
Predigten, die das Herz erreichen
Herzlich willkommen zum Podcast der EFH Stuttgart mit Jörg Lackmann und Thomas Powileit. Unser Podcast möchte dazu anregen, den Glauben praktisch zu leben und zugleich zum theologischen Nachdenken einladen.
Predigten sind weit verbreitet, doch oft werden sie als langweilig empfunden und als wenig relevant für das eigene Leben angesehen. Sie schaffen es nicht, das Herz der Zuhörer zu erreichen.
Deshalb wollen wir uns heute der Frage widmen: Wie können Predigten das Herz der Zuhörer erreichen? Dabei betrachten wir das Thema sowohl aus der Perspektive der Zuhörer als auch der Prediger.
Die Herausforderung, das Herz der Zuhörer zu erreichen
Also, Thomas, du predigst ja immer wieder, und dir ist es wichtig, nicht nur über die Köpfe hinweg zu predigen oder vielleicht nur in die Köpfe hineinzusprechen, sondern, wie man so schön sagt, das Herz zu erreichen. Wie macht man das?
Ja, das ist natürlich mein Ziel, da hast du recht: das Herz meiner Zuhörer zu erreichen. Aber ich muss ehrlich sagen, ich bleibe oft leider am Ohr hängen. Ich kann nicht einfach dafür sorgen, dass die Botschaft ins Herz rutscht. Aber ich muss das auch nicht machen, denn Gott macht das. Deshalb kann ich immer wieder beten, dass Gott meine Worte gebraucht, um selbst zu den Zuhörern zu sprechen.
Ich finde, das wird sehr anschaulich dargestellt in dem Gespräch der Jünger mit Jesus auf dem Weg von Jerusalem nach Emmaus. Da waren Emmaus-Jünger unterwegs. Genau, Jesus redet mit ihnen, und sie merken gar nicht, dass der Fremde, der mit ihnen wandert, Jesus ist.
Als sie Jesus schließlich erkennen und er vor ihren Augen verschwindet, denken sie darüber nach, wie es ihnen eigentlich im Gespräch mit Jesus ergangen ist. Dann kommt dieser spannende Satz in Lukas 24: "Brannte nicht unser Herz in uns, als er auf dem Weg zu uns redete und uns die Schriften öffnete?"
Jesus hat offensichtlich ihr Herz erreicht, als er mit ihnen sprach. Und das ist auch der Schlüssel für eine Predigt, die das Herz der Zuhörer erreicht: Sie kommen durch den Impuls, den der Prediger ihnen gibt, direkt ins Gespräch mit Jesus.
Die Emmaus-Jünger haben ja zuerst von Jesus geredet. Das war alles wahr, was sie über Jesus gesagt haben. Und doch lesen wir, dass sie niedergeschlagen stehen blieben, obwohl es wahr war, was sie gesagt hatten.
Die Gefahr der moralischen Predigt und die Enttäuschung der Jünger
Und so kann ich auch predigen: Ich erzähle, welche Hoffnungen ich habe. Oder wie die Jünger, die hofften, dass Jesus derjenige sei, der Israel erlösen sollte. Doch genau das hat er zu diesem Zeitpunkt nicht getan. Das war eine große Enttäuschung für die Jünger.
Wenn ich die Bibel beim Predigen als reines Moralbuch missbrauche und sage: „Ja, ich sollte, ich muss“, und dabei stecken bleibe, dann werden die Zuhörer immer wieder niedergeschlagen stehen bleiben. Sie merken, dass sie es nicht schaffen, egal wie sehr sie sich anstrengen. So standen auch die Jünger auf dem Weg nach Emmaus niedergeschlagen da, obwohl sie die Wahrheit gesprochen hatten.
Du beziehst jetzt das persönliche Gespräch vom Prinzip her auf die Predigt. Natürlich kann das auch jeder Hauskreis sein, jede Kinderstunde oder jeder andere Dienst. Denn man möchte ja immer Herzen erreichen und natürlich auch jedes einzelne Gespräch.
Du hast dann gesagt, dass ihnen das Herz brannte – davor aber nicht. Das lag daran, dass sie es falsch verstanden hatten, nämlich in Richtung Moral. Das ist gleich eine Anwendung.
Die Balance zwischen Herausforderung und Herzberührung
Ja, die du da herausgebracht hast. Jetzt stellt sich natürlich die Frage: Was meinst du genau mit „keine Moral“? Ist das dasselbe, wie wenn man das Herz nicht erreicht, weil man zu moralisch wird? Oder kann man beides machen? Weißt du, was ich meine?
Muss man, wenn ich es mal ein bisschen überspitze, die Leute in Watte packen, damit es nicht zu moralisch ist und sie dadurch nicht gehindert werden? Denn das war ja die These, die hinter den Worten stand. Aber was hindert genau daran, ins Herz zu kommen?
Natürlich muss ich die Leute nicht in Watte packen. Ich kann die Zuhörer auch konkret herausfordern. Sie sollen konkrete Schritte gehen und ihre Komfortzone verlassen. Das hat Jesus auch gemacht. Er hat zum Beispiel Petrus an einer anderen Stelle herausgefordert, aus dem Boot auszusteigen und zu versuchen, auf dem Wasser zu gehen. Denn das ist der Weg, wie man Erfahrungen mit Gott macht.
Wenn Jesus den Jüngern, also den Emmaus-Jüngern, sagt, sie sollten glauben, dann sagt er ihnen auch, woran sie glauben sollen. Es ist nicht nur ein „Ja, ihr solltet glauben“, denn das wäre dann Moralisieren. Er zeigt ihnen, woran sie glauben sollen. Er sagt hier, sie sollten dem Wort der Propheten glauben und an ihre Botschaft.
Die Botschaft, die Jesus betont, ist, dass der Christus leiden musste und in seine Herrlichkeit eingehen würde. Dann heißt es: „Und von Mose und von allen Propheten anfangend erklärte er in allen Schriften das, was ihn betraf.“ Er stellt sich selbst hier in den Mittelpunkt und macht deutlich, woran sie glauben sollen. Die Propheten haben ja Gottes Handeln in der Zukunft vorausgesagt, deshalb waren sie ja Propheten.
Aber offensichtlich hat das das Herz der Jünger nicht zum Brennen gebracht. Das, was sie wirklich zum Brennen brachte, war, dass sie plötzlich in der Botschaft der Propheten eben Jesus sahen.
Jesus als Zentrum der Predigt
Ich glaube, dass das das Geheimnis der Predigt bis heute ist: Sie erreicht wirklich das Herz, wenn mir jemand die Bibel auslegt und mir Jesus zeigt. So macht es hier der Herr Jesus vor, und so sehen wir es immer wieder im Neuen Testament.
Ich habe mich gedanklich auf diesen Podcast vorbereitet, ein bisschen zumindest. Es gibt ab und zu das Gerücht, dass wir das spontan machen würden. Ich habe das eine Weile nicht gehört, aber ich möchte klarstellen: Wir bereiten uns durchaus vor. Das kommt nicht alles spontan, das geht gar nicht.
In dieser Vorbereitung ist mir ganz wichtig geworden, wie oft von Jesus die Rede ist – auch im Alten Testament. An Stellen, wo ich als jemand, der auch Homiletik unterrichtet hat, zunächst sagen würde: Wie kommst du da auf Jesus? Doch die Stellen im Neuen Testament machen das deutlich.
Ich möchte einige Beispiele nennen. Zum Beispiel in 1. Korinther 10 spricht Paulus über die Wüstenwanderung des Volkes Israel. Dort sagt er tatsächlich, dass der Fels, der mitfolgte und an dem sie ihren Durst stillen konnten, Christus war. Darauf würde ich nie kommen, wenn ich die Geschichte im Alten Testament lese.
Die Botschaft hier ist: So wie der Fels ihren äußeren Durst stillte, so will Jesus meinen inneren Durst, meine Sehnsucht nach Gottes Gegenwart stillen. Er stellt sich hier selbst in den Mittelpunkt.
Oder ich denke an Galater 3. Paulus sagt dort, wenn Gott Abraham verspricht, er werde seine Verheißung auch seinem Nachkommen geben, dann meint Gott vor allem einen Nachkommen. Und dieser Nachkomme ist Christus.
Wenn ich den Text im Alten Testament lese, denke ich zuerst nicht an Christus, sondern zunächst an die Nachkommen der Juden. Paulus aber, als Jude, denkt hier an Christus. Vielleicht ist das ein Vers, den Jesus auch den Jüngern auf dem Weg nach Emmaus erklärt hat.
Denn die Verheißung an Abraham wird ja immer wieder aufgegriffen. Lesen wir das nicht immer wieder? Man weiß es nicht genau. Ich hätte im Alten Testament auch schon entdeckt, dass es um den Nachkommen und nicht um die Mehrzahl geht.
So argumentiert auch Paulus in Galater 3. Die Stelle davor würde ich eher so sehen. Dass man das manchmal nicht entdeckt, ist der Grund.
Jesus im Alten Testament erkennen und auslegen
Richtig, und wenn ich dem Herrn Jesus selbst zuhöre, dann redet er zum Beispiel von der Schlange, die Mose in der Wüste erhöht hat. Jesus sagt, dass Mose hier von dem redet, was er tun wird. Er vergleicht sich mit der Schlange, die wie die Sünde selbst aufgehängt wurde, um die zu retten, die unrettbar von der Schlange der Sünde gebissen sind. Sonst müssten sie eben sterben.
Also vergleicht er sich mit der Schlange. Was mich auch noch einmal überrascht hat, obwohl ich den Text eigentlich kenne, ist, dass als Jesus vom Manna in der Wüste spricht, sein Hauptpunkt nicht ist, dass Gott in der Lage war, sein großes Volk zu versorgen. Deshalb dürfe man ihm vertrauen, dass er auch einen selbst versorgt. Das wäre so meine Anwendung, wenn ich darüber predigen würde.
Der Hauptpunkt in Johannes 6 ist: Das Brot Gottes ist der, welcher aus dem Himmel herabkommt und der Welt das Leben gibt. Dann sagt Jesus: „Ich bin das Brot des Lebens.“ Hier macht er sich wieder zum Mittelpunkt der Predigt. Nicht das Manna steht im Mittelpunkt, sondern Christus.
Also nicht das Manna, das gegessen wird, steht im Mittelpunkt, sondern dass es vom Himmel kommt und Leben gibt. Das ist zwar auch im Text enthalten, sieht man aber nicht auf den ersten Blick. Es ist nicht so, dass es nicht da wäre, denn es steht ja schon drin, dass es vom Himmel kommt und Leben ist. Aber ich würde es nicht in erster Linie daraufhin anwenden.
Das ist ja der Punkt: Die Prediger im Neuen Testament oder das Neue Testament, wenn es das Alte Testament liest, gehen sehr stark auf Christus zu. Ich habe auch noch einmal an Jesaja 6 gedacht. In diesem Kapitel beruft Gott Jesaja als seinen Propheten. Da sagt Gott: „Wen soll ich senden? Wer wird für uns gehen?“
Dann kommentiert der Apostel Johannes diese Stelle in Johannes 12 und sagt, Jesaja sah seine Herrlichkeit, also die Herrlichkeit des Herrn Jesus, und redete von ihm, also vom Herrn Jesus. Dabei könnte man sagen: „Moment mal, da steht aber nichts von Jesus in diesem Text, in Jesaja 6.“ Ja, Gott erscheint ihm. Indirekt würde ich es so begreifen.
Wir hatten ja letztens den Podcast über Jesus im Alten Testament. Dort steht definitiv nicht, dass es Jesus ist an dieser Jesaja-Stelle. Ich würde indirekt argumentieren, dass ich sage: Immer wenn Gott erscheint, war es Jesus im Alten Testament. Aber das ist eine lange Argumentationskette. Ich glaube, Johannes kürzt sie da ab. Er kürzt sie einfach ab.
Dein Hauptpunkt ist: Sie sehen Christus in diesen Dingen, auf die sie schauen. Genau, sie halten im Alten Testament Ausschau nach Christus.
Vielleicht mein letzter Punkt dazu: Römer 10,4. Das Endziel des Gesetzes ist Christus. Wenn ich die Stelle anwende, heißt das: Wenn ich in das Gesetz schaue, in die Vorschriften des Gesetzes, dann muss ich nicht bei diesen Vorschriften stehen bleiben. Stattdessen frage ich mich: Wie hat Jesus diese Vorschrift erfüllt?
Da habe ich natürlich eine Menge, die wirklich auf Jesus zulaufen. Das ist mein Punkt: Wenn Jesus im Mittelpunkt der Predigt steht – und das waren mal so Auslegungsbeispiele – dann ist es etwas, was das Herz der Zuhörer berührt.
Das ist eine weite Diskussion, die Anwendung des Alten Testaments im Neuen Testament. Da beschäftige ich mich übrigens gerade mit. Ich muss mich echt im Zaum halten, dass ich da nicht zu sehr darauf eingehe.
Die Gefahr der Überinterpretation und der richtige Umgang mit dem Text
Ich glaube, der andere Punkt, der zum Podcast gehört, passt hier gut hinein. Das Herz brannte, als sie Jesus in den Texten sahen, als sie diese Stellen lasen. Die Frage ist: Wo liegt die Grenze zu „Ich lese Jesus in jeder Einzelheit hinein, obwohl er dort wirklich nicht steht“? Das ist ja fast so, als würde man vom anderen Pferd fallen.
Ich habe letztens eine Auslegung gehört, bei der jemand in einem bestimmten Bibelbuch sagte: „Das verstehst du nur, wenn du an Jesus denkst.“ Da dachte ich: Nein, das ist einfach eine falsche Auslegung. Natürlich muss ich anerkennen, dass Jesus selbst sagt, die Propheten sprechen von ihm. Aber das heißt nicht, dass jeder Satz letztlich von Jesus handelt.
Die Gefahr besteht, und da hast du völlig recht, dass man etwas in die Texte hineininterpretiert, was gar nicht drinsteht. Deshalb muss ich unbedingt die Prinzipien der Textauslegung beachten. Ich denke dabei auch an Nehemia 8,8: Dort heißt es, dass Esra aus dem Buch des Gesetzes Gottes abschnittsweise vorlas und den Sinn erklärte, damit man das Vorgelesene verstehen konnte.
Das ist für mich die zentrale Botschaft: Es muss klar sein, welche Botschaft ich durch meine Predigt vermitteln will. Das ist deine Frage: Was lese ich da hinein? Ich muss am Text bleiben und verstehen, was er sagen will. Das muss dann auch klar für die Zuhörer werden.
Danach frage ich mich, wie ich das in Relation zu Christus setzen kann, wenn es möglich ist. Nicht immer wird das möglich sein, und ich glaube, wenn es nicht möglich ist, sollte ich es auch tunlichst unterlassen. Denn durch meine Predigt gebe ich immer auch Beispiele dafür, wie ich mit bestimmten Texten umgehe.
Ich versuche auf jeden Fall, eine Beziehung zu Christus herzustellen, wenn der Text es zulässt. Wir sind gerade im Korintherbrief unterwegs. Die Predigtserie ist momentan durch drei andere Predigten unterbrochen. Im April geht es wieder weiter.
Im Korintherbrief geht es um Themen wie Parteidenken, wie man die Gaben des Geistes einsetzt, das Abendmahl, Sexualität und den Umgang mit Geld. Da kann man natürlich nicht in jeder Einzelheit Christus hineininterpretieren. Aber ich glaube, das Wesentliche ist: Du hast es schon angedeutet – es gibt einen Unterschied zwischen einer moralisierenden Haltung, die sagt „Du musst das tun“, und dem Erkennen, was dahintersteckt, nämlich Gott und Christus.
Das eine ist eine menschliche Religion, das andere eine Beziehung, die dadurch gefördert wird und wo das Herz hingeht. Das wäre für mich die Abgrenzung: Man sollte es nicht zu stark übertreiben.
Die Gefahr der Überinterpretation und die richtige Auslegungspraxis
Weshalb habe ich das gefragt? Es gibt ab und zu – ich weiß nicht, ob das heute noch so verbreitet ist – früher habe ich das öfter mal gehört: Da musste wirklich in jedes Detail Christus hineininterpretiert werden. Dabei dachte ich oft, das sei arg übertrieben. Manchmal war das fast schon blasphemisch, wenn in sexuellen oder anderen Bereichen plötzlich Christus auftauchte. Da habe ich mir gedacht: Oh nein, das muss nicht sein.
Aber gut, das ist nur eine von mehreren Gefahren. Deshalb sollte man das Richtige nicht vernachlässigen. Wir sind ja beim Brennen der Jünger, und deswegen sage ich: Das ist nur eine Gefahr, die es zu sehen gilt. Genau, diese Gefahr muss man durchaus erkennen, aber man muss sich nicht den Stress machen, wie du schon richtig gesagt hast, überall Christus hineinpacken zu müssen.
Ich glaube, das ist ein typisch deutsches Phänomen: Man stellt sich ein Schema auf und wird dann zum Sklaven dieses Schemas. Man hält es irgendwie durch, um zu beweisen, dass das eigene Schema richtig ist. Ich glaube, es geht nicht darum, bei jeder Predigt zwangsläufig Christus herauszuarbeiten.
Vielmehr sollte ich nach der Relation des Textes im Blick auf Jesus fragen. Zum Beispiel: Welche Eigenschaft des Herrn Jesus wird durch diesen Text unterstrichen? Wenn ich in einem Text einen sehr liebevollen Menschen sehe, kann ich sagen, es ist die Liebe, die Jesus gibt. Oder: Welches Verhalten, das ich in meinem Text entdecke, wird auch durch das Leben des Herrn Jesus durchgestrichen? Dann sage ich: Wir sehen das so, aber Jesus lebt es völlig anders.
Es reicht also nicht zu sagen: Mach es nicht so! Sondern ich muss sagen: Hey, ich habe ein ganz anderes Beispiel und eine ganz andere Kraft, um das alles leben zu können. Oder: Wo habe ich direkte Bezüge aus dem Text auf das Leben des Herrn Jesus? Oder eben Parallelstellen, die das Leben des Herrn Jesus betreffen.
Bezüge wie bei Joseph zum Beispiel – da habe ich keine direkte Parallelstelle im Neuen Testament. Aber ich sage: Okay, er ist hingesandt worden, um das Volk zu retten. Da gibt es schon eine Menge Parallelen, die ich versuchen kann zu sehen.
Ich überlege gerade, ob Joseph wirklich als Typus im Neuen Testament zitiert wird. In der rabbinischen Literatur wird er jedenfalls diskutiert, also haben sie das sehr wohl gesehen. Im Neuen Testament gibt es meines Wissens keine wirkliche Stelle dazu. Aber es sind eindeutige Bezüge da, wo man Parallelen sehen kann.
Wenn ich diese Fragen an meinen Text stelle, den ich auszulegen habe, hilft mir das, zu entdecken, welche Beziehung mein Text zum Herrn Jesus hat. Aber ich muss das, wie du gesagt hast, auch nicht hineingelegt. Wenn ich vieles nicht sehe in dem Text, liegt das vielleicht auch an meinem eingeschränkten Sehvermögen. Ich kann nur mit der Brille herumlaufen, die ich eben habe.
Ich habe gemerkt: Wenn Christus der Mittelpunkt der Predigt ist und die Zuhörer durch die Predigt selbst Jesus begegnen, dann wird wirklich ihr Herz durch die Predigt erreicht.
Jesus ins Zentrum der Verkündigung stellen
Deshalb fand ich es gut, was ich von Michael Reeves gelesen habe. Er sagte, auf seiner Kanzel in London stand das Wort aus Johannes 12,21: „Wir möchten Jesus gerne sehen.“
Das war sozusagen die Ansage. Er sagte zum Prediger: Predige hier nicht nur moralische Anforderungen, bei denen die Leute auf sich selbst zurückgeworfen sind. Predige Jesus und male deinen Zuhörern Jesus vor Augen.
Ich weiß von einer Gemeinde in Rumänien, die Ähnliches hatte, wenn ich mich richtig erinnere. Dort konnte der Prediger das Wort natürlich nicht lesen, weil es auf Rumänisch war. Dann hat ihm sein Übersetzer erklärt, dass es wohl heißt: Du sollst von Jesus predigen.
Der Prediger ergänzte daraufhin: Damit, wenn ein Esel hier auf die Kanzel steigt, er weiß, von wem er zu predigen hat. Gott benutzt auch Esel in der Bibel. Das ist kein Problem.
Das könnte man natürlich einführen, aber das ist jetzt nicht ernsthaft gemeint. Wir könnten auch so ein laufendes Spruchband mit aktuellen Sachen lesen.
Das eine ist eben, nicht bei einer Religion stehen zu bleiben, bei der man dies und jenes tut, sondern hin zu Jesus zu gehen. Denn er ist nun mal der Ankerpunkt des christlichen Glaubens.
Das andere ist, dass es zwar ein äußeres Umfeld gibt, aber das Herz dadurch nicht erreicht ist.
Diese Ausrichtung auf Jesus ist das eine. Eine zweite Sache ist, dass man manchmal die Gedankengänge von diesem oder jenem Prediger vielleicht nicht ganz versteht.
Ich habe das auch als Rückmeldung bekommen. Manchmal heißt es: „Oh, heute habe ich es super verstanden.“ Und letzte Woche war ich im Internet und manchmal höre ich auch anders herum: „Heute habe ich nicht ganz gewusst, was du gemeint hast.“
Die Bedeutung von Rhetorik in der Predigt
Was ist eigentlich die Rolle von Rhetorik, oder wie man es auch nennen möchte? Ich meine, wie führt man etwas rhetorisch gut hin? Ja, also ich halte Rhetorik schon für wichtig. Rhetorik bedeutet ja, ich versuche es einfach auszudrücken, auch so zu sprechen, dass die Zuhörer nicht einschlafen. Manche würden das vielleicht nicht als Rhetorik ansehen, aber du kannst es ja einfach mal so definieren.
Manche sagen, das eine sei der klare Gedankengang, und das andere seien Hilfsmittel, um diesen Gedankengang zu vermitteln, also Kunstfiguren. Aber du siehst Rhetorik im umfassenderen Sinne, in dem das alles mit drin ist.
Wobei auch die Kunstfiguren sehr hilfreich sind. Wenn zum Beispiel die Mutter sagt: „Anne, jetzt hör mir mal zu“, und dann eine Pause macht – das ist das stärkste rhetorische Mittel, das du bringen kannst. Schweigen ist immer gut. Es unterstreicht natürlich massiv.
Auch Paulus hat sehr oft Rhetorik eingesetzt. Ebenso bringt Herr Jesus Beispiele, damit die Zuhörer biblische Wahrheiten besser verstehen können. Das ist Redegestaltung, also dafür zu sorgen, dass die Leute wirklich aufmerksam bleiben und sich die Dinge besser merken können. Das ist wichtig.
Aber ich glaube, das ist nicht das Wichtigste. Das Wichtigste ist das Wort Gottes. Das heißt, in der Predigt muss Gott zu Wort kommen. Er darf nicht durch die Nebelwand der Worte des Predigers in den Hintergrund gedrängt werden.
Wenn ich mich nur auf möglichst ausgefeilte Ausdrücke konzentriere und der Inhalt darunter leidet, dann ist das nicht gut. Ich habe mal eine Einleitung zu einer öffentlichen Veranstaltung gehört, bei der jemand fast nur mit Wortfiguren sprach. Die waren zwar klasse, aber es waren so viele, dass man dachte, das sei eher ein rhetorischer Vortrag und keine wirkliche Begrüßung.
Ich darf rhetorische Mittel einsetzen, aber mit Maß. Wenn ich damit die Aufmerksamkeit der Zuhörer erreiche, ist das gut. Aber ich muss mir immer bewusst sein: Durch Rhetorik werde ich ihr Herz nicht erreichen. Das kann nur der Herr Jesus.
Rhetorik kann nur eine dienende Funktion haben. Richtig. Das ist...
Äußere Form versus Inhalt in der Predigt
Ich denke auch manchmal, wenn ich Ausschnitte von ganz großen Kirchen sehe, also Mega-Churches in Amerika zum Beispiel, wo dann riesige Shows gemacht werden mit Bildern und so weiter. Das ist manchmal wirklich sehr beeindruckend.
Aber manchmal erschlägt mich diese äußere Form ein bisschen. Interessanterweise habe ich dann Probleme, zum eigentlichen Inhalt vorzudringen, weil das Äußere so bombastisch ist. Dabei habe ich den Eindruck, dass das eher Selbstzweck ist – das meine ich jetzt sehr kritisch.
Es muss immer dabei bleiben: Wir predigen Christus, sagt Paulus, und das muss deutlich sein. Wir predigen Christus, es geht um ihn.
Können wir da noch ein bisschen mehr konkretisieren? Wie kann man das praktisch umsetzen? Denn von Christus zu reden, hast du da ein oder zwei Beispiele, wie das gelingen kann?
Das gilt ja gleichermaßen in der Kinderstunde, wo es altersgerecht sein muss, wie auch im Hauskreis. Du kannst zum Beispiel den Text nehmen und dir vornehmen: „Ich will diesmal Jesus besonders deutlich machen.“ Dann überlegst du dir, wie du das so bringst, dass es jeder versteht. Oft wird es durch Beispiele viel deutlicher.
Jesus als lebendiges Beispiel in der Predigt
Wie kann man dahin führen, dass das Herz brennt?
Indem ich vielleicht eine Eigenschaft des Herrn Jesus in den Mittelpunkt stelle und deutlich mache, dass sie mich ermutigen und Begeisterung in mir wecken soll. Ich denke zum Beispiel an Titus 2. Dort heißt es: „Die Gnade Gottes unterweist uns, damit wir die Gottlosigkeit und die weltlichen Begierden verleugnen und besonnen, gerecht und gottesfürchtig leben.“
Es ist also nicht die Kraft meines schlechten Gewissens, es ist auch nicht die Kraft meiner Disziplin, die es schafft, dauerhaft Nein zur Sünde zu sagen. Es ist Gottes Gnade.
Und dann sollte man deutlich machen: Wie wird diese Gnade sichtbar? Die Gnade wird in Jesus sichtbar. Der Apostel Johannes sagt es so treffend: „Die Gnade und die Wahrheit ist durch Jesus Christus geworden.“
Dann kann man einfach darstellen: Gottes Gnade, sein bedingungsloses Ja, wird in Jesus sichtbar. Also sollen die Leute wirklich Jesus vor Augen haben. Meine Verantwortung ist nur, meinen Mangel zu bekennen, zu kommen und zu nehmen.
Wenn ich auf Jesus schaue, wird mir mein Mangel bewusst. Paulus sagt das einmal im 1. Korinther 1: „Christus ist Gottes Kraft.“
Wenn ich also vom Titus ausgehe und versuche, auf Jesus hinzuweisen, nehme ich mich nicht aus. Denn wir appellieren in unseren Predigten oft sehr an unsere eigene Kraft. Wir verkündigen viel Anspruch und wenig Zuspruch.
Titus betont in diesem Vers gerade die Gnade, den Zuspruch. Er betont, was ich in Gott habe, und erst dann rede ich über den Anspruch, der darf nicht fehlen. Aber die Frage ist: Woher kommt die Kraft?
Ich habe einen Satz von Thomas Harry gefunden, den ich sehr treffend finde. Ich kenne ihn eher leidenschaftlich, aber er hat ein neues Buch geschrieben, „Die Seele des Leidens“. Darin schreibt er: „Es ist so viel einfacher, den vor mir Sitzenden ein paar Tipps zur frommen Selbstoptimierung mitzugeben. Doch das vernebelt die Gnade, wirft den Menschen auf sich selbst zurück und unterstellt, dass er gut sein kann, wenn er sich nur anstrengt.“
Bei Gott aber beginnt alles damit, dass er dem Menschen vorausgeht. Er tut alles, damit wir uns von ihm angenommen und abgrundtief geliebt wissen. Erst wenn uns das durchdringt, werden wir angemessen darauf reagieren können.
Aus lauter Dankbarkeit werden wir beginnen, den Willen Gottes zu suchen und zu tun.
Mit anderen Worten könnte man sagen: Eine Predigt, die Herzen erreicht, macht Gott groß. Das ist es, was hier betont wird.
Ich habe mich an die Pfingstpredigt erinnert, in Apostelgeschichte 2. Das war auch so eine Herzpredigt, die den Leuten ans Herz ging. Es drang ihnen durchs Herz. Und was war der Inhalt der Predigt? Sie sagten: „Wir hören sie von den großen Taten Gottes in unseren Sprachen reden.“ Also das war der Inhalt: die großen Taten Gottes.
Was ich mir gemerkt habe, ist ein Satz von Klaus Eickhoff, ebenfalls ein Prediger. Er hat Prediger herausgefordert, mehr Gotteslob statt Menschenschelte zu verkündigen. Ich dachte: Wow, das ist ein guter Satz – mehr Gotteslob statt Menschenschelte.
Noch ein Zitat von Thomas Harry: „Die mir anvertrauten Menschen brauchen mehr als meine vierte Mobilisierungsrede, die sie in die Gänge bringen soll. Sie brauchen einen Leiter, der ihnen hilft, die Versorgungskraft des Evangeliums zu erfahren. Sie brauchen jemanden, der an ihre Seite tritt und ihnen hilft, ihr Herz an Christus festzumachen.“
Da habe ich gedacht: Ja, da hat er Recht. Man kann sicher viel Richtiges über Predigen sagen, aber der Hauptpunkt ist: Durch eine Predigt soll Gott groß gemacht werden, so wie in der Pfingstpredigt. Uns ohnmächtigen Menschen soll Christus als Gottes Hilfe und Kraft vor Augen gestellt werden.
Das ist die Grundlage, die Gott sehr oft gebraucht, um durch Predigten unser Herz zu erreichen. Dann ist eine Predigt auch nicht langweilig oder uninteressant, sondern wirklich lebensverändernd.
Das ist übrigens auch ein gutes Gebetsanliegen für jeden Zuhörer: Dass er, bevor er sonntags zum Gottesdienst kommt, für den Prediger betet, damit dieser entsprechend geführt wird. Das ist ein hoher Anspruch an den Menschen.
Eine Predigt kann nur durch die Gnade Gottes gelingen und durch den Heiligen Geist – nicht durch die Person an sich. Sonst wäre sie genauso zurückgefallen wie die Zuhörer, also auf sich selbst zurückgeworfen.
Gottes Zuspruch ist größer als der Anspruch. Das finde ich immer interessant. Wenn wir etwas zu tun haben, gibt er auch die Kraft dafür.
Ich glaube, in jedem Dienst, in dem Menschen das Wort weitergeben wollen, muss Christus im Mittelpunkt der Verkündigung stehen. Denn er ist der Mittelpunkt, der Mittelpunkt der Verkündigung.
So, das war der Podcast der evangelischen Freikirche „Evangelium für alle“ in Stuttgart. Wir hoffen, dass ihr heute einen Impuls für euch mitnehmen konntet, wenn ihr anderen Menschen von Christus weitergebt.
Wenn ihr Fragen habt, über die wir sprechen sollen, oder Anmerkungen zum Podcast, schreibt uns gerne unter podcast@efa-stuttgart.de.
Wir wünschen euch Gottes Segen und dass ihr immer wieder bei eurer Bibellese Christus seht und euer Herz mehr und mehr für ihn brennt.