Ich freue mich, heute Abend hier in eurer Mitte sein zu dürfen – zusammen mit meiner Frau und meiner Tochter. Zu Hause haben wir vier Kinder. Die anderen drei, unsere Söhne, können heute Abend leider nicht hier sein.
Ein Sohn lebt in Amerika, ein anderer in Kandern bei Lörrach, und der dritte Sohn wird morgen auf einer Hochzeit in Stuttgart sein. Es handelt sich um eine Hochzeit aus unserer Gemeinde. Deshalb sind wir heute nur mit einem unserer vier Kinder hier.
Ich freue mich sehr, das Privileg zu haben, in eurer Mitte zu sein. Vielleicht möchte ich, bevor wir beten, ein paar Worte über uns und unsere Familie sagen.
Persönlicher Lebensweg und Dienst in Deutschland
Ich kam das erste Mal – zunächst einmal sollte ich sagen: I'm on my way. Das heißt, ich weiß, dass ich ein Christ bin und mein Leben das Ziel hat, zum Himmel zu kommen. Das weiß ich seit meinem achten Lebensjahr.
Ich bin in einem Haus aufgewachsen, in dem meine Eltern beide gläubig sind. Ich habe eine gläubige Großmutter und bin sehr, sehr dankbar für eine bibeltreue Gemeinde, in der ich von ganz klein auf das Evangelium hören durfte. Ich freue mich auch, dass ich früh den Herrn Jesus Christus kennenlernen durfte.
Mit etwa siebzehn Jahren habe ich die Entscheidung getroffen, dem Herrn zu dienen, wohin er auch führen möchte. Zunächst dachte ich, dass mein Leben im Pilotendienst als Missionspilot im Urwald verlaufen würde. Doch etwa zwei Jahre später wurde ich als Mitglied eines Jugend-für-Christus-Teen-Teams gewählt. So brachte der Herr mich mit 19 Jahren nach Deutschland.
Ich gewann die Sprache lieb, ebenso das Land und das Volk. Damals blieb ich insgesamt zehn Monate in Deutschland: vier Monate mit dem Jugend-für-Christus-Team und danach weitere sieben Monate in Berlin. Die vier Monate waren nicht komplett in Deutschland, sondern ein Teil in England und ein Teil in Portugal, doch hauptsächlich war ich im deutschsprachigen Raum unterwegs.
Als ich kam, sprach ich kein Wort Deutsch. Meine Eltern sind beide walisischer Herkunft. Um 1750 wanderte die Familie Pugh von Wales in die USA aus. Meine Eltern sprechen nur Englisch, keine andere Sprache. Deshalb war es auch für uns eine Freude, dass ich damals mit dem Jugend-für-Christus-Team ein bisschen Sprache lernen konnte.
Abends waren wir bei Veranstaltungen, tagsüber hörten wir übersetzte Zeugnisse und Predigten – einen Satz Englisch, dann einen Satz Deutsch. Wenn man das so hört, Satz für Satz, lernt man unglaublich viel und sehr schnell. Innerhalb von ein paar Monaten habe ich einen ziemlichen Wortschatz angesammelt.
Abends sprach ich mit meinem Gastgeber. Anfangs war das mit Gesten und allem Möglichen, dann mit ein paar Worten. Zum Beispiel sagte ich einmal: „Ich habe ein gutes Idee“ – ein grammatischer Fehler, den ich damals sehr gut eingeprägt habe. Heute lachen unsere Gastgeber noch, wenn wir zusammenkommen, über die Sprachkenntnisse von damals.
Gott führte uns dann als Familie und Ehepaar zurück. Wir heirateten 1965. Nach meiner Bibelschulausbildung oder Ausbildung kamen wir als Familie zurück, mit einem sieben Monate alten Sohn, im Jahr 1969.
Wir sind jetzt fast zwanzig Jahre als Ehepaar in Deutschland. Ich bin fünfundvierzig, werde bald sechsundvierzig. Das bedeutet, ich habe nicht ganz die Hälfte meines Lebens in Deutschland verbracht – gute Jahre, sehr gute Jahre.
So Gott will, werden wir Deutschland im kommenden Jahr verlassen. Wir sind jetzt dabei zu packen. Gott bestimmt für uns einen neuen Weg. Ab September werde ich als Dozent an einer theologischen Hochschule in Amerika dienen. Somit ist dies einer meiner letzten Dienste in Deutschland, dass ich hier in Hückeswagen sein darf.
Ich freue mich, dass wir so zusammenkommen dürfen. Ganz besonders bin ich erwartungsvoll zu diesen Tagen gekommen, in der Hoffnung, dass der Herr uns begegnen möchte. Nicht nur, dass wir Worte hören, sondern dass wir eine Begegnung haben mit dem Allerhöchsten, mit unserem Schöpfer – so wie Daniel es uns so eindrücklich gesagt hat.
Ich möchte dazu bitten, dass wir uns jetzt zum Gebet neigen und ihn anrufen, um seine Hilfe bitten.
Vater im Himmel, ich danke dir von ganzem Herzen für die Tatsache, dass wir wissen dürfen, wohin unser Leben zielt – durch die Vergebung Jesu. Wir dürfen wissen, dass uns der Himmel offensteht, weil du gnädig bist. Nicht, weil wir es je verdient haben oder verdienen könnten, sondern weil du, Herr Jesus Christus, für uns am Kreuz gestorben bist. Durch den Glauben haben wir dieses Gnadengeschenk für uns persönlich angenommen.
Wir bitten dich am Anfang dieser Stunden über Ehe und Familie, dass du uns jetzt begegnest. Triff uns dort, wo wir Not haben, wo wir falsch denken, wo wir Wachstum brauchen und eine Erweiterung unserer Gesinnung. Begegne uns gerade dort und hilf uns, in deinem Ebenbild zu wachsen.
Ich bitte dich, dass das Ergebnis dieser Tage sein darf, dass du uns änderst und unsere Ehen und Familien, in denen wir stehen oder stehen werden, alle von dir Heilung und Gesundung erfahren – durch deinen guten Heiligen Geist.
Im Namen Jesu, Amen.
Die Bedeutung der Gottesliebe in der Familie
Was ich heute Abend zu sagen habe, mag für manche in diesem Raum vielleicht nicht neu sein. Dennoch scheue ich mich nicht, es zu wiederholen – besonders wenn es um etwas geht, das mir heute Abend sehr am Herzen liegt und mir sehr wichtig geworden ist.
Das, was ich heute Abend mitteilen möchte, hat eine Geschichte, die sich über zwanzig Jahre erstreckt. Es ist keine Predigt oder Bibelarbeit, die nur für diesen Abend vorbereitet wurde. Vielmehr wächst es aus meinen Erfahrungen hier in Deutschland in den letzten zwanzig Jahren.
Am Anfang habe ich das überhaupt nicht verstanden. Das Thema unserer heutigen Stunde ist Gottesliebe – Gottes vergebende, tragende und dienende Liebe in der Familie. Der wichtigste Hintergrund dessen, was ich heute Abend sagen werde, liegt in der Spaltung der Gemeinde in Stuttgart.
Ich war in der Gemeindegründungsarbeit einer freien Gemeinde in Stuttgart tätig, und diese Gemeinde erlebte 1980 eine Spaltung. Als wir 1982 von einer Reise in den USA zurückkamen, bei der wir von unterstützenden Gemeinden begleitet wurden, nahm ich mir vor, jeden Text des Neuen Testaments zum Thema Liebe auszulegen.
Nach etwa zehn Predigten gab ich dieses Ziel jedoch auf, weil ich erkannte, dass das Neue Testament voller Aussagen über die göttliche Liebe ist.
Etwa im Jahr 1980 führte ich an einem Abend ein Gespräch, das bei mir das Nachdenken in Gang setzte – so wie man sagt, begannen die „Rädchen zu drehen“. Ich begann, intensiver über dieses Thema nachzudenken und stellte immer mehr Fragen.
Im Laufe dieser zwanzig Jahre führte ich hunderte, vielleicht sogar tausende Seelsorgegespräche – ich habe sie nicht gezählt – und verbrachte unzählige Stunden im persönlichen Kontakt mit Menschen, hörte mir stundenlang ihre Probleme an. Allmählich, oder besser gesagt, nach und nach, entstand für mich ein Bild.
1985 wagte ich es zum ersten Mal, öffentlich etwas darüber zu sagen. Wir waren 1969 nach Deutschland gekommen. Als Gäste – als Gastarbeiter – wollten wir nicht einfach mit der Tür ins Haus fallen und behaupten, wir hätten nicht nur die Probleme erkannt, sondern auch die Lösungen parat.
Vielmehr wollten wir uns zunächst erkundigen, was eigentlich los ist. Ich war damals noch sehr jung im Dienst und wollte mir kein Urteil erlauben über Dinge, von denen ich nichts wusste.
Durch die hunderten Gespräche begann ich, ein Bild von der Problematik in der deutschen Familie zusammenzufügen. Dieses Bild ging mir immer mehr unter die Haut, es fühlte sich wie ein Stich durch das Herz an.
Je mehr ich davon hörte, desto mehr wuchs die Liebe, die der Herr mir schon 1962 in Berlin gegeben hatte. Ich bin sehr dankbar für die Zeit, die der Herr uns als Familie in Deutschland geschenkt hat. Ich weiß auch, dass unser Leben hier keinesfalls umsonst gewesen ist.
Das zentrale Gebot der Liebe als Lebensgrundlage
Einen Text, den ich damals 1982 ausgelegt habe, findet sich in Matthäus 22. Ich möchte darum bitten, dass diejenigen, die ihre Bibel dabei haben, heute Abend diese Bibelstelle aufschlagen.
Ich bin zu der Erkenntnis gekommen, dass das Leben sich um den Begriff der göttlichen Liebe dreht. Deshalb lautet das Thema: Gottes Liebe – seine vergebende, tragende und dienende Liebe in der Familie.
Schon in meiner Jugend hörte ich oft, dass Psychologen und Lebensforscher zu der Erkenntnis gekommen seien, dass das Hauptbedürfnis des Menschen Liebe sei. Das habe ich schon viele Jahre zuvor gehört. Durch mein Schriftstudium bin ich zu der Erkenntnis gelangt, dass das Hauptgebot von Jesus Christus genau dieses Hauptbedürfnis anspricht.
Jesus sagte in Matthäus 22, Vers 35: „Da kam einer der Pharisäer zu ihm, ein Schriftgelehrter, und versuchte ihn. Er sprach: Meister, welches ist das größte Gebot im Gesetz?“ Jesus antwortete: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deinem ganzen Gemüt. Das ist das erste und größte Gebot. Ein anderes aber ist ihm gleich: Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst. An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“
Diesen Text kannte ich seit meiner Kindheit. Aber die Tragweite traf mich wie ein Schlag ins Gesicht an dem Tag, als ich mich neu auf die Auslegung dieses Textes vorbereitete und den letzten Vers betrachtete. Dort steht: „An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.“ Jesus fasste mit nur zwei Sätzen das gesamte Alte Testament zusammen.
Wenn wir kein einziges Wort des Alten Testaments hätten – keine Geschichte über die Schöpfung, keine Geschichte von der Bewahrung, vom Auszug aus Ägypten, von der Überquerung des Roten Meeres und vom Einzug ins verheißene Land – wenn wir all das nicht hätten, dann hätten wir in diesen zwei Sätzen das, was Gott damit gemeint hat. Nämlich unsere Hauptverantwortung im Leben: Gott zu lieben und daraus resultierend und wachsend unseren Nächsten zu lieben.
Heute Abend geht es wohl um eine Predigt über die Nächstenliebe, aber vielleicht anders als häufig verstanden. In der Familie geht es um das Thema Liebe, im Leben geht es um das Thema Liebe – es ist das zentrale Thema der Schrift.
Paulus sagte zu Timotheus: Das höchste Ziel unserer Verkündigung ist Liebe aus reinem Herzen. Das bedeutet, wir dürfen im Leben wissen, dass es sich um das Zentrale handelt. Seit meiner Verkündigung 1982 ist dieses Thema zum zentralen Punkt meines geistlichen Denkens geworden. Wenn irgendetwas sich nicht mit diesem Gebot der Liebe vereinbaren lässt, lege ich es beiseite. Es muss im Einklang stehen mit dem, was Christus hier sagte.
Er sagte nämlich zwei Dinge: Liebe Gott von ganzem Herzen. Daniel hat vorhin eine sehr heikle Frage gestellt: Wie viel Zeit verbringst du in der Bibel? Liebe in unserer Ehe bedeutet Kommunikation. Wenn ich zu meiner Frau sage, ich habe dich lieb, ihr aber kein Ohr schenke, wenn sie mir etwas sagen will, dann bin ich in ihren Augen nicht glaubwürdig. Sie will – und ich will – Verständigung. Verständigung und Kommunikation sind die Träger der Liebe zwischen uns. Wir verstehen uns durch Verständigung.
Wenn ich keine Zeit mit meiner Frau verbringe, um mich mit ihr auszutauschen, kann ich zwar Worte der Liebe benutzen, aber es ist keine Liebe.
Christus liebt uns und will unsere Liebe zurück. Die Voraussetzung für das Ausleben dieser Liebe ist Gemeinschaft mit Christus. Es kann sein, dass heute Abend jemand hier ist, der Jesus Christus nicht persönlich als Herrn und Erlöser kennt. Ich stelle das in den Raum: Wenn du hier bist und nicht weißt, dass du, wie wir gesungen haben, das Ziel Himmel vor Augen hast, und nicht absolut sicher bist, dass du, wenn du heute Abend sterben würdest, weißt, wo du hinkommst – wenn das nicht deine Gewissheit ist, kannst du sie jetzt haben.
Indem du sagst: Herr Jesus Christus, komm in mein Leben, reinige mich von aller Sünde, ich übergebe dir die Herrschaft meines Lebens, du bist ab jetzt mein Herr. Wenn du ihm dein Leben gibst, bekommt er ein kaputtes, sündiges, chaotisches Leben. Aber er schenkt dir sein ewiges, vollkommenes Leben in ganzer Fülle. Jesus Christus macht einen Tausch mit uns und gibt uns sein Leben als Gegengeschenk. Er bekommt den kleineren, den geringeren Teil, und wir bekommen das große Geschenk der Liebe.
Christus will dein Herr sein – und heute Abend will er Herr sein von allen, die ihn vielleicht zu dieser Stunde noch nicht kennen. Daraus entsteht eine Liebesbeziehung mit ihm.
Und diese heikle Frage, die Daniel vorhin gestellt hat, lautet: Wie ist deine Liebesbeziehung mit Jesus Christus? Wenn es heißt, Gottes vergebende, tragende, dienende Liebe in der Familie, dann kommt sie aus dieser Quelle. Ich habe keine Liebe für meine Frau, wenn sie nicht aus dieser Quelle kommt, aus der Quelle der Gemeinschaft mit meinem Liebhaber im Himmel, Jesus Christus.
Ich habe keine Liebe in mir, keine Weisheit in mir, ich habe nichts in mir außer dem, was er gegeben hat. Wer von uns verheiratet ist, kann mit mir laut bestätigen, und wenn man auch dachte, gleich nach Beginn und Gründung der Ehe: Wir schaffen das schon, merkt man nach kurzer Zeit, dass man mit einer unvollkommenen Person zusammenlebt.
Sie hat auch schnell festgestellt – falls sie es vorher nicht wusste –, dass sie mit einem unvollkommenen Menschen zusammenlebt. Wir beide sind unvollkommen! Und die Unvollkommenheiten schienen uns nicht halb so groß, solange wir nicht miteinander in der Ehe lebten.
Kommen wir aber unter ein Dach und teilen eventuell die gleiche Zahnbürste, das gleiche Glas, das gleiche Wohnzimmer, das gleiche Esszimmer und die gleiche Küche, dann leben wir auf engem Raum. Er will das Programm hören, sie das andere. Er will dorthin fahren, sie aber dahin.
Das Leben zu meistern, wenn man im engen Raum zusammenlebt – man merkt schnell, dass die romantische Gefühlsduselei, die man hatte, schnell vergeht. Ich möchte wirklich dahin fahren, sie möchte dorthin fahren, man ärgert sich, und man stellt fest, dass die emotionalen Reserven für die andere Person schnell aufgebraucht sind.
Wo bekommt man dann die Liebe her, die zur Treue entscheidet, dient und weiter dient, erbittet und gibt? Wo bekommt man diese Liebe her? Denn in uns ist sie nicht. Es ist Gottes Liebe, die aus seiner Quelle kommt, aus der Quelle der Gemeinschaft mit ihm.
Keiner von uns kann eine gottwohlgefällige, dienliche und frohmachende Ehe führen, ohne die Gemeinschaft mit Christus zu pflegen. Es geht um dieses allererste Gebot. Die Lösung aller Fragen beginnt mit Gott.
Das heißt: Beginne damit, deine Ehebeziehung in Ordnung zu bringen mit dem Herrn. Wenn Leute ins Gespräch kommen und ich merke, es hakt irgendwo, dann ist meine erste Frage, wenn ich weiß, beide sind gläubig: Lest ihr die Bibel miteinander? Oft schweigen sie, dann seufzen sie, dann stöhnen sie.
Wie sieht es mit der persönlichen stillen Zeit aus? Es wundert mich nicht, wenn es da in der Ehe hapert, wenn die Gemeinschaft mit Christus nicht gepflegt wird. Es ist schwer genug, mit Unvollkommenen zu leben, wenn wir die Gemeinschaft mit Christus ständig pflegen. Aber wenn wir das nicht tun, haben wir überhaupt keine Quelle außer uns selbst, die uns helfen könnte, richtig zu leben.
Christus traf mit diesem Gebot genau ins Schwarze: Liebet Gott. Wenn wir heute Abend hier sind und über die Ehe sprechen – ich kann nach fast 24 Jahren, wir sind nur ein paar Wochen kürzer als 24 Jahre verheiratet, jetzt Anfang Juni – nach 24 Jahren Ehe sage ich: Da hat er Recht.
Jedes Mal, wenn ich dieses Gebiet vernachlässigt habe, ging es bei uns bergab. Jedes Mal. Und ich muss heute Abend ehrlich bekennen, dass ich in meiner Aufgabe als Führer und Aufseher in der Ehe und in der Leitung hier etliche Male versagt habe. Ich bin dankbar für die Gnade des Herrn.
Wie ist deine persönliche Beziehung zum Herrn? Und wie ist die Beziehung deines Ehepartners, wenn du verheiratet bist? Wenn du noch nicht befreundet bist und sagst und jammerst: Ich möchte verlobt werden, ich möchte eine Freundin oder einen Freund haben, aber deine persönliche Beziehung zum Herrn nicht in Ordnung ist, dann beginne zunächst mit deiner Beziehung zu Jesus Christus.
Werde so eine Frau, die heiratsfähig ist. Heiratsfähig ist vielleicht kein gutes deutsches Wort, aber ihr versteht, was ich meine. Werde so ein geistlicher Mann, der Christus liebt, auf den eine Frau hochschauen und sagen würde: So einen Mann möchte ich wirklich mein Leben teilen, auf den schaue ich hoch, weil er Christus nachfolgt, weil er Christus dient, weil er Christus liebt und weil er Christus im Mittelpunkt seines Lebens hat.
Söhne und Männer achte ich hoch, Töchter und Frauen achte ich hoch. Beginne mit dem Anfang, beginne mit dem Ersten, beginne mit dem Grundsätzlichen: Beginne mit der Beziehung zu Jesus Christus.
Die Verbindung von Gottesliebe und Nächstenliebe
Das Zweite
Es mag uns vielleicht peinlich sein, aber das Zweite ist gleichwertig mit dem Ersten. Sie sind unabhängig voneinander und können nicht getrennt werden. Das Vertikale bestimmt das Waagerechte: Meine Beziehung zu Christus bestimmt meine Beziehung zum Anderen. Wenn ich also sagen muss, meine Beziehung zum Anderen ist nicht in Ordnung, dann ist automatisch auch meine Beziehung zum Herrn gestört. Das heißt, diese beiden Dinge sind untrennbar miteinander verbunden.
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Jesus hat nicht gesagt: Liebe dich selbst. Manche Menschen wollen in diesem zweiten Satz zwei Gebote hören. Sie sagen: Du kannst den anderen nicht lieben, bis du dich selbst liebst. Aber Christus sagte: Nein, liebe den anderen, wie du dich selbst liebst – liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Und er hat genau definiert, was er damit meinte. Er meinte nicht, dass ich Liebe für mich selbst aufpumpen muss, damit ich ein bisschen davon für andere habe. Das hat er nicht gemeint.
Ich kann das aus der Schrift belegen. In Epheser 5 sagt er nämlich, die Männer sollen ihre Frauen lieben wie sich selbst. Dabei definiert er ganz genau, was er meint. In Epheser 5 steht:
„Ihr Männer, liebt eure Frauen, Vers 28: Ebenso sind die Männer schuldig, ihre eigenen Frauen zu lieben wie ihre eigenen Leiber. Wer seine Frau liebt, der liebt sich selbst. Denn niemand hat je sein eigenes Fleisch gehasst, sondern er nährt und pflegt es, gleich wie der Herr die Gemeinde.“
Das heißt, ich liebe meine Frau genauso wie mich selbst, in dem Sinn, dass ich nach meinem Wohl schaue. Ich hatte vorhin Hunger. Hier war etwas im Angebot, und ich habe es genommen. Gleichzeitig habe ich auch geschaut, was meine Frau bekam. Ich liebe meine Frau. Wenn sie Hunger hat, spüre ich das Bedürfnis. Ihre Bedürfnisse sind meine Bedürfnisse. Wenn sie einsam ist, will ich ihre Einsamkeit spüren. Wenn sie Not hat, will ich diese Not spüren. Ihre Not ist meine Not, denn wir sind eins.
Wenn ich mich am Finger schneide, suche ich den Verbandskasten, um die Wunde zu versorgen, damit sie nicht mehr blutet. Wenn sie eine Verletzung hat, ist es meine Hauptsorge, wie ich ihr helfen kann, medizinische Versorgung zu bekommen. Was sind ihre Bedürfnisse? Die will ich stillen. Ich habe Bedürfnisse und halte Ausschau danach, dass diese gestillt werden. Genauso will ich die Bedürfnisse meiner Frau stillen.
In diesem Sinn heißt es: Liebe deinen Nächsten wie dich selbst. Das bedeutet, ich habe Ausschau zu halten, was die Bedürfnisse der anderen in meinem Umfeld sind und wie ich diese stillen kann.
Die meisten Menschen definieren Liebe nämlich als ein Gefühl. Wenn ich um eine Definition bitte, sagen die meisten: Liebe ist ein Gefühl. Ich kann mich gut an ein Gespräch erinnern, in dem gefragt wurde: Kann man Liebe befehlen? Die Antwort kam sofort: Nein, Liebe kann man nicht befehlen. Gefühle kann man nicht befehlen. Aber Christus hat Liebe befohlen. „Liebe deinen Nächsten“ ist ein Befehl – in der Übersetzung und im Urtext ist es eine Befehlsform. Es ist ein Gebot der Liebe.
Das heißt, Liebe kann befohlen werden, sie kann zum Gebot gemacht werden. Aber dann muss Liebe anders verstanden werden. Liebe wird biblisch definiert. Ich schlage an dieser Stelle gerne Matthäus 5 auf, um Liebe besser zu definieren, als sie häufig verstanden wird.
Liebe wird am häufigsten als ein Gefühl des Empfindens für nette und gut aussehende Menschen definiert. Ihr habt ja unsere kleine blonde Tochter gesehen, als sie noch kleiner war. Wenn wir irgendwo hinkommen, könnt ihr euch vorstellen, dass sich in wenigen Minuten jemand für das kleine Kind interessiert. Ich bin genauso geprägt: Jemand lief heute mit einem kleinen Kind an mir vorbei, und meine Augen gingen gleich mit. Als Vater interessiere ich mich für Babys und kleine Kinder.
Wir saßen irgendwo, und eine ältere Frau sah unsere Tochter, liebäugelte sie und sprach sie an. Heute Nachmittag waren wir in einem Geschäft, und eine Frau hat sie gesehen und gerufen: „Komm mal her!“ Ich wusste gleich, dass gleich Schokolade in den Mund kommt – und ich hatte Recht, sie wurde sofort gefüttert. Leute mögen kleine Kinder, sie sehen nett aus, sie lachen und kichern. Wenn sie lachen, lacht man mit, man wird mitgerissen und freut sich. Plötzlich stelle ich fest: Die alten Omas wollen unsere kleine Tochter auf dem Schoß haben.
So wird Liebe von den meisten Menschen definiert: Liebe ist das, was man empfindet für nette, gut aussehende, lachende und kichernde Menschen, die freundlich sind und mir Gutes tun. Das ist die Definition von Liebe, die die meisten haben.
Diese Definition ist übrigens nicht neu. Sie war zu Jesu Zeiten ebenfalls die gängige Definition in der Gesellschaft. Matthäus 5,43 sagt:
„Ihr habt gehört, dass gesagt ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen. Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde, segnet die, die euch fluchen, tut wohl denen, die euch hassen, und bittet für die, die euch beleidigen und verfolgen, auf dass ihr Kinder eures Vaters im Himmel seid. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte. Wenn ihr nur die liebt, die euch lieben, was habt ihr für einen Lohn? Tun nicht auch die Zöllner dasselbe? Und wenn ihr nur eure Brüder grüßt, was tut ihr Besonderes? Tun nicht auch die Heiden ebenso? Darum sollt ihr vollkommen sein, gleich wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“
Das heißt, wir als Kinder Gottes haben eine andere Definition und Praxis der Liebe als die Gesellschaft.
Wenn Herr Meier Herrn Schmidt jeden Morgen mit Handschlag grüßt und Herr Schmidt Herrn Meier ebenfalls, dann ist das nichts Besonderes. Das tun Kumpel, Freunde oder Kollegen jeden Tag. Aber ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute mir die Hand nicht geben wollten, obwohl ich auf sie zugelaufen bin und ihnen die Hand angeboten habe. Sie haben sie mir nicht gegeben. Das haben vielleicht einige von euch erlebt. Zum Glück ist das eine Seltenheit.
Das ist eine äußerste Unhöflichkeit, eine Beleidigung höchsten Ranges, und so war es auch gemeint. Wenn ich dann sage: Gut, er gibt mir keine Hand, also gebe ich ihm keine, dann ist das die Reaktion der Welt. Tust du mir etwas Freundliches, tue ich dir etwas Freundliches. Tust du mir etwas Negatives, tue ich dir etwas Negatives oder kehre dir den Rücken und laufe weg.
Die Hauptsache ist, man bekennt sich nicht zum Leben in dem Moment. Stattdessen sagt man: Gut, du bist für mich abgeschrieben, wir sind fertig, ich mache mit dir nichts mehr. Wenn du so bist, dann ist Schluss mit uns. Das ist die häufige Reaktion der Welt.
Diese Reaktion gilt aber nicht für Christen. Christus sagte, wir haben eine andere Art von Liebe – seine Art als Vorbild. Er liebte, obwohl niemand Liebe zurückgab. Christus lässt regnen über Gerechte und Ungerechte (Apostelgeschichte 17). Er lässt die Sonne aufgehen über Gute und Schlechte. Er zeigt seine allgemeine Liebe an alle. Er starb für alle in der Welt, weil er alle liebt.
Gott bewies seine Liebe gegen uns darin, dass Christus für uns gestorben ist, als wir noch Sünder waren, als wir noch in völliger Ablehnung und Rebellion gegen ihn lebten. Christus starb für uns.
So ist auch deutlich zu sehen: Liebe in der Definition von Christus ist ganz anders als die Definition, die wir häufig haben. Liebe in der Welt ist ein Gefühl. Gefühle kann man bekanntlich nicht aufpumpen oder herumdirigieren. Wenn ich nichts für dich empfinde, habe ich dich nicht lieb. Aber das ist völlig falsch in Bezug auf das, was Christus meinte.
Liebe ist weit mehr als Gefühl. Liebe und Gefühle sind zwar verbunden. Ich habe tiefe Gefühle und Empfindungen für meine Frau, aber sie sind die Auswirkungen der Liebe, die Christus meint.
Christus sagte: Tut Gutes denen, die euch nichts Gutes tun. Für mich ist ein Barometer, wie meine Liebe zu meinem Nächsten ist, die Geschichte von der Fußwaschung in Johannes. Wenn ich mir diese Geschichte vergegenwärtige: Jesus sitzt am Tisch mit seinen Jüngern, holt sich einen Besen und beginnt, den Jüngern die Füße zu waschen.
Jesus kommt zu Petrus, und es gibt einen Zwischenfall, bei dem Petrus sich beklagt. Aber ich wundere mich am meisten, dass es keinen Zwischenfall bei Judas gab. Stell dir vor, du müsstest deinem schlimmsten Feind die Füße waschen. Stell dir vor, du wüsstest, dass diese Person in den nächsten Minuten dein Leben ruinieren wird. Du wüsstest, was er vorhat. Und er sitzt neben deinem besten Freund Johannes, auf der anderen Seite sitzt Petrus, und dazwischen Judas.
Du wäschst Johannes die Füße und Petrus die Füße. Ganz ehrlich, wenn Roger Pugh da gewesen wäre, hätte ich bei Judas eine Stahlbürste genommen. Aber nicht unser Herr. Unser Herr nahm Judas’ Füße in die Hand und wusch sie mit genauso viel Freundlichkeit, Sorgfalt und Hingabe wie bei seinem besten Freund Johannes und bei Petrus.
Stell dir das mal vor. Wie sieht es dann mit deinem schlimmsten Feind aus, dem, der am schlimmsten dasteht? Würdest du ihm genauso gut und freundlich die Füße waschen wie deinem besten Freund oder deiner besten Freundin?
Das ist mein Barometer, so messe ich mich: Wie bin ich in meiner Liebe zu den Menschen, die mir am unsympathischsten sind? Liebe ist das, was ich gebe, wo es am meisten benötigt wird.
Wo wird Licht am meisten benötigt? Dort, wo es am dunkelsten ist. Tagsüber hat man hier kaum das Licht an, vielleicht ab und zu, aber abends immer, wenn Leute da sind. Man braucht Licht, wenn es dunkel ist.
Wann braucht man Liebe? Wenn das Gegenteil vorhanden ist, nämlich Hass, Ablehnung, Widerwillen, Rebellion. Dort braucht man Liebe am stärksten.
Wo war der Hass und die Ablehnung gegen Gott am stärksten? Am Kreuz. Dort war der Teufel mit all seinen Engeln und die ganze versammelte Menschheit voller Hass gegen Christus. Und trotzdem gewann die Liebe.
Liebe ist stärker als Hass. Liebe leuchtet am deutlichsten vor dem Hintergrund ihres Gegenteils, nämlich Hass. Liebe zeigt sich am klarsten dort, wo Hass und Rebellion am stärksten sind. Denn dort muss man am meisten vergeben, am meisten dienen, am meisten echt freundlich sein.
Nicht nur so tun, sondern echt freundlich sein – mit einer anderen Hilfsquelle, denn das habe ich nicht in mir. Das ist die göttliche Liebe, die stärker ist. Das ist Gottes Definition von Liebe, die auch für die Familie gilt.
Erfahrungen mit der Problematik der Liebe in deutschen Familien
Und jetzt zurück zum Anfang. In unserem ersten Jahr, als wir in Singen am Hohenwil waren, konnte ich auch in einer Gemeinde dort dienen, in der Jugendgruppe. In Gesprächen mit Jugendlichen lernte ich ein wenig über die Problematik in manchen deutschen Familien.
Ich habe es damals nicht begriffen, ich habe es nicht verstanden, aber ich habe davon gehört. Dann kamen wir nach Stuttgart, und dort begann ich mehr und mehr, Tragödie nach Tragödie in den Familien zu hören – in Berichten, die mir erzählt wurden, in Seelsorgegesprächen.
Allmählich sagte ich mir: Ich lebe im deutschen Dschungel, im Betondschungel von Deutschland. Nicht dort, wo es Bäume gibt und Menschen sich unmenschlich benehmen, sondern dort, wo es Hochhäuser gibt und die Menschen sich unmenschlich verhalten. Die Not in den Familien ist so groß.
1980 läutete das Telefon, und ein Mädchen sagte am anderen Ende: „Du, ich bin drauf und dran, mir das Leben zu nehmen. Heute Abend. Ich suche Hilfe.“ Ich hatte schon sehr viel Kontakt mit Selbstmordgefährdeten gehabt. Es war eine Zeit in der Seelsorge in der Gemeinde, in der das fast einmal pro Woche vorkam, mindestens einmal im Monat im Dienst.
Ich sagte: „Du kommst gleich, wenn du kannst.“ Und sie sagte: „Ich kann.“ Eine Stunde später war sie bei uns im Wohnzimmer. Als ich dann einfach ein zerrüttetes Leben vor mir hörte und sah, stellte ich eine Frage. Ich fragte: „Hat dein Vater dir je gesagt, dass er dich liebt?“ – „Nein, nein, diese Worte habe ich nie gehört.“ „Hat dein Vater deiner Mutter je gezeigt, dass er sie liebte? Indem er ihr einen Kuss gab, sie umarmte oder sonst irgendeine Freundlichkeit und Zärtlichkeit in eurem Beisein zeigte?“ – „Nein, nein, das habe ich nie gesehen.“
Das war das erste Mal, etwa 1980. Seither habe ich diese Frage unzählige Male gestellt, und leider sind die häufigsten Antworten identisch mit den eben genannten.
Wir waren auf einer Bibelschule, ein junges Mädchen fragte nach Zeit für ein Gespräch. In einer Pause fanden wir uns in einem Aufenthaltsraum. Sie war sehr verunsichert, und ich stellte erneut die Frage: „Hat dein Vater dir je gesagt, dass er dich liebt?“ – „Nein.“ „Hat er dich je umarmt?“ – „Ich denke schon, wahrscheinlich. Meine Mutter sagte, als ich ganz klein war, hat er mich einmal im Arm getragen. Und einmal fuhr ich zu den Großeltern, und als ich zurückkam, haben meine Eltern mich am Bahnhof abgeholt. Mein Vater reichte mir die Hand in den Zugwaggon, hob mich hoch und stellte mich auf den Bahnsteig. Das war das einzige Mal, an das ich mich erinnere, dass mein Vater mich berührt hat.“
Solche Antworten bekam ich häufig. Innerlich habe ich bitterlich mit diesem Mädchen geweint. Dann sprach ich über die Vergebung Jesu.
1985 habe ich das erste Mal öffentlich darüber gesprochen, und zwar auf einer Tagung im Schwarzwald. Dort habe ich zum ersten Mal diese Problematik vor einer Gruppe meiner Freunde in Deutschland angesprochen. Die meisten von ihnen waren in der Gemeindearbeit tätig, Leiter von Gemeinden oder ähnliches.
Ich erwähnte dieses Phänomen, ohne darauf vorbereitet zu sein, was kommen würde. Etwa ein zweistündiges Gespräch entstand aus dieser kurzen Erwähnung und den Beobachtungen aus Hunderten von Gesprächen.
Kurze Zeit später war ich in Ohio. Wir waren im Reisedienst in einer Gemeinde in Akron, Ohio. Am Sonntagabend war ich im Gottesdienst und erwähnte, um zum Gebet für Erweckung in Deutschland zu motivieren, dieses Phänomen. Ich sagte: „Leute, betet für Deutschland, dass der Herr eine Erweckung der göttlichen Liebe in den Familien schenkt.“ Ich erwähnte die genannten Fälle und einige andere Dinge.
Ein Mann kam nach der Stunde auf mich zu, weinend. Er sagte: „Roger, heute Abend hast du von meiner Frau gesprochen. Sie ist aus der deutschsprachigen Schweiz. Sie wurde vor drei Wochen wegen Krebs operiert. Ihr Vater hat sie zum ersten Mal in ihrem Leben umarmt, kurz bevor sie in den Operationssaal ging.“
Eine Woche später war ich in Ashland, Ohio, einer Stadt mit zwanzigtausend Einwohnern. Nach dem Gottesdienst erwähnte ich erneut dieses Phänomen. Ein Mann kam auf mich zu und sagte: „Roger, ich heiße David Schwarzwalder, vierte Generation deutscher Amerikaner, kann kein Deutsch. Als du den kritisierenden, nörgelnden deutschen Vater erwähnt hast, der ständig durch Kritik versucht, zu motivieren, der nicht berührt und keine Zärtlichkeit zeigt, der hart ist – es ist, als hättest du meinen Vater zehn Jahre lang gekannt. Du hast ihn beschrieben, als ob du ihn gekannt hättest.“
Ich war nicht auf diese Information vorbereitet. Vierte Generation Deutsch-Amerikaner. Er sagte, sein Vater sei ein Muster, ein Bild, ein Abbild seines Großvaters. Dann begann ich zu denken: Herr, das ist kein neues Phänomen, das geht über Generationen.
Ich ging von Gemeinde zu Gemeinde. Ausgewanderte Deutsche kamen auf mich zu, überströmten mich mit Tränen und sagten: „Du, ich bin deswegen ausgewandert, ich möchte nie wieder zurück.“ Innerlich habe ich bitterlich geweint, weil ich dachte: Es ist eine große Not, die auch sie sehen.
Ich kam zurück. In meinem Herzen sagte ich: Herr, wenn ich die Gelegenheit habe, zu irgendeiner neuen Gruppe zu kommen, will ich, wo immer ich auch hinkomme in Deutschland, über dieses Problem sprechen. Ich möchte das Problem ansprechen.
Ich begann in der Gemeinde in Stuttgart. Nach der Predigt kam ein junger Mann auf mich zu und sagte: „Du, ich muss einen Termin mit dir haben.“ Als wir dann miteinander sprechen konnten, sagte er: „Als du von Berührung zwischen den Eltern gesprochen hast, habe ich begonnen zu denken. Ich kann mich nur einmal erinnern, dass mein Vater meine Mutter berührt hat – als er seine Hand auf ihre Hand legte in ihrem Sarg.“ Wir haben beide bitterlich geweint.
Ich dachte: Das darf nicht wahr sein. Geschichte nach Geschichte, von überall – leider das gleiche Phänomen.
Als ich über Silvester 1985 in Starnberg sein durfte, sprach ich dort auf der Worteslebensfreizeit darüber. Ein älterer Herr aus der Starnberger Gemeinde kam auf mich zu und sagte: „Bruder Pugh, ich darf Ihnen vielleicht noch etwas dazu sagen, was Sie nicht wissen können, weil Sie jünger sind und aus dem Ausland kommen.“
Er sagte: „Ich komme aus einer militaristischen Familie. Fünf meiner Onkel sind im Zweiten Weltkrieg als Offiziere gefallen. Seit meiner Kindheit wurde uns eingebläut: Als Jungs und Männer weinen nicht, Männer zeigen kein Gefühl, Männer sind hart wie Kruppstahl, Männer zeigen kein Empfinden für irgendetwas.“
Er sagte, das habe er seit seiner Kindheit gehört. Ich begann zu sehen, dass es über Generationen hinweg gesagt wurde, dass Männer hart seien, sodass viele Leute denken, das sei normal.
Es ist überhaupt nicht so, dass die Väter ihre Kinder nicht lieben. Im Gegenteil: Die Väter haben ihre Kinder lieb, aber die Kinder wissen das nicht, weil die Väter es in den meisten Fällen nicht übertragen können. Dieses Phänomen ist eine Tragödie, und die Folgen sind noch tragischer.
Persönliche Erfahrungen und Vergebung
Ich bin mir ganz genau bewusst, wo ich bin. Ich befinde mich in der gefährdeten Hilfe. Im Jahr 1962 war ich vier Monate in Deutschland beziehungsweise in Europa mit dem Teen Team unterwegs. Danach flog ich alleine zurück nach Berlin und blieb dort sieben Monate lang, mit voller Unterstützung meiner Eltern. Ich war neunzehn Jahre alt. Meine Eltern sagten: „Roger, du triffst die Entscheidung, und wir stehen hinter dir.“ Welche Eltern sagen so etwas schon? Du triffst die Entscheidung, und wir stellen uns hinter dich. Das ist bemerkenswert – mit neunzehn Jahren.
Ich sagte mir: Ich verstehe, der Herr will mich in Berlin haben. Wir aßen noch etwas zusammen, bevor ich zum Zug ging. Sie brachte mich zum Zug, und ich stieg ein. Ich wusste, dass es jetzt zwölf Monate dauern würde, bis ich meine Eltern wiedersehe. Plötzlich überkam mich die Erkenntnis, wie wohlwollend diese Eltern mir gegenüber waren und wie sehr sie das Wohl meines Lebens im Blick hatten.
Da dachte ich: Du Dussel, warum hast du überhaupt etwas gegen diese zwei Menschen? Ich musste eine ruhige Stelle im Zug finden. Eine halbe Stunde lang weinte ich nur aus Dankbarkeit für meine Eltern. An diesem Abend habe ich ihnen vergeben. Ich sagte mir: Ich denke nicht mehr an die Fehler, die sie gemacht haben. Ich habe vergeben. Ich sagte zum Herrn: All das, was war, ist vorbei. Das Einzige, was ich jetzt im Blick habe, ist, diese Eltern zu ehren, sie zu lieben, ihnen Liebe zu zeigen und ihnen Freude zu machen.
Ich bin so dankbar für diese Eltern – unvollkommene Menschen, aber in meinen Augen phantastische Menschen. Und heute Abend, wenn du auf manche Unvollkommenheiten zurückblickst, kann es sein, dass dein Vater bei weitem nicht so fair war wie meiner. Ich hatte einen sehr fairen Vater. Ich habe nie Schläge bekommen, die ich nicht verdient hatte. Im Gegenteil, ich habe zu wenig Schläge bekommen. Ich habe mehr verdient, weit mehr, als ich bekam.
Meine Eltern haben uns mit einer Weisheit erzogen, die ich bis heute bewundere. Ich bin so dankbar für diese Menschen. Es kann sein, dass dein Vater dich misshandelt hat, dich nicht richtig erzogen hat, sondern eher geprügelt und verprügelt. Vielleicht schaust du heute Abend mit Bitterkeit zurück. Diese Bitterkeit, diese Säure, die in deinem Bauch brodelt, gerade wenn du an deinen Vater oder deine Mutter denkst, wie sie auf dich losgegangen sind, dich beschimpft haben oder was auch immer.
Wenn das der Fall ist, dann vergib heute Abend sofort. Vergib! Sage: Herr, ich vergebe. Um deinetwillen vergebe ich, weil du mir vergeben hast in Christus. Aus der Quelle deiner Vergebung nehme ich und gebe sie weiter. Vergib voll, vergib ganz, vergib restlos. Versuche nicht mehr, Rechenschaft zu fordern für das, was sie falsch gemacht haben. Vergib vollständig. Da kommt Befreiung, eine fantastische Lösung und Befreiung.
Dann bist du frei, zu tun, was ein Mädchen in der Gemeinde vier Monate später getan hatte. Sie kam auf mich zu mit strahlendem Gesicht und sagte: „Roger, ich habe es getan.“ Ich wusste, was sie meinte. Sie hatte ihren Vater umarmt, ihm einen Kuss gegeben und ihm gesagt, dass sie ihn liebt. Sie sagte: „Roger, unsere Beziehung ist völlig neu, völlig anders.“ Er ist noch nicht gläubig, aber die Gläubige geht auf den Ungläubigen zu, so wie Christus auf eine rebellierende Welt zukam. Der Liebende kam zu den Nicht-Geliebten und Nicht-Liebenden. Christus liebte.
Durch dieses Mädchen, ihren Vater und durch Christus will Gott in deiner Familie lieben – durch dich und durch mich. Er will, dass du gerade dort, wo es vielleicht am schwersten ist, für den einen oder die andere, in deinem Jerusalem liebst.
Die Bedeutung der Liebe für den Dienst in der Gemeinde
Ich habe über dieses Thema im vergangenen Oktober in Ohio gesprochen. Schon mehrfach habe ich an Bibelschulen gesagt, dass ich überzeugt bin: Kein junger Mann ist für den Dienst in einer Gemeinde tauglich, wenn er seinem Vater nicht auf freundliche, aufrichtige und ehrliche Weise zeigen kann, dass er ihn liebt.
Wie soll er in der Gemeinde Jesu ein Vorsteher sein, wenn der Hauptbefehl von Christus Liebe ist, aber er seinem Vater nicht zeigen kann, dass er ihn liebt?
In Ohio, als ich im letzten Herbst darüber sprach, kam ein Mann, der etwa sechzig Jahre alt ist, auf mich zu. Er sagte: „Roger, du hast heute gesagt, dass ich für den Dienst in der Gemeinde disqualifiziert bin.“ Er leitet nämlich eine Gemeinde. Er erzählte: „Mein Vater ist neunzig, ich kann ihn nicht leiden.“ Ich habe dann die Kindheit dieses Mannes beschrieben, geprägt von einem kritischen Vater, der nicht liebt und unfreundlich ist. Er sagte: „Ich habe keine Empfindungen für meinen Vater. Er wohnt bei uns im Haus, weil er neunzig ist, aber diesen Mann kann ich nicht leiden.“
Und er fügte hinzu: „Du hast heute gesagt, was mein Hauptproblem in der Gemeindeleitung ist. Weißt du, was das Problem ist? Jemand in der Gemeinde benimmt sich wie der Vater früher.“ Wenn das Problem mit dem Vater nicht gelöst wurde und man auf den Vater nicht mit vergebender, tragender, dienender Liebe zugehen kann, dann wird derjenige, der sich wie der Vater benimmt, genauso schäbig behandelt, wie der Vater behandelt wird.
Wenn das Problem mit dem Vater nicht gelöst wird, bleibt es bestehen. Wenn man jedoch gelernt hat, den Vater zu lieben, hat man auch Liebe geübt – für Menschen, die sich schwierig benehmen. Menschen, die keine Liebe erfahren haben, sind schwer zu lieben. Es ist nicht leicht, Leute zu lieben, die nicht geliebt wurden. Sie haben Eigenschaften, Tücken und Macken, die manchmal schwer zu ertragen sind.
Im Dienst kommt es vor, dass Menschen um zwei Uhr morgens anrufen. Eine Frau rief einmal um vier Uhr morgens an und wollte eine Stunde am Telefon sprechen. Ich dachte: Weiß sie nicht, wie spät es ist? Sie denkt nur an sich, hat ein Problem, ist egoistisch und denkt nur an sich. Dennoch haben wir versucht zu dienen.
Menschen, die kompliziert sind, sind nicht leicht zu lieben. Aber genau diese Menschen zu lieben, ist unsere Hauptaufgabe. Wenn sie in der Familie sind, dann fang dort an. Gerade dort, wo es am schwierigsten ist, gerade dort, wo unsere Aufgabe am glaubwürdigsten erscheint, wenn wir beginnen zu lieben.
Was ist dann wohl mit meiner Tochter geschehen? Ich kann es kaum glauben. Sie kommt nach Hause und erledigt die Aufgaben, für die ich gebetet habe – in diesem Monat – und zwar mit Freude. Da verstehe ich die Welt nicht mehr. Was ist in sie gefahren? Es ist die liebe Christin. Der Junge kommt freundlich auf mich zu und fragt: „Vater, was kann ich tun, um dir zu helfen?“ Solche Worte hat er noch nie gesagt. Woher kommen diese Worte? „Ich will dir helfen, ich will dir dienen.“ Da steht man baff da und denkt: Was ist da los?
Das ist die Liebe Christi, die durch uns wirkt. Nicht weil es leicht ist, sondern weil es unsere Aufgabe in der Familie ist.
Wenn du an die Ehe denkst – vielleicht bist du befreundet oder verlobt, ich weiß es nicht – wir werden uns in diesen Tagen kennenlernen. Fast niemand kennt sich gegenseitig, aber wir lernen uns kennen.
Wenn du heute Abend verliebt oder verlobt bist, aber noch Schwierigkeiten hast, deinen Eltern zu zeigen, wie sehr du sie liebst – freundlich und aufrichtig mit der freundlichen Liebe Jesu – wirst du garantiert Probleme in der Beziehung mit deinem Verlobten oder deiner Verlobten haben. Denn er oder sie braucht sich nur so zu benehmen wie der Elternteil, mit dem das Problem noch nicht gelöst ist. Dann kommt alles hoch.
Das ist das Problem bei uns Menschen: Wenn wir etwas unterdrücken und nicht durch Vergebung und Dienst der Freundlichkeit lösen, staut es sich in uns auf. Es braucht nur ein bisschen von der Oberfläche weggekratzt zu werden, und das ganze Gift ist da.
Paulus beschreibt das so, und deshalb habe ich das in Römer 12 angesprochen. Im Römerbrief Kapitel 12, Vers 18 und 19 heißt es:
„Ist es möglich, so viel an euch liegt, habt mit allen Menschen Frieden! Rächt euch nicht selbst, ihr Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn; denn es steht geschrieben: Die Rache ist mein, ich will vergelten, spricht der Herr. Wenn nun dein Feind hungert, so speise ihn; dürstet ihn, so tränke ihn. Wenn du das tust, wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln. Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“
Hunger, Speise und Trank sind Grundbedürfnisse unseres Leibes. Paulus sagt hier, inspiriert vom Heiligen Geist: Wenn du einen Feind hast, entdecke sein Grundbedürfnis und stille es.
Jemand fragte mich: „Wie soll ich mit meiner Sprachlehrerin umgehen?“ Wir haben andere Amerikaner im Team. Die Sprachlehrerin sprach etwas heftig, und es war sehr schwierig. Ich sagte: „Das Beste ist, du kaufst ein paar Blumen und bringst sie der Sprachlehrerin.“
Tu Gutes: Back jemandem einen Kuchen, kehre ihm das Treppenhaus. Im Schwabenland gibt es die Kehrwoche. Im Norden kennt man das vielleicht nicht so sehr, aber im Schwabenland kehren die Leute immer und alles. Kehr jemandem die Treppe, wasch jemandem das Auto, mähe den Rasen. Tu jemandem einen Liebesdienst, um zu zeigen, dass dir die Person wichtig ist. Tu etwas, das beweist, dass du die Person achtest – um Jesu Willen. Ein Dienst der Liebe.
Was ist ein Grundbedürfnis? Studiere die Person ein wenig. Was ist ihr Grundbedürfnis? Eine ältere Nachbarin zum Beispiel, die sehr quengelig ist und mit der es schwer ist auszukommen. Du stellst fest, sie ist einsam. Ihr Bedürfnis ist Gespräch. Geh mal hin, opfere zwei Stunden, schalte den Fernseher aus und schenke ihr zwei Ohren. Stelle fünfzig oder hundert Fragen und lass sie von der Vergangenheit erzählen. Sie braucht jemanden.
Ich garantiere: Plötzlich kommt ihr Verständnis entgegen, weil sie merkt, jemand gibt mir etwas, was ich dringend brauche! Wir leben in einer vereinsamten Welt.
Vor wenigen Wochen fuhr ich mit einem Polizisten Streife in unserer Gemeinde. Als ich um halb zehn abends an seiner Wachstelle ankam, zeigte er mir ein Buch mit Bildern von Dingen, die sie erleben. Ein Bild zeigte einen Mann, der ein Jahr lang tot in seiner Wohnung lag – die Leiche. Das ist grausam. So etwas kommt häufig vor in unserer vereinsamten Welt. Niemand kümmert sich um den Nächsten.
Leute brauchen dich, gerade dich! Jesu Liebe durch dich. Deine Familie, deine Oma, deine Eltern brauchen dich – gerade die Liebe Jesu durch dich, ausgelebt in praktischer Weise.
Ich überlege, mir einen Titel für ein Buch oder Büchlein auszudenken. Als Ausländer könnte ich das ohne Probleme tun. Wir haben einen Titel gefunden: „I love Germany“ – und das tue ich von Herzen.
Neulich wurde ich gefragt: „Roger, woher kommt diese Liebe?“ Die Antwort ist leicht: Ich habe dafür gebetet. „Herr, schenke mir Liebe ins Herz für dieses Volk.“ Er hat sie geschenkt, und sie geht nicht weg.
Das ist ein Problem für unsere Zukunft. Wenn wir weggehen, weiß ich nicht, was mit dieser Liebe passieren wird, die ich im Herzen trage für das Volk, in dem und unter dem wir so lange gelebt haben.
Ein zweites möchte ich kurz erwähnen: Ich habe entdeckt, dass viele einzelne Leute in Deutschland wenig Liebe in der Familie erfahren haben – vielleicht auch gerade du. Aber weil wir so lange hier sind und die Sprache können, weiß ich, was es bedeutet, dass Deutschland ein ungeliebtes Volk ist.
Meine eigene Tante sagte zu meiner Mutter: „Wenn Roger nach Deutschland geht, hast du ihn umsonst erzogen.“ Ich weiß, dass ich in der Schweiz besser behandelt werde, wenn ich Englisch spreche als Deutsch. In Frankreich werde ich besser behandelt, wenn ich Englisch spreche als Deutsch. In Holland ebenso.
Ich kenne euer Problem aus eigener Erfahrung. Die Vergangenheit ist da, ich habe sie selbst erlebt, obwohl ich kein Deutscher bin. Deutschland ist leider noch ein ungeliebtes Volk für manche.
Als ich das Problem 1982 ansprach, nahm ich einen jungen Mann aus Pforzheim mit in die USA für Reisedienst. Er traf uns in Kalifornien, wir waren bei meinen Eltern in Washington im Nordwesten und schließlich bei meiner Schwester in Ohio.
Am Samstagabend kamen wir ins Gespräch. Ich sagte: „Du, ich bin jetzt fast dreizehn Jahre in Deutschland oder vierzehn und habe bis jetzt noch nicht gehört, dass jemand sagt: ‚Ich habe Deutschland lieb.‘“ Wir sprachen eine gute Stunde oder anderthalb über dieses Thema. Es war weit nach Mitternacht, bevor wir das Licht ausschalteten und endlich Gute Nacht sagten.
Meine Frau war mit den Kindern zurück nach Deutschland geflogen, und wir waren noch einige Wochen alleine in den Gemeinden.
Am nächsten Tag, nach dem Gottesdienst, gab es ein gemeinsames Essen. Danach war eine Frage-Antwort-Runde. Die Leute erfuhren etwas über unseren Dienst und über Deutschland.
Eine Frage kam über Deutschland, und ich sagte zu meinem Freund: „Du, steh mal auf und beantworte die Frage.“ Er konnte gut Englisch. Er stand auf und sagte: „Ich müsste zigtausend Kilometer über einen großen Teich fliegen, um zu lernen, mein Land zu lieben.“
Ich wandte mich ab und weinte vor Freude. Es war das erste Mal, dass ich jemanden hörte sagen: „Ich liebe mein Land, Deutschland.“ Und zwar nicht aus nationalsozialistischer Liebe, das meine ich nicht, sondern aus geistlicher Liebe.
Ich bin dankbar, dass ich deutsch bin. Ich bin dankbar für meine Herkunft. Ich bin dankbar für das, was das Land mir gegeben hat.
„Du, genauso wenig wie ich kannst du deine Herkunft leugnen oder ändern. Jemand sagte einmal zu mir: ‚Oh, du bist Amerikaner.‘ Ich kann nichts dafür und auch nichts dagegen tun. Ich bin es, ich bin dort geboren, ich habe meinen Geburtsort nicht gewählt – genauso wenig wie du. Wir sind, was wir sind, weil Gott einen Plan hat und hatte. Leugne nicht, wer du bist, sei dankbar dafür.“
Weißt du, der Fleck in der jüngsten Vergangenheit Deutschlands muss auch verarbeitet werden. Vergib, wo es notwendig ist.
Ich habe auch einen Fleck in der Vergangenheit – manche große Flecken – meines eigenen Heimatlandes. Ich bin auf einem Indianerreservat groß geworden. Ich weiß um den Missbrauch der Indianer. Etwa die Hälfte meiner Schulklasse stammt aus Indianern – amerikanischer Sorte, nicht wie Daniel vorhin.
Ich weiß, was es bedeutet, mit einer Geschichte aufzuwachsen. Aber man verarbeitet die Geschichte und sagt: „Herr, ich vergebe, und um deinetwillen fange ich an zu lieben.“
Wie kann man, wenn man das eigene Volk nicht liebt, an die Weltmission denken? Liebe dein eigenes Land um Jesu Willen. Liebe dein eigenes Land als ein von Gott gewolltes und begabtes Land und Volk mit einer Geschichte, die Höhen und Tiefen hat. Sei dankbar für das, was du bist. Vergib, wo es notwendig ist für die Vergangenheit.
Ich bin dankbar für meine Herkunft. Sie ist nicht vollkommen. Amerika ist bei weitem nicht der Himmel. Wir freuen uns nicht unbedingt, wieder zurückzugehen, muss ich sagen. Wir würden am liebsten hierbleiben. Wir gehen, weil es einen Auftrag gibt zu erfüllen. Aber ganz ehrlich gesagt würden wir am liebsten hierbleiben.
Es wird nicht leicht sein, diese Umstellung zu machen, aber wir tun es, weil es ein Auftrag ist.
Bitte den Herrn um eine Liebe für dein Volk – um eine brennende, eifrige, evangelisierende Liebe für dein Volk, um Dankbarkeit für das, was du bist, und beginne, eifrig im eigenen Volk zu missionieren – um Jesu Willen.
Neulich wurde ich gefragt: „Wie kam deine Liebe für Deutschland?“ Ich sagte: „Ich habe dafür gebetet.“
Es war nicht immer leicht, hier zu sein, und wird auch nicht immer leicht bleiben.
Im Englischen gibt es einen Spruch über die Deutschen: „Die sturen Deutschen.“ Sturheit existiert wohl. Aber wisst ihr, was ich entdeckt habe? Sturheit unter der Leitung des Heiligen Geistes ist Entschlossenheit für Gottes Sache. Das ist fabelhaft!
Wenn ein Sturer vom Geist Gottes verwandelt wird, dann hält er durch, egal ob dick oder dünn. Preis den Herrn für Entschlossenheit! Sturheit ist nicht immer gut, aber Entschlossenheit, geführt vom Geist Gottes, ist wunderbar.
Lass das, was du bist, vom Geist Gottes bewohnt und beherrscht werden und sei dankbar dafür. Lass den Herrn dich in Brand setzen für seine Sache – für seine Sache in der deutschen Familie.
Ich bete um eine Erweckung der christusähnlichen Liebe in der Familie.
Heute Abend weiß ich, dass ihr hier seid. Eine Kassette ist hier und wird irgendwohin gelangen. Ich habe Leute kennengelernt, die Kassetten gehört haben. Vielleicht haben manche von euch diese Predigt schon einmal gehört. Leute haben von der Kassette gehört, sie weitergereicht und kopiert.
Ich habe mir vorgenommen, mit 85 Jahren darüber zu predigen, und wenn es eine One-Man-Campaign ist, mache ich, was ich kann – um Jesu Willen –, damit sich etwas in der deutschen Familie ändert.
Ich sehe als Außenseiter etwas, das mich bedrückt. Aber was mich am meisten erfreut, ist das, was Gott tut.
Der junge Mann, der 1987 die Leitung der Gemeinde in Stuttgart übernahm, als er in die Gemeinde kam – ich erinnere mich: Er war manchmal stur und hart, es gab dies und das, und wir haben miteinander gesprochen.
1985 haben wir einen zweistündigen Spaziergang gemacht. Ich fragte ihn: „Hat dein Vater dir je gesagt, dass er dich liebt?“ Er sagte: „Ja, einmal. Es war am Ende eines erhitzten Telefongesprächs, wo er sagte: ‚Du, und vergiss nicht, wir haben dich lieb.‘“ Er hat den Hörer draufgeschmissen. Es kam nicht mit der Zärtlichkeit heraus, die man sich wünschen würde, und es war nicht sehr glaubwürdig in der Freundlichkeit des Vaters.
Aber wisst ihr, was passierte? Wenige Monate später – Wochen vielleicht, ich weiß es nicht genau – kam der Vater zum Gottesdienst. Die Eltern sind gläubig. Er sieht seinen Vater kommen, begegnet ihm kurz in der Tür und umarmt ihn.
Das größte Wunder ist: Neulich, vor drei oder vier Wochen, waren seine Eltern wieder da, und sein Vater umarmte mich.
Was kann Gott tun!
Seine Liebe ist größer als jede Form von Hass und Ablehnung. Gottes Liebe ist größer, und er will in deine und meine Familie hinein. Er will mit dir beginnen – auch heute Abend.
Das, was du vielleicht tun musst, ist zunächst einmal vergeben. Ich weiß nicht, was deine Not ist. Ich kann es nicht vermuten und nicht ahnen. Ich kann von den Gesichtern nichts ablesen, und das ist gut so.
Aber wenn du weißt, dass du vergeben musst, dann vergib heute Abend.
Wenn du ein bisschen Stille brauchst, finde einen Platz, wo du ganz allein sein kannst – draußen oder in deinem Zimmer – mit deiner Bibel. Bete und vergebe.
Vielleicht könntest du heute Abend anrufen oder in den nächsten Tagen eine Karte schreiben oder, wenn du zurückkommst, planen, auf die Leute zuzugehen und zu sagen: „Vater, ich hab dich lieb. Mutter, ich hab dich lieb.“
Um Jesu Willen: Beginne in der Familie, in der du aufgewachsen bist, diese freundliche, tragende, vergebende und dienende Liebe Jesu zu zeigen.
I love you very much. Ich bin hier, weil ich euch liebe – um Jesu Willen.
Wir beten zusammen:
„Vater im Himmel, die Stunde ist spät, aber wir sind dir so dankbar, dass wir hier sein konnten und können. Wir bitten dich, dass du uns nicht nur in dieser Stunde begegnest, sondern in den darauffolgenden. Dass wir sehen, wie eine biblische, christliche Ehe und Familie funktionieren kann und soll und dass wir tatsächlich ein Stück Himmel auf Erden erleben in unseren Familien.
Danke für das, was du in diesen zwei oder drei Tagen vorhast und tun wirst. Danke, dass wir damit rechnen dürfen durch deinen Geist.
Herr, wir bitten um Erweckung in Deutschland. Um deinetwillen lass in unseren Gemeinden die Erweckung der geistlichen, biblischen, christlichen Liebe geschehen.
Ich bitte dich im Namen Jesu. Tu dies zu deiner Ehre und Verherrlichung allein.“
