Gemeinschaft und der Wille Jesu als verbindendes Element
Mir gefällt am Brüderbund besonders, dass er den schönen Namen der Bruderschaft unter Christen so betont. In einer Zeit, in der die Menschen immer herrischer werden und die Herren immer eigensinniger, sind uns die Brüder und Schwestern besonders lieb und wichtig. Es verbindet uns heute Mittag, dass wir gemeinsam hier sind.
Wir haben ja schon so herrliche Freizeittage zusammen erlebt, in einer unbeschreiblich schönen Gemeinschaft. Doch das, was uns wirklich innerlich verbindet, ist, dass wir uns ganz dem Willen Jesu verschrieben haben – ganz seinem Eigensinn.
Wenn ich heute zu Vorträgen komme, beobachte ich oft, dass vor allem junge Menschen nach der Bibelarbeit zu mir kommen und sagen: „Das ist alles schön, was Sie erzählt haben, und es war mir auch schon bekannt. Aber wie sieht das jetzt für mich ganz praktisch aus?“ Dann erzählen sie, wie sie vor einer schwierigen Berufsentscheidung stehen. Sie fragen: „Wie soll ich mich entscheiden? Was ist der Wille Gottes?“
Sie haben Probleme in der Familie, Fragen, ganz knifflige Fragen. Als Seelsorger steht man dann da und denkt: „Na ja, was soll man da raten?“ Gerade heute, wo junge Leute Schwierigkeiten haben, den richtigen Ausbildungsplatz zu bekommen oder eine Stelle zu finden, wo sie gebraucht werden, fragen sie: „Was ist der Wille Gottes?“
Dabei zeigt sich immer wieder, dass dies eine große Not, eine Verlegenheit ist. „Ich weiß den Willen Gottes nicht genau“, sagen sie. Es ist kompliziert. Ist das überhaupt etwas so Verrücktes? Der Wille Gottes könnte hier liegen oder ganz anders, wenn man im Detail sucht, was genau richtig ist.
Soll ich eine schwarzhaarige Frau oder eine blonde wählen? Soll ich einen Audi oder einen Ford kaufen? Was ist das Richtige für mich?
Liebe Schwestern und Brüder, ich hoffe, dass heute Mittag niemand hier in der Halle ist, der nachher wieder mit einer Fülle von Detailfragen kommt.
Die große Linie des göttlichen Willens
Uns geht es um die ganz große Linie, und mit dieser sind wir voll beschäftigt, bis wir gestorben sind: dass Gott seinen Willen klar gemacht hat für unser Leben. Was will er denn?
Ich hoffe, dass hier kein einziger in dieser Halle ist, der nicht ganz klar weiß, was Gott von ihm will. Nämlich, dass ich nicht mein Eigen bin, sondern das Eigentum meines getreuen Heilands Jesu Christi.
Man kann es gar nicht anders sagen. Ich möchte jeden bitten, der dazu neigt, immer wieder an kleinen Problemen hängen zu bleiben, sich an dieser Stelle nicht durch das Stolpern des Feindes zu Fall bringen zu lassen. Stattdessen soll er die große Linie sehen: Was ist der Wille Gottes in seinem Leben? Sonst nichts.
Man könnte sagen: Doch, das ist das Erste. „Gott will mich mit Haut und Haar.“ Gott will mich mit Haut und Haar.
Ich weiß nicht, woher das kommt, dass wir Christen immer gern das Extreme, das Außergewöhnliche lieben. Wenn wir den Ruf Jesu hören, überlegen wir, wie wir auf das Hochseil steigen können, um für Gott eine Sonderglanznummer hinzulegen. Ein Balanceakt großen Ranges, ein Schaustück, über das die Menschen reden.
Es ist schön, wenn wir für Gott etwas Großes erwarten. Aber, liebe Schwestern und Brüder, heute Mittag, wenn wir uns um den Willen Gottes bemühen und fragen, was das denn ist, geht es darum, dass Gott nichts anderes will als unser ganz normales tägliches Leben, das wir uns mit Haut und Haar ihm ausliefern.
Der wahre Gottesdienst im Alltag
Ich habe für heute Mittag eine Schriftstelle aus dem Römerbrief, Kapitel 12, Verse 1 und 2, gesucht:
Ich ermahne euch nun, liebe Brüder, bei der Barmherzigkeit Gottes, dass ihr eure Leiber hingebt als ein Opfer, das lebendig, heilig und gottwohlgefällig ist. Das sei für euch der wahre Gottesdienst. Im früheren Luthertext hieß es: Das sei für euch der vernünftige Gottesdienst.
Stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinns, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.
Es gibt also auch einen schlechten Gottesdienst, einen unvernünftigen. Natürlich. Man kann in einem Gottesdienst begeistert Lieder singen, beim Halleluja in die Hände klatschen und sich freuen – aber das Leben bleibt draußen. Der Leib wird nicht eingebracht. Das, was man nachher in seiner Familie und im Beruf erlebt, ist gar nicht mit dabei. Das ist ein unvernünftiger Gottesdienst.
Diese Gefahr bestand schon bei den ersten Christen. Darum sagt Paulus: Mach den wahren Gottesdienst, bring dein ganzes Leben mit ein.
Jetzt verstehe ich es von mir selbst so gut, warum manche junge Christen – und auch ältere mit dazu – sich gerne ein besonderes Schaustück heraussuchen und meinen, das sei der Wille Gottes, dass sie eine besondere Glanznummer hinlegen müssten. Wir genieren uns ja gut. Was kann ich denn Gott mitbringen mit meinem Leben? Wir sind nicht mehr die frischesten jungen Leute. Und wir haben so viele Schwierigkeiten in den Aufgaben, in denen wir stehen, in den menschlichen Beziehungen. Da kriselt es überall auch noch.
Dann besteht die Gefahr, dass Christen plötzlich große Worte machen.
Gottes Wille ist es, dass in deinem Leib, in deinem Körper, in deinen Berufsbeziehungen, in deiner Ehe und in deiner Familie Gott zum Herrschen kommt. Dass dies der Königsherrschaft Gottes übergeben wird.
Opfer im Alltag verstehen
Opfert euer Leben!
Wenn wir das Wort „Opfer“ hören, denken viele sofort daran, dass gleich jemand mit einem Teller herumgeht und man Geld in den Beutel geben muss. Oder wenn die Regierung von „Opfern“ spricht, meinen wir oft, dass die Kleinen zur Kasse gebeten werden, damit von unten nach oben umverteilt werden kann. So sind viele Opfervorstellungen geprägt.
Aber das, was Paulus meint, ist etwas ganz anderes. Niemand muss für Gott etwas mit einer hochmütigen Haltung auf den Tisch legen. Paulus sagt: „Durch die Barmherzigkeit Gottes ermahne ich euch.“ Das bedeutet, weil Gott so freundlich zu uns ist und es gut mit uns meint, hat Gott den Wunsch, dass deine Ehe von heute an vollständig neu wird. Dass du morgen, egal ob in der Schule oder am Arbeitsplatz, vor veränderten Bedingungen stehst.
Gott will, dass dein Leib von seiner Macht umgestaltet wird – dein persönliches Leben, deine depressive Seele, dein Gemüt, das manchmal so traurig ist. Mir gefällt, dass Gott unseren Typ so liebt, unsere Art. Jeder von uns hat eine ganz andere Veranlagung. Und oft passiert es, dass wir uns an einen „Sonnyboy“ klammern und denken: Wenn ich nur so wäre! So müsste man es machen, singen wie der, lachen wie der, alles so geschickt anpacken, reden wie der.
Aber Gott braucht meinen Typ. Er will mich gar nicht verformen. So, wie er mich geschaffen hat, mit meinen Gaben und Veranlagungen, will er mich haben. Er will mich nicht weghaben. Vielleicht bekomme ich jetzt Schwierigkeiten mit einigen, die schon besorgt sind. Ich möchte aber einige davon abhalten, nur wegen meiner Bibelarbeit heute Mittag nicht zur Bibelschule zu gehen.
Manchmal frage ich mich, ob es bei allen richtig war, die den Pfarrberuf ergriffen haben, die eine Bibelschule besuchten und sich einem christlichen Dienst verpflichteten. Vielleicht war gar nicht klar, dass ich mit meinen natürlichen Gaben an meinem Platz den Gottesdienst lebe – den wahren, den vernünftigen und eigentlichen.
Und genau da will Gott mich haben. Das ist sein Wille, da braucht er mich. Und das kann ich einbringen. Wie schlimm ist es, dass wir in unseren Versammlungen das oft verkümmern lassen und meinen, es gelte nur die Sprache der deutschen Theologen, wenn man die Bibel auslegt. Ich freue mich immer wieder, wenn junge Christen dazukommen – einer mehr oder weniger –, der eine etwas schroffe Zunge hat und die Bibel locker auslegt, aber aus brennender Liebe zu Jesus.
Solche Menschen bringen die Botschaft auf ihre Weise, in einem ganz anderen Stil, und bringen ihr Leben für den Herrn ein. Ich ermahne euch durch die Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber, eure Körper als Opfer hinzugeben – lebendig, heilig und Gott wohlgefällig. Daran hat Gott Freude.
An so ganz anderen Typen, die die Bibel anders auslegen, aber in der Treue beim Wort bleiben, die für Jesus brennen und beim Evangelium bleiben, aber in Form, Art und Gaben ganz anders sind – freuen wir uns doch mit, wenn sie heute Mittag alle mit dabei sind.
Was wird hier geschehen, wenn wir wieder hinausgehen und an unserem Platz das alles leben? Dann wird der Bereich, wo Jesu Königreich aufgerichtet ist und wo er in unserer Mitte wirken kann, zu einem Opfer, das Gott gefällt, an dem Gott Freude hat und zu dem er Ja sagt.
Er will uns mit Haut und Haar – das war das Erste – und das ist sein Wille.
Treue am Platz und Berufung
Jetzt sagt jemand: „Jetzt weiß ich erst nicht, ob er auf die Bibelschule soll.“ Dann antworte ich klipp und klar: Lebe zuerst einmal in großer Treue an deinem Platz. Danach können die anderen entscheiden.
Wir haben so viele Selbstberufungen. Wenn du in Treue deinen Leib als Opfer für Gott darbringst, dann werden einige andere Menschen in deinem Kreis aufmerksam. Sie werden Verantwortung übernehmen und sagen: „Dich kann Gott auch noch an einem anderen Ort gebrauchen.“
Lebe das Opfer wirklich! Darin liegt die Bewährung für uns alle. In der Bibel heißt es, dass man niemanden in ein Amt einsetzen soll, wenn er nicht zuerst an diesen Stellen das Opfer für die Königsherrschaft Gottes darbringen und darstellen kann.
Veränderung durch Erneuerung des Sinnes
Jetzt kommt ein zweites noch. Gott will, dass wir Jesus ähnlich sind. Das ist ein kühnes Wort. Da erschrickt man und möchte es gar nicht mehr richtig aussprechen: dass wir, ach, wir sind doch fehlbare, sündige Menschen, Jesus ähnlich werden sollen. Da steht ja, dass wir uns verändern müssten.
„Ändert euch durch Erneuerung eures Sinns, stellt euch nicht dieser Welt gleich, damit ihr prüfen könnt, was der Wille Gottes ist.“ Jetzt ist es also klar: Wir verstehen den Willen Gottes oft nicht richtig, weil wir keinen klaren Blick dafür haben. Zuerst muss bei uns eine Veränderung geschehen. Wir sollen uns nicht der Welt gleichstellen.
Es ist eine Tragik, dass, wenn wir das hören, automatisch ein „Aha“ in uns aufkommt, und wir denken, ich werfe ihm den Fernseher vor. Es mag gut sein, wenn Sie Ihren Fernseher wegwerfen – manchem wäre es höchst an der Zeit –, aber das meint Paulus nicht in erster Linie. Andere denken, man solle sich nicht der Welt gleichstellen und fragen sich: Darf ich zum Friseur gehen oder nicht, wenn ich Christ bin? Wie lang darf mein Rock sein? Welchen Musikstil muss man bevorzugen?
Merkwürdig ist, dass wir immer wieder so verkrampft sind, den Willen Gottes zuerst in diesen äußeren Formfragen zu suchen. Ich meine, dass Gott manchmal viel großzügiger ist, als wir denken. Das ist eine seelsorgerliche Frage, wie weit wir gehen dürfen.
„Stellt euch nicht dieser Welt gleich.“ Auch blinde Menschen, die keinen Fernseher schauen können, sind an diese Welt gebunden. Da wird umso mehr das Ohr zum Sinnesorgan, das uns bindet. Es ist nicht einfach so zu machen, dass man die Augenklappen vor der Welt herunterzieht und abblendet. Wo ist denn dieses „Gleichstellen mit der Welt“? Wo ist Gottes Wille so entgegengesetzt in meinem innersten Herzen?
Dort drin, weil mein Ich so bestimmend ist – auch bei bekehrten, wiedergeborenen Menschen – können wir oft den Willen Gottes gar nicht erkennen. Da können Sie zwanzig Seelsorger nacheinander befragen, und am Ende sind Sie noch unklarer. Sie müssen in sich selbst eine Veränderung bewirken, und das geht nicht durch äußere Abschottung von der Welt.
„Verändert euch durch Erneuerung eures Sinnes“ – was ist damit gemeint? An einer anderen Stelle heißt es bei Paulus, im Philipperbrief 2: „Ein jeder sei gesinnt, wie Jesus Christus.“ Das bedeutet: Ich soll in meinem tiefsten Inneren so empfinden wie Jesus in meinem Herzen. Aber wie macht man das? Was war das Empfinden Jesu?
Das ist ganz einfach zu verstehen und wunderbar beschrieben in Philipper 2. Jesus war von jedem kleinsten Stückchen menschlicher Geltungssucht frei. Ich bin das überhaupt nicht, ich bin sehr empfindlich. Und diejenigen in unserer Gemeinde, die immer so wehleidig und maulig sagen: „Niemand schaut nach mir, und ich bin immer verlassen“, die sind ja am meisten an ihr Ich gekettet. Und die anderen, die immer vorne glänzen wollen und vorwärts drängen, die sind genauso an ihr Ich gebunden.
Die Art des Sinnes Jesu war immer, den geringsten Platz einzunehmen. Nur so wird das Reich Gottes gebaut. Er entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an. Was will Gott von mir? Er will, dass ich den geringsten Platz einnehme und treu ihm diene.
Der Herr braucht Leute, die putzen und schaffen können und keine großen Sprüche machen. Wenn jemand sagt: „Ich weiß gar nicht, was der Wille Gottes ist. Soll ich diese Ausbildung machen oder jene?“ – dann gilt vor allem: Sei treu in deinen Verpflichtungen. Besonders bei jungen Christen passiert es oft, dass die Eltern vernachlässigt werden. Ich habe nichts dagegen, wenn jemand eine Berufung ergreift, wenn deutlich ist, dass der Herr ihn ruft, aber niemals unter Vernachlässigung der kleinen Pflichten.
Der Sinn muss darauf gerichtet sein, dass ich nichts für mich suche. Ich soll nicht fragen, wie andere mich lieb haben, sondern wo ich Liebe weiterschenken darf. Wo ist jemand, dem ich dienen kann? Das ist in Philipper 2 mit wenigen Strichen kurz skizziert: wie Jesus alles hineingibt in dieses Dienen.
Das sind nie sensationelle Dinge gewesen. Wer hatte nach einem Kranken gefragt, der schon seit 38 Jahren krank war? Jesus! Die Ärzte hatten gesagt, das sei doch Schutt, da sei nichts mehr zu machen. Jesus ging dorthin. Das ist die Chance der Christen, dass sie mit lauter hoffnungslosen Dingen arbeiten. Das ist der Wille Gottes, da liegt Segen drauf.
Dass ich Jesus ähnlich werde, denkt nicht immer gleich an Perfektion. In der Ewigkeit werden wir einmal Jesus gleich sein. In dieser Welt haben wir zu ringen mit unserem bösen, wilden, stürmischen Eigenwillen, der uns immer wieder vom Dienen abhält und der darauf achtet, wie ich erscheine.
Treue in kleinen Dingen und Demut
Als die Heilsarmee gegründet wurde, trat ein junger, promovierter Doktor in die Heilsarmee ein. Er war gespannt, wo man ihn mit seinen großen Redegaben einsetzen würde. William Booth, in seiner meisterhaften Art, sagte zu ihm: „Ich habe eine Aufgabe für Sie.“ Dann schickte er ihn hinunter, um die Schuhe der Kadetten, also der Jugendlichen, zu putzen.
Der junge Mann verstand auch, warum das so war. Deshalb singen wir oft: „Jesus, brich meinen Sinn.“ Wir suchen nach etwas, das in unseren Augen leuchtet und groß ist. Dabei vergessen wir oft die offenen Türen, die Jesus uns zeigt – Türen, durch die er uns segnen kann und wo er uns braucht.
Deshalb gibt es so viele, die vor den Aufgaben fliehen und sich in Sprüchen verstecken. Sie sind nicht treu im Kleinen.
Sie kennen sicher auch die oft erzählte Geschichte von John Mott, einem der großen Pioniere im Reich Gottes. Auf einer Studentenkonferenz wurde er in den Dienst Gottes gerufen. Damals war es gerade dieses Wort: „Trachtest du nach hohen Dingen, trachte nicht danach! Trachte vielmehr nach dem Reich Gottes und nach seiner Gerechtigkeit, dann wird dir das Übrige alles zufallen.“
Daraufhin gingen einige hundert Studenten an die verlassensten und unansehnlichsten Posten. Und Gott machte daraus etwas Großes. Da war das Eigene und das Wünschen erstorben: „Er brauche mich.“
Die Kraft, den eigenen Willen zu übergeben
Jetzt muss ich ehrlich sagen: Da möchte man resignieren und sagen, dass man heute Mittag beim Brüderbundtreffen wie ein begossener Pudel nach Hause geht. So fühlt es sich an, als ob man das gar nicht schafft. Deshalb ist es gut, wenn wir jetzt noch das Dritte hören. Jesus will uns stark machen.
Manchmal kommt es uns so vor, und wir haben es auch so empfunden, als würde Jesus uns den Willen brechen. Das ist furchtbar! Denn der Wille ist ja das Innerste unserer Persönlichkeit. Schiller sagt in Wallenstein, dass der Menschenglück darin besteht, entschlossen planen zu können und vorwärts zu gehen.
Wenn wir das aufgeben sollen, schrecken viele bei der Bekehrung zurück. Sie greifen lieber nach diesem süßen Bombo: „Nimm Jesus, deine Sorgen sind weg.“ Aber wenn es dann wirklich darauf ankommt, dass irgendwo etwas bei mir gebrochen wird, und Jesus konkret über meine Lebensbereiche seinen Willen draufschreibt, dann erschrecken wir zurück.
Darf ich einfach darum bitten: Es geht nur um eine Erkenntnis. Wenn wir in unseren eigenen Willensplanungen bleiben, sind wir unbrauchbar für Gott und seinen Dienst – von Anfang bis Ende. Gott will uns nicht willenlos haben, sondern er will uns mit einem unbeugsamen, festen Willen haben.
Er will, dass wir im Sturm stehen, ohne verrückt zu werden, ohne zu wackeln oder zu wanken. Er will, dass wir eine feste Position bekommen, unabhängig vom Urteil der Menschen. Wenn wir unseren eigenen Willen prüfen, merken wir, dass er manchmal sehr launisch ist und stark von unseren Gefühlsregungen abhängt.
Darum ist es gut, einmal an der irdischen Gestalt Jesu dies zu prüfen. Wir haben oft gar nicht begriffen, was das Ausliefern des eigenen Willens an den Willen Gottes bedeutet.
Ich möchte vor Ihrem geistigen Auge noch einmal diese Szene malen, als Jesus in Gethsemane auf den Knien liegt. Der Schweiß läuft ihm herunter. Haben Sie auch schon einmal solche Not erlebt? „Vater, wenn es möglich ist, lass doch meinen Willen.“ Und dann: „Nein, Vater, wenn es nötig ist, will ich mich deinem Willen untertan sein lassen.“
Wir wollen heute Mittag nicht so tun, als ob es eine leichte Sache wäre, wenn es heißt: „Dein Wille geschehe.“ Das geht durch Zittern und durch Zagen. Die Jünger haben alle in dieser Stunde geschlafen, weil sie nichts begriffen haben. Sie sagten: „Wir werden heute Nacht Großes für Jesus tun.“ Aber sie haben nicht begriffen, dass sie das in eigener Willenskraft gar nicht durchstehen können.
So kann man für das Reich Gottes nicht wirken. Den Willen Gott zu überlassen, ist immer ein schweres, schmerzliches Opfer. Ich weiß, wie es heute Mittag durch viele hindurchgeht, wenn sie ihren Willen abgeben sollen und sagen: „Brich den eigenen Sinn!“
Nur dein, nur dein vollkommener Wille sei für mich Schranke, Ziel und Bahn. Wir singen oft: „Nur dein, nur dein vollkommener Wille sei für mich Schranke, Ziel und Bahn. Ich will mich nur von deinem Willen leiten lassen.“
Vertrauen auf Gottes guten Willen in schweren Zeiten
Darf ich an einem Beispiel zeigen: Man wurde mit Friedrich Hensler ins Bürgerhospital gerufen, als ein junger Freund vom Brüderbund im Sterben lag. Er hatte Leukämie und den Wunsch, dass wir über ihn beten, gemäß Jakobus 5. Wir mussten ihm sagen, dass wir den Willen Gottes nicht bedrängen wollen. Wir wollen es Gott ganz überlassen und nicht so tun, als könnten wir Gott noch einmal umstimmen.
Da kann ich selbst kaum mehr, da geht mir auch die Kraft weg, wenn jemand da liegt und um sein Leben kämpft – und die Familie ist dabei. Den Willen Gottes hineingeben – das ist die Frage. Hat Gott überhaupt einen guten Willen für mich? Was plant er denn? Ist Gott nicht doch einer, der uns an der Nase herumführt? Will er nicht nur unser Verderben? Liebt er uns?
Liebe Schwestern und Brüder, Sie können sich in der großen Not Ihres Glaubens immer nur ans Kreuz Jesu hinhalten. Gott hat seinen Sohn für mich geopfert, das weiß ich.
Und jetzt möchte ich Ihnen gern von großen Pionieren des Reiches Gottes erzählen, wie sie hinausgezogen sind in die Mission. Sie hatten keine Vorstellungen, keine Modelle und keine Schemata, nach denen sie arbeiteten. Sie hatten sich nur vollständig Jesu Willen verschrieben.
Ein Ludwig Nommensen hat 15 Jahre gearbeitet, und keiner hat sich bekehrt. Haben Sie so eine Ausdauer in Ihrem Dienst? Oder lassen Sie sich von jedem Modetrend, von jedem Schwätzen rechts und links umwerfen? Sie müssen doch im Willen Gottes ruhen!
Gott will mich hier an meinem Platz! Gott will mein Leben und will daraus etwas machen für sein ewiges Reich. Dann bin ich doch fröhlich und zuversichtlich!
Ermutigung zum Vertrauen und zur Hingabe
Wir haben in diesem Lutherjahr den Römerbrief gründlich durchgearbeitet. Ich möchte jeden ermutigen, das einmal zu versuchen. Es war erschreckend, was im Lutherjahr im Zuge der sogenannten Lutheritis alles verbreitet, geredet und in Vorträgen behandelt wurde.
Ich halte es für sehr wichtig, wieder dort anzufangen, wo Luther sein Evangelium und seine Erneuerung der Kirche gefunden hat. Wenn man dort sucht, wird deutlich, wie es bereits beim Apostel Paulus am Anfang seines Briefes war: Seine ganzen Reiseplanungen kommen überschwänglich aus seinem Herzen, immer nach Gottes Willen.
Paulus sagt: Wenn es sich von Gott her zuträgt, will ich es tun, nichts Eigenes mehr. Es ist ein sorgfältiges Fragen, eine Offenheit für Gott. Nicht dieses grubenhafte, verborene Grübeln über die eigenen Probleme und die Frage: Was ist Gottes Wille in meinem Leben? Sondern ein freies Leben.
Gott weiß, wie er es macht. Wenn die Schiffsverbindungen nicht klappen, nehme ich es aus seiner Hand. Wenn mir die Wege versperrt sind, wenn eine Krankheit dazwischenkommt oder ich drei Jahre unschuldig im Gefängnis sitze, bleibe ich gelassen. Gott weiß, was er will. Er wird mich gebrauchen – an jedem Platz, wo auch immer.
Ich bin so sicher: Er hat eine gute Strategie und eine enorme Personalplanung.
Zum Schluss möchte ich Sie bitten, den Willen Gottes nicht nur in einigen wenigen Brennpunkten Ihres Lebens zu sehen. Betrachten Sie dieses riesengroße, weite Feld. Gott schenkt uns diesen Tag, unsere Lebenskraft, die vielen Gaben, Geld und Gut, die er in unsere Hand legt.
Sie dürfen über all dem Gottes Willen ausrufen und sagen: Für dich, Herr, will ich verbrauchen, einsetzen, umtreiben, wirtschaften.
Eine Fülle von Diensten und Möglichkeiten steht uns offen. Ach, wenn ich hundert Hände hätte, um all das zu bewegen, was jetzt wichtig ist – all die vielen Gaben auszunutzen!
Gott will, dass Sie fröhlich an Ihr Werk gehen und Ihr Leben in den Dienst geben – heiligend für den Herrn.
Das herrschende Leben in der Gnade Gottes
Am Ende möchte ich Sie darauf hinweisen, wie Paulus in seinem Römerbrief, Kapitel 6, einen eindrucksvollen Vergleich benutzt. Er sagt nämlich: Genauso wie in eurem Leben bisher die Sünde geherrscht hat zum Tode – wissen Sie doch, wie das war mit der Sünde bis zum heutigen Tag – so soll nun die Gnade durch die Gerechtigkeit zum ewigen Leben herrschen.
Jetzt soll etwas Neues beginnen: Die Macht Jesu wird in unserem Leben so bestimmend sein, dass sie herrschen wird. Wissen Sie überhaupt noch, was „herrschen lassen“ bedeutet? Da müssten Sie mal ein paar Tage bei den Scheichs am Persischen Golf zuschauen, um zu sehen, was „herrschen lassen“ heißt. Die leben in vollen Zügen!
So ergreift Jesus die vielen Möglichkeiten unseres Lebens. Es ist kein skrupelhaftes Fragen nach dem Willen Gottes, sondern ein fröhliches, herrschenlassendes Erleben der Gnade. Jesus braucht mich, er erneuert mich und gibt mir seinen Geist.
Denken Sie jetzt bitte nicht, dass Sie das einfach so könnten. Das können Sie auch nicht. Man kann nicht einfach von hier weglaufen und sagen: „Machen wir’s, also gut, ihr hört, machen wir.“ Bei solch einem Bostagstreffen darf man sagen: Herr, ich sehe so viel Falsches. Ich habe es im guten Willen angepackt, aber es war verkehrt. Ich stehe unter deinem Kreuz.
Ich vermag alles durch den, der mich mächtig macht, Christus. Du sollst mein Chef sein, du sollst in meinem Leben regieren. Die Welt will mich ausliefern, und das kann man gar nie genug tun. Und mit dem Evangelium sind wir noch lange nicht am Ende.
Es geht nicht um ein verkrampftes Zusammenreißen und die Frage: Was ist der Wille Gottes? Jesus, du bist morgen da, du redest durch dein Wort. Du hast mir Schwestern und Brüder zur Seite gegeben, die mich kritisieren und mir raten. So darf ich deinen Willen entdecken, vielfach. Ich darf die Ohren aufmachen und hören.
Ich will die ganze Weite entdecken und alles einbringen. Meinen Typ will ich einbringen, meine Sinne, mein Herz, mein Gefühl – ich will alles für dich einbringen. Aber dass du daraus etwas machen kannst, das will Gott. Er will sie. Und er ruft sie. Das ist so eindeutig: Mit ihnen will er es, in ihnen will er mächtig sein.
Und dann vermögen sie es auch. Amen.
