Fortführung der Betrachtung über Jesus Christus
Was ich heute Abend mit euch skizzieren wollte, ist letztlich eine Fortführung dessen, was wir zum Teil am Sonntag vor zwei Wochen hatten, als es um Kolosser 1 ging. Das Thema der Predigt damals lautete „Jesus Christus“. Genauer gesagt war der Titel „Das Bild des unsichtbaren Gottes“.
Wenn man Jesus und seine Person studieren möchte, kann man natürlich in den Evangelien anfangen. Dort erhält man viele Informationen. Doch was die Auswirkungen sind und was alles darin steckt, findet man in den Evangelien eher als Nährboden für viele Theorien. Gut zusammengefasst und auf den Punkt gebracht, findet man das weniger stark in den Evangelien, sondern mehr in den Briefen. Einer der Briefe, die sich ganz stark damit beschäftigen, ist der Kolosserbrief.
Der Kolosserbrief, insbesondere Kapitel 1, setzt sich mit einer Irrlehre auseinander, die später als Gnostik bekannt wird. Diese hat ihren Ursprung in der griechischen Philosophie, genauer gesagt in einer Idee, die man Dualismus nennt. Diese besagt Folgendes: Es gibt einmal den Geist, der gut ist, und dann die Materie, die schlecht ist.
Wenn man mit einem solchen Gedankengebäude beginnt, entstehen theologische Probleme. Denn wenn die Materie, also der Körper, schlecht ist, dann kann Gott nicht Mensch geworden sein. Gott, der gut ist, würde keinen schlechten Körper annehmen. Deshalb müssen dann wilde Theorien entwickelt werden, um das doch irgendwie zu erklären. Am Ende dieser Theorien steht jedoch, dass Jesus nicht mehr Gott im Fleisch ist. Das darf aber nicht sein. Deshalb versucht man, Theorien zu finden, wie man aus diesem Dilemma herauskommt.
Der Kolosserbrief begegnet diesen Theorien und beweist – und das hatte ich ja versucht, in der Predigt auch ein bisschen herauszuarbeiten –, dass Jesus Gott im Fleisch ist. Das lesen wir dann in Kolosser 2, Vers 9: „Denn in ihm, das heißt in Jesus, wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig.“ Das bedeutet, es fehlt nichts.
Er ist, um den Titel der Predigt nochmals zu wiederholen, das Bild des unsichtbaren Gottes, die Fotografie Gottes, Gott abgebildet im Fleisch. Dort fehlt nichts.
Einführung in den Hebräerbrief und seine Bedeutung
Und heute wollen wir diesem Gedankengang noch ein wenig folgen und uns dazu den Hebräerbrief anschauen. Der Hebräerbrief ist sehr reichhaltig darin, uns den Herrn Jesus vorzustellen – so, wie er wirklich ist, mit all seinen Auswirkungen, seiner ganzen Fülle, Größe und Gewaltigkeit.
Wir beginnen mit Hebräer Kapitel 1 und legen den Schwerpunkt auf Kapitel 1 und Kapitel 2. Den Rest des Hebräerbriefes werden wir dann nur noch kurz streifen.
Man kann den Hebräerbrief nach der Frage einteilen: Jesus ist höher als was? Dabei werden verschiedene Dinge genannt. Am Anfang sehen wir, dass der Schreiber des Hebräerbriefes darauf eingeht, dass Jesus größer ist als die Propheten.
Das ist gar nicht so unbedeutend. Überlegen wir uns, was die Propheten im Alten Testament getan haben. Die Propheten haben das Wort Gottes gepredigt und waren das Sprachrohr Gottes. Sie waren, wenn wir so wollen, ziemlich bedeutende Männer und Frauen. Ohne sie hätten wir kaum das Alte Testament. Vieles von dem, was im Alten Testament steht, wurde von den Propheten aufgeschrieben.
Insofern könnte man sagen: Ein Prophet ist schon etwas Besonderes, das ist kein kleiner Rang.
Jesus übertrifft die Propheten
Der Schreiber des Hebräerbriefes stellt Jesus den Propheten des Alten Testaments gegenüber. Er zeigt uns, dass Jesus auf jeden Fall höher steht als diese Propheten.
Hebräer 1,1 sagt: "Nachdem Gott vielfach und auf vielerlei Weise ehemals zu den Vätern geredet hat durch die Propheten." Im Alten Testament lesen wir, wie vielfältig und auf vielerlei Weise diese Propheten gewirkt haben. Sie haben nicht nur gesprochen, sondern oft auch mit ihrem Leben Beispiele gesetzt. Manche haben pantomimisch gehandelt, andere haben verschiedenste Mittel eingesetzt, um die Botschaft zu vermitteln.
Zum Teil heirateten sie Frauen, die man eigentlich nicht hätte heiraten sollen. Manche legten sich für ein Jahr auf eine Seite, dann drehten sie sich um und legten sich auf die andere Seite – das ist eine etwas überzeichnete Beschreibung, denn bei Hesekiel gab es noch weitere ungewöhnliche Handlungen. Diese Propheten handelten oft so, dass andere sich fragen würden, wie man sein Leben so verbringen kann. Doch ihre Aufgabe bestand darin, wichtige Dinge, die Gott seinem Volk mitteilen wollte, zu übermitteln.
Diese Männer waren restlos hingegeben. Sie waren bereit, ihr eigenes Leben gering zu achten und ein Leben zu führen, mit dem wir uns oft wohl nicht zufrieden geben würden. Diese Propheten verkündeten den Menschen das Wort Gottes. Doch damit hatte Gott sein Ziel noch nicht erreicht.
In Vers 2 heißt es: "Am Ende der Tage hat er zu uns geredet im Sohn." Nachdem Gott vielfach und auf vielerlei Weise zu den Vätern durch die Propheten gesprochen hatte, spricht er nun am Ende dieser Tage zu uns durch den Sohn.
Jetzt werden die besonderen Eigenschaften des Sohnes genannt: Er ist zum Erben aller Dinge eingesetzt worden, durch ihn sind auch die Welten gemacht worden. Er ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit und der Abdruck seines Wesens. Alle Dinge trägt er durch das Wort seiner Macht.
Nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat, hat er sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt.
In diesen wenigen Versen werden die wesentlichen Dinge über Jesus zusammengefasst.
Jesus als Erbe und Schöpfer
Er hat ihn zum Erben aller Dinge eingesetzt. Das heißt: Alles, was es irgendwann einmal zu besitzen gibt, alles, was man von Gott bekommen kann, ist bereits vergeben. Es gehört schon jemandem, und zwar dem Herrn Jesus. Er ist der Erbe aller Dinge.
Wir verstehen vielleicht etwas besser, was es bedeutet, Christ zu sein und mit Christus Erbe zu sein. Was heißt es, ein Christ zu sein? Was erben wir denn?
Der eine denkt vielleicht an ein kleines Häuschen, der andere an ein großes Aquarium, und der dritte an ein ferngesteuertes Schnellboot. Doch in Wirklichkeit sind Christen Menschen, die einfach alles erben, weil wir mit Jesus erben. Jesus wird alles bekommen, und wir mit ihm auch.
Alles, was du dir vorstellen kannst, was du bekommen könntest, wird bei weitem nicht das sein, was es in Wirklichkeit ist. Es wird immer noch darunter bleiben. Du wirst bei weitem mehr bekommen. Jesus ist der Erbe aller Dinge.
Hier ist noch ein weiterer Gedanke, den wir schon kennen: Durch ihn sind auch die Welten gemacht worden. Jesus ist der Schöpfer aller Dinge. Er ist nicht nur der Erbe aller Dinge, der alles bekommt, sondern auch der, der alles geschaffen hat.
Jesus als Ausstrahlung und Abdruck Gottes
Und hier sehen wir die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit. Das bedeutet, die Herrlichkeit Gottes wird durch Jesus sichtbar.
Ich weiß nicht, ob euch daran erinnert wird, wie der Himmel beschrieben wird. Zumindest denke ich, dass dies der Himmel in Offenbarung 21 ist. Dort heißt es in Vers 23: „Und die Stadt bedarf nicht der Sonne noch des Mondes, damit sie ihr scheinen, denn die Herrlichkeit Gottes hat sie erleuchtet.“
Dann folgt ein Nachsatz: „Und ihre Lampe ist das Lamm.“ Also ist das eine das, was leuchtet oder strahlt, und das andere das Mittel, das sichtbar macht, die Herrlichkeit überträgt. Das Lamm macht es sichtbar.
Der gleiche Gedanke trifft uns hier auch: Die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit ist die Herrlichkeit Gottes. Das Schöne Gottes, das Besondere Gottes, können wir so einfach gar nicht wahrnehmen. Wir brauchen eine Lampe, etwas, womit das sichtbar wird, etwas, das wir erkennen können.
Denn Gott ist Geist, Gott ist unsichtbar, und wir können die Herrlichkeit Gottes erst dann erkennen, wenn sie für uns sichtbar gemacht wird. Das macht Jesus. Er ist die Ausstrahlung seiner Herrlichkeit, und dadurch werden wir fähig, diese Herrlichkeit auch zu sehen.
Aber Jesus ist noch mehr: Er ist der Abdruck seines Wesens. Wenn ihr wissen wollt, was „Abdruck“ bedeutet, das Wort heißt eigentlich „Stempel“. Was passiert bei einem Stempel? Du hast eine Form und prägst diese irgendwo auf.
Dieser Prägeprozess hinterlässt an der Stelle, wo du den Stempelabdruck machst, eine bestimmte Form. Diese Form entspricht natürlich der Vorlage, sonst wäre es kein Stempel.
In gleicher Weise ist Jesus der Abdruck oder der Stempel des Wesens Gottes. Das heißt, er ist an keiner Stelle anders, sondern ein genaues Abbild.
Alle Dinge trägt er durch das Wort seiner Macht. Diesen Gedanken haben wir auch im Kolosserbrief gesehen: Gott hält durch Jesus alles zusammen, und zwar durch das Wort seiner Macht.
Jesus zur Rechten Gottes
Und dann heißt es hier: „Er hat sich zur Rechten der Majestät in der Höhe gesetzt, nachdem er die Reinigung von den Sünden bewirkt hat.“ Jetzt muss man sich überlegen, was das bedeutet. Was heißt es, wenn jemand sich zur Rechten eines anderen setzt? Was bedeutet das?
Er hat sich zur Rechten gesetzt. Muss das eine besondere Bedeutung haben? Gerade diese Redewendung „Jemand ist die rechte Hand von jemand anderem“ kennen wir. Was bedeutet das? Dass er mitherrscht, mitregiert, würde ich sagen. Ja, genau, das heißt, er herrscht mit, regiert mit.
Es bedeutet auch, Vollmacht zu haben, den anderen zu vertreten. Vollmacht, den anderen zu vertreten, ja. Das heißt, er ist der Ausführende. Das wäre so die rechte Hand. Ich glaube, das hat diesen Aspekt, dass diese Person eigentlich alles macht, fast nicht mehr trennbar ist vom Hauptverantwortlichen. So wie ein Prokurist.
In der Bibel bedeutet dieser Begriff, dass Jesus sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, etwas Mehrfaches. Vielleicht schauen wir uns das genauer an.
In Hebräer 1,13 wird ein Zitat aus dem Alten Testament gebracht: „Zu welchem der Engel aber hat er jemals gesagt: Setze dich zu meiner Rechten, bis ich deine Feinde zum Schemel deiner Füße lege?“ Worum geht es bei diesem Begriff „Rechte“? Was ist das für ein Ort, die Rechte? Der rechte Platz Gottes.
Ja, das ist klar, das ist der rechte Platz. Aber was beschreibt dieses Zitat über diesen Platz? Inwiefern ist er bevorzugt? Ja, das ist richtig, er ist ein bevorzugter Platz, ein Platz der Ehre. Jesus wartet dort einfach, und Gott sagt: „Nimm hier Platz, bis zu dem Zeitpunkt, an dem ich die Feinde, die du jetzt noch hast, zum Schemel deiner Füße gemacht habe.“ Warte hier.
Das ist ein Aspekt davon, wenn jemand zur Rechten sitzt in der Bibel.
Ein anderer Aspekt ist folgender, das können wir in Matthäus 26 lesen. Dort wird es anders beschrieben. Jesus spricht: „Du hast es gesagt. Doch ich sage euch, von nun an werdet ihr den Sohn des Menschen sitzen sehen zur Rechten der Macht und kommen auf den Wolken des Himmels.“ (Matthäus 26,64)
Es ist ein Platz, an dem etwas mit Macht herrscht. Es ist der Platz neben der Macht, die Rechte der Macht, ein Ort der Macht.
Der gleiche Gedanke kommt auch im ersten Petrusbrief vor. In 1. Petrus 3,22 heißt es: „Der nämlich Jesus ist zur Rechten Gottes, nachdem er in den Himmel gegangen ist, und Engel und Mächte und Kräfte sind ihm unterworfen.“
Das heißt, der Ort zur Rechten Gottes ist ein Ort der Macht und Herrschaft. Dort hält jemand wirklich das Zepter in der Hand und regiert. Ihm ist etwas unterworfen. Es sitzt dort nicht irgendein Lullibuck, der nicht genau weiß, ob er da hingehört oder nicht, sondern derjenige, der wiederkommen wird in Macht und Herrlichkeit.
Er hat sich zur Rechten gesetzt und hat etwas bewirkt: die Reinigung von den Sünden.
Wenn wir uns überlegen, was das bedeutet: Was hat Jesus gebraucht, um die ganze Welt zu schaffen? Wir würden sagen, er hat irgendwie sechs Tage gearbeitet, da war alles da. Und er hat immer nur gesprochen. Er hat das Wort seiner Macht eingesetzt und schöpferisch gehandelt. Nach sechs Tagen war alles erledigt, und die Erde war da.
Aber was hat es ihn gekostet, und wie viel musste er einsetzen, um die Reinigung von den Sünden zu bewirken? Im Vergleich dazu: Er verlässt die Herrlichkeit beim Vater, wird Mensch, setzt sich dem Dreck dieser Welt aus – und zwar nicht nur für sechs Tage, sondern etwa für dreiunddreißig Jahre.
Er erniedrigt sich, lässt sich von seinen eigenen Geschöpfen schlagen, bespucken, auslachen. Man legt ihm einen lächerlichen Mantel um und setzt ihm eine Dornenkrone auf. Er wird gegeißelt und am Schluss an ein Kreuz geschlagen.
Und das nur, um hier, wie es in Vers 3 steht, die Reinigung von den Sünden zu bewirken.
Also, es war für Jesus ein Klacks, alles zu schaffen. Und das ist so viel, dass Jeremia Recht hat, wenn er sagt, die Sterne sind einfach unzählbar. Das können wir nur bestätigen. Wir wissen immer noch nicht, wie viele Sterne es gibt. Je besser die Teleskope werden, desto mehr finden wir davon.
Das war irgendwie ein Klacks, aber den Menschen zu retten, das hat Gott richtig Mühe gemacht. Das war nichts, was man in sechs Tagen hätte schaffen können. Da musste Gott Mensch werden.
Diese drei Verse, 1 bis 3, zeigen uns, dass auf der einen Seite die Propheten stehen, die schon ein gewisses Gewicht haben. Aber auf der anderen Seite, weit über den Propheten erhoben, steht Jesus. Etwas ganz anderes, überhaupt unvergleichlich.
Gott redet durch den Sohn, und der Sohn ist Gott gleich.
Persönliche Anregung zur Beziehung mit Jesus
Und so können wir jetzt weitergehen und uns anschauen, was der Hebräerbrief noch alles über den Sohn sagt.
Was ich mir für euch wünsche, ist, dass wir das nicht nur akademisch angehen – nach dem Motto: „Aha, hier ist mal ein Zettel, was alles über den Sohn drinsteht“ –, sondern dass es euch ein Stück weit anregt, darüber nachzudenken und, wenn irgendwie möglich, es im Gebet zu bewegen.
Was ich gerade vielleicht ganz am Anfang dabei zu verstehen beginne, ist, dass wir eine Ewigkeit damit zubringen können, begeistert zu sein von Jesus. Und so eine Ewigkeit ist übrigens ganz schön lang. Vielleicht machen wir uns das nie so deutlich, aber eine Ewigkeit ist tatsächlich länger als drei Tage. Und keiner von uns hier, gehe ich mal davon aus, hat sich jemals in seinem Leben drei Tage am Stück Zeit genommen, um Jesus anzubeten.
Wenn wir hier in Ruhe noch einmal ein paar Attribute und Eigenschaften von Jesus durchgehen, kann das vielleicht eine Anregung sein, wie wir auch in unserer persönlichen stillen Zeit begeisterter werden über Jesus.
Meine persönliche Erfahrung ist, dass immer dann, wenn ich mich mit den Eigenschaften Gottes, mit seinem Wesen, mit den Eigenschaften Jesu und seinem Wesen auseinandergesetzt habe, meine ganz persönliche Anbetungszeit deutlich vertieft wurde. Denn es macht einen Unterschied, ob man immer wieder nur sagt: „Ja, Herr Jesus, ich habe dich lieb“, „Ja, Herr Jesus, du bist treu“ und dann noch ein paar andere Dinge herunterspult – das wird irgendwann zur Routine – oder ob man anfängt, hineinzutauchen in das, was im ersten Timotheusbrief von Paulus so genannt wird, nämlich:
„Anerkannt groß ist das Geheimnis der Gottseligkeit: Gott geoffenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, gesehen von den Engeln, gepredigt unter den Nationen, geglaubt in der Welt, aufgenommen in Herrlichkeit“ – und letztlich zusammengefasst in einer Person, in einem Namen, in dem Namen, der über allen Namen ist, im Namen Jesu (1. Timotheus 3,16).
Dieses Geheimnis der Gottseligkeit ist eine Person. Und es gehört ein Stück weit zu einem wachsenden, vielleicht auch zu einem reifenden Christenleben dazu, dass wir begeistert sind von der Person Jesu.
Wenn das in unserem Leben fehlt, dann könnt ihr so viel Wissen über die Offenbarung, über zukünftige Dinge oder was auch immer haben – ihr könnt euch über viele Themen Gedanken machen. Aber ich sage euch eins: Ihr geht am Zentrum vorbei.
Das Komische ist, dass es vielen Menschen – vielleicht vor allem Männern, das könnte ich mir vorstellen, ich weiß es nicht genau, aber da sehe ich es besonders deutlich – nicht ganz so leichtfällt, sich dieser Person Jesu zu nähern und die Beziehung, die wir eigentlich haben sollten, auch in der Tiefe zu leben, wie es das Neue Testament uns eigentlich ermöglicht.
Und das ist das Ziel für heute Abend: dass wir nicht nur aufschreiben „Aha, Jesus war erstens Erbe aller Dinge, zweitens der Schöpfer, drittens Ausstrahlung der Herrlichkeit, viertens Abdruck seines Wesens“ – wunderbar, wir wissen, wo es steht –, sondern dass wir das in unserem Leben umsetzen, in Anbetung.
Und dass ihr euch hinsetzt und euch Gedanken macht: „Was bedeutet das denn?“, zum Beispiel: „Jesus ist höher als die Propheten.“
Jesus ist auch höher als die Engel
Der nächste Punkt, den uns der Schreiber des Hebräerbriefes vorstellt, erstreckt sich von Kapitel 1, Vers 4 bis Kapitel 2, Vers 18.
Jesus ist nicht nur höher als die Propheten, sondern auch höher als die Engel. Propheten sind schon beeindruckend, aber Engel sind noch bedeutender. Engel sind diejenigen, die in einer Nacht 185.000 Menschen erschlagen können. Durch Engel erhielt Mose das Gesetz Gottes. Engel standen bei Maria und verkündeten ihr, dass sie schwanger werden würde.
Man darf sich Engel nicht einfach nur mit Flügelchen vorstellen – das wäre zu einfach. Sie sind Boten Gottes und spielen eine wichtige Rolle bei allem, was in der Bibel passiert, wo Gott sich offenbart.
Man könnte nun meinen, Engel seien das Höchste unter den Geschöpfen. Die Zeugen Jehovas sagen beispielsweise, Jesus sei ein Engel – der oberste Engel. Erst einmal also ein Engel, denn Engel seien das Höchste unter Gott. Doch der Schreiber des Hebräerbriefes widerlegt dieses Argument.
In Vers 4 heißt es: „Und er ist um so viel erhabener geworden als die Engel.“ Aha, da haben wir es: Jesus ist viel erhabener als die Engel. Nun folgen die Gründe dafür, noch in Vers 4: „Wie er einen vorzüglicheren Namen vor ihnen ererbt hat.“
Damit können wir vielleicht zunächst wenig anfangen: Welcher Name ist vorzüglicher? Hans-Peter? Klaus? Ela? Linda? Welcher Name ist vorzüglicher? Vielleicht Jürgen? Doch offensichtlich hat Jesus einen Namen erhalten, der ihn vor allen anderen auszeichnet. Welcher Name ist das? Wenn du weiterliest, steht dort: „Mein Sohn.“ Ganz genau. Jesus hat den Namen „Sohn Gottes“ bekommen.
Keinem Engel wurde jemals gesagt: „Mein Sohn bist du, ich habe dich heute gezeugt.“ Mit diesem alttestamentlichen Zitat macht der Schreiber des Hebräerbriefes deutlich, dass Jesus einen höheren Namen trägt.
Das zweite Zitat lautet: „Ich will ihm Vater sein, und er soll mir Sohn sein.“ Dieses Verhältnis ist etwas ganz Besonderes – so wie das Verhältnis von Melina zu euch einzigartig ist. Kein anderes Verhältnis kommt dem nahe, selbst wenn es jemanden gäbe, den man besonders gern hat. Das Verhältnis zwischen Sohn und Vater ist völlig anders. Und genauso ist das Verhältnis zwischen Jesus, dem Sohn, und Gott, dem Vater, nicht mit dem Verhältnis eines Engels zu Gott vergleichbar.
Das ist jedoch nur der erste Punkt: Jesus hat den höheren Namen. Nun könnte man einwenden, dass Engel auch als „Söhne Gottes“ bezeichnet werden. Das könnte man als Konter verstehen: „Sohn Gottes“ sei nichts Besonderes. Wo finden wir das?
In Hiob 1, Vers 6 heißt es: „Die Söhne Gottes standen vor dem Thron.“ Diese Stelle akzeptiere ich, denn ich deute sie so, dass die Söhne Gottes die Engel sind, die vor Gott stehen. Auch vor der Sintflut wird in der Bibel erwähnt, dass die Söhne Gottes die Töchter der Menschen nahmen. Diese Stelle lässt sich allerdings auch anders interpretieren.
Eine weitere Stelle findet sich in den Psalmen, wo ebenfalls von „Söhnen Gottes“ die Rede ist. Der Unterschied ist jedoch, dass es sich immer um ein Kollektiv handelt – die „Söhne Gottes“ als Gruppe. Den Titel „der Sohn Gottes“ trägt tatsächlich nur einer: Jesus.
Das eine meint die Geschöpfe, die Gott geschaffen hat – deshalb die kollektive Bezeichnung. Das andere meint einen, der wesensgleich mit Gott ist, der als Sohn Gott gleich ist.
Im Johannesevangelium wird dies besonders deutlich: Immer wenn Jesus den Anspruch erhebt, der Sohn Gottes zu sein, reagieren die Menschen heftig, weil sie verstehen, dass er damit seine Gottesebenbildlichkeit zum Ausdruck bringt. Uns mag das heute nicht so klar sein.
Der erste Punkt ist also: Jesus hat einen vorzüglicheren Namen erhalten, den kein Engel je bekommen hat. Das ist logisch, denn es geht ja auch gar nicht anders.
Der zweite Punkt, warum Jesus höher als die Engel ist, liegt darin, dass die Engel ihn anbeten. Das finden wir in Vers 6 am Ende: „Und alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“
Anbetung erfährt Jesus, und ihr wisst, dass man niemals einen Menschen oder einen Engel anbeten darf. Wisst ihr, wo ein Engel sagt, er möchte nicht angebetet werden? In der Offenbarung. Dort fällt Johannes vor einem Engel nieder, und der Engel sagt: „Stopp, das geht nicht, du darfst mich nicht anbeten.“
Aber wo wird Jesus angebetet? In der Offenbarung zum Beispiel. Von wem und wo genau? Auch im Johannesevangelium gibt es Stellen, an denen Jesus angebetet wird. Zum Beispiel der Blindgeborene, der vor Jesus niederfällt. Eine klassische Stelle ist Johannes 20,28, wo Thomas Jesus anbetet.
Jesus sagt nicht: „Lasst das sein, ich will nicht angebetet werden.“ Im Gegenteil, er nimmt die Anbetung an.
In der Offenbarung wird Jesus vielfach angebetet – etwa als das Lamm. In Offenbarung 5,8 heißt es: „Und als es das Buch nahm, fielen die vier lebendigen Wesen und die vierundzwanzig Ältesten nieder vor dem Lamm.“ Sie hatten jeder eine Harfe und goldene Schalen voll Räucherwerk, das sind die Gebete der Heiligen. Sie singen ein neues Lied und sagen: „Du bist würdig.“ Das ist ein Gebet, das wir heute noch singen, oft in einer sehr schönen Vertonung.
Jesus ist derjenige, der Anbetung erfährt, und kein Engel wird in der Bibel irgendwo angebetet. Deshalb ist sein Name höher, und durch die Anbetung wird seine Stellung eindeutig höher.
Jesu höhere Funktion im Vergleich zu den Engeln
Aber das ist noch nicht alles. Hebräer 1 bringt einen weiteren wichtigen Punkt. Ich habe ihn etwas plump genannt, aber seine Funktion ist viel höher.
Was mache ich nun? Man merkt es daran, wenn man sieht, wie die Funktion der Engel beschrieben wird. In Vers 7 heißt es, alle Engel Gottes sollen ihn anbeten. Das hatten wir schon. Von den Engeln spricht er, dass er seine Engel zu Winden macht und seine Diener zu einer Feuerflamme. Auch weiter unten, in Vers 14, steht: Engel sind dienstbare Geister, ausgesandt zum Dienst um derer willen, die das Heil erben sollen.
Man merkt also, die Aufgabe der Engel ist zu dienen. Richtig. Und zwar wem? Uns. Also, ich weiß nicht, ob euch das klar ist: Engel sind erst einmal dazu da, den Heiligen zu dienen.
Kennt ihr eine Stelle, wo ein Engel kommt und sagt: „Also, ich war ein bisschen verhindert, ich hatte noch was zu tun, da gab es ein bisschen Zoff im Himmel, aber ich habe schon gehört, dass du zu mir gebetet hast, und ich bin gleich losgelaufen“? Das ist Daniel, ganz genau. Der Prophet Daniel betet. Es dauert ein Weilchen. Ich weiß nicht, ob wir so lange gewartet hätten auf die Erfüllung eines Gebets. Dann bekommt er eine Erklärung, warum das so lange dauert. Da sagt der Engel: „Ja, ich hatte noch ein bisschen was zu klären vorher, das ging nicht alles so schnell.“ Nicht wegen eines Terminkalenders, sondern einfach wegen Arbeitsüberlastung an der Stelle.
Das ist die eine Seite: Die Engel sind die Diener. Und wir denken ja immer, die Engel seien die ganz Hohen. Ein Stück weit ist es anders: Die Engel sind für uns da.
Was heißt es über den Sohn? Können wir sagen, Jesus ist unser Diener? Da zuckt es ein bisschen. Also, das würde man nicht so sagen. Er hat gedient, aber wir würden nicht sagen, er ist der Diener.
Wir können aber lesen, was hier steht: Von dem Sohn aber, Vers 8: „Von dem Sohn aber: Dein Thron, o Gott, ist in alle Ewigkeit. Und das Zepter der Aufrichtigkeit ist das Zepter deines Reiches. Du hast Gerechtigkeit geliebt und Gesetzlosigkeit gehasst. Darum hat Gott, dein Gott, dich gesalbt mit Freudenöl vor deinen Gefährten.“
Man denke an Markus 10, Vers 45: „Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen.“ Und wenn jemand dient, ist er ja in dem Moment ein Diener.
Ja, das stimmt. Wodurch hat er gedient? Sein Leben zu geben als Lösegeld für viele. Das heißt, sein Dienst bestand darin, sein Leben als Lösegeld zu geben. Und wir könnten sagen, er dient heute weiter.
Wodurch? Wenn wir den Dienst Jesu heute für uns analysieren wollten, was macht er heute für uns? Das wird im Hebräerbrief noch kommen, wir können es ja schon vorwegnehmen, es passt ja: Er tritt für uns ein vor Gott als hoher Priester, großer hoher Priester.
Trotzdem würde die Bibel nie sagen, das ist unser Diener. Denn die Idee des Dieners ist eigentlich, dass wir ihn herumscheuchen. Das werden wir Jesus nicht machen. Er dient uns trotzdem, aber nicht als unser Haussklave, sondern als der, der freiwillig das tut, was wir nie tun könnten.
Oder andersherum: Er tut das, was wir brauchen und was er für uns tun muss, obwohl wir es nicht wissen.
Bevor irgendjemand den Hebräerbrief gelesen und verstanden hat, dient er schon im Himmel für dich.
Petrus: Der Teufel kommt und klopft bei Gott an und sagt: „Hör her, den Petrus hätte ich gern.“ Was passiert? Jesus fängt sofort an, für ihn zu beten.
Bevor Petrus noch merkt, dass da gleich eine Versuchung auf ihn zukommt, der er nicht widerstehen wird, weil er in seinem größeren Wahn glaubt, alles selber zu schaffen, kann Jesus ihm sagen: „Der Teufel hat begehrt, hat deiner Seele begehrt, aber ich habe für dich gebetet, dass dein Glaube nicht aufhört.“ Oder so ein Befehl, glaube ich.
Das heißt, Jesus kriegt das mit und betet gleich für Petrus. Das bewahrt Petrus an dieser Stelle nicht vor dem Fall. Aber ich denke, es ist sicher das, was Petrus gebraucht hat, um dann einfach dabei zu bleiben.
Und da können wir in gleicher Weise davon ausgehen, dass es bei uns auch nicht anders ist. Jesus betet für uns und dient uns, ohne dass wir das richtig mitbekommen.
Und wenn dem nicht so wäre, machen wir uns bitte nichts vor: Keiner hier am Tisch würde sitzen bleiben. Wenn Jesus nicht für uns eintreten würde, würde keiner hier sitzen bleiben. Ich hoffe, wir sind nicht so größenwahnsinnig, das zu glauben.
Jesus ist es, der uns aufrecht erhält. Er ist auch derjenige, der unser Leben durch das Wort seiner Macht erhält. Da bilden wir keine Ausnahme.
So, aber jetzt waren wir hier bei Vers 8 und 9, die wir jetzt gelesen haben: Er ist Gott und Herrscher. Er ist höher als die Engel, als Sohn Gottes, weil er einen höheren Namen hat, weil er Anbetung erfährt.
Und weil er, wie es hier so schön heißt, das Zepter der Aufrichtigkeit in seiner Hand hält. Wisst ihr, wer ein Zepter in der Hand hält? Der Regent, der König, der, der einfach das Sagen hat. Und das ist Jesus.
Und wieder: Bewahrt euch davor, einfach nur zu sagen: „Okay, ich habe es verstanden: Jesus, Anbetung, zack, und Herrscher, zack, ja, und Gott, zack.“ Denkt über diese Punkte immer wieder nach. Was bedeutet es?
Ihr könnt in eurer stillen Zeit davon profitieren, wenn ihr einen solchen Punkt herausnehmt und darüber nachdenkt, inwiefern das auch eure Beziehung zu Jesus beeinflusst.
Wie kann ich ihn anreden? Wie kann ich über ihn nachdenken? Wie kann ich mich davon prägen lassen, zu verstehen, dass er Anbetung erfährt?
Ist mir eigentlich bewusst, dass da Myriaden von Engeln sich nicht wagen würden, auch nur ein falsches Wort zu sagen? Dass sie auf ihren Gesichtern liegen und dem Lamm Anbetung bringen?
Dass sie das Feinste, was diese Engel haben, ohne zu zögern dem Lamm zur Verfügung stellen würden? Ist uns das klar, wenn wir morgens vielleicht ein bisschen missmutig und noch halb ausgeschlafen auf unsere Knie fallen und sagen: „Schon wieder stille Zeit“?
Vielleicht hilft uns das einfach, ab und zu mal in den Himmel reinzuschauen und über den Himmel nachzudenken, damit sich unsere Gedanken an dieser Stelle aufklären.
Weitere Aspekte der Person Jesu im Hebräerbrief
Was ich jetzt machen möchte, ist, dass wir weiter die Person Jesu im Hebräerbrief verfolgen. Allerdings schreibt der Verfasser des Hebräerbriefs auch einige andere Dinge, die wir überspringen werden. Stattdessen werden wir immer mal wieder wie ein Kieselstein, der übers Wasser hüpft, an einzelnen Stellen eintauchen und uns einige Aspekte von Jesus anschauen.
Die Idee, dass Jesus höher ist als die Engel, ist als Gottessohn für jeden einleuchtend. Im zweiten Teil seines Arguments, warum Jesus höher ist als die Engel, geht der Schreiber des Hebräerbriefs auch darauf ein, warum sogar der Menschensohn, das heißt Jesus in Menschengestalt, höher ist als die Engel. Leider können wir nicht alles verfolgen, aber wir wollen uns trotzdem Hebräer 2,9 anschauen. Dort kommt nämlich der Gedanke zur Sprache, den damals einige Leute logischerweise hatten: dass Jesus viel weniger sei als ein Engel.
In Hebräer 2,9 lesen wir: „Wir sehen aber Jesus, der kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war.“ Offensichtlich war er ein Mensch. Offensichtlich konnte er nicht hundertfünfundachtzigtausend Engel erschlagen, offensichtlich konnte er nicht durch Mauern gehen und hatte auch keinen direkten Zutritt zu Gottes Thron. Irgendwie war er doch weniger.
„Ja“, sagt der Verfasser des Hebräerbriefs bestimmt, „wir sehen aber Jesus, der kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war, und zwar wegen des Todesleidens.“ Das ist richtig: Jesus hat den Tod erlitten. Und mit dem Tod, denke ich, können wir auch sein ganzes Leben hier auf der Erde mit einbeziehen, sein Angefochtensein und letztlich sein Sterben. Das hatte er gelitten, und das erst einmal weniger als ein Engel. Das stimmt.
Aber jetzt geht es weiter: „Wir sehen aber Jesus, der kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war, wegen des Todes Leidens mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt, damit er durch Gottes Gnade für jeden den Tod schmeckte.“ Also das, was erst einmal so aussieht, als wäre der Sohn des Menschen, Jesus Christus, der in der Gestalt eines Menschen auf dieser Erde lebte, wirklich weniger als ein Engel, wird am Ende offensichtlich ins Gegenteil verkehrt.
Durch den Tod hat Jesus, wie es hier heißt, Herrlichkeit und Ehre bekommen – weit über das hinaus, was ein Engel jemals erhalten hat. Wenn man so will, hat Jesus durch sein Sterben das wiedergebracht, was Adam durch seine Sünde verloren hat.
Dann lesen wir etwas ganz Merkwürdiges in Vers 10: „Denn es geziemte ihm, um dessen Willen alle Dinge sind und durch den alle Dinge sind.“ Das kennen wir schon: Jesus ist derjenige, der alle Dinge erschaffen hat, durch den alle Dinge sind, aber auch für den alle Dinge sind, um dessen Willen alle Dinge sind. Er ist eigentlich auch der Einzige, für den wir leben sollten.
Weiter heißt es: „Es geziemte ihm, indem er viele Söhne zur Herrlichkeit führte, den Urheber ihrer Errettung durch Leiden vollkommen zu machen.“ Das heißt, Jesus hat gelitten und hat durch das Leiden eine Vollkommenheit als Mensch erreicht, die vorher niemand erreicht hat. Er ist wirklich vollkommen geworden.
Wisst ihr, wodurch? Es steht auch im Hebräerbrief. Wodurch hat Jesus diese Vollkommenheit im Leben erreicht, sodass man sagen kann: Dieser Mensch, der kurze Zeit unter die Engel erniedrigt war, ist am Ende mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt? Was hat diese Vollkommenheit ausgemacht? Wodurch hat er sie erlangt? „Durch Gehorsam“, heißt es.
Wo steht das? Hebräer 5,8. Man kann auch ein bisschen weiter vorne anfangen, vielleicht in Vers 7. Dort heißt es: „Der hat in den Tagen seines Fleisches“, das heißt in der Zeit, als er Mensch war – das ist etwas ungenau ausgedrückt, denn er ist jetzt auch noch Mensch, er ist vollkommener Mensch im Himmel –, „in der Zeit, als er hier auf der Erde lebte, hat er in den Tagen seines Fleisches sowohl Bitten als Flehen mit starkem Geschrei und Tränen dem dargebracht, der ihn aus dem Tod erretten kann.“
Ist uns das klar, dass Jesus kein leichtes Leben hatte? Er dachte nicht: „Komm, die 33 Jahre reiße ich doch wie nichts ab, was soll mir schon passieren? Wenn jemand kommt, zeige ich ihm, was eine Keule ist.“ Hätte er das machen können? Hatte er die Macht dazu? Nein. Er ist vollkommener Mensch geworden. Er ist vollkommener Gott, aber eben auch vollkommener Mensch.
Als vollkommener Mensch hat er auf der einen Seite nur das getan, was er vom Vater hat tun sehen. Er blieb permanent in Abhängigkeit vom Vater. Und das führte dazu, dass er sowohl mit Bitten als auch mit starkem Geschrei und Tränen zu Gott kam.
Da frage ich mich schon: Wie oft passiert das in meinem Leben, dass meine Abhängigkeit von Gott so tief wird, dass ich mit Flehen bete? Bitten kennen wir alle, starkes Geschrei ist schon seltener, und Tränen? Wann haben wir das letzte Mal geweint? Für einen Freund, der nichts von Gott wissen will? Oder über uns selbst, weil wir Dinge getan haben, die nicht zu dem passen, was wir sagen, dass wir sind?
Dann merken wir ein Stück weit, wie weit wir vom vollkommenen Menschsein entfernt sind, wie wenig abhängig wir von Gott sind und wie viel Eigenwilligkeit wir noch haben.
Jesus hat das so gemacht, und Gott hat ihn erhört um seiner Gottesfurcht willen. Er lernte, obwohl er Sohn war – das ist bemerkenswert –, obwohl er Gott war, Gott im Wesensgleich, an dem, was er litt, den Gehorsam.
Das heißt, Jesus wurde in Situationen hineingestellt, und sein Gottsein hat ihn nicht so gerettet, dass alles an ihm spurlos vorbeiging. Er hat die Versuchung gespürt. Wir können das in der Geschichte von der Versuchung in der Wüste nachlesen. Der Teufel kommt und versucht ihn. Er bietet ihm Möglichkeiten zu sündigen an und zeigt Wege, wie es leichter für ihn wäre.
Aber was macht Jesus? Er widersteht. Wodurch widersteht er? Durch Gehorsam. Wodurch wird der Gehorsam motiviert? Durch seine Aufgabe und sein Ziel. Was ist ihm bewusst?
Wenn die Versuchung kommt, hält er dem Teufel das Wort Gottes entgegen und sagt: „So steht es geschrieben, und ich will mit dem, was du mir hier anbietest, nichts zu tun haben.“ Diese Art von Versuchung kennen wir aus unserem Leben. Jemand sagt: „Komm, du könntest doch jetzt abschreiben. Oder hier eine Null mehr, und dann ist das irgendwie Betrug möglich. Geht doch!“ Aber Jesus sagt: „Nein, so steht es geschrieben, ich will nichts damit zu tun haben.“
In solchen Situationen befindet er sich, und dann kommt die Ablehnung durch die Menschen, die ihn eigentlich hätten erkennen müssen. Wir erleben, wie er daran litt.
Obwohl er Sohn war, lernte er an dem, was er litt, den Gehorsam. Und er wurde damit für alle, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils.
Das heißt für uns: Wenn Jesus einen anderen Weg gegangen wäre, wenn er gesagt hätte: „Jetzt ist genug mit dem Heulen, jetzt setze ich mal meinen eigenen Kopf durch, jetzt stehe ich mal nicht so früh auf“ – ihr kennt Markus 1,35, wo es heißt: „Frühmorgens, als es noch sehr dunkel war, stand er auf und ging an einen einsamen Ort, um dort zu beten.“ Er hätte auch anders denken können: „Ich werde schon irgendwie den nächsten Tag überstehen. Was soll diese enge Abhängigkeit von Gott?“
Er hat es nie gemacht. Und ich denke manchmal, wenn ich morgens aufstehe: Herr Jesus, deine Begeisterung möchte ich haben und deine Sicht dafür, wie wichtig es ist, die Nähe zu Gott zu pflegen.
Er hat gelernt, an dem, was er litt – sein Leben war Leiden, es war kein leichter Weg – den Gehorsam. Und damit ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden.
Was hat er genau gemacht? Schauen wir uns das noch in Hebräer 2 an, Vers 14: „Weil nun die Kinder Blutes und Fleisches teilhaftig sind, hat auch er in gleicher Weise daran Anteil gehabt, um durch den Tod den zunichte zu machen, der die Macht des Todes hat, das ist der Teufel.“
Sein Tod bewirkt etwas, was wir als Menschen dringend brauchen: die Befreiung vom Teufel. Der Teufel hat die Macht des Todes. Wahrscheinlich ist damit gemeint, dass der Teufel die Macht hat, von Gott einzufordern, dass jeder Mensch, der sündigt, auch sterben muss.
Der Teufel wird als der Verkläger beschrieben. Er stellt sich vor Gott und sagt: „Du hast doch ein Gebot.“ „Ja, ich habe ein Gebot.“ „Und du weißt, dass der und der es übertritt.“ „Ja, ich weiß.“ „Dann will ich ihn.“ Und dann stirbt der Mensch. So hat der Teufel die Macht des Todes.
Aber noch mehr heißt es in Vers 15: „Um alle zu befreien, die durch Todesfurcht das ganze Leben hindurch der Knechtschaft unterworfen waren.“ Furcht prägt die Menschen. Jesus befreit uns nicht nur von der Herrschaft des Teufels, sondern auch von der Herrschaft dieser Furcht – der Angst vor dem Tod und dem, was danach kommt.
Wie wird es weitergehen? Wann werde ich sterben? Werde ich in diesem Leben das erreichen, was ich mir wünsche, oder reicht es vielleicht doch nicht? Auch vor dieser Angst hat Jesus uns befreit.
Dann heißt es in Vers 16: „Denn er nimmt sich doch wohl nicht der Engel an.“ Stimmt, er ist tatsächlich nicht für die Engel gestorben. Wisst ihr das? Er ist nicht für die Engel gestorben, sondern für die Nachkommenschaft Abrahams.
Das kann einmal die leibliche Nachkommenschaft Abrahams sein, aber hier ist natürlich noch viel mehr gemeint: die geistliche Nachkommenschaft Abrahams. Abraham ist der Vater des Glaubens, und so nimmt Jesus sich all derer an, die wirklich gläubig geworden sind.
Daher musste er in allem den Brüdern gleich werden, „damit er barmherzig und ein treuer hoher Priester vor Gott werde, um die Sünden des Volkes zu sühnen.“ Hier taucht ein neuer Gedanke auf, der im Hebräerbrief ausführlich behandelt wird.
Er ist unser hoher Priester. Ein hoher Priester im Alten Testament, das wisst ihr, ist derjenige, der die Opfer darbringt, insbesondere ein besonderes Versöhnungsopfer einmal im Jahr für alle Sünden.
Der Hebräerbrief baut diesen Gedanken aus und zeigt, dass es zum einen den alttestamentlichen Opferdienst mit einem hohen Priester an der Spitze gibt. Aber dieser hohe Priester kann nicht bleiben. Er muss für sich selbst Opfer bringen, er stirbt, ein neuer muss gewählt werden, er muss neu an seine Stelle treten und wieder Jahr für Jahr Opfer bringen, erst für sich selbst und dann für das Volk.
Das zeigt uns, dass der Herr Jesus ein ganz anderes Opfer gebracht hat. Er ist mit seinem eigenen Blut nicht in ein irdisches Heiligtum hineingegangen, sondern in den Himmel.
So wie Mose im Himmel ein Heiligtum gezeigt wurde und entsprechend dieses himmlische Heiligtum das irdische Heiligtum gebaut wurde, so ist Jesus in dieses himmlische Heiligtum hineingegangen mit seinem eigenen Blut und hat es ein für allemal geopfert.
Deswegen wird er nicht nur als treuer hoher Priester, sondern in Hebräer 4,14 als der große hohe Priester bezeichnet. Er ist treu, aber auch der große hohe Priester.
Diesen Begriff „der große hohe Priester“ finden wir nirgendwo im Alten Testament. Dort gibt es den hohen Priester, der an erster Stelle steht. Aber der große hohe Priester ist tatsächlich nur der Herr Jesus.
Und das soll das Letzte sein, was ich erwähne, und das ist ganz wichtig. Lesen wir noch Hebräer 4,14 und 15: „Da wir nun einen großen hohen Priester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten. Denn wir haben nicht einen hohen Priester, der kein Mitleid haben könnte mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem in gleicher Weise wie wir versucht worden ist, doch ohne Sünde.“
Vielleicht denken wir manchmal, wenn wir in einer sehr schwierigen Situation sind oder mit einer Charakterschwäche kämpfen, die wir schon seit zehn Jahren und länger haben, und wir mit einer Sache einfach nicht fertig werden: „Herr Jesus, wenn du nur wüsstest, wie es mir geht!“
Hier lesen wir, dass der Herr Jesus vieles auf dieser Erde durchgemacht hat und genau weiß, wie es uns geht. Versuchungen sind für ihn nichts Fremdes, sondern etwas, das er kennt. Aber es heißt auch „ohne Sünde“. Das heißt, da, wo es uns erwischt, entfernen wir uns vom Vorbild.
Jesus hat zwar Mitleid mit unseren Schwachheiten, weil er in gleicher Weise versucht worden ist, aber an einer Stelle hört die Gleichheit auf: wenn wir sündigen.
An dieser Stelle machen wir Schluss. Es steht noch viel mehr im Hebräerbrief über den Herrn Jesus.
Abschluss und Ermutigung zur persönlichen Beziehung
Genießt den Anblick von Melina, wenn sie die Augen geöffnet hat. Sie sieht satt und zufrieden aus.
Wie gesagt, mein Wunsch ist folgender: Bucht das alles nicht einfach nur als ein „Aha, jetzt haben wir unsere Lektion über Christologie, jetzt kennen wir den Herrn Jesus“. Ihr kennt ihn erst dann wirklich, wenn ihr anfängt, über diese Dinge ein Stück weit zu meditieren. Wenn ihr euch überlegt: Was heißt das? Was ist da wirklich passiert? Wer ist das? Wen habe ich da als Gegenüber?
Tut mir den Gefallen und fangt an dieser Stelle wirklich damit an. Nehmt euch in eurer stillen Zeit zum Beispiel fünf Minuten, um einfach über Jesus nachzudenken. Überlegt mal, was das bedeutet, und versucht, mit eigenen Worten das zu formulieren, was da steht.
Ich verspreche euch, weil ich das selbst öfter erlebt habe, dass euer Herz darüber aufgehen wird. Dass ihr ein Stück Begeisterung empfindet – eine Begeisterung, die dann auch überspringt, zum Beispiel beim Brotbrechen. Plötzlich hat man etwas zu sagen und sitzt nicht einfach nur still da. Man bekommt den Wunsch, diese Freude und Begeisterung auch zum Ausdruck zu bringen.
Das ist normal, ja? Wenn ich mich nie mit jemandem beschäftige, dann bleibt er mir immer fern. Aber in dem Moment, in dem ich anfange, über ihn nachzudenken, wird er mir immer lieber.
Insofern könnt ihr ein Stückchen Himmel schon jetzt vorwegnehmen. Ja, das ist Himmel!
Vielen Dank an Jürgen Fischer, dass wir seine Ressourcen hier zur Verfügung stellen dürfen!
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