Die Entstehung und Bedeutung der Bibel im historischen Kontext
Vor zweitausend Jahren hätten wahrscheinlich nur wenige Menschen damit gerechnet, dass die Bibel ein derart erfolgreiches Buch werden würde. Zu dieser Zeit war gerade einmal das Alte Testament abgeschlossen. Dieses war jedoch hauptsächlich eine religiöse Schrift für eine kleine Gruppe im römischen Weltreich, nämlich die Juden.
Die Juden waren damals nicht besonders geachtet. Sie galten eher als eine Art „zweites Geschlecht“, wie man es nannte. Das bedeutete, dass sie keine vollen Bürgerrechte besaßen. Zwar waren sie keine Sklaven, befanden sich aber in einer Zwischenstellung. Das Römische Reich wurde von den Römern und Griechen dominiert, die sich für wesentlich klüger hielten.
Es gab damals andere Werke, die man studierte. Dazu gehörten die Schriften der griechischen Philosophen oder für die breite Bevölkerung die Werke von Homer. Diese lobten Zeus, seine Frau Hera, deren Kinder und die gesamte Götterschar vom Olymp. Das war damals eher in Mode.
Wer es nicht so mit diesen gegenständlichen Göttern hielt – also mit Göttern, die man sich als Wesen mit äußerem Körper vorstellen konnte – und die mehr wie höhere Menschen erschienen, der orientierte sich eher an den Philosophen. Dazu gehörten beispielsweise die Stoiker oder die Epikureer.
Gerade in dieser Zeit, in der viele Menschen nach Antworten zum Sinn ihres Lebens oder zur Religion suchten, trat eine noch kleinere und scheinbar unbedeutendere Gruppe auf. Diese Menschen nennt man heute Christen. Sie vertrauten auf Jesus Christus. Sie glaubten, dass dieser Prediger, der damals in Israel aufgetreten war, nicht nur ein einfacher Mensch gewesen sei, sondern Gott selbst.
Diese Menschen sagten, dass Jesus, der in Jerusalem gekreuzigt wurde, tatsächlich existierte. Das war ein historisches Faktum. Noch Ende des zweiten Jahrhunderts konnten Kirchenväter wie Tertullian schreiben, dass man nur in die Archive des römischen Staates gehen müsse, um die genauen Unterlagen des Prozesses gegen Jesus zu finden. Jesus Christus wurde in Jerusalem verurteilt und getötet.
Doch dann verschwand sein Leichnam. Einige vermuteten, dass jemand die Leiche gestohlen habe. Es gab zwar Argwohn, dass jemand Leichenfledderei betrieben und den Leichnam mitgenommen haben könnte, doch nachgewiesen wurde dies nicht. Außerdem gab es niemanden, der wirkliches Interesse daran gehabt hätte, die Leiche zu entwenden.
Immer mehr Menschen berichteten, dass ihnen Jesus Christus begegnet sei. Sie sagten, er habe kein Nahtoderlebnis gehabt, bei dem man für einige Minuten das Bewusstsein verliert und dann ein Licht sieht, wie es manche Menschen beschreiben. Nein, Jesus war wirklich tot – leibhaftig tot – und ist dann wieder zum Leben auferstanden.
Einige dieser Menschen schrieben auf, was sie mit Jesus Christus erlebt hatten. Diese Berichte finden wir heute im Neuen Testament. Es gab die Begleiter Jesu, die über drei oder sogar mehr Jahre mit ihm unterwegs waren. Außerdem berichteten Menschen, die später Begegnungen und Erfahrungen mit Jesus gemacht hatten, und hielten diese fest.
Dreihundert Jahre lang wurden diese Menschen meist verfemt. Das heißt: Wer Rang und Namen im römischen Reich hatte, lästerte über die Christen. Wer Karriere machen wollte, konnte nicht Christ sein. Das war absolut tabu. Die Christen galten als Dummköpfe, weil sie nicht das vertraten, was allgemein als wahr und richtig angesehen wurde.
Die Gebildeten, Gelehrten, Angesehenen und Berühmten vertraten andere Positionen. Deshalb wurden die Schriften des Neuen Testaments nach und nach unterdrückt. Man wollte mit den Christen nichts zu tun haben und hoffte, dass man sie irgendwann vergessen würde.
Zwischendurch kamen immer wieder Menschen, die sich fragten, warum die Christen überhaupt an diese Dinge glaubten. Sie begannen selbst, im Alten und Neuen Testament zu lesen. Innerhalb von dreihundert Jahren überzeugte das immer mehr Menschen.
Obwohl der christliche Glaube nicht in Mode war, obwohl er unterdrückt wurde und verboten werden sollte, setzten sich immer mehr Menschen mit den biblischen Schriften auseinander. Diese Texte sprachen sie ganz persönlich an.
Es handelte sich dabei nicht um ein gewöhnliches Lehrbuch, bei dem man einen Abschluss machen kann – wie einen Bachelor oder Master in einer Wissenschaft. Es ging vielmehr um grundlegende Fragen: Wie ist Gott? Wie bin ich als Mensch? Wer bin ich? Wie finde ich ein sinnvolles Leben? Wo sind die Maßstäbe, die wirklich halten?
Um solche Fragen ging es in den Schriften. Und dieser Glaube setzte sich durch – nicht von außen, nicht mit Gewalt, sondern durch viele einzelne Menschen, die die Texte kritisch überprüften und sagten: „Das ist es. Das ist das, worauf ich bauen möchte.“
Die Rolle der Bibel im Mittelalter und der Reformation
Im vierten und fünften Jahrhundert begannen immer mehr Menschen, sich als Christen zu bezeichnen. Sie warfen ihre früheren religiösen Orientierungen über Bord und richteten sich nun an der Bibel aus.
Ein Höhepunkt dieser Entwicklung wurde im Mittelalter erreicht. Es waren nicht mehr einzelne Menschen, sondern Institutionen – vor allem die großen Kirchen –, die die Definitionshoheit über die Bibel für sich beanspruchten. Sie erkannten, dass viele Menschen von der Bibel angesprochen wurden. Doch dies wollte man organisieren und Macht daraus ziehen. Deshalb wurde vielen Menschen verboten, die Bibel selbst zu lesen. Nur diejenigen, die zur herrschenden Schicht gehörten, durften die Bibel lesen und interpretieren. Der breiten Bevölkerung, also den Mitgliedern und Wählern der Kirchen und Gemeinden, gab man nur so viel mit, wie man für verantwortbar hielt oder so, dass diese nicht aufmüpfig wurden.
Im Mittelalter gab es jedoch auch einzelne kleine Gruppen, die die Bibel lasen und versuchten, sie selbst zu interpretieren. Ein Beispiel dafür ist ein Kaufmann aus Lyon in Südfrankreich. Er ließ auf eigene Kosten die Bibel ins Provinzielle, also die südfranzösische Sprache, übersetzen. Er begann, anderen daraus vorzulesen, war so begeistert, dass er seinen Job aufgab und sein Geschäft verkaufte. Er sagte: Das muss ich den Leuten weitersagen. So begann er öffentlich zu reden und manchmal einfach nur aus der Bibel vorzulesen.
Die katholische Kirche empfand dies damals als Bedrohung. Man entschied, dass dieser Mann eingesperrt und verfolgt werden müsse. Aus seiner Bewegung entstand eine Gruppe, die sich die Waldenser nannten. Das war vor etwa tausend Jahren. Diese Gruppe wurde verfolgt und zog sich in die Alpentäler zurück, wo sie bis heute überlebt hat. Vor ungefähr zwanzig Jahren hat die katholische Kirche sich bei den Waldensern entschuldigt, weil sie sie verurteilt und verfolgt hatte. Heute sind die Waldenser eine anerkannte Kirche in Italien und Südfrankreich.
Neben diesen Gruppen kennen wir auch Martin Luther. In zwei Jahren wird das Reformationsjubiläum gefeiert – 500 Jahre sind dann vergangen, seit dieser Mann forderte, dass die gesamte deutsche Bevölkerung die Bibel selbst lesen können soll, um zu erfahren, was darin steht. Das war eines der Hauptanliegen der Reformation: die Bibel auf Deutsch in der Hand jedes Menschen, der sie lesen möchte.
So gewann vor 500 Jahren der Siegeszug der Bibel noch mehr Einfluss – diesmal nicht als Herrschaftsinstrument, sondern als Anregung zum Denken der Menschen.
Die kulturelle und gesellschaftliche Wirkung der Bibel
Und wenn heute jemand unter uns ist, der sich mit Musikgeschichte beschäftigt – also nicht nur mit der Musik, die man gerade im Radio hört, sondern mit der Musik, wie sie in früheren Jahrhunderten in Europa üblich war –, dann wird er wissen, dass ein großer Teil der europäischen Musik der letzten 2000 Jahre eigentlich Musik ist, die Dinge umsetzt, die in der Bibel beschrieben sind. Wer also die Bibel nicht kennt, kann die Musikgeschichte nicht wirklich verstehen.
Beispielsweise allein schon die Notenschrift. Wir hätten heute keine Notenschrift, wenn nicht Mönche in Norditalien im Mittelalter auf die Idee gekommen wären, sie zu entwickeln. Sie sagten: „Ja, wir wollen jetzt etwas haben, nach dem sich die Leute orientieren können, wie sie im Gottesdienst singen.“ Und weil sie das in andere Gemeinden übertragen wollten, erfanden sie die Notenschrift.
Die meisten Instrumente, die wir heute kennen, wurden ebenfalls stark von der Kirche geprägt, wenn dort gespielt wurde. Viele der Inhalte, der Texte und der Melodien waren religiöse Inhalte – also christlich-biblische Inhalte. Genauso ist es, wenn man ein Museum besucht, das sich nicht nur mit der Kunst des 20. Jahrhunderts beschäftigt. Ich kann fast garantieren: Die Hälfte der ausgestellten Gemälde, Statuen oder sonstigen Kunstwerke hat irgendetwas mit der Bibel zu tun.
Ich habe das immer wieder erlebt. Im Sommer war ich in London und habe mir dort einige Museen angeschaut – neben all den anderen Dingen, die es dort zu sehen gibt. Manchmal sieht man dann Leute, die durch die Ausstellungen spazieren und sagen: „Schön, schön, schön“, aber sie können wenig damit anfangen. Viele Menschen haben den Bezug zur Bibel verloren und merken gar nicht mehr, was eigentlich in den dargestellten Geschichten steckt.
Die Bibel ist voller spannender Geschichten – sowohl Liebesgeschichten als auch Geschichten von Neid, von Erbe, von Verliebtsein, von Zerstreiten, von Krieg und vielem mehr. Sie zeigt die ganze Bandbreite des menschlichen Lebens. Es geht also nicht nur um Gottesdienst.
Manche haben den Eindruck, in der Bibel gehe es nur darum, wie es im Himmel sein wird. Sie erinnern sich an Witze, in denen jemand an der Himmelspforte steht, Petrus dort ist und dann sagt, warum man rein darf oder nicht. Danach gibt es ewiges Harfespielen auf einer Wolke. Doch diese Dinge stehen so gar nicht in der Bibel. Weder ist dort von der Himmelstür die Rede, an der Petrus steht, noch von einer Harfe, die ewig gespielt wird. Das sind Vorstellungen, die viele Menschen haben, die sich wenig mit der Bibel beschäftigt haben.
Die Bibel hat Menschen angesprochen, inspiriert und ist tiefer in unserem Bewusstsein verankert, als wir uns manchmal bewusst machen. Fast alle Städte in Deutschland sind vor dem Hintergrund biblischer Auseinandersetzungen entstanden. Das merken wir auch in Paderborn. In der Mitte der Stadt steht nicht irgendetwas, sondern ein Dom – also eine Kirche.
Meistens wurde vor der Kirche Handel betrieben, weil man dachte: „Gott wird schon ein Auge darauf werfen.“ Wenn die Menschen wissen, dass sie von Gott beobachtet werden, sind sie hoffentlich ein bisschen ehrlicher. Deshalb liegt der Marktplatz oft um die Kirche oder vor ihr.
In die Kirchenmauern wurden früher auch Längenmaße eingemeißelt, nicht Ellen oder Ähnliches, damit nicht jeder seine eigene Maßeinheit verwenden konnte. Das hat die Menschen beeindruckt und beeinflusst.
Häufig waren die prächtigsten Gebäude, die man baute, die Kirchen. Die Menschen spendeten freiwillig, weil sie dachten, dass es hier um etwas ganz Besonderes geht. Es geht nicht nur um sie selbst, sondern um Gott – diesen Gott, der ihnen in der Bibel begegnet ist und der ihnen etwas bedeutet.
Die Bibel und die Wissenschaft
Aber selbst bei Themen wie dem Urknall, über den wir heute in der Physik diskutieren, erkennen wir biblisch-christliche Motive. In der Bibel finden wir den Hinweis, dass diese Welt einen klar definierten Anfang und auch ein festgelegtes Ende hat. Es ist bemerkenswert, dass wir dieses Konzept nun auch in der Physik wiederfinden.
Hätten wir die Physik beispielsweise mit einem hinduistischen Modell betrieben, sähe das ganz anders aus. Die Hinduisten glauben an einen riesigen Zyklus, in dem sich alles endlos wiederholt. Es gibt auch hinduistische Physiker, die sagen, der Urknall sei nur ein Modell, das im Westen verbreitet ist. Ihrer Ansicht nach dehnt sich das Universum aus, zieht sich wieder zusammen und das Ganze wiederholt sich immer wieder, über zig Milliarden Jahre hinweg.
Selbst bei der Deutung wissenschaftlicher Daten, etwa der Beobachtung des Universums, orientieren sich Menschen, die vielleicht gar nicht bewusst an die Bibel glauben, oft an diesem biblischen Modell.
Die ersten Naturwissenschaftler Europas, wie Galileo Galilei oder Isaac Newton, waren fest davon überzeugt, dass man die Natur nur erforschen kann, wenn man annimmt, dass es einen verlässlichen Gott gibt. Dieser Gott gibt dem Menschen die Möglichkeit, die Welt um ihn herum zu erkennen. Außerdem entsprechen die Sinne des Menschen der Wirklichkeit.
Heute gibt es moderne Spielfilme, die genau diese Annahme infrage stellen. Dort wird dargestellt, dass man virtuell lebt und nicht wirklich in der Realität. Oft taucht eine Person auf, und am Ende stellt sich heraus, dass sie nur in einem Computer existiert, also erfunden ist. So wird die Frage aufgeworfen: Was ist Realität und was Wirklichkeit?
Im Mittelalter hätte man gesagt: Wenn es einen Gott gibt, der vollkommen willkürlich ist – wie Zeus bei den alten Griechen –, dem konnte man nicht vertrauen. Zeus wechselte seine Meinung, wie es ihm gerade passte. Wenn er die Welt geschaffen hätte, könnten wir sie nicht berechnen, denn Zeus würde sie ständig nach Belieben verändern.
Ähnlich ist es im Hinduismus. Dort wird gesagt, dass diese Welt nur eine Illusion sei und somit keine Realität hat. Wenn die Welt nicht real ist, warum sollte man sie dann erforschen? Sie wäre nur ein Traumprodukt. Deshalb fordert der Hinduismus stark, sich von der materiellen Welt zu lösen, von der Vorstellung, dass es eine materielle Welt überhaupt gibt. Diese existiert nur im Kopf.
Auf dieser Grundlage ist es schwierig, Naturwissenschaft zu betreiben. Wenn man jedoch davon ausgeht, dass es einen Gott gibt, der beständig ist, der zu seinen Maßstäben steht und das hält, was er verspricht, dann ist es viel einfacher, die Welt zu erforschen.
Heute würde man in der Wissenschaftstheorie sagen, dass man mit solchen Paradigmen an die Welt herangeht, sie erforscht, beschreibt und Naturgesetze formuliert, von denen man ausgeht, dass sie irgendwo zutreffen.
Die Bibel ist somit nicht nur Grundlage für Kunst, Musik oder Städtebau, sondern auch für das Wahrnehmen wissenschaftlicher Wirklichkeit und für die Forschung.
Die Bibel als Grundlage von Recht und Gesellschaft
Genauso im juristischen Bereich: Viele Dinge, die bis heute noch im Grundgesetz gelten, sind direkt aus der Bibel abgeleitet. Die Väter des Grundgesetzes, die man ja häufig erwähnt, benennen das auch ganz deutlich so.
Zum Beispiel der Unterschied zwischen Mord und Totschlag: Dabei sagt man, dass das eine mit Vorsatz geschieht – jemand nimmt einem anderen aus niedrigen Motiven das Leben. Das andere ist eher ein Tötungsdelikt ohne vollkommene Absicht, also sozusagen aus Versehen, wenn auch nicht ganz unbeabsichtigt. Diese Unterscheidung finden wir bereits im Alten Testament. Sie wurde dort übernommen, denn in der Rechtsprechung der alten Germanen gab es diese Unterscheidung nicht. Auch die Römer sahen das anders. In unserer Rechtsprechung bauen wir in vielen Bereichen auf das auf, was wir in der Bibel finden.
Natürlich kann man das immer wieder diskutieren und infrage stellen – auch die Idee, dass alle Menschen vor Gott gleich sind. Das gab es in den meisten Religionen nicht. Im Hinduismus sind die Rechte der Menschen völlig unterschiedlich, je nachdem, ob sie zur höchsten oder zur niedrigsten Kaste gehören. Bei den alten Germanen vor rund zweitausend Jahren galt zum Beispiel der Mord an einer jungen Frau als doppelt so schwerwiegend wie der Mord an einer alten Frau. Die Begründung war logisch: Die junge Frau lebt noch länger und kann mehr Kinder gebären. Deshalb ist der Schaden größer, wenn man sie ermordet. Tötet man eine alte Frau, ist das nicht ganz so schlimm.
Das ist nicht meine persönliche Meinung, sondern ich schildere nur, wie es bei den alten Germanen war. Falls jemand vorhat, zu den alten Germanen zurückzukehren, sollte er sich das gut überlegen. Übrigens galt auch: Wenn man einen Mann tötete, war die Strafe höher als bei der Tötung einer Frau. Einen Sklaven zu töten wurde noch geringer bestraft als den Mord an einem Adligen. Bei den alten Germanen war die Rechtsprechung also ganz anders. Man ging davon aus, dass Menschen unterschiedlich sind – alt und jung, reich und arm, dumm und klug. Je nachdem, wie ein Mensch war, war die Strafe höher oder niedriger.
Dieses System der alten Germanen klingt logisch, ist aber nicht nach dem biblischen Modell. In der Bibel wird deutlich, dass Gott jeden Menschen geschaffen hat. Die Würde des Menschen liegt nicht in seiner Leistung, sondern darin, dass Gott ihn gewollt und geschaffen hat. Genau danach richtet sich auch das deutsche Gesetz. Es macht keine Unterschiede nach Rang oder Stufe – oder zumindest sollte es keine geben.
Ob das in der Realität immer so läuft, kann man manchmal bezweifeln. Wenn man zum Beispiel einen guten Draht zum Bürgermeister hat, bekommt man vielleicht schneller eine Baugenehmigung als jemand ohne Kontakte. Man merkt also, dass es nicht immer wirklich ganz gleich zugeht. Aber so sollte es sein, so könnte man es ausdrücken.
Die Inspiration und Zuverlässigkeit der Bibel
Vorhin wurde ein Text aus dem Neuen Testament vorgelesen, geschrieben von Paulus, einem der engen Schüler Jesu, an seinen Mitarbeiter Timotheus. Dabei kam ich fast dazu, an Gedankenübertragung zu glauben. Denn es war genau der Text, den ich ebenfalls vorlesen wollte, ohne dass wir uns abgesprochen hatten. Das schadet ja nicht, vielleicht ist es für Sie eine Erinnerung.
Paulus schrieb an seinen Mitarbeiter Timotheus: Alle diese Schrift, also alles, was im Neuen Testament zu lesen ist, ist von Gott eingegeben. Das griechische Wort, das hier verwendet wird, heißt Theopneustos, was so viel bedeutet wie „von Gott eingehaucht“ oder „von Gott eingegeben“. Damit will Paulus deutlich machen, dass das, was wir in der Bibel lesen, nicht nur seine eigene kluge Überlegung ist, als ob er als Philosoph auftreten würde. Seine Selbstbehauptung ist vielmehr, dass das, was er und auch andere Verfasser des Neuen Testaments – wie Matthäus, Markus und Lukas – aufgeschrieben haben, tatsächlich von Gott kommt.
Im Einzelnen wird noch erklärt, worin sich das zeigt. Das finde ich besonders spannend. Da steht nicht einfach, dass die Schrift von Gott stammt und dass wir das daran erkennen können, dass alles darin mit der heutigen Wissenschaft, Geographie oder anderen Erkenntnissen übereinstimmt. Nein, es wird gesagt, dass sich die göttliche Eingebung vor allem daran zeigt, dass die Schrift dem Menschen zuverlässig und verblüffend aufzeigt, wer er ist.
Nicht nur das: Die Schrift bietet dem Menschen auch die Möglichkeit, seinen Zustand zu verändern. Genau das steht darin. Das heißt, die Bibel wirkt auf die Veränderung des Menschen hin, und zwar so, dass sich sein gesamter Charakter und seine Persönlichkeit wandeln können. Dadurch kann der Mensch in Kontakt mit Gott kommen.
Das ist der wesentliche Punkt, der die Bibel als von Gott gegeben ausweist. Sie ist kein physikalisches Fachbuch, sondern vielmehr ein Lebensbuch. Ein Buch, das in das eigene Leben hineinspricht, das zeigt, wer Gott ist, wie Gott ist, und wie man mit Gott in Kontakt treten kann. Es zeigt auch, wie man die Defizite im eigenen Leben überwinden kann – und zwar mit der Kraft Gottes.
Das schreibt Paulus seinem Mitarbeiter Timotheus. Das ist der eigentliche Kern.
Die heutige Rezeption und Kritik an der Bibel
Jetzt fragen sich vielleicht einige: Wenn ich hier so ein Loblied auf die Bibel singe, warum ist die Bibel heute in Deutschland nicht ganz so populär? Das müssen wir ehrlich sagen. Vermutlich gibt es kaum jemanden, der nicht irgendwann einmal eine Bibel in der Hand gehabt oder geschenkt bekommen hat. Vielleicht liegt auch zuhause eine Bibel herum. Das schon.
Es gibt keine Zeit in Deutschland, in der die Bibel so verbreitet war wie heute. Der Vorsitzende der Deutschen Bibelgesellschaft in Stuttgart hat vor ein paar Jahren formuliert: „Ja, die Bibel ist der am wenigsten gelesene Bestseller.“ So ungefähr hätte er das ausgedrückt. Er würde sagen: „Die Bibel ist überall, und jeder Literaturwissenschaftler, den man fragt, ebenso wie jeder Lehrer und Professor, der etwas auf sich hält, sagt: Ja, es ist ein ganz wichtiges Buch, aber es wird nicht darin gelesen.“
Man fragt sich: Warum ist das so? Wie kommt das eigentlich? Ich glaube, das liegt zum Teil daran, dass die Lobby der Bibel in den letzten Jahren nicht besonders stark war. Man hört vielmehr die Stimmen derer, die die Bibel kritisieren, mehr als diejenigen, die sagen: „Wow, das ist ein Buch, da solltest du mal reinlesen.“ Diese Stimmen sind leiser.
Ich kann Ihnen die Garantie geben – als Prophet sozusagen, aber bitte steinigen Sie mich nicht, wenn es nicht eintrifft – die Wahrscheinlichkeit ist sehr groß: Der Spiegel wird vor Weihnachten wieder einen Artikel über die Bibel und den christlichen Glauben bringen. Und was wird darin stehen? „Es ist nachgewiesen, die Bibel ist falsch.“ Warum sage ich das? Weil der Spiegel das in den letzten 50 Jahren immer wieder so gemacht hat.
Sie werden im Spiegel nie einen Artikel finden, in dem steht: „Die Archäologen haben herausgefunden, die Bibel stimmt.“ Solche Funde gibt es ja. Aber der Spiegel hat sich festgelegt: Kritik an der Bibel ist der Ausdruck der deutschen Intellektuellen. Weil man sich an diese Intellektuellen wenden will, haut man immer wieder drauf.
Einer der Lieblingsautoren ist Gerd Lüdemann, der immer wieder zu Wort kommt, oder Herr Finkelstein, einer der jüdischen Ausgräber in Israel. Ich bin regelmäßig zweimal im Jahr in Israel, mache dort Führungen und Studienreisen und spreche mit zahlreichen Archäologen. Viele sagen: „Warum lest ihr in Deutschland immer nur Finkelstein?“ Die Antwort ist einfach: Finkelstein ist einer derjenigen, der am radikalsten gegen die Bibel argumentiert.
Die meisten anderen Archäologen in Israel tun das nicht. Sie graben genauso aus, sind genauso wissenschaftlich, haben ebenso ihre Professuren. Aber das scheint aus irgendeinem Grund für die deutschen Intellektuellen nicht so reizvoll zu sein. Es ist viel reizvoller, dagegenzuhalten und zu sagen: „Das ist ja das Überholte, das, was wir überwinden wollen.“
Wobei man sagen muss: Das will man schon seit einigen Jahren überwinden. Jetzt wäre es doch an der Zeit, die Überwindung der Überwindung zu wagen. Vielleicht sollte man endlich mal die Antihaltung gegenüber der Bibel ablegen und auch im Spiegel ein paar andere Stimmen zu Wort kommen lassen. Stimmen, die genauso wissenschaftlich sind, ebenso Professuren haben und genauso Steine zählen oder interpretieren können wie Finkelstein.
Das wäre doch mal ein Ausgleich. Vielleicht muss ich den Artikel ja noch vor Weihnachten schreiben: „Lass doch mal andere zu Wort kommen!“ Dann kann sich jeder besser eine Meinung bilden.
Und das ist nur ein Beispiel. Sie können mal durchgehen: Wo haben Sie in den letzten Jahren Artikel gelesen oder im Fernsehen gesehen, die versucht haben, positiv zu zeigen, was die Bibel im Leben von Menschen bewirkt? Wenn engagierte Menschen irgendwo im Fernsehen gezeigt werden, dann sind das meistens Menschen, bei denen man schon denkt: Das müssen Extremisten sein.
Heute gilt: Wer regelmäßig in der Bibel liest, muss ein Extremist sein. Wenn Sie zehn Stunden am Tag Computer spielen, ist das normal. Aber wenn Sie eine Stunde am Tag in der Bibel lesen, sind Sie ein religiöser Extremist. Da muss man schon Angst haben, ob Sie vielleicht mit einem Sprengstoffgürtel unterwegs sind oder so. Man weiß ja nicht, ob Sie das in der Bibel versteckt haben.
Na ja, gut, wir müssen ehrlich zugeben: Bisher gilt das für Christen meistens nicht. Mir ist kein überzeugter Christ bekannt, der so etwas Ähnliches getan hätte. Aber manche haben den Verdacht, und da und dort wird er auch geweckt.
Vorbehalte und Missverständnisse gegenüber der Bibel
Spreche ich mit Menschen über die Bibel – sei es irgendwo auf der Straße, an einer deutschen Universität oder im privaten Bereich – dann begegnen mir auf all diesen Ebenen regelmäßig Vorbehalte, die Menschen gegenüber der Bibel haben. Diese Vorbehalte sind unterschiedlich differenziert und variieren je nachdem, wie intensiv sich die Menschen mit der Bibel auseinandergesetzt haben.
Menschen, die sich nicht so sehr mit der Bibel beschäftigt haben, äußern oft den Vorwurf, die Bibel sei widersprüchlich und nichts stimme darin. Meistens ist das ein Ausdruck davon, dass diese Leute wenig selbst in der Bibel gelesen haben. Denn dann würden sie sehr schnell feststellen, dass man das so pauschal gar nicht sagen kann.
Man könnte zum Beispiel fragen: Ist die Bibel denn falsch, was die Germanistik angeht? Manche lesen die Luther-Übersetzungen und sagen, dass ständig auf den Genitiv oder den Dativ nicht geachtet werde und alles falsch sei in der Bibel. Da merkt man natürlich, dass es damit nicht gemeint ist. Also ist die Bibel nicht gegen die Germanistik.
Dann kann man weiterforschen: Ist die Bibel gegen die Mathematik? Stehen dort irgendwelche Regeln, die der Mathematik widersprechen? Steht in der Bibel etwa, dass eins plus eins fünf ist? Das findet man in der Bibel nicht. Die meisten Zahlangaben sind logisch und es wird zusammengezählt, wie man es allgemein kennt.
Auch die Geographie wird in der Bibel erwähnt. Zum Beispiel lesen wir von den Moabitern. Das wäre nicht nur Geographie, sondern auch Ethnologie und Geschichte. Fast alle Angaben, die wir aus der Bibel haben, lassen sich historisch, geografisch und so weiter bestätigen. Es gibt also keinen totalen Widerspruch, als ob alles nur konfus sei, was da drinsteht.
Vielmehr ist die Bibel in vielerlei Hinsicht sogar die einzige Quelle, die wir aus bestimmten Zeitepochen besitzen. Sie ist oft die einzige historisch zuverlässige Quelle aus jener Zeit und Epoche.
Ich war mit einer Studienreise in Israel und zeige den Leuten dort einige Dinge, die man heute als Tourist handfest selbst feststellen kann, zum Beispiel den Hiskia-Tunnel. Der Hiskia-Tunnel wurde etwa 500 Jahre vor Christus errichtet und wird in der Bibel berichtet. Bis vor etwas über 100 Jahren haben die Leute gesagt, das könne gar nicht sein, weil die technischen Möglichkeiten der alten Juden nicht ausgereicht hätten, um einen unterirdischen Wassertunnel von 500 Metern Länge zu graben.
Dann wurde der Tunnel ausgegraben. Man fand sogar eine Tafel von König Hiskia in althebräischer Schrift, die heute im Israelischen Museum zu sehen ist. Plötzlich war klar: Nein, doch nicht – es stimmt, es wurde tatsächlich gefunden.
Oder denken wir an den Archäologen Finkelstein, den ich schon erwähnt habe. Er schreibt beispielsweise, die Archäologie würde beweisen, dass die biblischen Aussagen falsch seien. Man kann das bis heute noch nachlesen. Er sagt zum Beispiel, in Jerusalem habe man nichts gefunden, was auf König David hindeuten würde.
Ich sage das bewusst im Konjunktiv, weil das nicht ganz wahr ist. Das ist Finkelsteins Meinung. Die meisten israelischen Archäologen sagen hingegen – und das kann man selbst überprüfen, denn man bekommt dort die Adresse –, dass man Grundmauern der Palastanlage aus der Zeit Davids sehen kann. Riesige Mauern, bei denen die Archäologen eindeutig sagen, sie stammen aus der Zeit Davids. Das ist der beste Beweis dafür, dass dort eine große Anlage gebaut wurde und dass König David tatsächlich dort gewesen sein muss.
Man hat unten sogar Siegel gefunden. Allerdings stammen diese nicht aus der Zeit Davids, sondern aus der Zeit Jeremias, einige Jahre später. Darauf sind Personen erwähnt, die in der Bibel als enge Mitarbeiter des damaligen Königs aufgeschrieben sind, zur Zeit Jesajas, als dieser König war. Meistens wurde der Palast an derselben Stelle belassen und nicht immer wieder innerhalb der Stadt verlegt. Das spricht dafür, dass David tatsächlich an dieser Stelle gelebt hat.
Darüber hinaus kann ich Sie mitnehmen nach Tel Dan im Norden Israels. Dort haben Archäologen eine Inschrift gefunden, einen Stein, der auf das Haus Davids und seine Herrschaft aus der Zeit Davids hinweist. Man kann diese Inschrift heute im Museum anschauen – das Original.
Natürlich stellt sich die Frage: Wenn es David nicht gegeben hat, warum gibt es dann eine Herrschaft des Hauses Davids in Tel Dan, 150 bis 200 Kilometer von Jerusalem entfernt? Das muss man erst einmal erklären. Das spricht eher dafür, dass hier eine historische Quelle sehr zuverlässig aus dieser Zeit ist.
Vielleicht haben Sie auch schon einmal gehört – gerade wenn Sie Theologie studiert haben –, dass die Geschichte mit Abraham nicht stimmen könne. In der Bibel steht, Abraham habe Kamele gehabt, und Abraham lebte etwa 2000 vor Christus. Viele sagten, das könne nicht sein, weil es außerhalb der Bibel keinen einzigen Hinweis darauf gebe, dass Kamele 2000 vor Christus domestiziert und privat genutzt worden seien.
Diese Ansicht wurde lange Zeit verbreitet und ist in einigen Büchern bis heute noch zu finden. Ich empfehle jedoch einige Fachartikel, die in den letzten Jahren erschienen sind. Dort wird berichtet, dass man in Moab und Ägypten Felszeichnungen und schriftliche Überlieferungen gefunden hat, die darauf hindeuten, dass es schon 2500 Jahre vor Christus, also 500 Jahre vor Abraham, in dieser Region im Zweistromland domestizierte Kamele gab.
Hier möchte ich deutlich machen: Wenn jemand sagt, die Bibel sei alles falsch und widersprüchlich, dann würde ich sagen, wenn man genau hinschaut, ist sie eine historische Quelle von hoher Qualität. Häufig ist sie sogar die einzige Quelle, die uns über bestimmte Zeiten und Zusammenhänge informiert, die wir sonst nirgends finden. Denn wir haben überhaupt nur wenige Dokumente aus dieser Zeit, die drei- bis viertausend Jahre zurückliegt. Das meiste ist längst zerstört oder verloren.
Wer also sagt, die Bibel sei generell widersprüchlich und alles darin falsch, der irrt sich. Vielmehr muss man sich genauer festlegen: Was stimmt denn nicht? Was gefällt einem nicht? Wo genau liegt der Widerspruch, der Probleme bereitet?
Manchmal – und auch dazu gibt es Bücher – wird über Widersprüche gesprochen. Dann stellt sich die Frage: Widersprüche worin? Widersprüche in sich? Widersprüche zur Geschichte? Zur Religionsgeschichte? Zur Theologie? Dem müsste man im Detail nachgehen.
Ich habe das gerade ein wenig getan, was die Archäologie betrifft. Dabei zeigte sich, dass es so eindeutig nicht ist, sondern dass es einige Funde gibt, die in den letzten 100 bis 150 Jahren oder auch erst in den letzten Jahren erschienen sind und die die historische Zuverlässigkeit der Bibel sehr stark stützen.
Wenn diese Zuverlässigkeit gestützt wird, dann müssen wir sagen: Ja, dann könnte der Rest auch vielleicht wahr sein. Es könnte also sein, dass mehr an der Bibel dran ist, als man sich ursprünglich vorgestellt hat.
Widersprüche in den Evangelien und Schöpfungsberichten
Manche Menschen sagen, in der Bibel gebe es Widersprüche. Vielleicht kennen Sie das aus dem Religionsunterricht, wenn dort die Evangelienberichte von der Auferstehung Jesu miteinander verglichen werden. Dann wird oft gesagt: „Seht ihr, die wissen selbst nicht, was sie schreiben.“ In dem einen Bericht heißt es, Maria Magdalena sei zum Grab gegangen, im anderen Johannes, und im nächsten Petrus. Da stimmt doch alles nicht.
Ich habe selbst Theologie an der Universität studiert, dazu Religionswissenschaft, etwas Philosophie und Ökologie. Ich habe all diese Diskussionen gehört, und ich finde sie oft zu oberflächlich. Was mich bei Kritikern der Bibel manchmal stört, ist Folgendes: Wenn die Evangelien dasselbe schreiben, sagen sie, die Autoren hätten voneinander abgeschrieben. Wenn sie aber nicht dasselbe schreiben, behaupten sie, die Berichte seien widersprüchlich und könnten deshalb nicht stimmen. Dann frage ich mich: Was wollt ihr denn eigentlich? Ihr wollt nicht, dass dasselbe drinsteht, aber auch nicht, dass das Gegenteil drinsteht.
Der Anspruch der Evangelien ist relativ klar – das sagen die Autoren sogar selbst. Lesen Sie nach! Besonders deutlich wird das im Lukasevangelium, Kapitel 1, Verse 1 bis 4. Dort schreibt Lukas, ein Akademiker der damaligen Zeit und Begleiter des Paulus, dass er historisch nachgeforscht hat, wie die Ereignisse damals abgelaufen sind. Er hat systematisch aufgeschrieben, was er aufgrund von Zeugenaussagen erfahren hat. So ist er vorgegangen.
Was hat er gemacht? Er wollte Dinge ergänzen. Das ist ja auch der eigentliche Sinn. Wenn in allen vier Evangelien dasselbe stünde, könnte man fragen: Wozu brauchen wir dann vier? Eines würde doch reichen. Die Evangelisten wollten nicht dasselbe schreiben, sondern sich ergänzen. Sie wollten aus verschiedenen Blickwinkeln berichten und zum Teil auch unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Deshalb erwähnen sie verschiedene Aspekte. Die Gesamtheit der vier Evangelien gibt uns ein umfassendes Bild von dem, was passiert ist.
Am Ostermorgen war es nicht so, dass eine Gruppe zum Grab ging und dann einfach zu Hause blieb und sagte: „Ach, ist ja nett, du sagst, Jesus ist nicht mehr da. Dann gehen wir jetzt erst mal Mittagessen.“ Nein, für die Leute war das Sensationelle, der Skandal, das Undenkbare: Der, der gestorben war, war nicht mehr im Grab.
Stellen Sie sich vor, Sie haben vor kurzem einen Verwandten beerdigt. Und jetzt trifft jemand Sie, der ganz glaubwürdig sagt: „Ich habe die Person gesehen, dort und dort an diesem Ort.“ Wahrscheinlich würden Sie erst einmal denken: „Oh, da hat sich jemand etwas eingebildet, das kann nicht sein.“ Aber wenn die Person wirklich schwört, dass sie den Verstorbenen an genau diesem Ort gesehen hat, dann würden Sie vermutlich sagen: „Okay, um dich zu beruhigen, gehen wir hin und schauen nach, ob die Person wirklich dort ist.“ Vielleicht würden Sie sogar eine Anzeige machen. Genau das haben die Jünger getan, was wir heute auch tun würden.
Da ist einer hingelaufen und hat gesagt: „Das stimmt tatsächlich, Jesus ist nicht mehr da.“ Und ein anderer hat gerufen: „Ich war auch dort.“ Ein Evangelium berichtet über den einen, ein anderes über den anderen, zum Teil, weil die Autoren selbst dabei waren. Johannes schreibt natürlich über das, was er selbst erlebt hat, Matthäus über das, was er erlebt hat. Das stellt den Mittelpunkt dar.
Oft wird an dieser Stelle von einem Widerspruch gesprochen, doch häufig ist es keiner, sondern eine Ergänzung. So können wir uns ein umfassenderes Bild von dem machen, was in der Bibel steht. Wenn Sie mit diesem Gedanken an die Texte herangehen – dass es sich zumindest um Ergänzungen handeln könnte – dann werden Sie feststellen, dass viele Dinge in der Bibel gar nicht so widersprüchlich oder komisch sind, wie sie auf den ersten Blick erscheinen.
Manche kennen das auch aus dem Religionsunterricht: Dort wird oft der Schöpfungsbericht aus Genesis 1 mit dem aus Genesis 2 verglichen. Dann wird gesagt: „Vergleichen Sie die Unterschiede zwischen den beiden.“ Sie können das gerne zu Hause noch einmal tun. Achten Sie darauf, dass am Anfang von Kapitel 2 steht: „Dies ist der Bericht, wie Himmel und Erde gemacht worden sind.“ Das ist der Anfang des sogenannten zweiten Schöpfungsberichts.
Wenn Sie dann im nächsten Kapitel nachlesen, wo Himmel und Erde gemacht werden, werden Sie feststellen, dass im zweiten Schöpfungsbericht weder der Himmel noch die Sterne, die Sonne, die Erde, das Meer oder die Berge geschaffen werden. Irgendwann fragt man sich: Was ist das für ein Schöpfungsbericht, in dem nichts geschaffen wird?
Ganz genau: Wenn Sie genau hinschauen, werden Sie feststellen, dass Genesis 2 kein Schöpfungsbericht über das ganze Universum oder die Welt ist. Dort wird vielmehr genauer beschrieben, wie Gott am sechsten Tag den Garten Eden als Wohnraum für den Menschen geschaffen hat.
Ich möchte hier nicht auf die große biologische Diskussion eingehen, in die sich manche stürzen. Ich will nur sagen: Der Bericht, den wir dort lesen, hat durchaus einen logischen Aufbau. Er ist nicht einfach wild zusammengeschrieben, sondern folgt einer gewissen Logik.
Wenn man das vorurteilsfrei betrachtet – also nicht schon mit dem Gedanken, „Das kann nicht stimmen, das muss widersprüchlich sein“ – dann erkennt man diese Logik durchaus. Auch hier sehe ich innerhalb der Bibel keine großen Widersprüche.
Umgang mit Zahlenwidersprüchen und Überlieferung
Jetzt gibt es natürlich Fälle, bei denen Zahlenangaben unterschiedlich sind. Man kann im Internet in verschiedenen Foren oder Chaträumen die "Hundert Widersprüche in der Bibel" nachlesen. Die Hälfte davon betrifft dann Zahlenwidersprüche.
Zum Beispiel gibt es in den Büchern Könige und Chronik, zwei Büchern des Alten Testaments, die die Geschichte der Könige beschreiben, unterschiedliche Angaben. Der eine berichtet, dass in eine Schlacht zehntausend Soldaten zogen, der andere hingegen schreibt, es seien tausend Soldaten gewesen. Offensichtlich ist das ein Widerspruch.
Hier würde ich sagen: Ja, solche Unterschiede gibt es. Wenn die Bibel über zweitausend, fünfhundert oder dreitausend Jahre hinweg abgeschrieben wurde, dann hat irgendwann mal ein müder Mönch vielleicht eine Null weggelassen oder hinzugefügt. Für mich ist das kein großes Problem, denn so etwas passiert auch heute noch.
Die Frage ist nicht, ob die Bibel widersprüchlich ist, sondern dass Gott, wenn er sich in der Bibel mitteilt, nicht automatisch verhindert, dass jeder, der die Bibel abschreibt, dies auch genau korrekt tut. Man kann das heute selbst testen: Wenn man einen Vers aus der Bibel abschreibt und dabei ein Wort weglässt, wird nicht sofort ein Blitz vom Himmel kommen und einen zerschmettern. Gott lässt das zu. Er ist da ziemlich großzügig.
Natürlich ist es nicht der Sinn der Sache, denn das Ziel ist ja, dass Menschen auch nach Jahrhunderten noch lesen können, was Gott den Menschen damals ursprünglich mitgeteilt hat. Solche Fehler betreffen eher kleine Teile.
Wenn wir uns die Überlieferung der Bibel über zwei- bis dreitausend Jahre anschauen, zeigt sich im Gegensatz zu den Kritikern immer wieder, dass die Bibel sehr gleichbleibend und zuverlässig überliefert wurde.
Eine kleine Geschichte dazu kann man heute in Israel nachvollziehen: Es geht um die Schriftrollen von Qumran, die von einer kleinen jüdischen Gruppe stammen, die zur Zeit Jesu in der Nähe des Toten Meeres lebte. Bis zur Entdeckung dieser Schriftrollen im Jahr 1948 waren die ältesten Abschriften des Alten Testaments der Kodex von Aleppo, der aus dem Gebiet des heutigen Syrien stammt und ungefähr aus dem Jahr 1000 nach Christus datiert.
Viele kritisierten damals, dass in tausend Jahren viel passieren könne und dass ursprünglich im Alten Testament etwas ganz anderes gestanden haben müsse. Vor etwa hundert Jahren war ein bekannter Theologieprofessor namens Kautzsch der Meinung, das Alte Testament müsse korrigiert werden. Er stellte eine eigene Version zusammen, die als "Kautzsch-Bibel" bekannt wurde. Dort korrigierte er alles, was er für Fehler hielt.
Diese Ansicht war damals unter Theologiestudenten weit verbreitet: Die Bibel müsse verändert worden sein. Doch Ende der 1940er Jahre wurden die Schriftrollen von Qumran entdeckt. Darin waren alle Bücher des Alten Testaments enthalten – und zwar etwa tausend Jahre älter als der Kodex von Aleppo.
Man verglich die Texte und stellte fest: Es gab keinen Unterschied. Über tausend Jahre Abschriften hinweg waren die Texte nahezu identisch. Abgesehen von sehr kleinen Unterschieden, etwa bei der Kommasetzung, waren die Texte gleich geblieben.
Seitdem liest niemand mehr die Kautzsch-Bibel. Man sagt heute, das war zwar eine nette Theorie, aber historisch gibt es dafür keine Belege. Wenn es innerhalb von tausend Jahren oder sogar zweitausend Jahren seit der Geburt Jesu keine Veränderungen gab, ist es sehr unwahrscheinlich, dass in den davorliegenden 500 Jahren bis zu Propheten wie Jesaja oder Jeremia große Veränderungen stattgefunden haben.
Auch das spricht eher für eine hohe Zuverlässigkeit der Bibel.
Ethische Herausforderungen und persönliche Wertvorstellungen
Heute gibt es allerdings auch manche Menschen, die sagen: Die Bibel ärgert mich, weil sie im Widerspruch zu meinen eigenen ethischen Vorstellungen steht. Beispielsweise fordert die Bibel Dinge oder es sagt Gott durch die Menschen, die sie geschrieben haben, Dinge, die mir nicht passen oder nicht in mein Lebenskonzept hinein passen.
Ein Beispiel: Vielleicht sagt der eine oder andere, er findet Abtreibung gut. Dann liest er in der Bibel und dort steht, dass Abtreibung schlecht ist. Was macht er jetzt? Er sagt: Die Bibel nervt, sie ist widersprüchlich – widersprüchlich zu mir, meinen modernen Erkenntnissen oder meiner Lebensweise.
Solche Widersprüche findet man in der Bibel an vielen Stellen. Ja, an vielen Punkten sind Aussagen der Bibel über Ethik, Moral oder anderes, die dem Konzept vieler Menschen in der Gegenwart widersprechen. Allerdings ist damit noch nicht geklärt, wer Recht hat.
Es könnte ja sein, dass meine beziehungsweise deine Auffassung von Recht und Unrecht falsch ist. Denn wir wissen, dass Recht und Unrecht in Deutschland oder überhaupt in der Welt ziemlich flexibel sind. Dinge, die vor 20 Jahren strafbar waren, sind heute erlaubt, und umgekehrt sind manche Sachen, die vor 20 Jahren erlaubt und akzeptiert waren, heute verboten.
Die Frage ist also: Wenn sich Moral und moralische Vorstellungen so schnell ändern, wer gibt uns dann überhaupt einen Hinweis darauf, was wahr und was nicht wahr ist?
Manche sagen heute: Wahr ist, was ich fühle. Das ist besonders in der esoterischen Szene weit verbreitet. Dort gilt das Gefühl als Beweis für die Wahrheit. Auch der Konstruktivismus aus der Philosophie sagt Ähnliches: Man darf keinem Menschen sagen, er sei falsch, weil jeder seine eigene Wahrheit hat.
Das klingt erst einmal gut und schmeichelt vielen von uns. Allerdings ist das für das Zusammenleben der Menschheit ziemlich fatal. Nehmen wir an, ich finde es richtig, meinen Nachbarn zu erschießen, wenn er mich beleidigt. Dann kommt das deutsche Recht und sagt: Nein, das ist verboten.
Ich sage aber: „Hey, ich fühle so eine Wut, es ist richtig, ihm das Leben zu nehmen.“ Nun muss ich mich dem Staat beugen, egal was ich denke oder fühle. Der Staat ist dann intolerant und sagt: Du musst dich an die Gesetze halten.
Oder stellen Sie sich vor, Sie sind Schüler und sagen: „Mein Bauchgefühl sagt, Schule ist langweilig und überflüssig, ich gehe nicht mehr hin.“ Dann kommt der Staat und sagt: Schulpflicht, du musst zur Schule gehen.
Natürlich könnten wir auch sagen: Okay, wir schaffen die Schulpflicht ab. Aber wir wissen alle, dass sich manche Einschätzungen, wie notwendig Schule ist, mit der Zeit verändern. Man sieht Schule mit 15 anders als mit 25 und noch einmal anders mit 35.
Damit wird deutlich: Unsere Vorstellung von richtig und falsch verändert sich im Laufe unseres Lebens. Sie ändert sich durch persönliche Erfahrungen und durch Prägung von außen.
Hier stehen die Aussagen der Bibel häufig im Widerspruch zu eigenen Wertungen – zu dem, was man selbst für richtig und falsch hält, und auch zu dem, was vielleicht gerade heute in Deutschland modern ist.
Die Herausforderung, die die Bibel gerade geben will, ist jedoch eine andere: Sie will Maßstäbe setzen, die sich über 3000 Jahre hinweg im Leben von Millionen Menschen bewährt haben. Diese Maßstäbe gelten auch noch dann, wenn die gegenwärtige Mode längst vergessen ist.
Wenn das, was heute modern ist und überall gehört wird, irgendwann als überholt gilt, dann haben sich diese Maßstäbe immer noch im Leben bewährt.
Die Bibel und persönliche Freiheit
Es gibt natürlich manche Menschen, die sagen: „Na ja, das kann ja alles gut und recht sein, aber die Bibel nervt mich nicht nur, weil ich etwas anderes glaube, sondern weil sie mir sagt, ich soll bestimmte Dinge nicht tun. Und diese Dinge möchte ich aber gerne tun.“ Deshalb sagen manche: „Lass mich mit der Bibel in Ruhe, ich will einfach so leben, wie ich es für richtig halte.“
Hier entsteht ein offensichtlicher Widerspruch. Am Ende stellt sich die Frage: Was gilt denn nun? Gilt der Maßstab, den Gott in der Bibel setzt, oder gilt mein eigener Maßstab?
Um das zu verdeutlichen: Die meisten von uns haben mit dem Straßenverkehr zu tun. Mir geht es manchmal so, dass ich an den Regeln des Straßenverkehrs zweifle. Zum Beispiel war ich heute auf der Autobahn von Chemnitz hierher unterwegs. Zwischendurch gab es freie Strecke, und plötzlich stand da ein Schild mit 60 km/h. Ich dachte mir: „Hier ist doch kein Problem, 120 zu fahren. Was soll ich jetzt machen?“ Ich verrate nicht, was ich tatsächlich gemacht habe, aber ich kann sagen: Ich habe mich nach meinem Bauchgefühl gerichtet.
Hier merkt man schnell, dass das auch in Ordnung ist, solange niemand da ist, der das kontrolliert. Aber dann gibt es ein Problem: Wenn Sie mit einem Polizisten darüber diskutieren, werden Sie meistens feststellen, dass die wenig tolerant sind. Sie akzeptieren Ihre Meinung nicht. Wenn Sie sagen, Sie sind bei Rot über die Ampel gefahren und es ist nichts passiert, dann ist es trotzdem meistens so, dass der Führerschein weg ist oder eine Strafe verhängt wird.
Das gilt für viele andere Bereiche ebenfalls. Wenn Sie zum Beispiel bei einem Autozulieferer arbeiten und sagen: „Es kommt doch nicht so genau darauf an, ob das Teil ein paar Millimeter weiter rechts oder links sitzt“, dann werden Sie schnell merken, dass es sehr genau darauf ankommt. Je nach Firma wird ein Teil, das auch nur minimal danebenliegt, aussortiert, weggeworfen und neu gemacht.
Am Arbeitsplatz kommt es also ganz genau darauf an, ebenso im Straßenverkehr. Und zwar nicht, wie Sie es wollen, sondern wie andere Leute es bestimmen. Danach müssen wir uns richten.
Das gilt oft auch in der Ehe. Wenn Sie zum Beispiel fremdgegangen sind und sich selbst vergeben haben, wissen Sie nicht, ob Ihre Frau damit einverstanden ist. Auch wenn Sie nach Ihrem Bauchgefühl sagen: „Das ist doch nur meine Sache, es geht meine Frau gar nichts an“, haben Sie Ehebruch begangen. Vielleicht haben Sie eine Freundin gehabt und sich selbst vergeben, alles in Ordnung, „Schatzi, ich muss dich nicht mehr ärgern“. Aber ob „Schatzi“ damit einverstanden ist, ist eine andere Frage.
Dabei merken Sie, dass es nicht nur darauf ankommt, wie Sie sich etwas vorstellen. Manchmal zählt auch, wie andere Menschen es sehen. Denn wir leben zusammen mit anderen Menschen. Manche haben das Sagen, weil sie Politiker, Richter oder in einer anderen Position sind. Oder wir leben mit Menschen zusammen, mit denen wir am Arbeitsplatz sind oder mit denen wir zusammenleben. Wir leben nicht in einer Blase, in der nur unser Denken gilt.
Und selbst wenn das so wäre: Woher wissen Sie, dass Sie Recht haben? Sie können sagen: „Das ist mein Gefühl“, aber wer sagt, dass Ihr Gefühl richtig ist? Dazu gibt es viele Beispiele. Falls Sie das noch nicht erlebt haben, warten Sie noch ein paar Jahre.
Mir geht es so, dass ich heute weiß, dass ich mich in manchen Dingen geirrt habe, die ich früher so gedacht habe. Ich erinnere mich zum Beispiel noch an das erste Mal, als ich verliebt war. Ich sage jetzt nicht, wer das war, aber es war in der Schule, vielleicht in der achten oder neunten Klasse. Ich dachte damals: „Oh, dieses Mädchen, so hübsch und toll.“ Wir waren nicht befreundet, und rückblickend bin ich froh darüber. Denn sie entpuppte sich im Laufe der nächsten Jahre als ziemliche Zicke.
Stellen Sie sich vor, ich hätte damals festgehalten an meinem Gefühl, dass sie meine Frau werden muss. Dann wäre ich später unglücklich gewesen. In diesem Fall bin ich froh, dass es nicht so gekommen ist. Ich muss mir eingestehen: Ich hatte nicht Recht.
So ist das manchmal. Deshalb sollten wir bereit sein, uns von anderen oder von Gott sagen zu lassen, wenn etwas in unserem Leben vielleicht doch nicht richtig ist – auch wenn wir es für richtig halten. Denn möglicherweise weiß Gott besser, was für mich und für dich gut ist, als wir selbst.
Er hat den Überblick. Er ist der Schöpfer dieser Welt und hat mehr Lebenserfahrung als wir alle zusammen. Deshalb kann er uns Tipps geben, damit unser Leben nicht so oft schiefgeht und wir weniger Fehler machen, als wenn wir nur auf unser Bauchgefühl hören würden.
Der eigentliche Anspruch der Bibel und der Glaube
Die größte Herausforderung bei der Bibel ist nicht die Frage, ob sie in Bezug auf Archäologie, Geologie oder Geschichte zuverlässig ist. Denn all diese überprüfbaren Aspekte geben lediglich Auskunft darüber, ob die historischen und geografischen Hinweise korrekt sind.
Der eigentliche Anspruch der Bibel wird dadurch nicht berührt. Zum Beispiel: Wie wollte man denn nachweisen, dass Jesus der Sohn Gottes ist? Das ist gar nicht möglich. Selbst wenn wir ein Interview führen könnten oder jemand eine Videoaufnahme von Petrus gemacht hätte, in der er schwört: „Ich schwöre, ich habe Jesus auferstehen sehen“, wäre das nur eine Zeugenaussage. Ein wissenschaftlicher Beweis ist das natürlich nicht. Das liegt nicht daran, dass es nicht stimmt, sondern daran, dass es prinzipiell nicht beweisbar ist.
Gibt es irgendeine medizinische Methode, um nachzuweisen, ob jemand auferstanden ist? Nein, die gibt es nicht. Wie soll man das feststellen? Man kann das ja gar nicht einmal sehen. Stellen Sie sich vor, ich würde jetzt sagen: Ich bin auferstanden. Dann könnten Sie höchstens medizinisch feststellen, dass ich ein lebender Mensch bin. Aber ob ich mal tot war und wieder lebendig geworden bin, woher wollen Sie das wissen? Das ist eine Vertrauensangelegenheit.
Genau hier liegt der wesentliche Ansatz der Bibel. Es geht nicht um die historisch überprüfbaren Fakten, die sich ziemlich gut abklären lassen. Selbst wenn Sie alle abgeklärt haben, bleibt der entscheidende Punkt: Die Bibel will Vertrauen auf Gott wecken. Sie will zeigen, dass es sich lohnt, sich auf ihn zu verlassen. Das bezeugen die Personen der Bibel und Millionen von Christen seit der Entstehung der Bibel. Sie sagen, dass sich genau das bewährt, was die Bibel behauptet.
Ob sich das bewährt, kann man aber erst im eigenen Leben erfahren. Das kann man nicht erfahren, wenn man sich distanziert mit der Bibel auseinandersetzt. Wenn man kritische Bücher liest, kann man immer Zweifel haben. Aber ob das, was in der Bibel steht, wirklich stimmt und sich lohnt, merkt man erst, wenn man sich darauf einlässt.
Das ist bei vielen Dingen so. Wenn Ihnen jemand zum Beispiel vorschwärmt, wie toll es ist, nach Istanbul zu reisen, können Sie alle möglichen Berichte im Internet lesen, Bewertungen zählen, Bilder anschauen. Aber ob das wirklich etwas für Sie ist, erfahren Sie meist erst, wenn Sie selbst nach Istanbul gefahren sind und dort Urlaub gemacht haben. Vielleicht nicht beim ersten Mal, sondern erst beim zweiten oder dritten Mal. Denn beim ersten Mal könnte es eine einmalige Erfahrung gewesen sein.
Ähnlich ist es, wenn Sie Ihre Partnerin oder Ihren Partner auswählen. Man könnte streng wissenschaftlich vorgehen: alle Kandidatinnen wiegen, die Größe messen, die Haarfarbe bestimmen, einen Gentest machen, um mögliche genetische Effekte zu erkennen, den Intelligenzquotienten messen, Herkunft, Familie und Sozialisierung analysieren. Aber wer tut das wirklich? Und selbst wenn, geben all diese Berechnungen keine sichere Auskunft darüber, ob es später klappt oder nicht.
Ob es zusammenpasst oder nicht, ob meine Frau vertrauenswürdig ist oder nicht, kann ich nicht durch wissenschaftliche Analysen herausfinden. Das kann ich nur erfahren, wenn ich sage: „Okay, es spricht einiges dafür. Ich habe sie beobachtet, wir haben uns unterhalten und sind ein bisschen ausgegangen. Jetzt lasse ich mich darauf ein.“ Und dann bestätigt sich das oder nicht.
Genauso ist es mit der Bibel. Jesus sagt den Leuten zum Beispiel: Wenn ihr herausfinden wollt, ob das stimmt, was ich euch sage, dann probiert es aus. Lasst euch darauf ein! Jeder, der sich darauf einlässt, wird sich darüber im Klaren werden, dass Jesus die Wahrheit sagt. Das haben viele Millionen Menschen getan, die sich Christen nennen, und sie können das genauso bestätigen wie die Personen, die wir in der Bibel finden.
Die generelle Herausforderung der Bibel ist also nicht, endlos zu philosophieren oder zu diskutieren. Wenn wir diskutiert und einige Fakten überprüft haben, kommen wir zu dem Punkt, dass es eine Frage der Entscheidung ist. Die Entscheidung, sich darauf einzulassen.
Glauben an Gott ist keine rein intellektuelle Angelegenheit. Manche sagen: „Ich glaube an Gott“, und meinen damit, dass sie es für wahrscheinlich halten, dass es ihn gibt. Wenn Leute gefragt werden, ob sie an Gott glauben, antworten manche: „Ja, ich halte es für möglich, dass es ihn gibt.“ Das ist biblisch gesehen aber kein Glaube.
Das griechische Wort „pistoieo“ bedeutet „sich darauf verlassen, darauf vertrauen“. Das ergibt sich im Kontakt zu einem anderen Menschen, nicht nur intellektuell. Wenn Sie sagen, Sie vertrauen Ihrer Frau, Ihrem Arbeitgeber oder dem Piloten im Cockpit, zeigt sich das darin, dass Sie ins Flugzeug einsteigen. Wenn Sie ihm nicht vertrauen, steigen Sie nicht ein. Ihrem Arbeitgeber vertrauen Sie, dass er Ihnen den Lohn zahlt. Sie könnten ihn verklagen, aber meistens läuft das so, dass Sie für ihn arbeiten, obwohl der Lohn noch nicht ausgezahlt ist.
Ob wir jemandem vertrauen, zeigt sich nicht in distanzierter Beobachtung, sondern im Handeln im Leben. Genau das versteht die Bibel unter Glauben. An Gott glauben heißt nicht nur, für wahr zu halten, dass es ihn gibt, oder es für möglich zu halten. Es heißt, sich im Leben darauf einzulassen, sich darauf zu verlassen und es auszuprobieren.
Das wäre meine Herausforderung für heute Abend: Wenn Sie das noch nicht tun, setzen Sie sich mit der Bibel auseinander. Nicht nur distanziert als interessantes literarisches Werk, künstlerisch, juristisch, archäologisch oder sonst wie. Das ist spannend. Auch nicht nur mit dem Gedanken: „Na ja, es gibt ja Widersprüche.“ Gehen Sie den Widersprüchen nach, prüfen Sie Alternativdeutungen. Lesen Sie auch Texte, die zeigen, wo die Bibel gerade in diesen Bereichen zuverlässig ist.
Kommen Sie aber vor allem dahin, dass Sie sagen: „Ich lasse die Bibel an mich herankommen und probiere aus, ob sie vertrauenswürdig ist.“ Nicht in dem, was sie über historische Orte sagt, zum Beispiel, wo früher die Wüste Moab war, sondern in dem, was sie über das Leben sagt: Wer Sie sind, wie das Leben läuft, wofür Sie hier auf der Erde sind, wer Gott ist und wie es möglich ist, mit Gott in Kontakt zu kommen.
Damit mache ich Schluss und gebe zurück.
