest in meiner Übersetzung ist es so formuliert – ich weiß nicht, wie das bei dir steht –, aber in meiner ziemlich alten, aber dafür ein bisschen wörtlichen Übersetzung ist es so formuliert, dass Paulus irgendwie Sorge hat, dass Philemon Schwierigkeiten hat, das Gute in den Christen noch zu sehen und anzuerkennen.
Und das habe ich ganz am Anfang gesagt: Das passiert uns, gerade wenn wir in Menschen investieren und immer wieder auch Frustration erfahren, wie sie damit umgehen, dass es nicht so toll ist. Dass wir so einen negativen Blick bekommen und in der Gefahr stehen, nur noch das Negative zu sehen, negative Entwicklungen von Geschwistern in unserer Umgebung.
Und mir geht es so. Ich kann euch eine Liste geben von negativen Entwicklungen, die ich sehe in der Gemeinde und bei Einzelnen. Das ist gar kein Problem, das geht automatisch, eigentlich runterschreiben. Man muss nicht darüber nachdenken, weil es fällt einfach auf.
Denn immer, wenn man investiert, baut sich so eine gewisse Erwartung auf, dass es dadurch auch vorwärts geht. Das ist einfach so.
Und Paulus sagt: Ich danke dir dafür und ich danke Gott dafür – für all die Liebe, die du zu den Heiligen hast, und die Herzen der Heiligen sind durch dich, Bruder, erquickt worden.
Und ich bete darum, dass du es schaffst, alles Gute, was in uns ist, Christus Jesus gegenüber anzuerkennen, das Gute zu sehen, das immer noch da ist oder das vielleicht an der einen oder anderen Stelle von der Gemeinde und dem einen oder anderen von den Gläubigen sogar wächst.
Ich bete darum, dass du das siehst. Und das ist schon ein Gebet, das ich auch für mich habe, dass ich das sehe.
Onesimus: Vom entlaufenen Sklaven zum geliebten Bruder
Na ja, aber eigentlich wollte ich heute nicht über Philemon sprechen, sondern über Onesimus. Über Philemon vielleicht ein andermal. Deshalb lesen wir jetzt mal ab Vers 8. Ich beginne eigentlich ab Vers 10, wenn wir ein paar Verse überspringen, dann lesen wir Vers 10 bis 12:
Ich bitte dich für mein Kind, das ich in den Fesseln gezeugt habe, Onesimus, der dir einst unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist, den ich zu dir zurückgesandt habe.
Vers 15:
Denn vielleicht ist er deswegen für eine Zeit von dir getrennt gewesen, damit du ihn für immer besitzen mögest, nicht länger als einen Sklaven, sondern mehr als einen Sklaven, als seinen geliebten Bruder, besonders für mich. Wie viel mehr aber für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn.
Das ist interessant, wenn man Vers 15 und 16 liest. Zum einen lernen wir, dass Onesimus Sklave von Philemon gewesen war. Sklaverei gibt es heute in Deutschland offiziell nicht mehr. Damals gab es sie, und sie war auch im Rechtssystem verankert. Ich denke immer, wenn das gut gehandhabt wird, ist das gar nicht so schlecht. Ich meine nicht die Sklaverei, die wir kennen, bei der Schwarze aus Afrika entführt und auf Zuckerrohrplantagen in Nord- und Mittelamerika zu Tode gequält wurden. Das meine ich nicht.
Aber es gab Sklaverei einfach in der Geschichte. Hier in Deutschland hieß das nicht Sklave, sondern Knecht. Es gab einfach Menschen, die von ihrer ganzen Veranlagung, von ihrer Persönlichkeit und ihrer Persönlichkeitsentwicklung her nicht in der Lage waren, selbstständig zu leben. Sie hatten Schwierigkeiten, eigenständig Entscheidungen zu treffen.
Man kann versuchen, solche Menschen im Familienleben einzubinden. Aber wenn die Eltern alt werden und es nicht mehr schaffen, was passiert dann? Wenn man sich alte Geschichten anhört, gab es auf großen Höfen meistens den einen oder anderen Knecht oder Magd, der gar nicht fähig gewesen wäre, alleine und selbstständig zu leben. Für diese Menschen sorgte der Herr. Sie konnten auch arbeitsmäßig das eine oder andere tun, wahrscheinlich nicht die Masse, aber man fühlte sich für sie verantwortlich. Sie lebten mit auf dem Hof, und wenn sie alt wurden, lebten sie weiterhin dort mit.
Das ist im Grunde nichts anderes als eine positive Form von Sklaverei, auch wenn man das damals nicht so genannt hat. Es gibt immer Extreme.
Keine Ahnung, wie das bei Philemon zu Hause war. Im Römischen Reich gab es viele Sklaven, denn die Römer führten ständig Feldzüge und versklavten Menschen, oft auf eine sehr schlechte Weise. Aber wenn man sieht, von wem die Kinder der römischen Oberschicht erzogen wurden, das waren griechische Sklaven, die die Kinder ausbildeten.
Das war eine andere Stellung von Sklaven, als wir sie aus Filmen über die Südstaaten kennen. Es gab ein breites Spektrum, und irgendwo in diesem Spektrum waren Onesimus und Philemon.
Hier steht ein interessanter Satz, über den ich gestolpert bin. Vers 16:
Er wird in Zukunft nicht mehr nur dein Sklave sein, vielleicht gar nicht mehr dein Sklave – Paulus lässt es offen. Auf jeden Fall ist er mehr als ein Sklave, ein geliebter Bruder, besonders für mich. Und er spielt darauf an, dass Onesimus durch ihn gläubig geworden ist. Wir schauen uns das gleich noch mal an.
Dann sagt er: Wie viel mehr aber für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn.
Ich frage mich, was er mit "sowohl im Fleisch" meint. Auch "im Herrn" ist eine interessante Formulierung. "Im Fleisch mein Bruder sein" heißt eigentlich, dass es mein Bruder ist, mit der gleichen Mutter oder dem gleichen Vater oder beidem. Wenn jemand nicht nur im Herrn, sondern auch im Fleisch mein Bruder ist, was bedeutet das?
Ich glaube nicht, dass sie leibliche Brüder waren. Damals wurde der Begriff "Bruder" schon etwas weiter verwendet. Aber er sagt, dass Onesimus mit Philemon näher verwandt ist als mit ihm, was auch immer das heißt.
Ich stelle mir das so vor: Ich erzähle euch eine Geschichte. Wenn man nur wenige Anhaltspunkte hat, muss man sich zwischendurch immer überlegen, wie es sein könnte, ohne beweisen zu können, dass es genau so war.
Ich vermute, dass sie verwandt waren. Sonst würde Paulus diese Formulierung nicht benutzen. Nur weil sie aus dem gleichen Volk stammten, finde ich die Formulierung zu stark.
Also vermute ich, dass sie verwandt waren, wahrscheinlich nicht leibliche Brüder.
Wie kommt es dazu, dass man Sklave bei einem Verwandten wird? Damals gab es viel Schuldknechtschaft. Das heißt, man hatte sich so verschuldet, dass man allein die Schulden nie mehr abbezahlen konnte.
Die Geschichte wiederholt sich immer wieder: Man sagt, ich komme alleine nie aus diesen Schulden heraus. Jemand muss die Schulden übernehmen, und dadurch wird man sozusagen sein Sklave.
Wenn man sich so verschuldet hat – keine Ahnung, ob das bei Onesimus gespielt hat oder was ihm passiert ist – dann hat man sich so verschuldet, dass man allein die Schulden nie mehr bezahlen konnte.
Zu wem würde man gehen? Zu einem wildfremden reichen Menschen oder lieber zu jemandem, mit dem man verwandt ist? Man hofft, dass man dort, wenn es kein ganz schräger Vogel ist, wenigstens vernünftig behandelt wird.
Meistens in der Geschichte ist man eher zu einem Verwandten gegangen als zu einem Wildfremden. Es könnte sein, dass die Geschichte hier ähnlich war.
Wir stellen uns vor, Onesimus ist bei Philemon. Philemon hat ihn aufgenommen, steht für seine Schulden gerade, und Onesimus lebt bei ihm mit der Perspektive, dass das jetzt auf Lebenszeit ist. Lebenslang lebt er auf dem Hof quasi als Sklave. Er kann nie vorankommen, sich nie selbstständig machen.
Am Anfang war das toll: Keine Schuldeintreiber von der Mafia oder von der Spielgesellschaft mehr im Nacken zu haben. Am Anfang eine Befreiung, in einem geschützten Raum zu sein, wo jemand für die materiellen Schulden einsteht.
Aber die Frage ist, ob das auf Dauer so toll ist. Offensichtlich ist Onesimus irgendwann weggelaufen. Warum auch immer.
Paulus sagt zumindest in Vers 12, dass er ihn zu Philemon zurückgeschickt hat. Also offensichtlich ist er weggelaufen, und Paulus hat ihn zurückgeschickt.
Keine Ahnung, warum er weggelaufen ist. Vielleicht war es der Freiheitsdrang.
So eine Sklaverei hat immer ein Problem: Ich habe kein Ziel, für das ich arbeite. Ich arbeite mein Leben lang für Kost und Logis und vielleicht ein kleines Taschengeld, wenn mein Herr nett ist.
Aber ich kann nie sagen: Ich spare mir etwas und mache irgendwann etwas daraus. Ich habe keine Perspektive.
Daran ist die Sklaverei letzten Endes in den Südstaaten gescheitert, weil es kein Wirtschaftssystem ist, das auf Dauer funktioniert. Die Arbeiter, die man als Sklaven hält, sind auf Dauer nicht motiviert, mehr zu arbeiten, als unbedingt sein muss. Und so kommt man nicht voran.
Keine Ahnung, auf jeden Fall ist Onesimus weggelaufen. Die meisten von uns können das wahrscheinlich verstehen.
In Vers 10 haben wir gelesen:
Ich bitte dich für mein Kind, das ich in den Fesseln gezeugt habe, Onesimus.
Der ist von Koloss weggerannt und irgendwie nach Rom gekommen. Dort ist er zu Paulus ins Gefängnis gekommen und hat sich durch Paulus im Gefängnis bekehrt.
Das ist eine Riesengeschichte, oder? Vielleicht hat er das absichtlich gemacht, steht aber nicht da.
Manchmal hat der Herr auch ziemlich wilde Wege, um Leute zusammenzuführen, von denen er denkt, dass sie sich mal treffen müssen.
Also dieser ganze Weg von Koloss nach Rom – ich kann mir vorstellen, dass er als entlaufener Sklave nach Rom geht. Die größte Stadt, die er sich vorstellen kann, hat die geringste Wahrscheinlichkeit, entdeckt zu werden. So viele Menschen, zwischen denen man untertauchen kann. Das kann ich mir schon vorstellen.
Aber dass er dann Paulus im Gefängnis trifft, ist Zufall. Manchmal gibt es Zufälle. Es gibt Zufälle in der Bibel.
Ruth ging los, um auf einem Feld Getreide aufzusammeln, und traf zufällig das Feld des Boas. Das sind die Zufälle Gottes. Wer macht Zufälle? Nicht ganz zufällig im Sinne dessen, wie wir das Wort sonst verwenden.
Onesimus hat sich durch Paulus bekehrt im Gefängnis. Jetzt ist er offensichtlich bereit, nachdem er sich bekehrt hat und ein paar Sachen von Paulus gelernt hat, zu Philemon zurückzukehren.
Das ist schon cool. Das ist eine Veränderung, oder? Du bist weggelaufen, hast gesagt, damit will ich nichts mehr zu tun haben. Und jetzt sagst du: Ich habe mich bekehrt, und eigentlich ist es nicht in Ordnung, wegzulaufen. Ich hatte mich verpflichtet, lebenslang da zu bleiben.
Und er geht nicht zu Philemon zurück mit der Aussicht, dass er sicher freigelassen wird. Er weiß nicht, wie Philemon reagieren wird.
Er kehrt einfach zurück in die alte Situation, aus der er weggelaufen ist.
Da hat sich schon etwas getan, oder? Freiwillig zurück in die Sklaverei – da muss schon etwas passieren.
Paulus’ emotionale Bindung zu Onesimus und seine Fürbitte
Ich lese noch einmal Vers 10 bis 13: „Ich bitte dich“, sagt Paulus, „für mein Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln, Onesimus.“ Paulus nennt ihn sein Kind. Man muss sich Paulus in dieser Situation vorstellen. Zu der Zeit war er wahrscheinlich schon in einer relativ lockeren Gefangenschaft. Am Ende der Apostelgeschichte lesen wir, dass er sein eigenes Haus mieten durfte. Dort hatte er natürlich Wachpersonal, konnte Besuch empfangen.
Stellt euch Paulus vor: Er hatte so viele Gemeinden gegründet, wollte regelmäßig dorthin reisen, um zu sehen, wie es den Leuten geht. Er hatte Ziele, wollte nach Spanien, Menschen bekehren und das Evangelium überall verkünden, wo es noch nicht bekannt war. Ich stelle mir vor, wie Paulus in seinem gemieteten Haus irgendwo angekettet oder von Wachleuten bewacht war. Super, dass er ab und zu Besuch bekommen konnte. Super, ja, ganz toll.
Und dann schickt der Herr jemanden zu ihm – wie eine reife Frucht. Und dieser Mensch bekehrt sich. Ich kann mir vorstellen, wie Paulus sich gefühlt hat, als er jemanden, dem er das Evangelium sagen konnte, wirklich bekehrt sah. Sein Kind, gezeugt in den Fesseln – wow! Er war wirklich überzeugt, dass Onesimus gerettet ist. „Ich habe ihn zu dir gesandt, mein Kind, das ich gezeugt habe in den Fesseln, Onesimus, der dir einst unnütz war, jetzt aber dir und mir nützlich ist.“
Paulus sagt bei Onesimus, Philemon, hat sich wirklich etwas geändert. Früher war er nutzlos als Sklave. Nicht nur, weil er weggelaufen ist und hinterher für Philemon nutzlos war, nein, Paulus meint, er war schon vorher nutzlos, weil er nicht motiviert war. Paulus sagt, jetzt ist er dir und mir nützlich. Übrigens bedeutet Onesimus auch etwas mit „nützlich“. Es sind verschiedene Vokabeln, aber ein bisschen Synonyme – Paulus macht ein Wortspiel.
Wie ist das denn? Es gibt Angestellte, die sind ziemlich nutzlos. Die wirst du trotzdem nicht so leicht los, denn nicht jeder läuft freiwillig weg. Es gibt verschiedene Gründe, warum jemand nutzlos ist oder wenig Nutzen für seinen Chef oder seine Firma hat. Der eine Grund ist, dass jemand unbegabt ist. Du könntest mich mal als Goldschmied einstellen. Du würdest merken, dass ich total nutzlos bin in dem Business, weil ich es einfach nicht kann. Ich werde diese Feinmotorik niemals hinkriegen. Wenn ich mich bekehre, kann ich das plötzlich? Quatsch!
Wenn Paulus sagt, vorher war er nicht nützlich, jetzt aber schon, dann heißt das offensichtlich nicht, dass Onesimus die Fähigkeiten nicht hatte. Vielmehr zeigt es, dass er vorher einfach nicht motiviert war. Das ist nämlich der andere Grund, warum ich nutzlos sein kann: weil ich nicht motiviert bin. Entweder ich kann es nicht – das ändert sich durch meine Bekehrung nicht. Oder ich bin nicht motiviert – das könnte sich durch die Bekehrung ändern.
Paulus sagt: Ich bin überzeugt, er ist jetzt nützlich, weil er sich verändert hat. Er hat sich bekehrt, und ich sehe bei ihm, dass sich wirklich etwas verändert hat. In der Zeit, wo er hier bei mir war, war er schon nützlich, und er wird dir jetzt auch nützlich sein, weil er motiviert ist. Das ist schon cool, wenn man das von jemandem sagen kann.
Aber jetzt kommt Vers 12, den ich zu dir zurückgesandt habe, ihn – und in meiner Übersetzung steht eine sehr starke Formulierung: „Das ist mein Herz.“ Eine moderne Übersetzung würde sagen: „Ich hänge an ihm“ oder so ähnlich. Aber das hat nicht dieselbe Kraft. Ob ich sage, ich hänge an jemandem, oder ich sage: „Das ist mein Herz“ – da steckt mehr drin. Paulus ist ein emotionaler Typ, bewundernswert emotional.
Ich glaube, das ist normal. Wenn sich wirklich jemand durch mich bekehrt und ich merke, dass er sich verändert hat, oder wenn ich mit jemandem über Monate Zeit verbringe und es wirklich Auswirkungen hat, dann entsteht eine emotionale Bindung. Dann kann ich sagen: Das ist mein Herz, da hänge ich dran. Wenn du dem schadest, verletzt du mich tief. „Das ist mein Herz“, sagt Paulus.
Er hätte ihn gerne bei sich behalten, sagt dann Vers 13. Aber ohne dein Einverständnis wollte ich es nicht tun. Paulus sagt: Ich wollte ihn bei mir behalten, wirklich von ganzem Herzen. Er hat sich durch mich bekehrt, er hat durch mich etwas gelernt, ich habe ihn geprägt. Das ist mein Herz. Aber ich weiß, er gehört erst mal dorthin, wo du jetzt bist, er gehört zurück an seinen alten Platz.
Und auch wenn es schmerzt, schicke ich ihn jetzt zu dir. Ohne genau zu wissen, wie es sich entwickelt und ob es ihm gut tut. Aber ich tue es, und ich möchte, dass du weißt: Wenn er zu dir kommt, das ist mein Herz. Das bin ein Stück weit ich, das ist ein Teil meines erweiterten Ichs, das da kommt. Das ist mein Herz.
Ich wünsche dir, ich wünsche jedem, dass ihr diese Erfahrung macht: dass ihr im Leben von jemandem wirklich Spuren hinterlasst, dass ihr es merkt und dass er euch ans Herz wächst. Dass es jemand ist, bei dem ihr sagen könnt: Wenn der leidet, leide ich wirklich mit, ganz automatisch. Paulus sagt, das ist eine gewaltige Erfahrung.
Und selbst wenn du, Philemon, mal negative Erfahrungen gemacht hast mit Leuten, in die du investiert hast – das ist eine gewaltige Erfahrung. Ich habe es gemacht, sagt Paulus, und das ist mein Herz.
Paulus sagt, vielleicht ist Onesimus deswegen für eine Zeit von dir getrennt gewesen, damit du ihn für immer besitzen mögest. Das ist eine interessante Formulierung. Paulus meint, hinter der ganzen Geschichte mit dem Weglaufen könnte ein göttlicher Plan stecken. Meinst du nicht auch? Wir hätten es anders formuliert: „Schau mal, wie Gott hier geführt hat.“
Paulus sagt: Vielleicht war das der Plan Gottes. Er ist vorsichtig, und vielleicht sollten wir das auch sein. Er sagt: „Damit du ihn für immer besitzt – nicht länger als einen Sklaven, sondern als einen geliebten Bruder, besonders für mich, wie viel mehr für dich, sowohl im Fleisch als auch im Herrn.“
Paulus sagt: Wer den Onesimus bei sich hat, hat das Große losgezogen. Das ist das Beste, was dir passieren kann. Für mich wäre es das Beste, was mir passieren kann. Ich glaube, für dich ist es auch das Beste, was dir passieren kann. Schon stark.
Vers 18: „Wenn er dir aber irgendein Unrecht getan hat oder dir etwas schuldig ist, rechne dies mir an. Ich, Paulus, habe es mit meiner Hand geschrieben, ich will bezahlen.“ Wow! Paulus spricht eine unbegrenzte Bürgschaft für Onesimus aus. Er sagt: Onesimus hat sicher gesagt, ich schulde Philemon nichts mehr. Ich habe nichts geklaut, nichts mitgenommen, nichts veruntreut. Ich schulde ihm nichts.
Paulus ist sich nicht sicher, ob Philemon das auch so sieht. Er weiß nicht, wie lange Onesimus weg war. Entgangene Einnahmen könnten eine große Summe sein. Wenn es ein Jahr war, entspricht das einem Jahreseinkommen eines Angestellten – eine Summe für jemanden wie Paulus, der im Gefängnis sitzt. Wenn Philemon anfangen würde, das aufzurechnen, sagt Paulus: Egal, egal was er dir schuldet, ich bezahle.
Das ist total unbiblisch, was Paulus hier macht, wenn man das Alte Testament betrachtet. Salomo sagt in den Sprüchen – ich muss das vorlesen, Entschuldigung, das geht nicht anders – Sprüche 6: Da sagt Salomo zu seinem Sohn, irgendwie so formuliert, als schreibe er es seinen Kindern:
„Mein Sohn, wenn du Bürger geworden bist für deinen Nächsten, wenn du deine Hand für einen anderen eingeschlagen hast, wenn du durch die Worte deines Mundes verstrickt bist und gefangen bist, dann tu dies, mein Sohn, und reiß dich los! Denn du bist in die Hand deines Nächsten gekommen. Geh hin, wirf dich nieder, bestürme deinen Nächsten, halte deine Augen wach und deinen Blick offen, reiß dich los wie eine Gazelle aus der Hand, wie ein Vogel aus der Hand des Vogelstellers.“
Er sagt: Wenn du Bürge geworden bist für jemand anderen, dann wirf dich auf die Knie und bitte ihn, dich aus diesem Versprechen zu entlassen. Das ist eine Katastrophe, wenn das passiert. Wie konntest du so etwas tun? Sprüche 11,15 sagt: „Schlecht ergeht es dem, der Bürge wird für einen Fremden.“ Salomo war wirklich überzeugt, dass man das auf jeden Fall vermeiden sollte.
Und Paulus sagt: Ich habe es mit meiner Hand unterschrieben, ich bürge für alles, was er dir schuldet. Ich glaube, dass der Herr Jesus für Paulus das Vorbild war, mehr als Salomo. Obwohl der Rat von Salomo gut ist, gibt es Beziehungen zu Menschen, die über diesen allgemeinen Rat hinausgehen.
Paulus sagt: Es gibt Beziehungen, die noch wichtiger sind als mein Herz. „Das ist mein Kind.“
Vers 20: „Ja, Bruder, ich möchte Nutzen an dir haben im Herrn, erquicke mein Herz in Christus.“ In Vers 4 bis 6 hat er gesagt: „Die Herzen der Heiligen sind durch dich, Bruder, erquickt worden.“ Jetzt sagt er: „Erquicke mein Herz, weil es mein Herz ist, das ich zu dir geschickt habe. Wenn du ihm Gutes tust, erquickst du mein Herz.“
Der Brief an Philemon ist ein ganz persönlicher Brief an Philemon. Ja, wirklich? Ja, schon. Paulus spricht nur zu Philemon in diesem Brief. Aber in Vers 1 steht: „Paulus, ein Gefangener Christi Jesu, und Timotheus, der Bruder Philemons.“ Es hat noch jemand Zweites den Brief unterschrieben.
Paulus sagt, ich bürge für ihn, und Timotheus kennt den Brief. Er hat Philemon freigegeben, den Brief seiner Frau vorzulesen. Er ist an seine Frau mitadressiert, oder an seinen Sohn, oder an den Hauskreis oder die ganze Gemeinde, denn sie werden in der Begrüßung erwähnt. Danach spricht Paulus nur noch zu Philemon.
Aber Paulus sagt: Du hast die Freiheit, ihn der ganzen Gemeinde vorzulesen. Timotheus kennt den Brief ohnehin. Und wenn ich hier mit eigener Hand schreibe und für alles bürge, dann werde ich unter diesen Zeugen für alles bürgen. Onesimus ist mein Herz, Onesimus ist mein Kind, und ich bürge für ihn.
Paulus glaubte an echte Veränderungen von Menschen. „Er war dir nicht nützlich, und er wird dir nützlich sein.“ Ich glaube, es ist gut, wenn wir den Glauben an Veränderungen von Menschen nicht verlieren.
Paulus war bereit, sich in Menschen zu investieren und Spuren im Leben von Menschen zu hinterlassen. Ich weiß nicht, wie das bei dir ist. Vielleicht gibt es jemanden Jüngeren aus deiner Jugendgruppe, der noch nicht so lange dabei ist. Vielleicht jemanden, von dem du denkst, dass er Vertrauen zu dir hat.
Was mich beeindruckt, ist die Emotionalität, mit der Paulus schreiben kann. Ich glaube, das ist nicht nur etwas Gefährliches, sondern auch etwas unglaublich Schönes, wenn ich wirklich sagen kann: „Boah, da ist jemand, der hat von mir profitiert, das ist mein Herz.“ Ich finde das total erstrebenswert.
Ich wünsche dir das – egal, ob du schon viel Erfahrung damit hast und vielleicht den einen oder anderen Frust erlebt hast, oder ob du noch wenig Erfahrung hast. Ich wünsche uns, dass wir diesen Reichtum erleben, der aus den Worten von Paulus spricht, diesen emotionalen Reichtum.
Ich wünsche uns, dass wir den Mut haben, unser Leben in Menschen zu investieren, uns dadurch verletzlich zu machen, aber auch die Tür zu öffnen, damit wir reich werden können – so wie Paulus offensichtlich in dieser Beziehung reich war.
Ja, das war in Kürze die Geschichte von Paulus und Onesimus. Und irgendwann gibt es vielleicht noch die Geschichte von Paulus und Philemon.
Schlussgedanken: Glaube an echte Veränderung und emotionale Investition
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