Der Schatz

Konrad Eißler
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Das Himmelreich ist wie ein Schatz, an dem mein Pflug, mein Dreck und mein Herz hängenbleibt. - Predigt in Stuttgart


Was es im Tierreich gibt, wissen wir, liebe Gemeinde. Alte Hammel, dumme Ziegen, allmächtige Rindviecher, fürchterliche Rhinozerusse. In Brehms Tierleben kann sich jeder unterbringen. Vom Tierreich haben wir eine Ahnung.

Und was es im Pflanzenreich gibt, wissen wir auch. Schöne Rosen, blaue Veilchen, faule Tomaten und stinkende Hoffart. Hübsche Pflänzchen treiben tollste Blüten, in Naturkunde sind wir nicht unterm Strich. Vom Pflanzenreich haben wir eine Ahnung.

Und was es im Märchenreich gibt, wissen wir erst recht. Putzige Zwerge, gewaltige Riesen, alte Hexen und Knüppel aus dem Sack. In Grimms Märchen und in Potters Geschichten haben wir schon geblättert. Vom Märchenreich haben wir eine Ahnung.

Auch mit Kinderreich, Königreich und Kaiserreich können wir etwas anfangen, aber wissen wir noch vom Himmelreich, lesen wir noch vom Himmelreich, hören wir noch vom Himmelreich? 21-mal steht dieser Begriff in den Evangelien. Immer wieder taucht er in den großen Reden Jesu auf. “Himmelreich” ist ein Hauptwort des Neuen Testaments. Jesus meint damit kein Sternenreich, das lichtmillionenjahre entfernt in kosmischen Weiten existiert. Jesus meint damit auch kein Engelreich, in dem gefiederte Wesen durchs Ozonloch flattern. Jesus meint erst recht kein Seligenreich, in dem frei nach Karl Valentin der Münchner im Himmel mehrmals täglich sein Hallelujah frohlockt. Das Himmelreich, genauer: das Reich des Himmels, noch genauer: die Herrschaft des Himmels durchbrach an Weihnachten die Grenze zwischen sichtbarer und unsichtbarer Wirklichkeit. In Bethlehem wurde mit der Geburt Jesu ein Brückenkopf gebildet. In Kapernaum wurde mit dem Dienst Jesu sein Regierungsanspruch ausgerufen. In Jerusalem wurde mit dem Tod und der Auferstehung die entscheidende Schlacht geschlagen. In Antiochien, Ephesus, Philippi, Rom entstanden Stützpunkte seiner Macht. Heute gibt es rund um die Erde Operationsbasen seiner Herrschaft, wo er als Herr anerkannt, angebetet und besungen wird: “Jesus Christus herrscht als König, alles sei ihm untertänig. Ehret, liebet, lobet ihn.” Und einmal werden alle andern Mächtigen und Gewalten dieser Übermacht weichen müssen. Das Himmelreich ist das Reich Jesu Christi.

Was dies genauer ist, darüber setzen uns viele Gleichnisse, sprich Bildgeschichten ins Bild, die immer mit dem stereotypen Satz beginnen: Das Himmelreich ist gleich einem Senfkorn, einem Sauerteig, einer Perle, einem Netz - oder so wie hier, einem Schatz. Von diesem Schatz erfahren wir folgendes, so aufgeschrieben in Matth.13,44: “Das Himmelreich gleicht einem Schatz, verborgen im Acker, den ein Mensch fand und verbarg; und in seiner Freude ging er hin und verkaufte alles, was er hatte, und kaufte den Acker.”

1. Ein Schatz, an dem mein Pflug hängenbleibt

Von einem Bauern ist die Rede, der sich ein bisschen Land zusammengepachtet hat. Die paar Äcker lagen um das bescheidene Gehöft herum. Mehr als eine Holzhütte, ein Stadel und ein Stall wird’s sicher nicht gewesen sein, die vereinigten Hüttenwerke des Herrn Landmann. Hart war es schon, diese beinharte Scholle zu bearbeiten. Schwer war es schon, diese steinschweren Brocken zu beseitigen. Müh­sam war es schon, dieses ausgelaugte Stückchen Erde zu beackern. So hatte er wieder einmal den Gaul vor den Pflug gespannt. Der verunkrautete Riegel musste endlich umgebrochen werden. Aber die Schindmähre hatte nur den ersten Gang eingelegt und trottete über den Acker. Rauf und runter, rauf und runter, rauf und runter. Ein tötendes Einerlei. Und dann rummste es unter dem Pflug. Und da kratzt es mit dem Pflug. Und da hängt der Pflug fest. “Auch das noch”, grantelt der Bauer. “Hüh”, ruft er, aber da ist kein Zug. “Hüh”, schreit er, aber da ist kein Schritt. “Hüh”, brüllt er und knallt mit der Peitsche, aber da ist keine Bewegung. Missmutig wirft er den Zügel über den Pferderücken und schaut nach. Ein Stein, nein, ein Holz, nein, ein Eisen, nein. Ein Schatz, eine Schatztruhe, eine Schatzkiste. Gesucht hat er nicht. Gefunden hat er. Mitten auf dem Acker hing der Pflug fest.

So ist das mit dem Schatz des Himmels auch, mit der Schatztruhe des Evangeliums, mit der Schatzkiste der ganzen Botschaft Jesu. “Er ist ein Schatz, mein Erb und Teil, und außer ihm weiß ich kein Heil”, singt Heinrich von Bogatzky. Suchen können wir ihn nicht. Gottsucher sind arme Irre oder irre Arme. Gott lässt sich finden, mitten auf dem Acker unseres Lebens. Dort ist’s oft hart bei der Arbeit. Dort ist’s oft schwer im Beruf. Dort ist’s oft mühsam, die täglichen Dinge zu erledigen. Rauf und runter, raus und rein, rum und num. Ein tötendes Einerlei. Und da - ein Schlag, ein Herzschlag, ein Gehirnschlag, ein Schicksalsschlag. Und da - ein Krach, ein Ehekrach, ein Familienkrach, ein Kollegenkrach. Und da hängt der Lebenspflug fest. “Auch das noch”, stöhnen wir. “Habe ich nicht schon vorher den Buckel voll? Warum dieses Unglück dazu? Ich pack’s nicht mehr.”

Liebe Freunde, Gott will uns in der Schwierigkeit begegnen. Gott will uns in der Traurig­keit gegenübertreten. Gott will uns weiterhelfen, wenn er uns festfahren lässt.

Gott will uns weiterhelfen, wenn er uns festfahren lässt.

So wie bei der Samariterin. In der Hitze des Mittags kommt sie zum Brunnen. Ein Flittchen aus der untersten Schublade. Da hängt plötzlich der Pflug fest. Als Freuden- und Schatzbotin kehrt sie nach Sychar zurück. Oder so wie bei Niko­demus. In der Kühle der Nacht kommt er zum theologischen Dis­kurs. Ein Theologieprofessor von der High Society. Da hängt plötzlich sein Pflug fest. Als Nachdenkender und Nachdenklicher geht er seines Weges. So wie bei Jakobus und Johannes. In der Frische des Morgens kommt es zu einer Begegnung. “Folget mir nach”, hören sie. Da hängt plötzlich ihr Pflug fest. Als Jünger ziehen sie mit ihm.

Vielleicht ziehen Sie in der Schwüle des Tages eine schwere Furche. Die Kinder sind entfremdet. Die Ehe ist dahin. Die Arbeit geht nicht vorwärts. Was soll denn Neues werden? Die Bibel sagt: Es kann Neues werden. Du kannst den Schatz finden. Jesus kann Dich reich, superreich machen. Bedenken Sie’s doch: Gott will Ihnen weiterhelfen, wo er Sie festfahren lässt. Also das ist das Erste, über das wir im Bilde sein sollen: Ein Schatz, an dem mein Pflug hängenbleibt.

2. Ein Schatz, an dem mein Dreck hängenbleibt

Der Bauer ist nicht wiederzuerkennen. Hätte er vorher den Titelheld zum Buch “Die Entdeckung der Langsamkeit” abgeben können, so war er jetzt die Hyperaktion in Person. Schnell die Kiste ins Loch. Schnell die Erde darüber. Schnell die Spuren verwischt. Schnell nach Hau­se. Dort saß er am Tisch und grübelte: “Der Acker muss her. Die Immobilie mitsamt der Mobilie muss gekauft werden. Der Schatz hat seinen Preis.”

Jeder Schatz hat seinen Preis, auch der Schatz des Evangeliums. Gott verschleudert nichts. Er wirft seine Kostbarkeiten wie Liebe, Freude, Friede und Geduld den Leuten nicht nach. Nie und nimmer ist er ein billiger Jakob gewesen. Es kostet was für den Missionar, der seinen ganzen Haus­halt auflöst. Es kostet was für die Diakonisse, die kaum mehr als einen Koffer besitzt. Es kostet was für einen Arzt oder Ingenieur, der ums Taschengeld in der dritten Welt arbeitet. Wer an Gottes Schatz, nämlich an Jesus Christus, interessiert ist, darf den Verzicht nicht scheuen. Deshalb fängt unser Bauer das Rechnen an. Im Strumpf habe ich noch 10 Taler. Aber das reicht nicht. Also meine Hütte dazu, macht 15 Taler. Auch das reicht nicht. Also mein Stadel und Stall auch noch dazu, macht 18 Taler. Aber das reicht immer noch nicht. Also mein Gaul, mein Pflug, mein ganzes Gelumpe dazu, macht nach Adam Riese 20 Taler. Aber das ist zu wenig. Der Acker kostet mehr. Mit 20 Talern lässt sich der Schatz nicht kaufen. Selbst wenn er 200 Taler hätte, 200 000, ja 2 Millionen hätte, nie und nimmer käme er an den Schatz her­an. Ja, so fragen wir, was müsste er denn locker machen? Was müsste er denn auf den Tisch legen? Was müsste er denn für diese Kiste bezahlen?

Der Theologe Doerne hat das Gleichnis verstanden wenn er schreibt: “Das teuerste Gut des Menschen, an dessen Verkauf keiner vorbeikommt, und das auch nicht bloß einmal, sondern immer von neuem abgestoßen werden muss, ist die Vergötzung des Ichs, unsere Sünde.” Ich muss mich selber hergeben. Ich muss mein verkorkstes Leben hergeben. Ich muss mich mit meinen Belastungen und Fehlentwicklungen hergeben. Der Schatz des Himmelreiches kostet mich meine Sünde. So sieht das aus, dieses “alles verkaufen”.

Unglaublich, aber wahr. Jesus kauft meinen bankrotten Lad­en und gibt mir dafür den Schatz Gottes. Jesus erwirbt meine miese Firma und gibt mir dafür die Fülle des Himmels. Jesus übernimmt meine vereinigten Hüttenwerke und gibt mir dafür Wohnrecht in den ewigen Hütten. Luther hat’s erklärt, und vielleicht erinnern wir uns noch an unsere Konfirmandenzeit: “Der mich verlorenen und verdammten Menschen erlöst hat, erworben und gewonnen von allen Sünden, vom Tod und von der Gewalt des Teufels, auf dass ich sein eigen sei und in seinem Reich lebe und ihm die­ne in ewiger Gerechtigkeit, Unschuld und Seligkeit.” Ihm darf ich meinen ganzen Bettel überlassen. Jesus kauft meine Pleitefirma Sünde. An diesem Schatz bleibt mein Dreck hängen. Lassen Sie ihn hier. Nehmen Sie dafür den Schatz Jesu mit. Dann sind Sie reicher als die 1O-Millionen-Gewinnerin im RTL.

3. Ein Schatz, an dem mein Herz hängenbleibt

Unsere Bildgeschichte ist kurz, zu kurz, gerade mal einen kurzen Vers lang. Aber so viel erfahren wir, dass der Kauf geklappt hat und der Landmann zum Schatzmeister geworden ist. Mit Sicherheit dürfen wir annehmen, dass er die Schindmähre nicht gegen ein Paradepferd und den Pflug nicht gegen eine Nobelkutsche eintauschte, um als stolzer Herrenbauer bestaunt und beklatscht zu werden. Dafür war ihm der Schatz zu teuer. Sein Herz hing doch daran. Er sollte ihm helfen ein Neues zu pflügen. Das Leben konnte noch einmal beginnen.

Liebe Freunde, wenn wir Jesus gewinnen, kann Leben noch einmal beginnen. Wir müssen nicht mehr den alten Pflug einspan­nen. Wir müssen nicht mehr den alten Acker bestellen. Wir müssen nicht mehr die alten Furchen ziehen, rauf und runter, rauf und runter. Pflüget ein Neues.

Die Ehe braucht einen Aufbruch. Damals war es wie ein frisch gedüngtes Feld, auf dem es nur so sprießte und blühte. Dann wucherte das Misstrauen wie Quecken und erstickte alle Blüten. Zieht eine neue Furche der Liebe, denn mit dem Schatz Jesu seid ihr reich an Liebe. Pflüget ein Neues.

Die Familie braucht einen Aufbruch. Damals brachten die Kids Sonne ins Haus, auch wenn die Wohnung abends aussah wie ein umgepflügter Acker. Aber dann wuchsen sie heran, wurden aufmüpfig, packten die Koffer und zogen zu der Freundin, ohne Dank, Gruß oder Ab schied. Zieht eine neue Furche der Vergebung, denn mit dem Schatz Jesu seid ihr reich an Vergebung. Pflüget ein Neues.

Der Beruf braucht einen Aufbruch. Damals ging es ja noch, als der alte Chef noch das Sagen hatte. Aber dann wurde die Firma verkauft und neue Herren verlangten den doppelten Einsatz. Zieht eine neue Furche der Geduld, denn mit dem Schatz Jesu seid ihr reich an Geduld. Pfüget ein Neues.

Auch die Mission braucht einen Aufbruch. Damals beim ersten Term war noch Gewissheit über Gottes Platzanweisung da. Aber dann kam der Frust, die Ent­täuschung, die Erfolglosigkeit. Zieht eine neue Furche der Hof­fnung, denn mit dem Schatz Jesu seid ihr reich an Hoffnung.

Es gibt nichts, wozu uns dieser Schatz nicht ausrüsten könnte. Deshalb heißt’s hier: “In seiner Freude ging er hin.” Christen erkennt man an der Freude. In seiner Freude ging er hin. Warum gehen Sie in Ihrem Leid, in Ihren Schmerzen, in Ihren Problemen in Ihren Sünden? Diese Freude ist so ansteckend wie Maul- und Klauenseuche. Sie geht aufs Herz, macht’s Maul auf und lupft die Zunge: “Jesu meine Freude, meines Herzens Weide, Jesu meine Zier.” Alle sollen es hören: “Weg mit allen Schätzen, du bist mein Ergötzen, Jesu meine Lust.” Amen.


[Predigtmanuskript; nicht wortidentisch mit der Aufnahme]